Sonntag, 27. August 2023

Tamar Haspel und der Rat meiner Großmutter

Mein Gewicht heute früh: exakt 80 Kilogramm. Nachdem ich gestern nach dem dreitägigen Fastenintervall enttäuschende 79,2 gewogen hatte, relativiert sich die Sache mittlerweile wieder, denn ich bin gewichtstechnisch ja nur einer Kombination aus hitzebedingt höherem Gewicht und einem - möglicherweise auch hitzebedingt - heftig angeschwollenen, geröteten und schmerzenden Knöchel am rechten Fuß zum Opfer gefallen. Da die Bullenhitze vorbei ist und auch der Knöchel sich (hoffentlich auf Dauer) deutlich beruhigt hat (ich sollte freilich darauf achten, nicht zu viel und vor allem nicht zu lange zu sitzen, das mag er im Moment nicht), renne ich seit letzter Nacht gefühlt pausenlos aufs Klo, weil mein innerer Wasserspeicher sich gerade für überfüllt hält.

Dieser Anpassungsprozeß ist vermutlich noch nicht beendet (jedenfalls drückt die Blase schon wieder), also nehme ich es gelassen, daß ich heute ca. 600 Gramm mehr wiege als zum selben Zeitpunkt nach dem letzten langen Fastentintervall im Juli vor dem Urlaub. Ich schätze, in zwei Wochen hat sich alles wieder soweit normalisiert und das erste lange Fastenintervall im September bringt einen ordentlichen Gewichtsrutsch.

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Eine eloquente Vertreterin der Kalorienlogik ist nicht erst seit gestern die US-Wissenschaftsjournalistin Tamar Haspel. Vor ein paar Tagen schrieb sie in der Washington Post ein weiteres Mal darüber, warum es bezüglich des Körpergewichts eben doch auf die Kalorien ankomme:

All calories are the same, and the only way to lose weight is to burn more of them than you absorb, but nothing good happens if you go out in the world and say that out loud.

An mehreren anderen Stellen ihres Text schrieb sie dann aber wieder etwas, das genau das Gegenteil auszudrücken schien. Beispiel:

All calories are equal? Not to your microbiome.

Es folgen Ausführungen darüber, warum tatsächlich verschiedene Arten von Lebensmitteln eine höhere oder niedrigere Verbrennung zur Folge haben sollen. Das sei jedoch kein Grund, sich nicht auf Kalorien zu konzentrieren, wenn man sein Körpergewicht über die Ernährung steuern (Anmerkung von mir: also in der Regel reduzieren) möchte, denn dazu seien diese Effekte zu gering. 

Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung, aus welchem Grund es Frau Haspel geboten schien, in diesem Artikel zum aktuellen Zeitpunkt zu wiederholen, was schon seit Jahr und Tag ihre Meinung dazu ist, denn letztlich bringt er in der Sache keine neuen Argumente. Auch Marion Nestle, die Wissenschaftlerin, die sie als Kronzeugin heranzieht, schrieb ihr Buch "Why Calories count" schon vor über zehn Jahren. Es sei denn, Frau Haspels Intention lag darin, den übergewichtigen Teil ihres Lesepublikum davor zu warnen, bloß nicht auf kalorienunabhängige Abnehm-Theorien umzusteigen. Das ist meinem Eindruck nach das einzig Neue, daß sie nämlich das Modell, das sie für richtig hält, für irgendwie ernster als früher bedroht hält. 

Ich wünschte, ich wäre überzeugter davon, daß sie damit recht hat.

Was die Verbreitung solcher Ernährungstheorien betrifft, verbreitet Haspel meiner Meinung nach einstweilen nur Verschwörungstheorien, wenn sie beispielsweise en passant Unterstellungen wie die in der folgenden Frage an die Ernährungswissenschaftlerin Marion Nestle in ihren Text einflicht:

Why, I asked Nestle, are people so resistant to the fact that calories are central to weight loss?

“Because you can’t see them,” she said. “And you also can’t count them.”

In Wirklichkeit ist es nämlich nur eine winzige Minderheit der Leute, die eine ausschließliche oder überragende oder mindestens wichtige Rolle der Kalorien bei der Kontrolle des Körpergewichts ernsthaft anzweifelt. Das einzige, was meinem Gefühl nach zugenommen hat, ist der Anteil der Abnehminteressierten, die schon einmal von solchen Theorien gehört haben. Falls mich da der Schein nicht trügen sollte, wäre das immerhin eine kleine gute Nachricht, denn dies ist eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende Voraussetzung dafür, wirklich an den Punkt zu kommen, vor dem sich Frau Haspel aus irgendwelchen Gründen so fürchtet.

Ich gehöre der winzigen Minderheit an, die die Kalorien tatsächlich für marginal bis möglicherweise völlig bedeutungslos hält, deshalb weiß ich auch, wie selten man im richtigen Leben - ob nun unter Fachleuten oder unter Laien - auf Leute trifft, die meine Überzeugung teilen. Aber auch im Web, wo man in den sozialen Medien echte Chancen hat, auf sie zu treffen, sind sie gegenüber der "Weniger essen, mehr bewegen"-Fraktion eindeutig in der Minderheit. Nur dort, wo diese Minderheit dazu motiviert wird, jemandem zu widersprechen - wie etwa in den Kommentaren unter Frau Haspels Artikel - wirkt es manchmal ein bißchen, als wäre die Kalorienfrage eine, die die Meinungs-Welt ähnlich wie Trump oder Brexit in zwei ungefähr gleich stark vertretene Teile teilt, wie dies Frau Haspel auf Twitter dann prompt behauptete

Tatsächlich werden nämlich auch die meisten Gewichtsreduktionsmethoden, die nicht zwangsläufig kalorienbasiert angewandt werden müßten, meist dennoch damit kombiniert. Das ist ja auch kein Wunder, wenn man sich vor Augen hält, daß nur ein Bruchteil der Ernährungsfachleute sowie ganz oder teilweise damit verbundenen medizinischen Berufe auch nur den Hauch eines Zweifels an der Rolle der Kalorien hat. Irgendwo las ich mal ein Interview mit einem bariatrischen Chirurgen, der erwähnte, daß die Abnahme nach einer Magenverkleinerung sich nur zum Teil damit erklären ließe, daß weniger Nahrungsenergie zu sich genommen werde. Aber das scheint in seinem Fachgebiet eine Ausnahmeeinschätzung zu sein, denn egal, wo man sucht, überall wird die Wirkungsweise eben doch mit der reduzierten Aufnahmefähigkeit des Magens und der damit zwangsläufigen Kalorienreduktion begründet.

Spontan fällt mir aber ein medizinischer Fachbereich ein, in deren Mainstream die Rolle der Kalorien inzwischen de facto in Frage gestellt wird: die Onkologen. Deren Warnung davor, als Krebspatient auf eine ketogene Ernährung umzusteigen, wird fast ausschließlich damit begründet, daß sie zu einer Gewichtabnahme führt, was aber für einen Krebspatienten gefährlich sei. Grundlage dieser Warnung sind Studien, die diese Abnahme belegen ... und mindestens eine davon belegte auch ausdrücklich, daß es sich bei ihren Patienten um eine kalorienunabhängige Abnahme handelte. Im Prinzip ist das aber auch in den anderen Studien anzunehmen, denn bei Krebs im fortgeschrittenen Stadium widerspräche es dem State of the Art ganz erheblich, die Patienten versehentlich oder gar mit Absicht in ein Energiedefizit laufen zu lassen. Gewichtsabnahmen waren deshalb in diesen Studien ein eigentlich unerwünschter Effekt. Sie waren aber trotzdem die Regel.

Es kann natürlich gut sein, daß außer mir bislang niemandem aufgefallen ist, daß die Warnung von ketogener Ernährung bei Krebs, weil man mit ihr eine Gewichtsabnahme riskiert, implizit eine Anerkennung eines kalorienunabhängigen Abnahmeeffekts ketogener Ernährung darstellt. So, wie auch bei Kevin Halls beiden Vergleichen jeweils zweier Ernährungsweisen - hochverarbeitet vs. unverarbeitet und Low Carb vs. Low Fat - außer mir niemandem, nicht einmal dem Autor selbst, auffiel, daß die Wirkung einer sehr ähnlichen Kalorienmenge bei Low Carb zu einer Abnahme, aber bei hochverarbeiteten Lebensmitteln zu einer Zunahme führte. 

Beschränkt man sich darauf, strikt nur jede dieser beide Studien für sich alleine zu betrachten, also etwa nur Low Carb und Low Fat miteinander zu vergleichen, dann ergibt sich genau das, was Kalorienlogiker erwarten: Mit Low Fat wurden weniger Kalorien verzehrt und es wurde mehr abgenommen als mit Low Carb. Schlußfolgerung: Das lag an den Kalorien. Sobald man aber alle vier untersuchten Ernährungsarten miteinander vergleicht - und das kann man, da das Studiendesign beider Studien identisch ist -, erkennt man sofort, daß die Kalorienmenge bei Low Carb auf das Körpergewicht eine ganz andere Wirkung hatte als bei den hochverarbeiteten Lebensmitteln.

Wie war das also noch gleich mit "All calories are equal"?

Daß beide Fälle vor mir niemandem aufgefallen zu sein scheinen, zeigt ziemlich eindeutig: Fast niemand zieht die Bedeutung der Kalorien in Zweifel. Außer Leuten wie mir natürlich, die das unwahrscheinliche Glück hatten, auf eine so bescheuerte Weise abzunehmen zu versuchen, daß kein vernünftiger Mensch die Sache so angefangen hätte, und die dabei die praktische Erfahrung gemacht haben, daß es in ihrem Fall tatsächlich nicht auf die Kalorien angekommen sein konnte.

Also noch einmal meine Frage: Wieso baut Tamar Haspel in dieser Sache gerade jetzt diesen absurden Pappkameraden auf? Es ist schlicht nicht wahr, daß die Leute vom Glauben an die Kalorien abgefallen seien. 

Worauf die Journalistin aber vor allem die Antwort schuldig bleibt: Was ist aus ihrer Sicht eigentlich für ihre Leser so wichtig daran, bloß nicht vom Glauben an die Kalorienlogik abzufallen? Vor welchem gräßlichen Schicksal glaubt sie, sie damit bewahren zu können?

Seit Jahrzehnten ist die Kalorienlogik ja das wissenschaftlich gültige Erklärungsmodell dafür, wie das Körpergewicht reguliert werde. Für fast jeden, der auf dieser Wissensgrundlage wirklich sein Gewicht zu regulieren versuchte, hat es dabei aber in der praktischen Anwendung versagt. Auf gesellschaftlicher Ebene drückt sich dies in einem weltweiten starken Anstieg der Adipositas und in deren Schlepptau der zugehörigen Folgenkrankheiten aus, der schon jetzt ein Problem für die Gesundheitssysteme der hauptbetroffenen Länder ist und dort wie anderswo ein noch größeres Problem zu werden verspricht, und zwar ein umso schlimmeres, je länger es ungelöst bleibt. Auf der jeweiligen persönlichen Ebene führt es mit jeder neuen kalorienbasierten Diät dazu, daß man sich als Versager erlebt. 95 Prozent aller Diäten scheitern. Und die Mehrheit der Gescheiterten erlebt dies als ein persönliches Versagen mit einer Methode, die an sich richtig ist und auch bei ihnen selbst ohne das persönliche Versagen gewirkt hätte. 

In welchem anderen Bereich würde man sich mit einer solchen Erklärung für einen so hohen Prozentsatz Scheiternder zufriedengeben? 

Aber gerade dieses kollektive Scheitern, wie auch immer Frau Haspel es sich erklären mag, macht ihre Botschaft noch irritierender. Denn welchen praktischen Nutzen, sei es persönlich für eine Leserin, sei es gesellschaftlich, verspricht sich Frau Haspelt eigentlich von ihrem hemdsärmeligen Einsatz zugunsten der Kalorienlogik beim Abnehmen? Denn noch erfolgloser als das etablierte Modell könnte schließlich keines der anderen Modelle sein.

Tatsächlich gibt Tamar Haspel das in ihrem Text sogar ausdrücklich zu:

Look at the meta-analyses, which try to make sense of the body of evidence, and find one where a particular kind of diet outperforms others long-term by more than a few pounds.

Näher betrachtet, heißt das vor allem, daß eine nicht kalorienbasierte Abnahmemethode auch nicht schlechter als eine kalorienbasierte wirkt. Mit anderen Worten: Sogar dann, wenn sie damit recht haben sollte, spricht in Wirklichkeit die Erfolgsbilanz der Kalorienlogik nicht dafür, keinesfalls von ihr abzurücken. Allermindestens hat man mit anderen Herangehensweisen keine schlechteren Ergebnisse, also auch kein noch gräßlicheres Schicksal, zu erwarten.

Aber hat sie wirklich recht?

Die Antwort darauf findet man, wenn man fragt, was genau sie eigentlich mit "long-term" meint. Hier muß ich jetzt raten, denn die Journalistin verrät nicht, was für Meta-Analysen sie meint. Ich tippe aber darauf, daß vor allem die noch ziemlich neue Cochrane-Übersichtsarbeit gemeint war, die ich vor ein paar Monaten in einem Blogartikel kritisch unter die Lupe genommen habe. 

Besagte Arbeit enthält mehrheitlich Studien mit einer Dauer von unter einem Jahr; nur die längsten - sechs Stück genau - umfaßten zwei Jahre. Das also wäre dann von ihr mit "long term" gemeint. 

Nur, diese Definition hat in der Praxis einen Aussagewert von exakt null.

Weniger als fünf Jahre als Grenze zu "long-term" ist sinnloses Zahlen-Abrakadabra ohne praktischen Nutzen in der Real-world-Anwendung, und zwar deshalb, weil die Abnahmeerfolge zum größten Teil in den ersten sechs Monaten entstehen. Im Anschluß an eine darauf folgende Plateauphase beginnt erst nach etwa einem Jahr bei der Mehrheit aller Teilnehmer einer Studie der zu erwartende Prozeß einer Wiederzunahme, der sich über etliche Jahre hinwegziehen kann. Die einzigen Studien, die wenigstens eine Ahnung von einer "long term"-Wirkung bieten könnten, sind deshalb die sechs Studien, die immerhin zwei Jahre lang dauerten. Die Meta-Analyse als solche kann man aber getrost in die Tonne treten.

Wird "long-term" als "mindestens fünf Jahre" definiert, gibt es  insgesamt so wenige Studien, daß natürlich speziell für Low Carb oder Intervallfasten mit der Laterne nach ihnen gesucht werden muß. Ich bin mir im Moment nicht einmal ganz sicher ob es überhaupt schon eine gibt, Leider ist ja auch Virta uns bislang die Studie über die Fünf-Jahres-Ergebnisse bislang schuldig geblieben; das liegt vermutlich daran, daß trotz der vorgeblichen Begeisterung diese Ergebnisse in einer Pressemitteilung für das Unternehmen enttäuschend gewesen sein müssen.

Tamar Haspel hat die Schwachstelle der von ihr aus welchen Gründen auch immer so bekämpften Ernährungs-Häretiker gut erkannt. Deren Theorie läßt sich in ihrer derzeitigen Form wohl nicht aufrechterhalten; wäre es anders, dann müßten die oft geradezu spektakulären Anfangsabnahmen, die von Virta bis Dr. Fung so viele dazu bewogen, insulinbasierte Abnahmemodelle aktiv zu promoten, sich dauerhaft fortsetzen lassen, und das ist nicht der Fall. Das ist natürlich peinlich, nachdem man sich so weit für seine Theorien aus dem Fenster gelehnt hat. Es bedeutet aber nicht, daß die Theorie falsch sein muß. Ebensowenig spricht es dafür, daß man von vornherein auf dem falschen Dampfer war und gleich bei den Kalorien hätte bleiben können. Vielmehr müßten die Fehler und Lücken in der Hormon-Theorie gefunden werden. Meiner Meinung nach - und hier orientiere ich mich ausschließlich an meiner persönlichen "Anekdote" - ist es ein einziger fehlender Faktor, der den Durchbruch bringen müßte. Die Wissenschaft - der Mainstream wie auch die Außenseiter - forschen an diesem Faktor hartnäckig vorbei, obwohl eigentlich kaum mehr als ein einziger gedanklicher Schritt dafür nötig wäre, auf ihn zu stoßen. 

Für den "Kalorien-Output", also den Bereich Bewegung, hat Herman Pontzer schließlich bereits belegt, daß sich der Stoffwechsel an Veränderungen anpaßt. Daß er parallel dazu auch behauptet, beim Input, der Ernährung, geschehe hingegen nichts dergleichen, ergibt angesichts dessen aber wenig Sinn. Es ist doch derselbe Stoffwechsel. Warum sollte er sich beim Umgang mit Input und Output dann aber nicht auch auf dieselbe Weise verhalten? 

Die Anpassungsmechanismen des Stoffwechsels sind der übersehene Faktor in der Ernährungsfrage. Sobald man dessen Existenz man zur Kenntnis nimmt, sollte es auch möglich werden, für den Umgang mit ihm Lösungen zu entwickeln, von denen irgendwann auch welche funktionieren würden ... so, wie meine Abnahme ja auch nach über sechs Jahren weiter funktioniert. Was daran hindert, diesen Faktor wahrzunehmen, ist militantes Nichtwissenwollen in Wissenschaft und Wissenschaftsjournalismus. 

Leuten wie Tamar Haspel oder Herman Pontzer fehlt im Gegensatz zu mir "Skin in the Game": Ihr Interesse an einer Anwendung, die in der Praxis so wirkt, wie sie es in der Theorie tun müßte, ist längst nicht so groß wie meines. Die Theorie ist das goldene Kalb, das sie umtanzen, während rings um sie herum real existierende Menschen an der auf ihrer Theorie beruhenden praktischen Anwendung verzweifeln. Ich finde es geradezu niederträchtig, wie Haspel sie daran zu hindern versucht, statt dieser Anwendungen es mit etwas anderem zu versuchen.

Wenn ich könnte, würde ich Tamar Haspel auf der Stelle zehn nicht mehr abzuschüttelnde Zusatzkilos an den Bauch anhexen. Und Herman Pontzer natürlich auch - bei ihm fände ich es aus praktischen Erwägungen heraus sogar noch nützlicher. Das würde ihn dank des Faktors "Skin in the Game" nämlich bestimmt ausreichend motivieren, den Ursachen mit Fokus auf tatsächlich meßbarer Wirkung auf den Grund zu gehen.

Kann aber gut sein, daß der Pontzer hundert Jahre alt wird, ohne den Midlife-Bierbauch entwickelt zu haben, und bis zu seinem letzten Lebenstag selbstzufrieden denkt, seine Figur sei ein Beweis dafür, daß er immer alles bei der Ernährung richtig gemacht habe und Leute mit höherem BMI es nur hätten genauso machen müssen. So, wie meine Großmutter mich nach meiner ungewollten Schwangerschaft auch ganz selbstzufrieden darüber aufgeklärt hat, was ich hätte machen müssen, um nicht schwanger zu werden; meine Großeltern hatten nämlich zu ihrer Zeit, sicherlich auch mangels Alternativen, die gute alte Rückzieher-Methode zur Familienplanung verwendet und bei ihnen hat sie tadellos funktioniert.

Wer Tamar Haspels Rat folgt, der riskiert meiner Meinung nach ein ähnliches Ergebnis, wie ich es zu erwarten gehabt hätte, falls ich dem Rat meiner Großmutter gefolgt wäre. 



Montag, 21. August 2023

Was haben die Anatolier je für uns getan ...? ;-)

Mein Gewicht heute früh nach Ende meines Urlaubs und zu Beginn des am Dienstag für einen außerplanmäßigen Eßtag unterbrochenen viertägigen Fastenintervalls: 83,3 Kilogramm. Eigentlich hatte ich auf eine 82 vor dem Komma gehofft, aber bei der Affenhitze der letzten Tage hatte ich das im Grunde bereits vorgestern (81,8 Kilogramm) in den Kamin geschrieben. Jetzt bin ich mal gespannt, ob die Gewichtsschwankungen so heftig wie an den Fastentagen der letzten Woche ausfallen werden und wo ich am Samstag früh gelandet sein werde. 

Interessant bezüglich neuer Tiefstgewichte wird die Sache sowieso erst in zwei Wochen, wenn ich mein erstes reguläres langes Fastenintervall nach dem Urlaub einlegen werde. Vier Fastentage am Stück haben nun einmal eine andere Wirkung als vier Fastentage mit einer oder mehreren Unterbrechungen, auch wenn man das einem Kalorienlogiker kaum verklickern kann.

Ich bin aber allmählich angenervt davon, daß mir im Oktober und November schon wieder Feiertage in meine langen Fastenintervalle reingrätschen. Weil mir das bereits den gesamten Mai versaut hat, denke ich darüber nach, ob ich am Tag der deutschen Einheit und an Allerheiligen diesmal ausnahmsweise doch fasten soll. Immerhin befinde ich mich auf der Zielgerade der letzten zehn von insgesamt 73,5 abzuschüttelnden Kilos und möchte nächstes Jahr um diese Zeit bereits komfortabel im Haltestadium sein. Feiertagsunterbrechungen passen mir gar nicht ins Konzept.

Nun ja, endgültig entscheide ich das wohl in den Tagen vor diesen beiden Feiertagen. Falls meine Abnahme ansonsten nach Plan laufen sollte, nehme ich die erneute Unterbrechung eben doch in Kauf. Falls ich aber fasten sollte, dann vermutlich am ehesten, falls ich den Feiertag ad hoc in einen Arbeitstag umwidmen kann, sprich: ich sowieso eine Menge Arbeit habe, die ich dann eben zeitlich umgruppiere. 

Mir wird es immer ein Rätsel bleiben, warum die meisten Leute gar nicht auf den Gedanken kommen, ihre Gewichtsreduktion nach welcher Methode auch immer möglichst bequem zu gestalten - daß ich Feiertage normalerweise ausklammere, ist kein Versehen, sondern Bestandteil des Konzepts, das seit mehr als sechs Jahren so gut funktioniert, daß ich nach wie vor von mir behaupten kann: Ich habe noch nie einen Fastentag vorzeitig abgebrochen. Ich glaube nicht daran, daß sich Fasten wie eine permanente Selbstbestrafung anfühlen muß, um zu wirken. Ganz im Gegenteil. Deshalb bevorzuge ich ganz normale Arbeitstage fürs Fasten.

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Es ist schon ein Weilchen her, daß ich in Johanna Bayers Blog einen unterhaltsamen und interessanten Bericht über die Ernährung von Ötzi, den Steinzeitmann, der als Gletschermumie in den Südtiroler Alpen aufgefunden wurde, gelesen habe, mit besonderem Fokus darauf, daß darüber viel gut gemeinter Unsinn geschrieben wird, und zwar auch in dem Museum, das dem Steinzeitmenschen gewidmet ist. Das Problem ist, Ötzis Ernährung entsprach so wenig dem, was die Ernährungswissenschaft heute für eine "ausgewogene" Ernährung hält, daß sein schlechtes Vorbild für die Jugend von heute die Museumspädagogik offenbar zu sehr in Verlegenheit brachte, um nicht die Infotafeln und anderes mit einem kräftigen Spin in die gewünschte Richtung zu versehen.

Ötzis letzte Mahlzeit ließ sich rekonstruieren: Sie enthielt neben einem geringen Einkorn-Getreideanteil hauptsächlich Fleisch (von Hirsch und Steinbock) und vor allem aber eine stolze Menge Fett, das ungefähr 50 Prozent dieser Mahlzeit ausmachte. Neben dem Mageninhalt war im Darm, so las ich das bei Wikipedia, anscheinend aber auch eine Vielzahl von Pflanzenresten enthalten, und vermutlich daraus wurde dann im Museum die angeblich pflanzenbetonte Ernährung des Steinzeit-Naturburschen, wie sie heutigen Ernährungsberatern besonders gut gefallen hätte. Tatsächlich ernährte sich Ötzi aber ausweislich der Wissenschaft wohl insgesamt eher fleisch- als gemüse- und kohlenhydratlastig. Bei einem Gebirgsbewohner mit den dortigen eingeschränkten Ackerbau-, aber guten Jagdmöglichkeiten auch kaum ein Wunder!

Eine spannende neue Studie scheint nun auf den ersten Blick im Widerspruch dazu zu stehen, denn Ötzi erwies sich genetisch keineswegs als ein Angehöriger der alten europäischen Jäger- und Sammlerkulturen. Tatsächlich war er mit den türkischstämmigen Kindern und Kindeskindern der ersten Gastarbeitergeneration, die aus Anatolien nach Deutschland gekommen war, vielleicht sogar näher verwandt als mit mir, denn seine Vorfahren waren aus Anatolien zugewandert. Das wäre natürlich eine amüsante Pointe. Aber es kann natürlich auch sein, daß in Anatolien selbst seit dem Neolithikum so viel Zu- und Abwanderungsverkehr gewesen ist, daß heutige Anatolier genetisch ganz anders als Ötzis Vorfahren sind. Umgekehrt weiß ich aber natürlich ebensowenig, wieviel altanatolische Gene in mir selbst stecken, solange ich mich nicht dazu entschließen kann, eine Genanalyse bezüglich meiner Herkunft zu machen. (Bislang sah ich dazu auch keinen Grund, aber jetzt fange ich an, neugierig zu werden ...)

Ötzis Vorfahren könnte man trotzdem eigentlich auch in "Ützi" umtaufen, als kleine Verbeugung vor dem legendären Taxifahrer Ützwurst aus der Radiocomedy "Taxi Scharia". ;-) 

Ützis ... äh, Ötzis Altvorderen waren außerdem, anders als die damaligen Europäer, keine Jäger und Sammler, sondern Ackerbauern mit einer entsprechenden Ernährungsweise. Von dort brachten Zuwanderer aus jener Region sie auch nach Europa. Vermutlich waren es sie, die den Europäern das Brotbacken beigebracht haben, und wer weiß, welche kulturellen Errungenschaften wir ihnen sonst noch zu verdanken haben.

Genetisch am ehesten vergleichbar war Ötzi im Vergleich mit anderen Europäern seiner Zeit, dem vierten Jahrtausend vor Christus, von denen die Wissenschaft genetisches Material hat, mit den damaligen Bewohnern etwas südlich der Alpen in Italien. Spontan stelle ich mir vor, daß ihre gemeinsamen Vorfahren wohl aus östlicher Richtung, durch den Balkan kommend, erst Italien erreichten und dann ein Teil von ihnen von dort aus in Richtung Alpen vordrangen. Man fragt sich schon, was sie dazu getrieben haben mag, ausgerechnet das Gebirge als neuen Wohnort zu wählen, denn für Ackerbauern scheint das ja spontan nicht naheliegend. Irgendwie kann ich mir deshalb nicht vorstellen, daß das ganz freiwillig geschehen ist. Unklar ist dabei auch, ob Ötzis Sippe dort vor ihm schon generationenlang gelebt und sich allmählich an die anderen Bedingungen angepaßt hatte oder vielleicht erst seine Elterngeneration oder sogar erst er selbst aus irgendwelchen Gründen dorthin geflohen ist. Da er gewaltsam zu Tode gebracht wurde, ist das letztere durchaus möglich, aber nicht zwingend ... wie es in Gebirgstälern, egal wie idyllisch, zugehen kann, dazu braucht man nur einen x-beliebigen Heimatroman zu lesen.

Ötzi lebte wahrscheinlich im Südiroler Eisacktal. Gegenden wie Gebirgstäler sind schwerlich ideal für landwirtschaftliche Rekordernten, aber dafür bestimmt ein guter Ausgangspunkt für erfolgreiche Jagden auf Hirsche und Steinböcke.

Das besonders Merkwürdige an diesen neuen Genomanalyse ist, daß Ötzi  nicht nur genetisch an eine Ackerbaugesellschaft angepaßt, sondern auch genetisch anfällig für Adipositas und Diabetes gewesen sein müßte. Wenn er auch an beidem nicht tatsächlich gelitten zu haben scheint, finde ich das verwunderlich: Eigentlich hätte ich das eher bei jemandem erwartet, der genetisch ein "Jäger und Sammler" war. Im einschlägigen Bierbauch-Alter ist Ötzi jedenfalls gewesen, denn sein Alter zum Zeitpunkt seines Todes wird auf ca. 45 Jahre geschätzt. Schlank und diabetesfrei ist er wohl auch deshalb geblieben, weil zu seiner Zeit Nahrungsüberfluß kein Dauerzustand gewesen sein kann und das größere Gesundheitsrisiko darin bestand, nicht genügend davon zu ergattern. Falls er aber unfreiwillig von einer typischen getreidelastigen Ackerbauern-Ernährung auf eine Jäger- und-Sammler-Low-Carb-Kost umgestiegen sein sollte, kann das für ihn auch ein unerkanntes Glück im Unglück gewesen sein. Es würde mich ja mal interessieren, ob es irgendwelche Hinweise darauf gibt, daß Diabetes bei Ackerbauern des Neolithikums tatsächlich bereits vorkam.

In einer Arztpraxis von heute wäre Ötzi mit seinen festgestellten Zipperlein angesichts seines Alters auch ohne Bierbauch, Prädiabetes oder Schlimmeres bestimmt nicht weiter aufgefallen: Er litt unter Arteriosklerose, Parodontitis und Gallensteinen. Außerdem hatte er sich mit Helicobacter pylori infiziert. Lediglich die Kampfverletzungen hätten beim behandelnden Arzt wohl Stirnrunzeln hervorgerufen, der ganze Rest sind bis heute in seiner Altersgruppe Allerweltsdiagnosen. Wäre Ötzi nicht durch eine Gewalttat zu Tode gekommen, hätte ihn wegen der bestehenden Risikofaktoren leicht ein vermeintliches Zivilisationsleiden wie ein Schlaganfall oder Magenkrebs ein paar Jahre später ins Grab bringen können. Nur dann hätten wir über sein Leben und Sterben natürlich nie etwas erfahren.

Versuchen wir lieber nicht, Ötzis Ernährung und seine Lebensweise überhaupt, in verkitschender Weise mythisch zu überhöhen. Lernen können wir von ihm natürlich, was er - und sicherlich ebenso seine Zeitgenossen in derselben Region - gegessen hat, und das zu wissen ist schon interessant. Es sagt uns aber nicht, wie wir heute unter unseren ganz anderen Rahmenbedingungen essen müßten, um gesund alt zu werden, und alleine deshalb ist es schon Quatsch, ihn in vorauseilender pädagogischer Absicht zu einem angeblichen Ernährungs-Vorbild zu stilisieren. In seiner Zeit war jede Art der Ernährung weniger tödlich als längere Zeit zu wenig Essen zu ergattern. Außerdem: Weder war Ötzi nach heutiger Präventionsvorgaben gesund, noch ist er alt geworden. Auch mit ungesunder Lebensweise überschreitet die Dauer unseres Lebens seine 45 Jahre bei den meisten schon noch ein Stückchen. 

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Seit der aktuelle Eigentümer von Twitter dort Eigentümer ist, hat sich einiges verändert, schon bevor er die Plattform umgetauft hat, und das nicht zum Besseren. Weil es immer schlechter für die Zwecke nutzbar ist, für die ich es nutze (möglichst zeitnahe und mit wenig Mühe verbundene Informationsbeschaffung zu bestimmten Themen) denke allmählich auch ich darüber nach, Twitter zu verlassen, allerdings warte ich einstweilen noch, ob sich eine gute Alternative dazu auftut. 

Ich erinnere mich noch daran, wie der Aufstand der User endete, als Alando zu eBay wurde und Einstellgebühren einführte. Die damalige Alternativ-Plattform, Hood, gibt es, glaube ich, immer noch, aber sie konnte eBay nie Konkurrenz machen. eBay wiederum hat nach zwanzig Jahren die Einstellgebühren für private Anbieter wieder abgeschafft. Die Frage wäre also, ob das heruntergewirtschaftete Twitter vielleicht doch die von mir angestrebten Zwecke immer noch besser erfüllt als alle angebotenen Alternativ-Plattformen. Einstweilen versuche ich also, Elon Musk auszusitzen. 



Mittwoch, 16. August 2023

Ich bin die Leute, vor denen die WHO mich immer gewarnt hat ...

Mein Gewicht heute früh nach Fastentag 1 von zwei nicht zusammenhängenden Fastentagen: 81,5 Kilogramm. Das schwüle Wetter hat mir gestern früh zu meinem Entsetzen 83,8 Kilogramm verschafft - bei geschwollenen Knöcheln, also wußte ich schon, daß ich die blöde Zahl auf der Waage nicht zu wörtlich nehmen mußte. Trotzdem, es wird Zeit, daß ich wieder lange Fastenintervalle mache. Deshalb habe ich für nächste Woche entschieden, wegen der aus privaten Gründen erforderlichen Unterbrechung des Fastens am Dienstag dann eben zwischen Mittwoch und Freitag drei Fastentage einzulegen. Neue Tiefstgewichte wird es damit freilich nicht geben, aber die hatte ich sowieso erst für September eingeplant.

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Mehr als vier von fünf Deutschen leben ungesund - jedenfalls wenn man annimmt, daß die Kriterien der Weltgesundheitsorganisation für Gesundheit wirklich maßgeblich sind zu den fünf Themenkomplexen körperliche Aktivität, Ernährung, Rauchen, Alkohol und Stressempfinden. Ich kann da nur für mich sprechen, aber wenn ich so etwas lese, dann spüre ich meinen Blutdruck steigen und denke ausschließlich Dinge, die nicht druckreif sind, weshalb ich sie hier auch nicht niederschreiben werde. Und jedes Mal bin ich froh, daß ich schon von ganz alleine in allen fünf Bereichen ziemlich genau das Gegenteil von dem zelebriere, was die WHO von mir zum meinem eigenen Besten gerne haben wollen würde. Vielleicht mit Ausnahme des letzten Kriteriums, je nachdem wie das genau definiert wird, denn ich merke ziemlich genau, wann ich mein Streßlevel herunterregeln sollte, weil ich mich nur für eine begrenzte Zeit unter Strom wohlfühle. 

Ich tippe sowieso darauf, daß ein nicht ganz kleiner Teil des ungesundesten Streßempfindens gerade von solchen Belehrungen erst kommt - und manchmal möglicherweise sogar direkt von der Umsetzung der Gesundheitsratschläge. Falsche Ernährungsratschläge machen dick, Dickwerden macht unglücklich, streßt gewaltig und macht manche depressiv, das Nicht-wieder-dünn-werden-Können auch, Antidepressiva machen sogar noch vielen dicker ... nur als eines von vielen Beispielen, wie Gesundheitsinformationen durch Experten Menschen stressen und krank machen könnten. Psychische Krankheiten werden mittlerweile - als Außenseitermethode - ebenso wie Epilepsie - keine Außenseitermethode mehr, glaube ich - mit ketogener Ernährung behandelt, was in beiden Fällen auch ziemlich erfolgreich zu sein scheint. Das läßt darauf schließen, daß es eben doch nicht egal ist, ob man tierisches Protein durch pflanzliches ersetzt. Forscher und Ärzte, die in diesem Bereich tätig sind, bemühen sich ebenso wie die WHO, dafür ein Bewußtsein zu schaffen, woran es ihnen aber fehlt, ist deren Reichweite. Daneben leiden sie, fürchte ich, an derselben Art von Scheuklappen, was den Umgang mit den Grenzen des Einsatzes ihrer Methoden betrifft (ich schrieb schon wiederholt darüber) - aber das wird erst in vollem Umfantg relevant, wenn sie dem aktuellen Ernährungs-Mainstream einmal die "Weltherrschaft" entrissen haben. 

Woran es in der Wissenschaft wohl fehlt, ist ein Rahmen, der es erschwert, sich im Wolkenkuckucksheim fiktiver Erfolge ausruhen, die sich in der statistischen Entwicklung der zugehörigen Krankheiten sowie des Allgemeinbefindens gar nicht widerspiegeln, und von dort aus Kritiker mit Steinen zu bewerfen, anstatt sich mit ihnen zusammenzutun, um herauszufinden, was an ihrer Kritik dran ist und wie man darauf aufbauen kann, um die Menschen gesünder zu machen.

Ob vegane Alternativen zu Milchprodukten nun gesundheitlich empfehlenswert sind oder nicht, im Moment sind sie jedenfalls (noch) in Mode. Das gilt zumindest für Deutschland - in anderen Teilen Europas ist die Begeisterung offenbar geringer, wie das Bundeszentrum für Ernährung die Ergebnisse einer Studie mit erkennbarem Bedauern wiedergibt, in der die Bereitschaft der Menschen in Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Polen und Spanien untersucht wurde, mehr pflanzliche Alternativen, hergeste3llt aus Getreide, Ölsaaten oder Hülsenfrüchten, zu Molkereiprodukten zu nutzen, weil sie, so der Bericht, doch eine deutlich bessere CO2-Bilanz hätten und deshalb zu einem "nachhaltigeren Lebensmittelsystem" beitrügen. Die Leute dort, bedauerten die Autoren, ließen sich leiderleider "stärker von sozialen Normen und kulturellen Traditionen beeinflussen". was nicht nur die Franzosen, Spanier und Italiener mit ihrer jahrhundertelangen Käsereitradition schwer zu überzeugen mache, sondern bespielsweise in Polen dazu führe, daß "Milchprodukte nach wie vor als gesund und insgesamt vorteilhaft" gälten. 

Die Formulierung ist entlarvend. Offenbar wird das Ziel verfolgt, Milchprodukte - und zwar völlig grundlos - als ungesund und nachteilig zu verteufeln. In Deutschland mit seiner auf diesen wie vermutlich auf jeden ideologiegetriebenen Ernährungshype mit besonderem Enthusiasmus anspringenden Bevölkerung sind Übergewicht und Fettleibigkeit allerdings viel verbreiteter als in den anderen untersuchten Ländern. Komischer Zufall oder ein Fall von Ursache und Wirkung?

Datei:Fettleibigkeit in Europa.svg

Was zum Teufel soll man jetzt eigentlich essen oder nicht essen? Die Antwort darauf, nehme ich an, läßt sich im Detail nur auf der individuellen Ebene finden. Das Problem dabei besteht darin, daß Ernährungsempfehlungen - egal ob vom Experten oder vom Guru mit der Außenseitermethode - im Grunde niemals blind vertraut werden darf. Und daß jemand studierter Epidemiologe oder Ernährungwissenschaftler ist und seine Methode außerdem nach besten Wissen und mit den besten Absichten anpreist, weil er glaubt, damit Menschen helfen zu können, macht die Sache nicht besser. "Most of the misinformation that comes from the scientific community isn’t due to outright misconduct but rather suboptimal research practices by presumably well-intentioned people. Failure to follow best practices in study design, analysis, and reporting can, and often does, lead to misleading results.", schrieb Stephan Guyenet vor einigen Monaten in einem langen Artikel über "die versteckten Kosten von Ernährungsdesinformation".

Ein wissenschaftliches Ergebnis, das habe ich ja auch schon wiederholt kritisch angemerkt, kann korrekt sein in dem Sinne, daß die Methode fehlerfrei und mit korrekten Daten angewandt wurde, aber dennoch nicht relevant sein, was eine Anwendung bei real existierenden Patienten betrifft, weil sie statistisch gesehen gar nicht zueiner gesünderen Bevölkerung führen. Das ist zum Beispiel der Fall mit wissenschaftlich nachgewiesenen Abnahmeerfolgen in zu kurzen Zeiträumen (weniger als zwei Jahre) und/oder die Bewertung des Erfolgs lediglich durch einen Vergleich von Ausgangs- und Endgewicht, ohne dabei das Tiefstgewicht, dessen Zeitpunkt in der Studie und anschließende Wiederzunahmen mitzuberücksichtigen. Falls das wissenschaftlich korrekt sein sollte, dann ist Wissenschaft, so verstanden, im richtigen Leben untauglich zu einer nutzbringenden Anwendung. Abnahmen mit anschließender Wiederzunahme sind gesundheitlich ja bestenfalls für'n Arsch und schlimmstenfall verschlechtern sie die Gesundheit noch weiter.

Dieses Problem halte ich außerdem für folgenschwerer als sämtliche bewußte Manipulation, etwa durch Nahrungsmittelkonzerne oder aus sonstigen Gründen materiell Interessierte, und zwar gerade deshalb, weil es durch Personen und Institutionen erzeugt wird, die als besonders vertrauenswürdig gelten.

Die Frage, wie viele Menschen in den USA speziell an Ernänhrungsdesinformation (also nicht lediglich an Ernährungsfehlern, sondern nur solchen, die auf ausdrücklichen Empfehlungen beruhen, sich auf eine bestimmte Weise zu ernähren) sterben, läßt sich laut Guernet nicht seriös beantworten, was ich erfrischend ehrlich finde. Er versuchte dennoch eine sehr grobe Schätzung und kam bei "zwischen 4.000 und 127.000" heraus. Damit ist noch nicht einmal klar, ob es sich um ein vernachlässigenswertes oder ein Problem handelt, bei dem gegengesteuert werden sollte. 4.000 Todesfälle pro Jahr, das klingt zwar viel, ist aber - ähnlich wie bei den angeblichen 3.300 Passivrauchtoten in Deutschland - bei 2,9 Millionen Todesfällen pro Jahr letztlich vernachlässigenswert, eine statistische Girlande ohne echte Aussagekraft. Gewissermaßen wären 4.000 Todesfälle in den USA unter allen Todesfällen nur Bestandteil des Grundrauschens. Die höhere der beiden Zahlen würde immerhin 5 Prozent aller Todesfälle ausmachen.

Ich glaube, Guyenet macht mit solchen Zahlenspielereien aber einen Fehler, er trägt nämlich damit - vermutlich nicht absichtlich - selbst zur Desinformation bei, denn die meisten Leute wählen sich entweder die kleinere oder die größere Zahl oder wählen eine Art Mittelwert und halten dies für wahr. In dieser Form verbreiten sie seine Erkenntnisse dann auch weiter und führen zu weiteren möglichen Fehlannahmen.

In Wirklichkeit ist Ernährungsdesinformation nur als Bestandteil eines krankmachenden Systems sinnvoll zu bewerten, in dem eine Menge krankmachende Faktoren in der Ernährung enthalten sind, darunter als einer von vielen auch die Desinformation. Es spielt keine Rolle, welchen Anteil an der Wirkung einer dieser Faktoren alleine hat, da sie ja zusammenwirken und sich oft auch gegenseitig verstärken. 

Daß die typische Ernährung in bestimmten Ländern häufiger als in anderen krank macht, dafür gibt es ein leicht nachweisbares Symptom, nämlich stetig und in allen Altersgruppen zunehmendes Übergewicht im Adipositas-Bereich plus parallel dazu ein Anstieg an den damit verbundenen Folgekrankheiten. Das sind die beiden Faktoren, die man beeinflussen sollte - und auch wenn ich mich damit wiederhole: An allen bisherigen Bemühungen war genau die Wirkung auf diese statistischen Daten überhaupt nicht überzeugend, egal wie elegant man ihren vermeintlichen Sinn wissenschaftlich beweisen konnte. Die korrekte Anwendung von statistischen Methoden reicht für sich alleine nun einmal in einer Studie noch nicht aus. 

Der einzige wirklich gültige Beweis für die Wirkung eines Mittels, den ich akzeptieren werde, ist eine rückläufige Entwicklung beim Anteil der Adipositas.


Freitag, 11. August 2023

Da staunt man über die Fachleute, und über die Laien wundert man sich ...

Mein Gewicht heute früh nach dem einzigen Fastentag der Woche: 81,2 Kilogramm. Ein bißchen enttäuschend - 1,6 Kilo mehr als vor einer Woche -, aber ein interessanter Denkanstoß für den nächsten Sommer, wenn ich, wie ich annehme, bereits in der Gewichtshaltephase sein werde. Das hat mir nämlich in letzter Zeit schon zu denken gegeben, daß ich im April und Mai mit dreitägigen Fastenintervallen anstelle von viertägigen mein Gewicht lediglich halten konnte und nicht weiter abnahm. Damit kam ich aber auch auf zehn Fastentage im Monat. Wie soll das mit den künftigen sechs Tagen also zum Gewichthalten reichen?

Die richtige Antwort lautet vermutlich, daß ich mit einer Umstellungsphase des Stoffwechsels rechnen sollte, in der ich ein wenig zunehme, aber wie ich hoffe, nicht allzu viel. Ich habe mir vorgenommen, nur dann mit zusätzlichen Fastentagen gegenzusteuern, falls mein Gewicht 77 Kilogramm überschreitet, ansonsten will ich das aussitzen, denn nach ein paar Wochen sollte mein Stoffwechsel ja wieder an das "neue Normal" angepaßt sein. Je nachdem, wie sich mein Gewicht über den nächsten Sommer entwickelt, werde ich in der sechswöchigen Low-Carb-Phase Oktober/November vielleicht zusätzliche Fastentage einlegen, um wieder auf 73,5 zurückzugelangen. Tja, und dann wird es spannend, was mein Gewicht im Dezember und in der ersten Januarhälfte wohl machen wird, bevor ich in die erste Low-Carb-Phase des Jahres 2025 starten werde. Gut möglich, daß ich das ebenfalls mit zusätzlichen Fastentagen kombinieren muß. Das ist aber nicht tragisch, da ich ja festgestellt habe, daß Fastentage mir das Durchhalten von Low Carb erheblich erleichtern. Ich glaube deshalb nicht, daß ich etwas an meinem Plan für die Haltephase verändern muß.

Für den Moment ist es einfach nur ein bißchen schade, daß ich nicht nahtlos an das Gewicht vor dem Urlaub anknüpfen konnte, sondern wieder von ein bißchen höher aus weitermachen muß. Da ich während meines fünftägigen Besuchs bei meiner Mutter - der Grund für den ausgefallenen Fastentag - wegen des Temperatursturzes etwas erkältet war und noch nicht völlig über den Berg bin, kann es aber auch sein, daß ein Teil der Zunahme einfach wasserbedingt ist und von alleine wieder runtergeht. Das werde ich nächste Woche ja sehen, meiner zweiten Urlaubswoche, in der ich zwei Fastentage einlegen werde. Vielleicht bin ich ja insgeheim weiterhin näher an meinem Vor-Urlaubs-Gewicht, als die Waage es mir im Moment anzeigt.

Wir waren, wie erwähnt, bei meiner Mutter, weil ich im Frühjahr wegen der Operation und dem ganzen Kram keine Gelegenheit für meinen traditionellen einwöchigen Besuch bei ihr hatte. Weil ich auch im Herbst zu ihrem Geburtstag wegen einiger ungeschickt fallender Aufträge nicht länger bleiben kann, habe ich das diesmal auf den Sommerurlaub verlegt. Meine Mutter wird im Herbst 88, deshalb will ich die Zeit nutzen, die wir gemeinsam verbringen können. 

Eigentlich wäre ich gerne nächste Woche auch noch ein paar Tage weggefahren, aber mein Mann hat mir einen neuen Rechner aufgesetzt, den ich heute in Betrieb genommen habe, und ich habe so eine Ahnung, daß das Wochenende nicht ausreichen wird, um alles, was ich für die tägliche Arbeit brauche, auf ihn raufzuschieben. Heute bin ich außerdem noch damit beschäftigt, das Arbeitszimmer sauberzumachen und all die in den letzten Monaten liegengebliebenen Halden von halberledigtem Kram zu beseitigen, damit ich übernächste Woche einen guten Start in die Arbeit habe. 

Irgendwie kam der Urlaub mir zu früh, obwohl die Bestrahlung ja schon am 24.7. beendet war, weil ich mich in meinen Projekten verheddert und praktisch bis zum letzten Moment vor unserem Aufbruch noch Restarbeiten zu erledigen hatte. Letzte Woche habe ich es sehr bedauert, daß ich nicht einfach eine normale Arbeitswoche vor mir hatte, in der ich nach und nach meine Rückstände aufholen konnte, aber mein Mann muß halt seinen Haupturlaub immer in KW 30 bis 32 nehmen, weil da bei ihm Betriebsurlaub ist, und ich habe sowieso nur die beiden letzten davon selbst freigenommen. So war es bis zur Abfahrt hektisch bei uns, und ich bin erst bei meiner Mutter wieder ein bißchen runtergekommen. Eigentlich ist es mir jetzt lieber, meine zugemüllte Wohnung mal wieder etwas besser in Schuß zu bringen, denn das letzte Jahr über habe ich sie schändlich vernachlässigt. Vermutlich ist es also besser, wir bleiben nächste Woche doch daheim. Zumal mein Mann sich einen neuen 3D-Drucker beschafft hat und bestimmt auch mehr Lust hat, sich mit ihm zu befassen, als irgendwo in der Weltgeschichte herumzugondeln. 

***

Volkes Stimme zur Frage "Fasten während der Chemotherapie" konnte ich mir zu Gemüte führen, als bei Twitter eine Krebspatientin, die während der Chemo fastete und erwog, damit aufzuhören, in die Runde fragte, um Meinungen zu dem zu erfahren, was sie macht:


Jetzt muß man dazusagen, daß Fasten mit "Ich habe gelesen, daß das gut helfe" natürlich eher dürftig begründet ist und acht Monate schon eine verflixt lange Zeit sind, wenn aus Perspektive der Anwenderin irgendwelche offensichtlichen Vorteile daraus nicht erkennbar gewesen sind. Das Fasten zu unterbrechen, um einen Vergleich des Wohlbefindens (bzw. der Einschränkungen desselben) mit und ohne Fasten zu bekommen, finde ich da bei "Fastenmüdigkeit" wirklich keinen Fehler. Falls man sich ohne Fasten dann schlechter fühlt, kann man ja auch problemlos wieder damit anfangen.

Genau das, was mir einleuchtend erscheint, hat die Autorin des Tweets nach einiger Überlegung jetzt offenbar auch getan

Die Frage ist außerdem, wieviel 18 Stunden Fasten bei einer Chemo tatsächlich bringen kann. Meinem Empfinden nach ist das zu wenig, um eine positive Wirkung erwarten zu können, aber einem Fasten-Neuling kommt es dabei vielleicht trotzdem sehr mühsam vor. Was ich auch nicht weiß, ist, wie lange ihre Zyklen sind, sie kann ja auch wöchentlich Chemo bekommen, und ich nehme an, dreitägige Fastenintervalle, wie ich sie für diesen Fall geplant hatte, kämen ihr ganz unvorstellbar vor.

Ob ich das tatsächlich so umgesetzt oder es nach ein oder zwei Zyklen doch reduziert hätte, kann ich aber nicht sagen, da mein Neu.Doc die zweite Hälfte der Chemo dann ja auf dreiwöchentliche Zyklen geändert hat, womit ich bei viertägigen Fastenintervallen bleiben konnte. Möglicherweise hätte ich sogar fünf Tage ausprobiert und dafür dazwischen weniger oder keine Fastentage eingeschoben, wenn das mit meinem Alltagsrhythmus besser kompatibel wäre. Es war ja schon auffallend, daß die Nebenwirkungen immer erst allmählich einsetzten, nachdem ich wieder gegessen habe und ich mich gerade am Chemo-Tag völlig normal fühlte und am Tag darauf letztlich sogar fitter als außerhalb der Chemo war. Vielleicht hätte es sich auf diese Weise ja noch weiter verschoben. Acht Zyklen sind aber eindeutig zu kurz für allzuviele Experimente bei der Feinjustierung, deshalb hätte ich mir mehr klinische Vorerfahrungen mit dem Fasten gewünscht, idealerweise vielleicht auch noch einen Ansprechpartner, der sich mit Fasten bei Chemo bereits auskennt, anstatt im Alleingang in eigener Sache Pionierarbeit leisten zu müssen.

Es macht mich echt fuchtig, daß dank der aktiven Sabotage von Fachleuten wie dieser Professorin Hübner Fasten und Keto in Onkologenkreisen dermaßen verteufelt werden, daß auch Studien nur von echten Enthusiasten (da gibt es in Deutschland vor allem einen gewissen Rainer Klement, auf den ich nur über Umwege gestoßen bin) und dann auch immer mit allen möglichen Einschränkungen vorgenommen werden, die praktisch anwendbare Erkenntnisse fast mit Sicherheit wirksam verhindern, etwa wenn - wie bei Keto häufig der Fall (siehe meinen Blogbeitrag dazu) - nur "austherapierte" Patienten überhaupt teilnehmen dürfen, was bedeutet, die Krankheit ist so weit fortgeschritten, daß sowieso kaum noch Chancen bestehen, auf Heilung sowieso nicht, aber meistens auch nicht mehr auf eine Besserung oder eine längere Stabilisierung. Gleichzeitig führen diese Einschränkungen natürlich auch dazu, daß die Studienergebnisse ebenfalls nicht überzeugend ausfallen, weil sehr wenig Teilnehmer, die noch dazu wenige Erfolge vorzuweisen haben - was wiederum bewirkt, daß außerhalb des Enthusiastenkreises kaum jemand verlockt wird, die Methode in weiteren Studien aufzugreifen. Das ist schon eine Art Teufelskreis. 

Fasten immerhin wurde vor allem bei Krebs in Stadium 1 bis 3 angewandt, aber da fand ich wieder die Modalitäten in den betreffenden Studien nirgends so richtig überzeugend. Ich hätte mit meiner Vorgehensweise in keine einzige dieser Studien mit hineingepaßt, und ich hätte es vor allem nie im Leben eingesehen, mich an die Vorgaben anzupassen, an diese Säftchen und Süppchen oder diese "Fasting Mimicking Diet", die einem das Fasten ja in Wirklichkeit gar nicht erleichtern, sondern sogar noch erschweren, wie ich am eigenen Leibe ja erlebt habe, weshalb ich mich über die hohe Abbrecherquote in den Studien auch gar nicht gewundert habe. 

Das Hauptproblem beim Fasten ist es wohl, daß jemand, der es vor seiner Krebsdiagnose noch nie gemacht hat, sich davor wahrscheinlich ziemlich heftig gruselt und sich die Sache verflixt schwierig vorstellt. Es schadet deshalb gar nichts, noch vor Beginn der Chemo erst einmal einen Probelauf zu machen und herauszufinden, wie schwer es einem fällt bzw. vor allem, wie man sich die Sache leichter machen kann. 

Was auch immer genau in welchen Fällen die Vorzüge von Fasten oder Keto sein mögen, welche Vorgehensweise am erfolgversprechendsten ist (mit weniger als allermindestens 24 bis 36 Stunden lohnt es sich im Grunde nicht, damit überhaupt anzufangen) und wann man es doch besser bleibenlassen sollte, wird auf diese Weise jedenfalls nicht einmal herausgefunden - und fast alle (mit Ausnahme von Einzelkämpfern wie Professor Seyfried oder Rainer Klement) scheinen zufrieden damit, obwohl es vermutlich für einen Teil der Krebspatienten den Verzicht auf eine Chance auf Stabilisierung, Besserung oder sogar Heilung bedeutet. Bei einer so unheimlichen Krankheit wie Krebs, die ja für jeden eine Horrorvorstellung ist und immer noch beklagenswert schlecht verstanden wird, weshalb die konventionellen Therapien vor allem bei fortgeschrittenen Erkankungen keine so berauschenden Erfolgschancen haben, finde ich das einen, nun ja, ziemlich großzügigen Umgang der Fachleute nicht nur mit anderer Leute Lebenserwartung, sondern auch ihrer Lebensqualität. Bei allem Verständnis für Vorsicht bei wenig erprobten therapiebegleitenden Ernährungsweisen, die mit Fasten und/oder Keto verbundenen Risiken sind geringer als die der konventionellen Therapien und lassen sich mit ein bißchen gutem Willen ja auch noch erheblich weiter reduzieren. 

Aber an dem fehlt es wohl vor allem, dem guten Willen. Vermutlich liegt es - neben ein paar anderen Gründen - auch mit daran, daß niemand damit so richtig Geld verdienen kann. Das ist ähnlich wie bei der Gewichtsabnahme, bei der Semaglutid (Ozempic und Wegovy) dem Hersteller Rekordumsätze beschert - ein Medikament, das zwar wirklich zur Gewichtsabnahme führt, das man aber lebenslänglich weiter nehmen müßte, um die Wirkung aufrechterhalten zu können ... und ob die Wirkung dauerhaft erhalten bleibt, dazu hört man mittlerweile zunehmend auch skeptische Stimmen. Bei dem Hersteller Novo Nordisk dürften natürlich die Sektkorken knallen, denn Patienten, die einem lebenslänglich erhalten bleiben und eine gute Chance haben, relativ alt zu werden, sind ja der feuchte Traum jedes Pharmakonzerns. Die wollen uns nicht unbedingt umbringen und haben in jedem Fall überhaupt kein Interesse daran, uns gar zu schnell unter die Erde zu bringen, denn an Toten verdienen sie ja nichts. Insofern ist das eine zweischneidige Sache, wenn ein Medikament wirklich das Leben verlängert, aber eben um den Preis horrender Kosten - die sind auch dann ein Problem, wenn die Krankenkasse sie bezahlt, denn je mehr Patienten sie zum Überleben benötigen und deshalb bezahlt bekommen, desto höher werden die Krankenversicherungsbeiträge.

Das ist bei Krebsmedikamenten ganz genauso. Kürzlich geriet neben anderen Chemo-Medikamenten auch Trastuzumab in die Schlagzeilen, weil die Apotheken, die diese Infusionen individuell und auf den jeweiligen Patienten zugeschnitten mixen, sich daran offenbar auf Kosten der Krankenversicherung eine goldene Nase verdienen. Wie mag das wohl bei Pertuzumab aussehen? Das ist nämlich noch viel teurer, und es würde mich gar nicht wundern, wenn auch da kräftig abgesahnt würde. Die Wirkung der beiden Medikamente ist ja unbestreitbar und überzeugend, aber das ist noch lange kein Grund, sich damit abzufinden, daß sich die Hersteller über Gebühr an den Patienten bereichern. Aber was will man in einer Gesellschaft erwarten, deren medizinisches System so tickt, daß es simple, kostengünstige und häufig sehr wirksame Gewichtsreduktionsmethoden wie Keto und Fasten bestenfalls ignoriert und schlimmstenfalls verteufelt, aber gegen teure und riskante wie Semaglutid und Magenverstümmelungen gar keine Einwände hat? Im Falle von Krebs wiederum kann weder Keto noch Fasten Trastuzumab und Pertuzumab ersetzen, aber die Wahrscheinlichkeit, daß beides deren Wirkung verbessert, fand ich plausibel genug begründet, um es auf Verdacht begleitend anzuwenden, weil ich damit auch im Worst Case trotz der alarmistischen Warnungen von Frau Professorin Hübner zwar keinen Nutzen erwarten könnte, aber auch kaum Schaden anrichten würde. 

Aber zurück zu der Patientin, die ihre Follower fragte, was sie vom Fasten halten. Unter den Antwortenden auf den Tweet fand sich selbstverständlich auch einer, der den netten Doktor Schmitz mit einer so wenig originellen Weisheit zitierte, daß sie auch von meinem Alt.Doc hätte stammen können: 

Zur Frage der Gewichtsabnahme hatte ich ja schon an anderer Stelle beschrieben, warum es ein Denkfehler ist, die Zahl auf der Waage für sich alleine genommen als Indikator für einen unguten Krankheitsverlauf zu verwenden. Als Patient werde ich mit solchen unterkomplexen Begründungen zu einer Nachkommastelle in einer Statistik gemacht, aus der sich bei weiterer Differenzierung der Merkmale aber relativ leicht noch Subgruppen bilden ließen, unter denen auch solche sind, bei denen eine Gewichtsabnahme eben nicht ein Warnsignal wäre. Dann wäre es nicht nötig, die anderen Subgruppen, bei denen die Abnahme wirklich bedenklich wäre, in eine generelle Empfehlung mit einzubeziehen.

Hier auch noch ein paar Kostproben von "Volkes Stimme" - bei denen kann man es sogar wieder verstehen, daß Ärzte es überhaupt nicht mögen, wenn man Ratschlägen von nichtärztlicher Seite folgt:

Die unvermeidliche Annahme von Leuten, die null Erfahrung mit Fasten haben, daß man sich schwach fühlen müsse, wenn man fastet, gefolgt von einem Klassiker, der dieselbe Ahnungslosigkeit bei gleichzeitigem Nachbeten von billigen Scheißhausparolen dokumentiert, weil er sogar dann, falls er korrekt sein sollte (was aber keineswegs sicher ist), in der Regel gar nicht relevant ist, weil es meist ja um die Reduktion von Nebenwirkungen geht. 

 

Verwandt mit solchen intellektuellen Fehlleistungen war ebenso das Mißverständnis eines Antwortenden, der originellerweise die klassische Angst des Onkologen vor Gewichtsabnahme seines Patienten in verdrehter Form als "Übergewicht ist bei Krebs vorteilhaft" im Kopf behalten hatte: 

 

Und natürlich stellten sich viele vor, daß es eine gräßliche Qual sei, nicht zu essen (offenbar sogar dann, wenn einem von der Chemo vielleicht so kotzübel ist, daß man nicht einmal essen wollen würde, wenn das Leben davon abhinge):

Daß man auch fasten kann, ohne damit abnehmen zu wollen, ist sowieso etwas, das vielen über den Horizont geht:

Das ist alles der übliche angelesene bzw. von Ärzten, die sich über Stellungnahmen wie die von der Frau Professorin Hübner informieren, kolportierte unausrottbare Schwachsinn. Einen Originalitäts-Sonderpreis bekommt von mir aber dies hier: 

  

Zehn Tage Fasten, das überschreite ich meistens schon innerhalb eines Monats, und das ohne irgendwelche erkennbaren negativen Folgen. Ehrlich gesagt, warte ich aber inzwischen schon darauf, daß irgendein Schlauberger mir "beweist", daß das Fasten daran schuld sein müsse, daß ich überhaupt Krebs bekommen habe. Daß ich neuerdings immer wieder mit der Mutmaßung konfrontiert werde, meine Gewichtsabnahme komme vom Krebs (etwa neulich bei einem Familientreffen), damit werde ich wohl leben müssen, obwohl mich das auch ärgert. Daß man bei Krebs Gewicht verliert, ist aber eines dieser Versatzstücke, die jeder, der sich nicht mit Krebs befaßt (also fast jeder, der weder selbst Krebs hat noch beruflich damit zu tun hat oder in seinem Umfeld damit konfrontiert war), automatisch im Kopf hat - mir ging das vorher ja auch so. An dieser Stelle ein etwas peinliches Geständnis: Was mir als allererstes nach meiner Krebsdiagnose durch den Kopf ging, war nämlich: "Scheiße! Wer wird mir jetzt noch glauben, daß ich mir meine Gewichtsabnahme ehrlich erarbeitet habe?"

Die verlinkten Tweets sind übrigens mittlerweile nicht mehr öffentlich sichtbar, obwohl sie das noch waren, als ich den Blogbeitrag geschrieben habe. Offenbar war die Autorin zu genervt von dem Ton, in dem ein Teil der Antworten gegeben wurde. Schade, ich hätte ihr gerne selbst noch etwas Nettes gesagt, denn obwohl ich vom Sinn und Nutzen des Fastens während einer Chemo überzeugt bin, fühlt es sich natürlich bei jemandem, der so viel Fastenroutine wie ich bereits mitbringt, ganz anders an als bei jemandem, der das zum ersten Mal als Reaktion auf eine Krebserkrankung macht, noch dazu auf Basis von so vagen Aussagen wie "Ich habe gelesen, daß das hilft". Natürlich geht es einem während einer Chemotherapie schlechter als ohne sie, auch wenn Fasten die Nebenwirkungen verringert, und wie will man wissen, ob sie ohne Fasten schlimmer ausfallen würden? Da kann natürlich, gerade wenn das Fasten ungewohnt ist, der Gedanke aufkommen, daß man sich ohne Fasten weniger schlecht fühlen würde. Da hilft nur ein Vergleich mit Chemo ohne Fasten. Falls das sich nicht als deutlich unangenehmer herausstellt, sollte man das Fasten wirklich bleibenlassen: Es sollte die Chemotherapie einfacher und weniger unangenehm und nicht schwieriger und noch unangenehmer machen. Und genau das, nämlich daß es einfacher und weniger unangenehm ist, ist auch das Erkennungsmerkmal dafür, daß es auch therapeutisch sinnvoll ist - das Gegenteil von dem, was viele Leute unbewußt glauben, nämlich daß die Therapie umso besser hilft, je unangenehmer sie ist. Chemo-Nebenwirkungen sind ja Folgen von Zellschädigungen. Wenn sie weniger werden, dann wurden weniger gesunde Zellen geschädigt. Es ist logisch, daß das gesundheitlich nützlich ist.

***

Ich war offensichtlich mal wieder meiner Zeit voraus, wenn auch nur ein bißchen. Amüsanterweise hat die Wissenschaft diesmal aber nur zwei Wochen länger gebraucht als ich, um publik zu machen, daß den Hitzetoten, über die ständig so viel geschrieben wird, selbstverständlich auch Kältetote gegenüberstehen - von denen ich in einem Blogbeitrag am 1. März dieses Jahres annahm, daß sie mehr Fälle ausmachen als die Hitzetoten, weshalb es unlogisch ist, zu behaupten, häufigere Hitzetage durch den Klimawandel würden die Sterblichkeit erhöhen, denn parallel dazu würde es ja weniger Kältetage geben. 

Grundlage für meine Vermutung waren die Statistiken der Sterbefälle in Deutschland. "The Lancet Planetary Health" zog bereits am 16. März mit einer Untersuchung nach, die sich auf ganz Europa bezog, als hätten sie hinter einer Straßenecke darauf gewartet, daß irgendwer voranmarschiert. Die Studie bekam ich allerdings erst jetzt zu Gesicht, sie wurde offenbar nicht gerade an die große Glocke gehängt. Die Frage, was zu mehr Sterbefällen führt, Hitze oder Kälte, wird in dieser Studie so beantwortet:

Across the 854 urban areas in Europe, we estimated an annual excess of 203 620 (empirical 95% CI 180 882–224 613) deaths attributed to cold and 20 173 (17 261–22 934) attributed to heat. These corresponded to age-standardised rates of 129 (empirical 95% CI 114–142) and 13 (11–14) deaths per 100 000 person-years.
Die Übersterblichkeit in Kältewellen ist also zehnmal so hoch wie bei Hitzewellen. In Wirklichkeit wäre bei steigender Durchschnittstemperatur also nicht mit einer höheren, sondern mit einer niedrigeren Sterblichkeit zu rechnen, genau wie ich das vermutet hatte. Es gibt sicherlich eine Menge Gründe, sich über den Klimawandel Gedanken zu machen, aber die Hitzetoten gehören also nicht dazu - wenn auch andererseits gar nichts dagegen spricht, Todesfälle, die durch Hitze erfolgen oder beschleunigt werden, verhindern zu wollen. Nur, sollte man sich dann nicht auch über die Kältetoten dieselben Gedanken machen? Daß sie sich propagandistisch nicht für Klimaschutzpropaganda ausschlachten lassen, finde ich als Grund, zehnmal so viele Todesfälle wie durch die in allen Medien durchgehechelte Hitze einfach stillschweigend hinzunehmen, eigentlich nicht ausreichend. 

Der Klimawandel ist längst von einer wissenschaftlichen Frage zu einer politischen geworden, und in solchen Fällen sind nicht nur die in jeder seriösen Wissenschaft enthaltenen Unsicherheiten (die ich beim Thema Klima für gewaltig halte) ein Tabuthema, das man nicht in der Öffentlichkeit ansprechen sollte, wenn man nicht riskieren will, niedergebrüllt und angefeindet zu werden, sondern er muß auch als die größte anzunehmende Katastrophe kommuniziert werden, was bedeutet, etwaige möglicherweise oder sogar sicher positive Aspekte daran werden eisern beschwiegen. Das ist wohl der Grund dafür, daß man die Todesfallzahlen bei Hitze überall lesen konnte, ich aber erst nach Monaten auf diese Studie stieß, und es brauchte dafür noch dazu einen "Verschwörungstheoretiker" auf Twitter. Falls die Medien überhaupt darüber berichtet haben sollten, dann haben sie es also eher unauffällig getan. Warum? Weil es irgendwie nicht ins Konzept paßte. Das ist bei anderen politisierten Themen ganz genauso.

Stichwort Klimaschutz: Der bringt mich gerade ein bißchen finanziell in Verlegenheit, denn drei meiner vier vermieteten Eigentumswohnung haben ältere Gasheizungen, die ich nach aktueller Rechtslage offenbar bis 2028 austauschen muß, und zwar gegen ein Modell, das zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien läuft. In meiner eigenen Wohnung bin ich aus dem Schneider, denn hier habe ich die Therme ja erst letztes Jahr ausgetauscht. Das hatte mich schnell mal 8000 Euro gekostet, und billiger wird das, was man künftig ausgeben muß, kaum sein. Ich werde also im ungünstigsten Fall drei Mal einen Haufen Geld ausgeben müssen, das ich im Moment beim besten Willen nicht aufbringen kann, andernfalls hätte ich mich wohl zu denen gesellt, die dieses Jahr noch schnell eine neue Gastherme einbauen lassen haben. Wärmepumpen hin, Solaranlagen her, bei Mehrfamilienhäusern, die in Eigentumswohnungen aufgeteilt sind, ist das sowieso kaum mit vertretbarem Aufwand umsetzbar. Was bleibt, wäre Fernwärme oder perspektivisch Wasserstoff. Wo die aber für all die Gasheizungen ausreichend Wasserstoff herzaubern wollen, ist mir schleierhaft.

Da ich nächstes Jahr aber ohnehin eine Eigentumswohnung verkaufen muß, um ein Hypothekendarlehen abzulösen, werde ich aber wohl nun doch nicht diejenige verscherbeln, die ich bislang dafür im Auge hatte, denn dieses Haus hat erst vor ca. fünfzehn Jahren auf Gas-Zentralheizung umgestellt, die also noch fünfzehn Jahre lang laufen kann. Stattdessen werde ich eine andere verkaufen, die erstens mit einem alten Gas-Einzelofen beheizt wird und zweitens auch, da sie etwas größer ist und außerdem in besserer Lage, trotz der schlechteren Ausstattung betr. Heizung auch einen erheblich höheren Verkaufspreis bringen sollte. Von dem Überschuß im Vergleich zum Betrag, den ich nächstes Jahr zur Ablösung meines Hypothekendarlehens aufbringen muß, bezahle ich dann die Gasheizungen für die beiden anderen Wohnungen. Das alles geht natürlich auf Kosten meiner Altersversorgung, denn diese Wohnung war - trotz mietspiegelgerechter Miete - besonders renditestark. Aber da muß ich jetzt wohl halt durch.

Dann bin ich mal gespannt, wie sich das auf den Heizbedarf der Mieter auswirken wird, im Vergleich zu meinem deutlich gesunkenen Heizbedarf durch die neue Brennwerttherme. Ich würde ja lachen, falls sich herausstellen sollte, daß sie höhere Heizkosten haben werden als ich. Natürlich werde ich bei solchen unvermeidlichen und hohen Anschaffungskosten auch die Miete erhöhen müssen. Das gilt aber auch für die Wohnung, die ich verkaufen will, denn der Käufer wird meine Mieterin am ehesten behalten wollen, wenn die Miete für ihn auskömmlich ist. Allerdings bin ich skeptisch, ob das klappen wird. Ich nehme an, das wird auf eine Eigenbedarfskündigung hinauslaufen. Objekte in dieser Lage sind nach wie vor ziemlich begehrt und die Nettorendite bei den heutigen Kaufpreisen (ich selbst habe weniger als die Hälfte des Betrags bezahlt, den ich vermutlich erzielen werde, also ist sie bei mir sehr zufriedenstellend) liegt unter den aktuell gebotenen Zinsen für Festgeld. Einen Anreiz, das Mietverhältnis fortzusetzen, wie das auch mir am liebsten wäre, besteht da einfach nicht, und dummerweise kann ich es mir nicht leisten, darauf irgendwelche Rücksichten zu nehmen. Dankesschreiben können meine Mieter dann an Herrn Habeck richten. 

Nicht, daß ich falsch verstanden werde: Ich habe überhaupt nichts dagegen, daß die Energiewende auf einmal so viel zügiger voranschreitet, und ich akzeptiere, daß das für mich gewisse Unannehmlichkeiten mit sich bringt, aber es gefällt mir nicht, daß ich meine Mieter da mit reinziehen muß. Der Mieter des Objekts, das ich eigentlich verkaufen wollte, hat schon bei Abschluß des Mietvertrags gewußt, daß ich möglicherweise seine Wohnung verkaufen werde, und dachte sogar darüber nach, sie selbst zu erwerben. Um ehrlich zu sein, ich hatte Zweifel, ob er das nötige Geld zusammenbringen würde, aber das hat sich jetzt natürlich von alleine erledigt.

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Meine bestachelten Patenkinder mit der Wespentaille (die wurden ja alle mit meiner Wurst großgezogen, also habe ich patentantenähnliche Gefühle für sie entwickelt) haben mittlerweile die Wespensaison eröffnet. Ich war gut auf sie vorbereitet, denn als wir neulich, noch vor Saisonbeginn, Hähnchenschenkel gegessen haben, habe ich die Knochen nicht weggeworfen, sondern eingefroren, weil die Wespen letztes Jahr so begeistert von den Überresten eines Grillhähnchen waren, daß das alle anderen Futtervarianten in den Schatten stellte. Warum also hätte ich das perfekte Wespenfutter in den Müll werfen sollen?

Die erste Ladung Hähnchengebeine mit ein wenig Restfleisch liegt jetzt am üblichen Platz für die Wespen bereit und wird bereits fleißig benagt. Wir können also davon ausgehen, daß wir an unserem üblichen Platz essen können, ohne von Wespen umsummt zu werden.