Mittwoch, 27. Januar 2021

Die Insulin-Theorie: auf dem Weg in den medizinischen Mainstream?

Mein Gewicht heute früh nach dem ersten von zwei Fastentagen der Woche: 98,4 Kilogramm, nachdem ich zuvor, wie zu erwarten war, die 100 wieder einmal überschritten hatte. Dafür sind mir aber auch zwei andere Dinge passiert, die mir zeigen, daß ich weiterhin auf dem richtigen Weg bin: 

  • Gestern mußte ich meinen bequemen Gummizug-Rock enger machen, denn vorgestern abend bin ich, als ich die frisch gebackene Pizza einen Stock höher bringen wollte, nur um Haaresbreite einem Sturz entgangen, weil ich über den Saum meines rutschenden Rocks stolperte. (Um diese selbstgebackene Pizza wäre es ewig schade gewesen, sie war ein richtiges Kunstwerk.) Das war jedenfalls einer meiner letzten Röcke in Größe 44, die ich seither noch tragen konnte; mein letztes Fastenintervall hat dem offenbar ein Ende gesetzt. Zum Glück läßt sich das Problem gerade bei Gummizugbund auf dem Wege der bariatrischen Chirurgie leicht lösen: Ich habe ca. zehn Zentimeter Gummizugbund amputiert, und jetzt werde ich das Teil wohl unbesorgt tragen können, bis es in Fetzen an mir herunterhängt. Lieblingsteile enden bei mir ja fast alle auf diese Weise.
  • Meine Rippen sind vorgestern Nacht "nachgerutscht", offenbar gab es da durch das lange Fastenintervall unter ihnen also wieder einen Leerraum zu füllen. So was passiert nach meiner bisherigen Erfahrung meistens mit zwei, drei Tagen Verzögerung nach einem langen Fastenintervall, und zwar immer nachts, wie eigentlich jede fastenbedingte Veränderung. Ich habe es gemerkt, weil ich wach wurde und unerwartete Schwierigkeiten hatte, eine bequeme Liegeposition zu finden, weil sich alles ein bißchen anders als gewohnt anfühlte.

Das läßt sich also alles ganz erfreulich an im neuen Jahr. Für nächste Woche habe ich jetzt umdisponiert und plane ein zweitägiges Fastenintervall an Montag und Dienstag und danach einen normalen Fastentag am Freitag. Ob ich dies anstelle der normalen zwei Fastentage bis zum Frühjahr im Wechsel mit den langen Fastenintervallen während der Spätschichten meines Mannes vielleicht noch länger beibehalten werde, entscheide ich nach meinem nächsten langen Fastenintervall. Die Anzahl der Fastentage sollte ich zwar  nicht unbegrenzt erhöhen (das letzte Jahr ist da ein warnendes Beispiel), aber ein Tag pro Monat zusätzlich sollte eigentlich noch drin sein. 

Hintergrund ist, daß ich die physische Veränderung nach dem letzten Fastenintervall diesmal so stark gespürt habe, daß meine über den Winter nach Erfolgen hungernde Seele "Mehr davon!" schreit. Also wollte ich wenigstens ein zusätzliches zweitägiges Fastenintervall noch in meiner Planung unterbringen, in der Hoffnung, es werde mir zu ein bißchen von diesem "Mehr davon!" verhelfen.

Ein interessanter Zufallsfund: Die Insulin-Theorie wurde nun auch von einem deutschen Diabetologen aufgegriffen, Prof. Dr. Stephan Martin, der letztes Jahr ein Buch dazu veröffentlicht hat. Bei Amazon gibt es eine relativ ausführliche Buchvorschau, der ich entnehmen konnte, daß das ziemlich nahe dran ist an dem, was auch Dr. Fung schreibt, wobei Martin wohl eher der Low-Carb-Fraktion als der Intervallfasten-Fraktion angehört. Aber letztlich halte ich das für irrelevant. Maßgeblich ist die Abkehr von der kalorienbasierten hin zu einer hormonell basierten Herangehensweise, die ja durchaus mit unterschiedlichen Methoden verfolgt werden kann. 

Prof. Martin ist jedenfalls keiner, dessen Expertenstatus speziell zu allem, was Diabetes betrifft, darunter auch das Insulin, man so leicht in Frage stellen könnte. Nicht, daß es MIR auf diesen Expertenstatus ankäme. Aber eine kritische Masse unter den wissenschaftlichen Meinungsführern im Bereich der Diabetologie und Ernährungsmedizin wird wohl nötig sein, damit diese Herangehensweise sich gegen das vertraute "Weniger essen, mehr bewegen" allmählich mal durchsetzen kann.

Noch ein Buch, das ich mir früher oder später mal kaufen sollte und dann natürlich hier rezensieren werde.

 Im Moment habe ich aber keine Zeit dafür, denn ich bekam vor ein paar Wochen von einer älteren Dame eine fast hundert Jahre alte Goethe-Ausgabe in zehn Bänden geschenkt. Der olle Goethe ist eine der peinlichsten Lücken in meiner Bildung, mehr als den ersten Teil vom "Faust" und die üblichen Gedichte (Zauberlehrling etc.) hatte ich nie gelesen, also nahm ich das als einen Wink des Schicksals, diese Lücke nun endlich zu schließen. Mittlerweile bin ich bei Band fünf angekommen. Vermutlich werde ich vor dem März also keine neue Lektüre brauchen können, egal wie interessant sie eigentlich wäre.

In Band vier der Goethe-Ausgabe hatte ich eine unheimliche Begegnung der dritten Art mit dem Coronavirus, und zwar im Fragment einer nie fertiggestellten Tragödie mit dem Titel "Das Mädchen von Oberkirch". Las ich da doch tatsächlich an einer Stelle folgenden Satz: "Wir leben in einer Zeit, wo wir einander viel verzeihen müssen." 

Da brat mir doch einer einen Storch. Hat der Gesundheitsminister - von niemandem registriert - im Zusammenhang mit Corona etwa Goethe zitiert, noch dazu aus einem Text, den sicherlich kaum jemand kennt außer Irren wie mir, die Goethe-Werkausgaben nicht nur ins Regal stellen, sondern tatsächlich lesen?

Mein Mann meint, ich sehe Gespenster. Jens Spahns vielzitierter Satz "Wir werden in ein paar Monaten einander wahrscheinlich viel verzeihen müssen" habe höchstwahrscheinlich gar nichts mit dem Satz bei Goethe zu tun, der ja auch gar nicht wörtlich zitiert sei. Das stimmt natürlich, aber mir kam Spahns Satz, den ich seinerzeit bei einer Pressekonferenz live mitgehört habe, auf Anhieb merkwürdig formuliert vor. Vor allem das "einander" macht den Satz irgendwie sperrig. Sperriger, behaupte ich, als fast jeder den gemeinten Sachverhalt spontan mündlich formulieren würde. Inhaltlich war der Satz natürlich ein Volltreffer, genau deshalb wird er ja bis heute ständig zitiert. 

Seit ich den Satz bei Goethe gelesen habe, bin ich jedenfalls überzeugt davon, daß Spahn genau dieses Zitat im Kopf hatte, als er seinen Satz sagte.

Bei Goethes Satz geht es um die Französische Revolution. Die Dame, die den Satz sagt, ist eine Adelige aus dem Elsaß, und sie sagt ihn zu einem einstigen, inzwischen aber durch den Verlauf der Ereignisse ernüchterten Befürworter der Revolution, den sie trotz dieser Vorgeschichte als einen vernünftigen Menschen schätzt und dessen Rat sie deshalb sucht. In diesem Kontext finde ich Spahns Satz sehr interessant. Das könnte man nämlich so deuten, daß er schon im Frühjahr argwöhnte, seine Ansichten über seinen Aufgabenbereich würden nicht alle den Kontakt mit einer echten medizinischen Krise überleben.

Da ich seine vorherigen Ansichten, etwa in Sachen Masernimpfpflicht oder Widerspruchslösung bei der Organspende, nicht sonderlich durchdacht fand, könnte ihm das aus meiner Sicht nur zum Vorteil gereichen. Vielleicht stelle ich ja eines Tages doch noch fest, daß mein positives Urteil über Spahn während der Pandemie tatsächlich seine Berechtigung hatte, obwohl mich das so irritierte, weil ich ihn vor Corona immer für einen §$"!§%ß"% (und Schlimmeres) gehalten hatte.

Mit seinem für alle Arten von Gesundheitsthemen zuständigen Kollegen von der SPD, Karl Lauterbach, wird mir das kaum passieren. Der Lauterbach ist schon seit mehr als zehn Jahren ein rotes Tuch für mich, deshalb darf man meine Objektivität in Bezug auf seine Person gerne in Frage stellen, denn bei dem scheint es mir überflüssig, mich noch weiter um Objektivität zu bemühen. Schon damals, als er bei mir erstmals Feindbildstatus gewann, produzierte er sich gerne in Talkshows. Einen bleibenden Eindruck hätte er bei mir wahrscheinlich dennoch nicht hinterlassen, wäre nicht seine Arroganz gewesen. "Wer ist hier der Wissenschafter, Sie oder ich?", herrschte er einmal einen Diskussionspartner an, als ihm keine sachliche Widerlegung mehr einfiel. Da dieses elfmeterreife Foul vom Moderator nicht gepfiffen wurde, "gewann" er damals diese Diskussion mittels verbalen Totschlags, und seitdem ist nicht nur er bei mir unten durch, sondern weil verbale Brachialgewalt dieser Art mir bei Talkshows unangenehm oft auffiel, auch das gesamte Format der Talkshows. 

Ich finde es nämlich herzlich uninteressant, zu erfahren, wer die beste Taktik dabei hat, Gegenpositionen und deren Vertreter niederzubrüllen oder auf andere Weise zum Schweigen zu bringen. Ich habe auch kein Interesse an der Sammlung unvollständiger Argumentationsfragmente zu Themen, die mich interessieren, die am Ende einer typischen Talkshow für gewöhnlich das einzige Ergebnis ist. Talkshows sind in meinen Augen schlimmer als sinnlos, sie produzieren regelmäßig genau das Gegenteil von Information - und das sollte zu denken geben. Würde mich jemand fragen, warum ansonsten ganz normal wirkende Leute heute so leicht auf Fake News hereinfallen, lautet meine Antwort, daß man nach zwei Jahrzehnten politischer Talkshowformate dieser Art und ihrem Einfluß auf die Diskussions- und Informationskultur wohl kaum etwas anderes erwarten könne.

Im Grunde spricht es alleine schon gegen Karl Lauterbach, daß seine Lieblingsdisziplin Talkshows sind, ihm dieses bestenfalls sinnlose und schlimmstenfalls Desinformation verbreitende Format also offenbar besonders liegt.

Noch eine weitere Sache zu Karl Lauterbach. Mir ist nämlich echt unbegreiflich, warum jemand mit einem so schadhaften Gebiß als Gesundheitsexperte überhaupt ernst genommen wird. Ist das auf dem Foto nicht wie ein Blick in die Hölle? Vom bloßen Anblick bekomme ich schon Zahnschmerzen, und daß DAS gesund sein soll, lasse ich mir nicht weismachen. Da drängt sich natürlich auch die Frage auf, warum der Lauterbach nichts dagegen tut - genaugenommen aber auch, warum er es überhaupt so weit kommen lassen hat mit seinen Zähnen.

Überhaupt finde ich, Lauterbach ist, gelinde gesagt, nicht gerade ein Bild des blühenden Lebens. Mit seinem Aussehen ist er haargenau die richtige Person, um apokalyptische Drohkulissen heraufzubeschwören, und vielleicht macht er das ja gerade deshalb so gerne.

Weiter über den meiner Meinung nach ziemlich unlauteren Herrn Lauterbach weiterzuschreiben, würde mir bloß die Laune verderben, und damit täte ich ihm zu viel der Ehre an. Spannend finde ich aber die Frage, wer von den beiden Herren wohl als erstes zur Insulin-Theorie überlaufen wird, Lauterbach oder Spahn, und was dabei der Auslöser sein wird. Daß es in allernächster Zeit passieren wird, glaube ich zwar leider nicht. Aber momentan würde ich eher auf den Spahn wetten, der scheint mir doch der geistig Beweglichere zu sein. Das träfe sich ja günstig, denn ich glaube nicht, daß der Lauterbach noch in ein wichtiges Regierungsamt kommen wird. (Zum Glück.)



Freitag, 22. Januar 2021

Ist Zucker böse?

Mein Gewicht heute früh nach dem letzten von vier Fastentagen: 95,7 Kilogramm. Das ist nicht sensationell, aber zufriedenstellend als Ausgangsbasis für ein Projekt "Bis Ende Mai will ich mindestens einmal eine Acht am Anfang gesehen haben, und wenn es das letzte ist, was ich tue". Zahlen mögen zwar Schall und Rauch sein, aber das, habe ich entschieden, brauche ich dieses Jahr einfach für's Gemüt. Noch einmal ein Jahr wie das letzte kann ich echt nicht gebrauchen. 

Falls die Entwicklung bis zum 20.3. (mein vierjähriges Fastenjubiläum) nicht oder nicht deutlich genug in diese Richtung führen sollte, werde ich mir irgendetwas einfallen lassen. Aber diesmal habe ich eigentlich ein richtig gutes Gefühl, und ich will den Frühjahrsschwung, der jedes Jahr erkennbar war, gut nutzen, denn ich will im Sommer allermindestens - und egal, was ich dabei wiege - alle meine letztes Jahr gekauften Sommerkleider in Größe 40/42 tragen, ohne daß das bei manchen wegen eines zu knappen Sitzes blöd aussieht. :-) 

Vorgestern habe ich mich dazu hinreißen lassen, Trumps Auszug aus dem Weißen Haus und später auch noch einen Teil der Amtseinführung von Joe Biden live zu verfolgen. Daß der Moment, an dem Trump sich vom Acker gemacht hat - erfreulicherweise, ohne daß Gewaltanwendung dafür nötig gewesen wäre, was sich für mich keineswegs von selbst verstanden hat -,  kopftechnisch wichtig für mich sein würde, war mir schon vorher klar gewesen, aber das Erlebnis, daß jetzt wieder jemand US-Präsident ist, der einen netten und normalen Eindruck macht, hat mir erst so richtig vor Augen geführt, wie unnormal die letzten vier Jahre mit Trump gewesen sind. 

Wer hier kennt die "Rocky Horror Picture Show"? An einer Stelle sagt in diesem Film Janet zu Brad "I wish we were among friends or at least sane people". Der Satz kam mir in den Sinn, als ich Bidens Antrittsrede verfolgte, und ich fühlte mich, als wäre ich Janet und mein Wunsch wäre mir in Erfüllung gegangen, jedenfalls was den zweiten Halbsatz betrifft. Es gibt Situationen, in denen muß man sich nicht sicher sein, ob man es mit Freunden zu tun hat, solange sie halbwegs normal und vernünftig und gutmeinend wirken. Trumps gefühlt endlose gräßliche Präsidentschaft mit Suspense buchstäblich, bis er endlich (endlich!) aus dem Weißen Haus heraustrat, in den Hubschrauber stieg und seiner Wege flog, war so eine Situation.

Was für eine Freak-Show haben wir mit Trump erlebt. Die letzten vier Jahre hatten, wenn ich so darüber nachdenke, tatsächlich ein bißchen was von der Rocky Horror Picture Show, in der ja die beiden Protagonisten ahnungslos in eine Situation stolpern, mit der kein normaler Mensch spontan einen sinnvollen Umgang finden würde - und genau das gelingt ihnen ja letztlich auch bis zum Schluß nicht. So ähnlich ging es mir und vermutlich den meisten mit Trump auch. Da kommt es echt nicht mehr darauf an, ob man Biden als Freund betrachtet, es reicht erst mal, daß er erkennbar zu den "sane people" zu rechnen ist. 

Wahrscheinlich werde ich mich früher oder später auch mal über ihn ärgern, und womöglich sogar deshalb, weil er in den Alltagsmühlen die Tatsache aus den Augen verlieren wird, daß das zugrundeliegende Problem, das dazu führte, daß ein Donald Trump überhaupt wählbar wurde, noch nicht gelöst wurde. Aber darüber ärgere ich mich erst, wenn es wirklich passiert. Wichtig ist im Moment vor allem, daß jetzt die Voraussetzungen wieder gegeben sind, eine Problemlösung ernsthaft zu versuchen, was ja die letzten vier Jahre lang nicht der Fall war.

***

Es gab einen Tagesschau-Podcast zum Thema Zuckersteuer, den ich mir heute angehört habe und der mich wenig überzeugt zurückgelassen hat. 

Im Abnehmen-Forum habe ich zum Thema Zucker schon mitdiskutiert, wo man das in aller Ausführlichkeit nachlesen kann. Jetzt auch hier einmal meine Meinung dazu: Ich bezweifle, daß eine Zuckersteuer eine meßbare positive gesundheitliche Wirkung mit sich bringen wird, weil dagegen zwei nachweisbare Fakten sprechen: 

1) In Mexiko gibt es seit 2014 eine Steuer auf gezuckerte Softdrinks. Bis 2018 war keine Wirkung auf die weiter steigende Prävalenz von Adipositas zu bemerken, und innerhalb von vier Jahren hätten sie eigentlich irgendeine Wirkung haben müssen. Auch die Diabetes-Zahlen haben sich anscheinend nicht verbessert. Das ist in der Fachwelt auch bekannt, wahrscheinlich erheblich genauer, als ich das ermitteln konnte. Im Podcast wird es an einer Stelle nebenbei erwähnt. (Nach Meinung des betreffenden Experten spricht dies übrigens nicht gegen Zuckersteuern, sondern dafür, sie mit irgendwelchen ungenannten anderen Maßnahmen zu kombinieren.)

2) In den USA ist ganz deutlich zu erkennen, zu welchem Zeitpunkt die Zahlen anzusteigen begannen, nämlich Mitte/Ende der siebziger Jahre. Süße Softdrinks, vor allem Coca Cola, waren da schon Jahrzehnte auf dem Markt. Mehr noch, 1982 wurde "Diet Coke", also unser "Cola Light", eingeführt und wurde rasch populär. Ich erinnere mich noch, wie befremdlich ich es fand, daß in Stephen-King-Büchern, die ich während der Achtziger geradezu verschlungen habe, die Leute ständig Diet Coke tranken, ich fand den Geschmack dieser Plörre nämlich abscheulich und hätte sie nicht einmal dann freiwillig getrunken, wenn ich am Verdursten gewesen wäre.

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Wenn also die Amerikaner ab 1982 eine ziemlich ordentliche Menge des zuvor konsumierten Zuckers durch Süßstoff ersetzt haben, wieso kam diese Entwicklung nicht zum Stillstand oder verlangsamte sich wenigstens? Diese Frage hätte ich gerne von den Befürwortern der Zuckersteuer beantwortet, die ja letztlich auf dem Gesetzesweg dasselbe erreichen wollen, was in Amerika damals durch die Markteinführung von Diet Coke über Marktmechanismen geschehen ist, nämlich die Menge des konsumierten Zuckers verringern. 

Bis zum Beweis des Gegenteils bin ich deshalb der Meinung, daß eine Zuckersteuer genau denselben Effekt auf die Adipositas-Entwicklung haben wird, nämlich bestenfalls gar keinen und schlimmstenfalls einen negativen.

Ganz nebenbei noch: Mexiko wird gerne als DAS Erfolgsmodell gepriesen, weil der Zuckerkonsum dort tatsächlich nachgelassen hat. Das demonstriert mir, daß die Medien zu ahnungslos an solche Themen herangehen, denn der reduzierte Zuckerkonsum ist ja nur ein Mittel, mit dem ein bestimmter Zweck erreicht werden sollte, der aber durch dieses Mittel augenscheinlich in Mexiko gar nicht erreicht wurde. So etwas ist dann natürlich auch KEIN Erfolg. Ein Erfolg ist es erst dann, wenn das eigentliche Ziel erreicht werden kann. 

Das erlebt man im Gesundheitsjournalismus auch bei anderen Gesundheitsthemen öfter, daß Mittel und Zweck miteinander verwechselt werden, und Hintergrund ist eine Form des unwissenschaftlichen Denken, die mich immer an den berühmten  Cargo Cult erinnert, auch, weil sie quasireligiöse Züge hat. Zucker wird mittlerweile als aus sich selbst heraus "böse" wahrgenommen, also muß auch alles gut sein, womit man ihn wirksam bekämpft. "Gesundheit" wird dabei zwar regelmäßig heraufbeschworen, man hat sie in Wirklichkeit aber völlig aus dem Blick verloren. 

Wer etwas gegen Adipositas oder Diabetes getan zu haben behauptet, der sollte mir geheilte Patienten vorweisen können, keinen sinkenden Zuckerkonsum.

Die Rolle des Zuckers - nicht zuletzt in hochverarbeiteten Produkten - ist ansonsten aber eigentlich schon diskussionswürdig. Es kann ja kein Zweifel daran bestehen, daß noch nie so viel Zucker konsumiert wurde wie in den letzten Jahrzehnten. Wobei ich aber widerspreche, wenn dies nun auf die letzten zehn oder zwanzig Jahre verengt wird, denn das ist nicht wahr. Tatsächlich muß es seit meiner Kindheit weniger geworden sein. 

Als ich ein Kind war, in den siebziger Jahren, war es selbstverständlich, Kindern Limonade zu trinken zu geben - dafür kann man heutzutage gesteinigt oder wenigstens geshitstormt werden. Daß Süßes nicht gesund sei, wurde schon damals ständig gepredigt, aber auf das Alltagsverhalten hatte das, anders als später, noch keine Auswirkungen. "Light"-Produkte, die später in immer neuen Wellen über die Supermärkte hinwegschwappten und teils dauerhaft dort blieben - also auch gekauft werden -, waren noch exotische Ausnahmen. Es ist schwer vorstellbar, daß parallel zum Anstieg des Konsums von anderen Süßstoffen, die ja Zuckerkonsum ersetzten, zusätzlich auch in rauhen Mengen mehr Zucker konsumiert worden sein soll. 

In den letzten paar Jahren vollends fanden sich Bücher wie "Für immer zuckerfrei" auf den Bestsellerlisten und werden, wenn schon nicht die ganze Gesellschaft, so doch die Eßgewohnheiten von manchen Leuten mehr als nur vorübergehend verändert haben. Übrigens erinnere mich noch daran, wenn ich in den Neunzigern an Geburtstagen die große Form - sie faßte ungefähr ein Kilo - mit meinem allseits bekannten göttlichen Tiramisu ins Büro mitbrachte, zwar immer alle reingehauen haben, als gäbe es kein Morgen, und selten etwas übrig geblieben ist, aber bei anderer Leute Geburtstagen immer die "nicht so süßen" Sachen mit Vollkorn und all diesem Kram, die von denen in der Regel mitgebracht wurden, dafür besonders laut als absolut köstlich gelobt wurden. Das "richtige" Bewußtsein war also schon vor dreißig Jahren vorhanden und wurde, glaube ich, auch von vielen in die Praxis umgesetzt. Jedenfalls im Alltag - die süßen Sünden, die von einer Minderheit kamen, nahm man eben als verzeihlichen Ausnahmefall mit.

Nicht bezweifelt werden muß, daß eine zuckerfreie Ernährung theoretisch gesünder sein müßte als eine, die Zucker enthält. Zucker ist nicht lebensnotwendig. Andererseits löst Zuckerkonsum einen Insulinspike aus, und wenn man täglich über den Tag verteilt viel Zucker ißt, schadet man zweifellos seinem Stoffwechsel. Will man das, was man ißt, so gesundheitsfördernd wie möglich halten, spricht jedenfalls nichts dagegen, Zucker ganz wegzulassen. Aber Ernährung ist nun einmal mehr als die Summe der enthaltenen Nährstoffe. Es hat ja einen biologischen Grund, warum wir alle süß als angenehm empfinden; der Insulinspike brachte bei den Höhlenmenschen ja einen Energieschub mit sich, der zum Überleben und damit zum Arterhalt beitrug. Auch wenn dieser Grund bei einem Überfluß an Nahrung nicht mehr relevant ist, Essen sollte meiner Meinung nach trotzdem auch Spaß machen und Genuß bereiten. Es gibt Leute, denen ist Essen tatsächlich gleichgültig, und bei denen spielt dieser Faktor natürlich keine Rolle. Aber sich sein Leben lang das Essen verkneifen, das einem besonders gut schmeckt, halte ich für ungesünder, als es sich in einem selbstdefinierten Rahmen zu gönnen, sei es bei Feiern oder eine bestimmte Anzahl von Malen im Monat - oder auch wie ich ad libitum, da ich die negative Wirkung ja durch das Fasten wieder ausgleichen kann. Denn, grob vereinfacht, aber deshalb nicht falsch: Spaß haben ist gesund, und Trübsal blasen ist ungesund.

Zucker muß man nicht unbedingt wie der Teufel das Weihwasser vermeiden, auch dann nicht, wenn man abnehmen oder sein Gewicht halten will. Fast 50 Kilo Gewichtsabnahme kann ich als Beweis dafür in die Waagschale werfen, denn ich habe vor Beginn des Intervallfastens etwa zehn Jahre lang tatsächlich versucht, in einem gewissen Rahmen Zucker zu vermeiden (vor allem keine Süßigkeiten und keine Limonaden), aber damit die Zunahme nicht verhindern können, und bin nach einiger Zeit des Intervallfastens, als ich immer mehr abnahm und ich langsam anfing, wirklich an das zu glauben, was mir gerade passierte, vorübergehend ins Gegenteil verfallen, ohne daß es aber meine Abnahme behindert hätte.

Seit ich selber backe, merke ich erst so richtig, daß ich ganz schön viel Zucker konsumiere, und vielleicht ist das ja die Stellschraube, an der ich drehen werde, falls ich mit meiner Abnahme im Lauf des Frühjahrs nicht zufrieden sein sollte. Aber wenn, dann nur vorübergehend. Kuchen ist für mich ein Stück Lebensqualität, ganz besonders, wenn er selbstgebacken ist. (Für morgen steht übrigens schon eine Eiercreme-Torte mit Kirschen in meinem Kühlschrank, heute noch während des Fastens gebacken.)

Das Problem mit dem Zucker entsteht vermutlich - jedenfalls in der Mehrheit der Fälle - vor allem dann, wenn der Zucker ständig und den ganzen Tag über ohne ausreichend lange Pausen zugeführt wird. Es gibt Leute, die behaupten - und ich habe keinen Grund, ihnen nicht zu glauben -, daß genau dies ihr Problem sei: Sie seien außerstande, ihren ständigen Drang nach Zucker zu bändigen. Sie seien also zuckersüchtig. Zuckersucht ist ein Problem, das ich selbst eindeutig nie gehabt habe, obwohl ich durchaus gerne Süßes esse, denn ich habe zu bestimmten Tageszeiten sogar einen ausgesprochenen Widerwillen gegen Süßes, am meisten morgens. Mit Marmeladebrot konnte man mich schon immer jagen. Auch zur Hauptmahlzeit will ich nichts Süßes, allenfalls als Nachtisch nach etwas Habhafterem.

Daß ich nicht zuckersüchtig bin, bedeutet aber noch lange nicht, daß deshalb auch niemand sonst es haben könnte. Aber es liegt auf der Hand, daß eine Zuckersteuer daran nichts ändern würde, daß ein Zuckersüchtiger weiter seine Dosis konsumieren wollen würde und das auch dann täte, wenn er ein paar Cent mehr für Süßkram bezahlen müßte - und mehr als ein paar Cent würde das ja nicht ausmachen, auf den einzelnen Schokoriegel oder die Tüte Gummibärchen bezogen. Wäre eine Zuckersteuer dann nicht eine zweite Tabaksteuer, in der sich vor allem der Finanzminister daran bereichert, daß er seine "Strafsteuer" Leuten aufbrummt, von denen er ganz genau weiß, daß sie sich mehrheitlich nicht von einem höheren Preis abschrecken lassen werden?

Nein, ich sehe keine nennenswerte positive Wirkung, die ich mir von einer Zuckersteuer versprechen würde. Dem Trend zu immer mehr Convenience Food (in dem dann auch Zucker und Gott weiß was alles enthalten ist, das einem nicht gut tut) ließe sich übrigens auf eine andere Weise weitaus besser gegensteuern, nämlich durch eine Transportsteuer speziell für Lebensmittel, mit der jeder Lebensmitteltransport über weitere Strecken (sagen wir, mehr als 300 oder 500 Kilometer) belegt werden könnte. Denn so etwas würde nicht nur regionale Erzeuger begünstigen, sondern auch schon im Vorfeld der Produktion jede einzelne Zutat betreffen, mit der eine Tiefkühlpizza belegt ist oder die sich in der Erasco-Dose mitverbirgt. Das würde umso stärker zu Buche schlagen, je höherverarbeitet ein Lebensmittel ist, und umso weniger ausmachen, je naturbelassener es ist. Bei spanischen Erdbeeren oder südamerikanischen Avocados würde es als Preisbestandteil weit weniger zu Buche schlagen, aber natürlich im Vergleich dazu das der Jahreszeit gemäße Obst und Gemüse im Preis attraktiver werden lassen. Aber im Vergleich zu dem Preis der Fertigpizza stünden sie immer noch gut da.

Was mir an dieser Idee so gefällt, ist, daß sie nicht auf einen einzelnen isoliert betrachteten Problempunkt abzielt, sondern auf eine in vielfacher Hinsicht ungute Gesamtentwicklung, und vielleicht ja einen Trend in die bessere Gegenrichtung einläuten würde, von der am Ende auch die Gesundheit profitieren würde.

Vielleicht ist es ja jemandem aufgefallen: Die USA hatten selbstverständlich schon vor Mitte der siebziger Jahre ein Übergewichts-Problem, das damals auch schon thematisiert wurde, daran erinnere ich mich auch noch aus meiner Kindheit und Jugend. In meinen gesammelten alten Spiegel-Ausgaben aus den Achtzigern fänden sich dazu bestimmt Artikel, aber ich meine, das kenne ich sogar schon aus Kinderbüchern oder US-Fernsehserien für meine damalige Altersgruppe. Es gab auch etliche Hypes, die sich ums Abnehmen drehten und aus den Staaten zu uns herüberschwappten, beginnend damit, daß der gute alte Dauerlauf aus meiner Kindheit plötzlich als "Jogging" schick wurde, über Aerobic bis hin zum bereits erwähnten Cola light und später den wie Pilze aus dem Boden schießenden Fitnesstudios.

Ich weiß nicht, wie viele weitere Anstrengungen der Amis um ihr Gewicht ich noch alles hätte mit aufzählen können, aber die tatsächliche Entwicklung zeigt meiner Meinung nach eindrucksvoll, daß irgendwann im Lauf der Siebziger dabei ein paar richtige Griffe ins Klo geschehen sein müssen, mit denen in den besten Absichten alles nur noch schlimmer gemacht wurde - und das wirkt nicht nur bis heute nach, sondern irgendwann um die Jahrtausendwende muß noch mindestens ein weiterer dieser Griffe ins Klo passiert sein, denn da stiegen die Zahlen ja auf einmal noch drastischer. Hätte man den Dingen damals, Anfang der Siebziger, einfach so, wie es war, ihren Lauf gelassen, wäre die Adipositas-Epidemie in Amiland meiner Vermutung nach längst nicht so katastrophal geworden, wie sie heute geworden ist.

Worin genau die Griffe ins Klo bestanden haben, will ich an dieser Stelle einmal offen lassen, auch deshalb, weil ich die Lösung auch nicht einfach aus dem Zylinder ziehen kann (obwohl ich die eine oder andere Theorie dazu ganz interessant finde). Worauf ich nämlich hinaus will, ist eine Bitte an die Pressure-Groups aus dem Public-Health-Bereich, die ständig das Mühlrad zur Zuckersteuer klappern lassen: 

Bitte, bitte, verschont uns doch einfach mit allen gut gemeinten mit irgendwelchem Zwang oder Druck oder Manipulation (Nudging!) verbundenen Maßnahmen, solange deren tatsächliche Wirkung nicht zweifelsfrei belegt ist. Es sind mittlerweile so viele vermeintlich wissenschaftlich nachgewiesene Ernährungsvorschriften auf den Müllhaufen der Wissenschaftsgeschichte gekippt worden, von den Eiern über die Butter bis zum Salz, daß ich immer wieder darüber staune, wenn die Gefährlichkeit des Zuckers genauso leidenschaftlich vertreten wird wie vor zwanzig oder dreißig Jahren die genannten angeblichen Bösewichter. Mir fehlt in diesem Wissenschaftsbereich jeder Anflug von selbstkritischer Reflexion. Alles wird gepredigt, als käme es aus der Bibel. Und wir sollen daran glauben, weil ihr ja diejenigen mit der Ahnung wärt oder jedenfalls sein solltet.

Nur, wer einmal erlebt hat, daß er seine Probleme lösen kann, indem er exakt das Gegenteil von dem tut, was ihr empfohlen hättet, der glaubt natürlich erst mal gar nichts mehr. Der möchte mit guten Argumenten überzeugt werden. Und die Argumente zur Zuckersteuer überzeugen mich gar nicht.


Mittwoch, 20. Januar 2021

Kampf dem Krampf und Corona

Mein Gewicht heute früh am Morgen des dritten von vier Fastentagen: 97,5 Kilogramm. Das gefällt mir schon wesentlich besser als mein gestriges Gewicht, aber natürlich ist damit mit einem neuen Gewichtstiefststand am Freitag nicht zu rechnen. - Nicht, daß ich mir ernsthaft solche Hoffnungen gemacht hätte.  

Tag drei bei längeren Fastenintervallen ist meistens dadurch geprägt, daß die Wirkung auf die Körperform allmählich spürbar wird. Ich sitze morgens ganz anders am Frühstückstisch. Die Beine schlage ich mittlerweile gewohnheitsmäßig übereinander und freue mich immer noch wie ein Kind darüber, daß ich das jetzt wieder kann, aber am dritten Fastentag merke ich dabei jedes Mal einen besonders großen Unterschied zum Tag davor. Falls ich eine zusätzliche Motivierung nötig hätte, um das Fasten durchzuhalten: Das würde sie bieten. Aber mich motiviert an sich schon ausreichend, daß ich schon so viele viertägige Fastenintervalle hinter mir habe und kein einziges davon mir schwierig durchzuhalten vorgekommen ist. 

Ich bin aus allen Wolken gefallen, als ich im Lauf der Zeit mitbekommen habe, daß Fasten manchen Leuten richtig schwerfällt. Für mich hat es sich als so fast schon lächerlich easy erwiesen, daß ich eine Zeitlang glaubte, diese Schwierigkeiten stellen sich nur Leute vor, die es mit dem Fasten noch nie probiert haben. Aber ich bin lernfähig, offenbar gibt es bei anderen Leuten teilweise physische oder psychische Hürden, die nicht so leicht zu überwinden sind. Jedem, der es noch nie probiert hat und sich davor fürchtet, kann ich allerdings immer noch aufrichtig empfehlen, es erst einmal auszuprobieren, denn vielleicht erlebt er dann ja wie ich eine angenehme Überraschung. 

Das einzig Unangenehme, das ich bei solchen langen Fastenintervallen häufiger erlebt habe, sind Wadenkrämpfe, meistens in der dritten oder vierten Nacht. Weil ich im Dezember während des Fastens in Nacht 3 einen richtig fiesen Krampf bekam, bei dem nicht nur die Wade, sondern auch der Fuß betroffen war - es fühlte sich an, als wären meine Fußknochen durcheinandergeraten -, so daß ich nicht richtig auftreten konnte und deshalb kaum in der Lage war, mich zu meinen Magnesiumtabletten zu schleppen, habe ich mich entschieden, jetzt ab dem zweiten Fastentag immer gegen Abend präventiv eine dieser Sprudeltabletten zu nehmen, um nicht nächtens notfallmäßig eine nehmen zu müssen und dann manchmal einen ganzen Tag lang trotzdem noch leicht zu humpeln. 

Diese Sprudeltabletten wirken verblüffend schnell. Noch während ich das Glas leertrinke, merke ich die Wirkung, wenn ich sie im Akutfall nehme. Für alle Fälle habe ich jetzt aber auch ein paar dieser Tabletten in meiner Nachttischschublade deponiert.

Gestern abend habe ich bis gegen 21 Uhr auf die Pressekonferenz von Frau Merkel gewartet. Kurz nachdem ich genervt den Rechner runtergefahren habe, scheint sie dann losgegangen zu sein. Mit den Ergebnissen bin ich halbwegs zufrieden (obwohl mir Merkel, als ich die PK heute ansah, erneut zu gut frisiert war, um ihr nicht zu unterstellen, daß sie in Sachen Friseure ein bißchen "gleicher" ist als wir arme Sterbliche). Die einzige Sache, die mich wirklich ein bißchen stört, ist die geänderte Maskenpflicht, auch wenn ich froh bin, daß der Quatsch mit den FFP2-Masken sich nicht durchgesetzt hat, denn nach dem gestrigen Beschluß hat man die Wahl zwischen diesen FFP2- und normalen OP-Masken, die erheblich weniger kosten. Das sollte umsetzbar sein, ohne daß die halbe Republik aus finanziellen Gründen auf ein "Nur so tun, als ob" ausweicht, also Masken zu häufig und zu lange trägt und damit das Infektionsrisiko sogar noch erhöht, statt es zu verringern.

Bislang ist noch kein Stichtag bekannt, ab dem die geänderte Maskenpflicht gelten soll. Trotzdem werde ich wohl bis auf weiteres so verfahren, wie ich das gestern skizziert habe. Ich gestehe, ich trenne mich sehr ungern von meinen Stoffmasken und werde sie wohl, wenn ich auf den Wochenmarkt gehe, weiterhin benutzen, sofern das nicht ausdrücklich auch verboten wird. 

Ich bin auch nach wie vor nicht davon überzeugt, daß der Wechsel von individuellen, manchmal sogar dem Outfit perfekt angepaßten bunten Masken auf uniforme, Krankheit suggerierende Masken beim Einkauf und in Bus und Bahn einen nennenwerten Effekt auf die Infektionswahrscheinlichkeit haben wird, und hätte mir deshalb sehr gewünscht, daß man uns dieses Stück Individualität nicht wegnimmt. Ich hab mir das immer gerne angesehen, was für Masken die Leute um mich herum haben, denn das drückt ja auch etwas über sie selbst aus. Aber jetzt ist es halt so. Immerhin wurden mit der Verlängerung der Schulschließungen und einer Homeofficepflicht, wo das möglich ist, zwei der wichtigsten unter den Maßnahmen, die meiner Meinung nach eine deutliche Wirkung versprechen, ja auch beschlossen, das versöhnt mich mit einer kleinen zusätzlichen lästigen Unbequemlichkeit. Verglichen mit vielen anderen, die von den Beschlüssen um einiges härter getroffen wurden, vor allem Familien mit Kindern oder Gastwirte, Dienstleister und Ladenbesitzer, habe ich damit ja ein echtes Luxusproblem. Mein Mann ist freilich gar nicht begeistert, er gehört ja zu denen, die mit der Bahn zur Arbeit fahren und deshalb eine große Menge Masken benötigt.

Immerhin gehe ich jetzt davon aus, daß die Infektionszahlen relativ schnell zurückgehen werden. Bei mir in der Stadt ist die Sieben-Tages-Inzidenz vorgestern nämlich endlich wieder unter 100 gefallen und liegt schon jetzt nur noch knapp über 90. Das ist echt ermutigend, wenn man bedenkt, daß die Zahlen inzwischen wieder sehr verläßlich sind, und es wäre ein Jammer gewesen, wäre diese Entwicklung durch unkluge Entscheidungen aufs Spiel gesetzt worden. Die Todesfallzahlen sind natürlich gerade zum Heulen, aber die Todesfälle heute sind auf die Infektionen um Weihnachten herum zurückzuführen. Kurz vor Weihnachten hatten wir ja die höchsten Infektionszahlen überhaupt, also war abzusehen, daß das im Januar noch richtig häßlich wird. Im Lauf des Februars wird es hoffentlich wesentlich besser werden, und zwar meines Erachtens: dauerhaft besser, weil ab Februar ja auch der Anteil der Geimpften in den Hochrisikogruppen immer weiter zunimmt, die schon beide Impfungen bekommen haben.

Interessanterweise ist der Rückgang der Infektionszahlen über Weihnachten - einschließlich einem Rückgang der Auslastung der Intensivbetten sowie einem zurückgehenden Anteil positiver Coronatests - auch in anderen Ländern zu beobachten gewesen, deren Coronastrategien ganz unterschiedlich gewesen ist. Schweden etwa, UK oder die USA. Das spricht für meine Vermutung, daß die Schulferien und der niedrigere Anteil an Berufstätigen, die zwischen den Jahren zur Arbeit gehen, eine nicht ganz unbedeutende Rolle spielen. Falls es wirklich so sein sollte, müßte man in den nächsten Wochen bei der Entwicklung des Infektionsgeschehens deutliche Unterschiede zwischen den Ländern sehen, die Arbeit und Schule weiterhin weitgehend herunterfahren, und etwa solchen wie Schweden, wo das bislang nicht geplant ist. Das werde ich beobachten, weil ich gerne wissen möchte, ob ich mit meiner Einschätzung zur Bedeutung von Schule und Arbeit beim Infektionsgeschehen richtig oder falsch liege.

***

Noch ein Nachtrag zu meinem gestrigen Blogbeitrag: Bezüglich der plötzlich überall ausverkauften FFP2-Masken ist es haargenau so gekommen, wie ich es prophezeit hatte, und nun tun alle ganz erstaunt. Dabei mußte man nun wirklich kein Prophet sein, um das kommen zu sehen.


Dienstag, 19. Januar 2021

Der verlorenen Schlüssel und die Straßenlaterne. Noch einmal.

Mein Gewicht heute früh am Morgen des zweiten von vier Fastentagen: 99,6 Kilogramm. Das ist zu viel, um damit so richtig zufrieden zu sein. Aber bekanntlich befinden wir uns ja nicht in "Wünsch dir was", sondern in "So isses!", und ich bin jetzt erst einmal froh, daß die überlange Weihnachtspause bei den langen Fastenintervallen beendet ist, und optimistisch, daß sich bis zum Frühjahr endlich wieder einmal Erfolge zeigen. 

Sonst fällt mir zu meinem Gewicht gerade nicht viel ein, mein letzter Blogbeitrag ist ja auch noch nicht so lange her.

Was mir gerade sonst zu denken gibt - und es gibt mir sehr viel zu denken: Die geplanten Verschärfungen der Corona-Maßnahmen. 

Mich stört an denen, daß die Diskussionen im Vorfeld zu großen Teilen in eine falsche Richtung gehen. Das weckt das ungute Gefühl, daß auch die Beschlüsse in eine falsche Richtung gehen werden, mit der möglichen Folge, daß unwirksame oder sogar kontraproduktive Maßnahmen einen großen Teil der Beschlüsse ausmachen könnten. Symbolpolitischer Blödsinn wird in Pandemiezeiten schlimmstenfalls mit dramatisch steigenden Infektionszahlen und damit auch mehr Todesfällen bestraft. Mir liegt also etwas daran, daß die heutigen Beschlüsse vernünftige Beschlüsse sein werden, die mehr als blinder Aktionsmus sind.

Der Entwicklung der Infektionszahlen läßt sich nämlich in etwa entnehmen, welche der Maßnahmen seit Ende Oktober, als die zweite Welle sich aufbaute, welche Wirkung gezeigt haben. Daraus läßt sich ableiten, womit man jetzt sinnvollerweise darauf aufbauen könnte.

 

Zur Erinnerung: Ab Anfang November gab es einen Teil-Lockdown. Geschlossen wurden dabei Freizeiteinrichtungen, also die Gastronomie, Museen, Schwimmbäder, Fitnesstudios, Kinos, Theater, Opern. Daneben wurde im privaten Bereich das Recht, andere Menschen zu treffen, auf die Angehörigen von zwei Hausständen eingeschränkt. Keine Veränderungen gab es dagegen im Handel, den Schulen und bei allen übrigen Arbeitsplätzen.

Wie man der Grafik entnehmen kann, führte das aber nur zu einer geringfügigen Abnahme der Infektionen, und auch die war nur vorübergehend. Ab Anfang Dezember stiegen die Zahlen wieder an. Das bedeutet: Die Maßnahmen waren wirksam, allerdings nicht in ausreichendem Maße. Irgendwelche von den besonders wichtigen Infektionstreibern hatte man nicht berücksichtigt. 

Ab dem 16. Dezember mußten deshalb auch der größte Teil des Handels und Dienstleistungen wie Friseure schließen. Schulen und Kitas schlossen ab diesem Tag bis auf eine Notbetreuung. Dagegen wurden die privaten Beschränkungen über die Weihnachtsfeiertage ein wenig gelockert. An die Adresse der Arbeitgeber gab es aber von vornherein nur ein paar wachsweiche Appelle, sich zu Betriebsferien zu entschließen oder Homeoffice zu nutzen. Freilich haben viele Betriebe über Weihnachten ohnehin Betriebsferien, und überall, wo das nicht der Fall ist, nimmt immer ein beträchtlicher Teil der Beschäftigten über die Feiertage Urlaub. Ich als notorischer Weihnachtsmuffel weiß das, denn ich war schon immer eine begehrte Vertretung zwischen den Jahren.

Der Tag mit den einstweilen höchsten Infektionszahlen war der Tag vor Heiligabend, der 23. Dezember; seitdem sinken die Infektionszahlen erfreulicherweise wieder. Ich behaupte deshalb: Eine weitere Fokussierung auf den privaten Bereich wäre nicht zielführend. Vergleicht man die Entwicklung zwischen Anfang November und Mitte Dezember mit der danach, liegt die Annahme nahe, daß Schulen und Arbeitsplätze eine besonders wichtige Rolle bei der weiteren Pandemiebekämpfung spielen müssen. 

Ganz wichtig dabei: Falls es über Weihnachten tatsächlich zu einer Zunahme von Infektionen im privaten Bereich gekommen sein sollte - was ich nicht ausschließe -, dann lag die Abnahme durch die Maßnahmen, die ab dem 16.12. in Schulen einsetzten und in Betrieben mindestens dem üblichen saisonalen Geschehen entsprachen, noch ein gutes Stück höher, als es ohnehin vermutet werden muß, da sich ja in Summe aus beidem ein merklicher Rückgang ergeben hat. 

Trotzdem wurde am 5.1. und wird nun im Vorfeld der nächsten Beratung wieder am meisten über Regulierungen im privaten Bereich gesprochen, in der Regel mit teils dezenten, teils offenen Publikumsbeschimpfungen verbunden, daß wir ja alle selber schuld seien, wenn man uns reguliert, weil wir uns ja auch disziplinierter verhalten könnten. Die Politik macht damit schon seit Ende Oktober den Fehler, den ich in meinem letzten Beitrag als einen erwähnt hatte, den ich selbst zu vermeiden versuche: Sie sucht den verlorenen Schlüssel unter der Straßenlaterne, weil es dort Licht hat, obwohl sie ihn dort gar nicht verloren hatte. Solche Spielchen sind politiktypisch. Aber in einer Pandemie kosten sie Menschenleben, deshalb sollten sie unterlassen werden. Wenn das schon seither nicht geschehen ist, dann wenigstens jetzt. 

Daß die beiden Bereiche Wirtschaft und Schule von der Politik besonders ungern angefaßt werden und man sich deshalb gar zu gerne wieder auf das vermeintliche Fehlverhalten im privaten Bereich konzentrieren und mit zusätzlichen Ge- und Verboten belegen möchte, ist gefährlich. Mit diesen beiden Bereichen Wirtschaft und Schule steht und fällt die Sache höchstwahrscheinlich, und außerdem: Tut es not, die Leute mit weiteren Restriktionen im Privatleben zu schurigeln, wenn die Zahlen aus der Weihnachtszeit es nahelegen, daß sie sich überwiegend diszipliniert verhalten haben? 

Neben der höchstwahrscheinlich weitaus besseren Wirksamkeit auf das Infektionsgeschehen spräche für eine Konzentration auf die Unternehmen auch, daß es den Leuten längst unangenehm auffällt, daß immer nur von ihnen etwas verlangt wird, aber nicht von ihrem Brötchengeber. Das enthält ebenfalls ein Risiko, nämlich daß den Leuten die Einsicht in die Maßnahmen abhanden kommt. Da man nicht hinter jeden Bürger zwei Büttel zum Kontrollieren stellen kann, hätte man dann das Problem, daß zusätzlich zu dem fehlenden Schutz aus dem Bereich Arbeit der Schutz im privaten Bereich sich auch verschlechtern würde.

Ich bin deshalb für eine Homeoffice-Pflicht für jeden Arbeitsplatz, bei dem sie umsetzbar ist. Das führt schon aus sich selbst heraus auch zu einem sinkenden Ansteckungsrisiko im ÖPNV. Ebenso plädiere ich dafür, die Schulen weiter geschlossen zu halten. Es ist mir dabei scheißegal, wieviele Studien sich vorweisen lassen, laut denen die Schulen angeblich im Infektionsgeschehen gar keine Rolle spielen. Wichtig ist in meinen Augen, was im Dezember tatsächlich passiert ist, nachdem die Schulen geschlossen worden waren. Die Rolle der Schulen muß viel größer sein, als die meisten ahnten, denn zur Arbeit gingen zwar weniger Leute, aber eben doch immer noch mehr als genug.

Wichtig ist aber auch, was nicht passiert ist, als die Eltern mit ihren in der Wohnung quasi eingesperrten Kindern massenhaft die noch verfügbaren Freizeiteinrichtungen im Freien, von Skiloipen bis zu Rodelbahnen stürmten - was in den Medien ja ausgiebig skandalisiert wurde: Es hat den Rückgang der Infektionen nicht verhindert. Wiederum gilt: Falls es dabei Ansteckungen gegeben haben sollte, die eigentlich vermeidbar gewesen wären, ist die Zahl der durch die geschlossenen Schulen vermiedenen Ansteckungen sogar noch höher einzuschätzen, da die Zahl der Infektionen in der Summe aus beidem sank.

Daneben plädiere ich außerdem aber noch für eine Maßnahme, die von keinem der sogenannten Experten bislang vorgebracht wurde, und das finde ich ziemlich erschreckend, weil sie mir besonders wichtig erscheint: Es müßte nämlich DRINGEND bei den Quarantäneregelungen nachjustiert werden. Ich habe jetzt nicht überprüft, wie die konkrete Rechtslage ist, aber de facto ist es so, daß jedenfalls bei meinem Mann im Betrieb Mitarbeiter nach Coronatests weiter zur Arbeit kamen und dies geduldet wurde, solange das Testergebnis nicht vorlag. Die Beschäftigten kamen deshalb, weil sie andernfalls unbezahlten Urlaub hätten nehmen müssen und sich das schlicht nicht leisten können. Das kann man ja menschlich verstehen, aber daß so etwas ist mit einer ernstzunehmenden Pandemiebekämpfung unvereinbar ist, sollte sich von selbst verstehen. 

Falls das also wirklich zulässig sein sollte (was ich mir eigentlich gar nicht vorstellen kann), gehört es unzulässig gemacht. Und falls es jetzt schon unzulässig sein sollte, dann muß die Einhaltung besser überwacht werden. Hier müssen die Unternehmen von der Politik stärker in die Pflicht genommen werden, und zwar egal, ob sie dann Zeter und Mordio schreien. Es sind die Chefs, die das zu unterbinden haben. Und es sind die Corona-Verordnungen, in denen das in ausreichender Deutlichkeit ausformuliert werden muß, und es sind die verdammten Gesundheitsämter, die das dann auch durchsetzen müssen.

Jeder, der wegen eines konkreten Verdachts einen Coronatest macht, gehört bis zum Testergebnis in Quarantäne, und zwar meiner Meinung nach zusammen mit sämtlichen Mitgliedern seines Haushalts. Auch hier habe ich nicht nachgelesen, ob das in der Theorie eigentlich auch so vorgesehen ist, denn es zählt nur, daß das in der Praxis offenbar nicht ausreichend umgesetzt wird. Mein Mann hörte von einem seiner Kollegen, daß dessen Frau zusammen mit ihrem eigenen Sohn auch die Tochter einer in Quarantäne befindlichen Nachbarin zur Schule brächte. Diese eine Frau hätte eine Unzahl von Ansteckungsketten auslösen können, die sich über die Familien der Schulkameraden auch in eine Unzahl von Betrieben hätten ausbreiten können. 

So etwas muß unterbunden werden. So einfach ist das. 

Daneben gibt es im Infektionsschutz, nicht nur in der beruflichen Sphäre, noch eine ganze Reihe von Lücken, die geschlossen werden könnten und sollten: 

FFP2-Masken mit Ventil? Das ist ebenso absurd wie Plexiglasscheiben. 

Absurd wirkt auf mich angesichts solcher klaffender Lücken in der Infektionseindämmung im schulischen und beruflichen Bereich auch der Vorstoß, nunmehr die Maskenpflicht in ÖPNV und beim Einkauf in eine Pflicht umzuwandeln, FFP2-Masken zu tragen. Das ist so dämlich, daß ich gar nicht weiß, an welcher Stelle ich anfangen soll, solche Vorschläge zu kritisieren. 

Wer ist denn so naiv und bildet sich ein, daß ausgerechnet beim seit einem Dreivierteljahr pausenlos in irgendeiner Form regulierten Einkaufen noch nennenswerte Potentiale bei der Infektionseindämmung zu finden seien? Der ÖPNV ist eine andere Baustelle, aber ich halte auch dabei spärlich mit Stoffmaskenträgern besetzte Straßenbahnen für weniger riskant als mit FFP2-Maskenträgern vollgestopfte, weshalb es wirksamer sein sollte, für eine spärlichere Besetzung zu sorgen. 

Ich sehe außerdem kommen, daß die Einführung einer solchen Verpflichtung zu einer Massenstürmung gerade des Handels führen wird, weil die Masken, die jeder zum Stichtag x benötigt, überall genauso ausverkauft sein werden wie im Frühjahr das Klopapier. Herzlichen Glückwunsch also: Genau diese Einführung würde das Infektionsrisiko im Handel erst einmal vergrößern.

Die öffentliche Debatte der letzten Tage hat sich ja vor allem auf die hohen Kosten für solche Masken fokussiert, und es liegt auf der Hand, daß eine solche Verknappung auch, wie beim Klopapier, alle möglichen windigen Geschäftemacher auf den Plan rufen wird, die für Masken Wucherpreise verlangen. Das ist Berufstätigen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit fahren, also mindestens zehn dieser Masken pro Woche benötigen würden, kaum zuzumuten. Am Rande darf man hierzu auch noch erwähnen, daß bei Gutverdienern immer noch die Autofahrt zum Arbeitsplatz Standard ist, während die Öffis vor allem von Leuten mit bescheidenem Einkommen genutzt werden, denen also solche Zusatzkosten ein kaum zu stopfendes Loch ins Budget reißen. 

Das meine ich jetzt nicht als gutmenschelnde Moralpredigt (obwohl die ihre Berechtigung hätte), sondern mit Blick auf die absehbaren Folgen: Es ist geradezu idiotisch, nicht damit zu rechnen, daß viele von ihnen diese Masken mehrfach verwenden werden, und zwar so oft es irgendwie geht. Wie hoch der Anteil dieser Fälle dann wohl bald sein wird, die gerade wegen der FFP2-Masken zu Virenschleudern werden?

Die nur einmalige Verwendung von Masken läßt sich aber überhaupt nicht kontrollieren. Es ist deshalb auch unmöglich, dies zu verhindern.

Unglücklich das Land, das Helden und Heilige nötig hat, denn heilig und heldenhaft sind wir alle meistens nicht. Noch unglücklicher aber, wenn eine Gesetzgebung von vornherein nur mit Helden und Heiligen funktionieren kann, die sich dazu überwinden, dreistellige Beträge pro Monat für FFP2-Masken vom Munde abzusparen, obwohl ganz offensichtlich niemand sie daran hindern kann, statt dessen auch mit einem Bruchteil davon durchzukommen. Heiligmäßiges Verhalten sollte außerdem schon gar nicht jemand als Bürgerpflicht voraussetzen, der selbst kein Heiligungssprechungs-Kandidat ist. Wie oft haben wir eigentlich schon Fotos von Politikern gesehen, die sich selbst nicht an eine der Regelungen gehalten haben? Ich fände unsere Politiker übrigens um einiges glaubwürdiger, wenn man ihnen langsam mal fehlende Friseurbesuche ansehen könnte. Gerade Frau Merkel war schon während des ersten Lockdowns viel zu gut gestylt, um daran zu glauben, daß für sie bezüglich des Friseurs die gleichen Regelungen gelten wie für unsereins, die wir neuerdings selbst an unseren Haaren herumschnipseln. 

Bis zum Montag hätte ich noch nicht einmal sicher zu sagen gewußt, wo ich FFP2-Masken überhaupt herbekommen soll. So geht das bestimmt vielen Leuten, die sich bislang mit Stoffmasken gut versorgt gefühlt haben. Es hat mich wirklich irritiert, daß quer durch alle Medien über die Kostenfrage diskutiert wurde, während niemand auch nur damit zu rechnen schien, daß wahrscheinlich für viele Leute die vordringlichste Frage lauten wird: Um Gottes willen, wo krieg ich die jetzt eigentlich so schnell her? 

Bis zum Sonntagabend hatte ich die Frage, ob ich vor der Entscheidung in dieser Sache irgendetwas tun sollte, und wenn ja, was, vor mir hergeschoben. Am Montagmorgen habe ich mich dann aber, frisch koffeingedopt, kurzfristig entschieden: 

  • Ich wollte NICHT abwarten, bis die Entscheidung pro oder contra FFP2-Pflicht gefallen ist.
  • Präventiv sofort FFP2-Masken anschaffen, um noch vor dem großen Run versorgt zu sein, wollte ich aber auch nicht.
  • Stattdessen entschied ich, erst mal Lebensmittel auf Vorrat einzukaufen, bevor eine etwaige Pflicht zur Geltung kommt. Für ca. drei Wochen wollte ich versorgt sein, um mich dem ersten Massenansturm auf Masken nicht aussetzen zu müssen.
  • Wenn am Dienstag die Entscheidung fällt, überlegte ich weiter, müßte mindestens am Mittwoch ein Einkauf ohne FFP2-Maske noch möglich sein. Aber dann sind die Läden wahrscheinlich übervoll von Leuten, die alle ebenfalls noch rasch einkaufen wollten, bevor sie es nur noch mit Maske können. Dümmstenfalls gäbe es dann nicht nur lange Schlangen, sondern ich stünde wieder einmal vor halbleeren Regalen.

Deshalb ging ich gleich am hellen Montagmorgen, direkt nach dem Kaffee, schnurstracks zum Lidl. Dort tätigte ich meinen ersten echten Hamsterkauf während dieser Pandemie, und ich weigere mich, deshalb ein schlechtes Gewissen zu haben. Im ersten Lockdown war ich über dergleichen ja noch erhaben. Das Erlebnis, daß ich dann oft ein halbes Dutzend Läden nacheinander abklapperte, meistens vergeblich, um Mehl oder Hefe zu bekommen, hat mir damals gereicht. Diesmal will ich so etwas nicht noch einmal haben. Und schon gar nicht, wenn die Halbgötter in Berlin vor den Lebensmitteleinkauf den Besitz von mindestens einer FFP2-Maske gesetzt haben.

Ich stockte also gestern alle wichtigeren Grundnahrungsmittel auf und kaufte darüber hinaus alles, was ich brauche, um mich und meinen Mann in den nächsten drei Wochen zu verköstigen, vom Mehl und den Kartoffeln über Milch, Butter und Quark bis zum, jawohl, Klopapier (obwohl ich das natürlich nicht essen werde). Die Sache hört sich übrigens schlimmer an, als sie ist, denn ich faste von den nächsten 21 Tagen ja an acht Tagen. Ich bin daneben immer ganz gut mit Lebensmitteln bevorratet, aber für drei Wochen wäre es wohl nicht ausreichend gewesen. 

Trotzdem habe ich mich fast zu Tode geschleppt. 

Interessanterweise war der Lidl schon um diese frühe Uhrzeit sehr lebhaft frequentiert, und ich sah um mich herum Leute mit noch wesentlich volleren Einkaufswagen als meinen eigenen. Anscheinend bin ich nicht die einzige gewesen, die sich ihre Gedanken über die Nachrichten vom Wochende gemacht hat. Ebenfalls bemerkenswert: So viele über den Markt verteilte Halden mit Klopapier, teils Marken, die ich noch nie gesehen hatte, gab es in meiner Lidl-Filiale noch nie. Offenbar war man dort auf einen neuen Klopapier-Run gefaßt. Beim Mehl war es in etwas geringerem Maße ähnlich.

Ich bin jetzt immerhin auf alles vorbereitet, was da kommen mag. Sollte die FFP2-Pflicht kommen, setze ich keinen Fuß mehr in öffentliche Verkehrsmittel, solange das nicht zwingend notwendig ist, denn das dürfte dann eher riskanter sein als bisher. Falls es sich nicht vermeiden läßt, werde ich zusätzlich zur Maske einen Face-Shield aufsetzen. Im weiteren Ausblick werde ich notfalls wohl wieder mittwochs auf den Stadtteil-Wochenmarkt gehen. Da bin ich zwar mit dem Obst und Gemüse nicht ganz so zufrieden wie beim "großen" Wochenmarkt, aber dort bekomme ich dafür das meiste von dem, was ich auch im Laden kaufen würde, beim Metzger, beim Käsestand, beim Fischstand und beim Feinkoststand. Ich muß also nicht unbedingt zusätzlich den Lidl aufsuchen. Und: Ich kann zu Fuß hingehen.

Wie man sieht: Ich habe die Absicht, aus dem möglichst umfassenden Vermeiden des FFP2-Zwangs eine Kunstform zu machen, falls er tatsächlich kommen sollte.

Für den Fall, daß die Hirnverbranntheit so weit gehen sollte, daß er auch im Freien angeordnet wird, habe ich doch zugegriffen, als ich bei Lidl wider Erwarten FFP2-Masken (fürs Protokoll: Stückpreis: 99 Cent) vorfand. Zwei Stück habe ich gekauft. Idealerweise brauche ich sie gar nicht, aber wenn doch, werde ich es mal ausprobieren, wie oft ich eine solche Maske tragen kann, bevor irgendwem auffällt, daß ich sie schon längst hätte austauschen müssen. Ich möchte wetten, bevor das passiert, ist diese Pflicht schon wieder aufgehoben.