Mittwoch, 27. Oktober 2021

Mein erstaunlicher Gewichtsrutsch im Oktober

Mein Gewicht heute früh: 88,3 Kilogramm - neues Tiefstgewicht nach gerade mal zwei Fastentagen. Das hatte ich noch nie. 

Nun fahre ich für drei Tage zu meiner Mutter und unterbreche dafür mein Low-Carb-Programm. Die letzten drei Tage Unterbrechung hatten keine negativen Auswirkungen, also bin ich gespannt, ob das diesmal ebenso sein wird. Heute werde ich aber vermutlich dennoch unter 100 Gramm Kohlenhydraten bleiben, denn ich habe Keto-Brötchen gebacken, die es neben dem Frühstück, das ich gerade verspeist habe, auch noch zum Abendessen geben wird. Meine Mutter und meine Schwester wollten das nämlich auch mal probieren, also habe ich eine entsprechende Ladung gebacken und bringe sie mit.

Morgen freilich ist der Geburtstag meiner Mutter, da ist Kuchen angesagt, und ich denke nicht im Traum daran, mir bei so einer Gelegenheit Zwang anzutun. Am Freitag frühstücke ich das, was meine Mutter eingekauft hat, und am Freitagabend geht es dann weiter mit meinem Experiment.

Wobei es gar nicht mehr so experimentell ist, finde ich. Ich bekomme langsam Routine, und auch wenn ich immer noch Rezepte neu ausprobiere, habe ich doch längst ein passendes Repertoire entwickelt. Was mir außerdem auffiel: Meine Verdauung ist mit Low Carb sehr einverstanden. Sie hat sich etwas beschleunigt und verläuft viel unauffälliger, als ich das vorher gekannt hatte, keine Blähungen, kein Bauchgrummeln, überhaupt nix, nun schon seit vier Wochen. Auch mein Mann ist sehr zufrieden mit dieser Art von Ernährung. Dauerhaft möchte ich nicht auf Brot, Pasta, Kuchen und Zucker verzichten, aber ich nehme an, daß wir künftig weniger Kohlenhydrate verspeisen werden, einfach weil unser Rezepte-Reservoir nun deutlich mehr Kohlenhydratarmes umfasst. 

So sieht mein Gewichtsverlauf des letzten Monats aus (27.9.-27.10.):

 

Zum Vergleich der vom letzten Jahr (27.9. bis 26.10., den 27. ließ ich weg, weil ich ab da bei meiner Mutter war und mich nicht gewogen habe): 

Ich glaube, allmählich kann ich mich so weit aus dem Fenster lehnen, um konstatieren zu können, daß das Experiment schon jetzt bei Halbzeit eine ganze Menge gebracht hat. Mein "Vorher"-Gewicht lag diese Woche um sage und schreibe 4,1 Kilogramm niedriger als vor vier Wochen! Im Monat davor waren es 1,4 Kilogramm, und vor einem Jahr lag diese Differenz sogar nur bei 900 Gramm (und war schon wieder auf dem Weg nach oben).

Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen, ob das im November tatsächlich so weitergehen wird. Wahrscheinlich ist ein so spektakulärer Rutsch nach unten nicht mehr zu erwarten, aber schon mit einem kleinen Minus wäre ich hoch zufrieden, da ich in diesem Zeitraum des Jahres sonst immer ein Plus hatte. 

So, diese Wasserstandmeldung mußte wegen neuem Tiefstgewicht sein. Für mehr habe ich aber gerade keine Zeit. :-) 

***

Aber einen hab ich jetzt doch noch: 

Merkwürdigerweise fand dieser Gewichtsrutsch diesmal größtenteils auf der Waage statt. Die körperliche Veränderung, die ich im Spiegel und bei den Klamotten registriere, entspricht ungefähr der, die ich bei den 1,4 Kilogramm auch hatte. Das Maßband zeigt mir mit einer Ausnahme weitgehend unveränderte Werte an. Der eine Wert, der sich aber deutlich verändert hat, war die Unterbrustweite, bei der ich heute verblüffende 91 Zentimeter gemessen habe. Ich dachte, ich hätte Sehstörungen. Entweder ich habe mich beim letzten Mal vermessen oder meine Gewichtsabnahme läßt sich diesmal sehr genau lokalisieren.



 


Freitag, 22. Oktober 2021

Selbst schuld, wenn du absäufst, statt auf dem Wasser zu wandeln!

Mein Gewicht heute früh zu Beginn des Fastentags: 90,2 Kilogramm. Eine echte Überraschung, denn das bedeutet, morgen werde ich mich wohl bei einem Gewicht von 88,xy wiederfinden, wahrscheinlich in Rufweite zu meinem Tiefstgewicht von 88,4 Kilogramm. Damit war nun wirklich nicht zu rechnen, und ich bin darüber ziemlich geplättet. Es könnte sogar bedeuten, daß ich, wenn ich am Mittwoch - nach zwei aufeinanderfolgenden Fastentagen - zu meiner Mutter fahre, dies mit einem neuen Tiefstgewicht tun werde, und das wäre sensationell.

Kann ich damit nun doch schon vorzeitig eine durchschlagende Low-Carb-Wirkung feststellen? Ganz sicher bin ich mir nicht. In den letzten ca. zehn Tagen war ich erkältet - schon wieder. Ich hatte das in meinem Beiträgen jener Zeit gar nicht erwähnt, weil es anfängt, mich zu langweilen. Ich vermute mittlerweile aber, das, womit mein Mann mich angesteckt hat, war diesmal nicht der übliche grippale Infekt, sondern eine echte Grippe. Erstens war der Verlauf langwieriger (ich huste immer noch), zweitens verzeichnete ich über den Tag hinweg andere "Hoch"- und "Tief"-Phasen als bei Erkältungen gewohnt, und drittens blieb die übliche Zunahme von ca. einem Kilogramm aus. Ich nehme an, das war etwas anderes als sonst (Corona? Unwahrscheinlich, denn bei meinem Mann im Betrieb wird laufend getestet). 

Vielleicht ist das ja die Erklärung für diesen unerwarteten Schub nach unten. Aber mal schauen, wie es weitergeht, denn mittlerweile geht es mir wieder soweit gut, daß es keine Erklärung mehr für weitere Abnahmen sein könnte.

Was mich daran besonders verblüffen würde, wenn die rasante Abnahme eine Wirkung von Low Carb sein sollte, ist eine Parallele zu meinen allerersten Monaten Intervallfasten. Meine Low-Carb-Version ist nämlich wirklich sehr entspannt, genauso wie ich auch mit einer sehr lässigen Variante des Intervallfastens begonnen hatte. Von dem anfangs angepeilten Ziel, an Eßtagen unter 50 Gramm Kohlenhydraten zu essen, hatte ich mich ziemlich schnell wieder verabschiedet, nachdem ich merkte, daß das zu viele leckere Lebensmittel ausschließen würde. Zur Zeit liege ich bei einem Durchschnitt von über 90 Gramm KH und habe schon ein paarmal die 100-Gramm-Marke gerissen. 

Jedes Mal ist der Übeltäter, der ein niedrigeres Ergebnis verhindert hat, dank meines Aufschriebs leicht zu identifizieren. Kürbis, stellte sich etwa heraus, ist eher Low-Carb-untauglich. Damit hatte ich einfach nicht gerechnet. An zwei anderen Tagen schlugen Brötchen zu Buche, bei denen ich es mit den Kartoffelfaser-Beigaben übertrieben hatte. Und gestern waren es die Weintrauben. Aber ich denke ja gar nicht daran, auf Weintrauben zu verzichten, wenn sie gerade Saison haben. Ich kaufe das ganze Jahr keine Weintrauben mehr, weil ich die vom Wochenmarkt um so viele Klassen besser finde, und die gibt es nur während zwei bis drei Monaten, und dann kaufe und esse ich sie auch, basta. Und ich denke gar nicht daran, deshalb ein schlechtes Gewissen zu bekommen. 

Daß mein Gewicht nun unbeeindruckt von allen Low-Carb-Ernährungs-"Sünden" und noch dazu so rasant nach unten geht, ist mir ja schon eine kleine Genugtuung. Das muß man sich mal überlegen: Noch vor einem Monat hatte ich Bammel davor, daß ich im November vielleicht wieder in die Nähe der hundert Kilo kommen könnte. Statt dessen bin ich jetzt im Vorher-Gewichtsbereich so nahe an die Zahl 90 herangekommen, daß ich anfange, mich mit dem Gedanken anzufreunden, daß ich ihr vielleicht noch vor Jahresende aus dem Achtziger-Bereich heraus nur noch von Ferne zuwinken werde. 

Na ja, wollen wir die Sache mal nicht verschreien! ;-) 

Trotzdem, was ich gerade erlebe, könnte eine Variante der im vorletzten Blogbeitrag erwähnten Erfolge von mehrmaligem Wechseln der Abnahmemethode in einer Studie sein. Und falls das so sein sollte, wäre damit eine bemerkenswerte Erkenntnis verbunden: Maximale Ernährungsdisziplin ist für einen Erfolg gar nicht nötig, wenn man ab und zu die Methode wechselt.

Meine gestrigen Kalorien lagen mit knapp 2900 kcal ein wenig unter Plan, deshalb übersteigt meine durchschnittliche Kalorienzufuhr bislang die 1700-Kalorien-Marke noch nicht. Betrachte ich nur die letzten 22 Tage, meine Low-Carb-Phase, liege ich jetzt allerdings schon wieder bei 1800 Kalorien.

Gegessen habe ich aber so gut, daß ich gar nicht daran denke, es zu bereuen. Morgens gab es bei mir zum Frühstück beispielsweise Wolkeneier. Das Rezept sah ich in einem Video als eines in einer ganzen Reihe von Rezepten in einem Film, und in dieser Form fand ich es bei Google merkwürdigerweise gar nicht (nur ein paar gleichnamige Varianten, die ähnlich, aber nicht gleich waren), also hier die Kurzanleitung:

Im Prinzip handelt es sich um simple Spiegeleier, allerdings wird das Eiweiß (gesalzen und gepfeffert) zu Schnee geschlagen. Die Hälfte des Eischnees in so viele Häufchen verteilt in die Pfanne geben, wie man Eier verwendet hat, in die Mitte jedes Häufchens vorsichtig eine kleine Delle machen, Eigelb hineingeben und anschließend den Rest des Eischnees darüber verteilen. Auf diese Weise kann man die Eier problemlos wie Pfannkuchen wenden, und das Ergebnis ähnelt auch (ziemlich dicken) Pfannkuchen. Was es wirklich ist, bemerkt man erst, wenn beim Anschneiden auf einmal Eigelb herausläuft.

Das sieht richtig cool aus und schmeckt ausgezeichnet, und ich werde demnächst mal meinen Mann damit überraschen müssen. 

Abends habe ich dann Eier in Senfsoße, Blumenkohlreis und - erstmals - Chips aus Harzer Käse gemacht. Zum Nachtisch gab es selbstgemachte zuckerfreie Joghurt Gums. Wir waren beide von allem angetan, aber ich war am meisten von den Chips begeistert, und er zunächst von der Senfsoße (er beschwerte sich, daß ich mehr davon hätte machen müssen, dabei habe ich all meinen Senf dafür verbraucht), und später absolut hingerissen von den Joghurt Gums. Die Silikonformen, die ich auf dem Flohmarkt gekauft habe, haben sich spätestens mit diesem Rezept dauerhaft ausgezahlt, denn nach demselben Prinzip lassen sich auch "normale" Fruchtgummis aus Fruchtsäften und dergleichen machen. Das werde ich bestimmt über meine Low-Carb-Phase hinaus beibehalten und mit verschiedenen Geschmacksrichtungen experimentieren.

Das Schöne an meinem Low-Carb-Experiment ist nicht nur, daß es - höchstwahrscheinlich - die erwünschte Wirkung zeigen oder sogar übertreffen wird, sondern auch, wie viel Spaß wir in den letzten Wochen beim Auswählen, Kochen und Essen hatten und wie viele Rezepte aus dieser Zeit wahrscheinlich dauerhaft mit in meinem Repertoire bleiben werden. Am Wochenende etwa bin ich mit ein paar Freundinnen verabredet und werde einen Low-Carb-Apfelkuchen mitbringen, eine Eigenkreation frei nach einem Rezept aus dem Internet, das ich aber stark abgewandelt habe. Statt Mehl werden hälftig Mandelmehl/geriebene Mandeln verwendet, und das schmeckte sehr gut. Mir war der Teig nur ein kleines bißchen zu fest (mein Mann fand das dagegen gar nicht störend, er war von dem Kuchen hell begeistert), deshalb werde ich nächstes Mal noch die Eier trennen und Eischnee herstellen, was ich mir letztes Mal gespart hatte. Mal schauen, ob das die Lockerheit bewirkt, die ich mir davon verspreche.

Wenn ich das mit der verbissenen und verbiesterten Trostlosigkeit vergleiche, mit der die üblichen Abnehmprogramme verbunden sind, wird mir erst so richtig klar, wie gut es mir geht. 

Ja, mir ist dazu mal wieder ein Buch in die Hände geraten: "aha! macht schlank. 33 Einsichten, mit denen jeder abnimmt" von den Autorinnen Claudia Hautkappe und Susanne Wendel (die außerdem Autorin eines Buches mit dem Titel ist "Gesundgevögelt in 12 Wochen", was ich mal nicht kommentieren werde). Ich bekam es geschenkt beim Flohmarkt, von der Frau, die mir auch das Keto-Brötchen schenkte. 

Abnehmbücher lassen sich ja - ungeachtet der jeweils angepriesenen Methode - grob in zwei Hauptrichtungen einteilen, die moralinsauren und die betont munter-mutmachend-optimistischen. Dieses Buch gehört in die Kategorie zwei, und ich habe es gestern abend kurz durchgeblättert, denn mehr schien mir nicht nötig, um es beurteilen zu können. Ich konnte mir dabei nicht helfen, ich fand die aufgesetzte Munterkeit sogar noch trostloser als pure Moralinsäure, denn näher betrachtet sind sie ja genauso moralinsauer, und die "Witzischkeit" geht in Wirklichkeit auf Kosten des Lesers. 

Der Grundgedanke dieses Buches ist mal wieder die Annahme, daß irgendwelche psychologischen Barrieren zu überwinden sind, um abnehmen zu können, weil diese Barrieren dazu führen, daß man das Richtige unterläßt und das Falsche tut. (Wie man Richtig und Falsch unterscheidet, glauben die Autorinnen zu wissen und setzen dieses Wissen großteils auch bei ihren Lesern voraus.) Bei dieser Überwindung behauptet das Buch helfen zu können, und die Autorinnen hielten dabei offenbar Vergleiche zwischen Dickwerden/Dicksein/Dickbleiben und aktivem Selbstmord für eine unheimlich lustige Idee. "Dick sein heißt Selbstmord auf Raten" plärrt einen da eine magentafarbene Schlagzeile an, dazu neckische Cartoons von einem Dicken mit Harfe auf einer Wolke und einem Grab, auf dem der ungesunde Lebensstil des Verstorbenen als Dekoration vorzufinden war, vom Aschenbecher bis zu den Pantoffeln, und im - knapp gehaltenen - Fließtext heißt es am Ende: "Wollen Sie wirklich so weitermachen wie bisher?". Und anschließend in fett: "Nur Sie alleine können die Entscheidung treffen!" 

Das ist ungefähr so hilfreich, als würde man von mir verlangen, auf dem Wasser zu wandeln, dafür bräuchte es nämlich nichts als Willenskraft, und sich für berechtigt zu halten, faule Witze über meinen zu erwartenden Tod durch Ertrinken bei Zuwiderhandeln zu reißen. 

Ansonsten hat das Buch in fröhlicher, poppig-bunter Aufmachung vor allem denselben kalten Kaffee zu bieten wie andere Ratgeber dieser Art auch, eine eigene Variante der Pontzerschen "5 M&Ms" mit inbegriffen. An ein paar Stellen lagen die beiden Damen ganz knapp neben wichtigen wirklich hilfreichen Einsichten, etwa zum Thema Insulin, aber sie sind immer eisern in die falsche Richtung abgebogen.

Geschmacklose Witze auf Kosten der Leser bei ansonsten absolut konventionellen und unoriginellen Lösungsvorstellungen kamen offenbar auch in einer "Hach, was sind wir doch unkonventionell"-Verpackung weniger gut an als vom Verlag - der renommierte Ernährungsverlag Gräfe und Unzer - bei Erscheinen im Jahre 2007 gehofft wurde, denn dieses Machwerk ist mittlerweile vergriffen. Die mir vorliegende Ausgabe wurde irgendwann statt 12,90 für 2,99 Euro verramscht, also kann die Nachfrage nicht allzu hoch gewesen sein.

Und, ganz ehrlich: Genau dieses Ende hatte das Buch auch verdient. Es ist auf seine Weise noch trostloser als die offen verbiesterten und verbissenen Abnehmbücher, weil es seinen Lesern unterschwellig bestätigt, daß sie völlig recht damit haben, sich selbst zu verachten, indem es ihnen weismacht, ihr Übergewicht sei lächerlich, daß sie es bislang noch nicht losgeworden sind, sei noch lächerlicher, aber jeder halbwegs vernünftige Mensch könne nach Lektüre dieses Buches abgenommen haben. Wenn nicht, bist du halt auch lächerlich. Das sagt keiner dazu, aber genau darauf läuft es hinaus. 

Selbstverachtung mutwillig zu erzeugen oder bereits vorhandene Selbstverachtung - bei Übergewichtigen keine Seltenheit - weiter anzufachen, hat mit Sicherheit keinerlei positive Wirkung, und insbesondere auf bereits psychisch angeknackste Leser kann es verheerend wirken. Da unter den Lesern dieses Buches absehbarerweise bestenfalls die üblichen 5 Prozent nennenswerte Erfolge vorzuweisen haben, müssen sich die 95 Prozent Gescheiterten auch noch von den Autorinnen auslachen lassen. Ist das lustig? Nein, ist es nicht. Es ist grausam, nicht mehr und nicht weniger. 

In einer Gesellschaft, in der sich benachteiligt fühlende Gruppierungen immer dünnhäutiger werden und immer geringfügigere Verletzungen als angeblich unerträglich brandmarken und darin auch quer durch alle Medien und in der Politik Unterstützung finden - neuerdings liest man etwa immer häufiger die Schreibweise "Schwarze Frau", nachdem irgendeine der davon betroffenen Damen von der Kleinschreibung des Adjektivs "schwarz" ihre Menschenwürde beeinträchtigt sah, worauf gefühlt die Hälfte der Medien umgehend ihre Schreibweise änderte -, finde ich diese bewußte und gewollte und noch dazu so sinnlose unverhohlene Grausamkeit gegenüber Übergewichtigen, wie sie sich auch in diesem Buch niederschlägt, schon bemerkenswert. 

Die Frage sei erlaubt, ob wir in Zeiten peinlichster politischer Korrektheit gegenüber allen früher zur Diskriminierung freigegebenen Minderheiten vielleicht - zusammen mit den Rauchern, bei denen es ja ganz ähnlich ist - eine Art Blitzableiterfunktion erfüllen, eine Gruppe, auf die alle negativen Gefühle ungestraft projiziert werden dürfen, ja, sogar werden sollen.

Geradezu erschütternd finde ich es in diesem Lichte betrachtet, daß ausgerechnet eine Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie das Vorwort zu diesem Buch geschrieben hat. 

 Meine Fresse, bin ich froh, daß ich die Hilfe solcher Leute nicht brauche. Wer solche Freunde hat, braucht echt keine Feinde mehr.

***

In aktuelleren Nachrichten ist in Großbritannien einem gewissen Lord Robathan nichts Intelligenteres zu dem Corona-Anstieg bei Adipositas eingefallen, als zu fordern, starkes Übergewicht müsse gesellschaftlich inakzeptabel gemacht werden. Was für eine brillante Idee, Leute, die neben ihren überschüssigen Kilos sowie häufig Folgeerkrankungen sowieso schon mehr als genug Scham-, Schuld- und Minderwertigkeitsgefühle mit sich herumschleppen und sich wegen ständigen Versagens hilflos und ohnmächtig fühlen, auch noch zusätzlich durch Ausgrenzung bestrafen zu wollen. Warum nicht gleich ein "Euthanasieprogramm"? Was für Hobbys pflegt dieser Mensch eigentlich in seiner Freizeit? Neugeborene Kätzchen ersäufen?


Mittwoch, 20. Oktober 2021

Gesinnungsethik vs. Verantwortungsethik: Der Kampf gegen die Sünde vs. das Lösen eines Problems

Mein Gewicht heute früh: 91,4 Kilogramm. Ist das zu fassen? Anstatt wegen des zusätzlichen Eßtags (fürs Protokoll: ca. 3800 kcal), wie von mir - aufgrund von Erfahrungswerten - vermutet, leicht nach oben zu gehen und dabei die 92-Kilo-Grenze zu überklettern, ist mein Gewicht von gestern auf heute statt dessen leicht nach unten gegangen. (Nein, nein, nein, ich beschwere mich ü-ber-haupt nicht darüber ...)

Dr. Fungs Überlaufen auf die "dunkle Seite der Ernährungswissenschaft", das ich gestern beschrieben habe, folgte heute ein partielles Überlaufen der "orthodoxen" Epidemiologie auf unsere Seite. Das sonst nicht gerade für unorthodoxe Ansichten bekannte Ärzteblatt berichtete nämlich über eine neue Studie an Mäusen, in der die Wirkung von Kalorienreduktion und Intervallfasten auf die Stoffwechselgesundheit untersucht wurde. Dabei kam heraus: 

a) Intervallfasten mit Kalorienreduktion zeigte sich, gesundheitlich betrachtet, wirksamer als Kalorienreduktion alleine ohne beschränktes Zeitfenster zum Essen. 

Das Interessante daran: Seit Jahren wird schon über den Überlebensvorteil berichtet, den eine Kalorienrestriktion bei diversen Tierarten gezeigt hat. Erstmals wurde nun erkannt, daß es einen gewaltigen Unterschied macht, ob man diese Tiere einmal am Tag füttert oder ob man ihnen dieselbe Menge an Futter für einen Verzehr zu beliebiger Zeit bereitstellt. Es wäre zum Lachen, wenn es nicht so trostlos wäre, daß auf Basis dieses jetzt erkannten Irrtums über mögliche Maßnahmen auch für Menschen laut nachgedacht worden und sicherlich auch zum Teil von übermotivierten Ernährungspraktikern so umgesetzt worden ist. 

Das zweite Ergebnis ließ mich dann breit grinsen.

b) Intervallfasten OHNE jegliche Kalorienreduktion erbrachte nämlich einen großen Teil derselben Gesundheitsvorteile. 

Der Volltext der Studie befindet sich leider hinter einer Bezahlschranke, also konnte ich ihn mir nicht zu Gemüte führen, denn dazu hätten mich echt die Einzelheiten interessiert. Was genau ist mit einem "großen Teil" gemeint? Inwiefern und wie weit waren die Kalorienreduzierer den Ad-libidum-Fressern voraus? Die Lebenserwartung gibt leider keinen Aufschluß. Die Gruppe a) lebte nämlich ein halbes Jahr länger als die beiden Kontrollgruppen (normale Ernährung/kalorienreduzierte Ernährung jeweils ohne zeitliche Beschränkung). Bei der Gruppe b) wurde dieser Faktor aber gar nicht gemessen. 

Wieso eigentlich nicht? So richtig ergibt das ja keinen Sinn. Ob man womöglich Angst vor einem Ergebnis hatte, das den unterschwelligen moralischen Aspekt der Sache (Essen als Sünde und Übergewicht/Krankheit als deren Bestrafung) nicht bedienen würde? 

Mir verging das Grinsen. Womöglich ist dieser unterschwellige moralische Scheiß ja der geheime Grund dafür, warum sich unsere Wissenschaft und Medizin seit Jahrzehnten als unfähig erwiesen haben, einen Anstieg der Adipositas zu verhindern. 

Was mich schon so lange auf die Palme bringt: Inzwischen gilt es unter Adipositas-Chirurgen geradezu als eine Binse, daß die Wirkung von magenverkleinernden OPs die Wirkung der Kalorienreduktion deutlich übersteigt, und dies wird auf hormonelle Faktoren zurückgeführt. Aus irgendwelchen Grunden scheint aber niemand in Erwägung zu ziehen, diese hormonellen Faktoren zu suchen und anzuwenden, ohne daß man sich dafür erst einmal körperlich verstümmeln lassen muß. Da spielt doch bestimmt auch wieder dieser Sünde/Reue/Buße-Aspekt eine unerkannte Rolle.

Währenddessen fordert der "politische Arm der Ernährungswissenschaft", die einschlägigen Public-Health-Organisationen von der Politik dringend die Umsetzung von Maßnahmen, die angeblich geeignet sind, uns allesamt schlank, gesund und glücklich zu machen.

Der Elefant im Raum: Es sind in Wirklichkeit gar nicht die einzelnen Inhaltsstoffe in Fertiglebensmitteln, die das Problem sind, sondern die Fertiglebensmittel als solche, als Konzept und als ungeeignete Ernährungsgrundlage. Das Ganze ist ja immer mehr als die Summe seiner Teile. Pfannkuchen sind sicherlich nicht der Inbegriff der gesunden Ernährung, aber Pfannkuchen aus einem selbstgemachten Teig aus Weizenmehl, Milch und Eiern sowie ein bißchen Salz und ggf. je nach Geschmack (meinem entspricht es nicht) auch Zucker, behaupte ich, sind gesünder als dieser fertige Pfannkuchenteilmix in der Schüttelflasche mit den Zutaten: WEIZENMEHL, Glukosesirup, EIPULVER, EIGELBPULVER, Fruktose, jodiertes Speisesalz.

Das gilt alleine schon, weil auch die billigsten Eier im Discounter vermutlich immer noch besser sind als die noch billigere Ware, die dem Konzern, zu Pulver verarbeitet, zur weiteren Verarbeitung geboten wurde. 

In letzter Zeit vertreibe ich mir beim Einkaufen, wenn es an der Kasse ein bißchen dauert, gerne die Zeit damit, in meinem Einkauf nach Produkten zu suchen, deren Zutatenliste mehr als drei Begriffe enthält. Viele sind es nicht mehr, letztes Mal waren es nur noch drei: Mayonnaise in der Tube, fertiger Rettichsalat und - zu meiner Überraschung - die tiefgefrorenen Süßkartoffelpommes, die ich nun wahrscheinlich nicht mehr kaufen werde, weil mir das gar nicht bewußt war, was für ein Aufwand getrieben werden muß, um diese Dinger herzustellen. Ich hatte mir irgendwie die ganze Zeit eingebildet, die würden wie normale Pommes einfach zerschnitten und fertig.

Aber wie man an dem Rettichsalat sieht, grundsätzlich sehe ich diese Sache unideologisch. Was mir schmeckt, das kaufe ich auch. Der fertige Rettichsalat ist eine noch ziemlich neue Errungenschaft der Discounter, den kenne ich erst seit ein paar Wochen. Ich kaufe ihn zusätzlich zu den Rettichen, aus denen ich selbst Rettichsalat mache, denn manchmal ist es einfach praktisch, etwas Fertiges zu haben, auf das man zurückgreifen kann. Und im Gegensatz zu den Süßkartoffelpommes, bei denen ich das Gefühl hatte, getäuscht worden zu sein, ist ein abgepackter Rettichsalat ein ehrliches Fertigprodukt, mit dem mir niemand etwas vorzumachen versucht.

Die Zahl Drei als die Grenze zwischen "echten" Lebensmitteln und solchen mit bedenklicherem Verabeitungsgrad (je mehr Zutaten auf der Liste desto bedenklicher) habe ich wegen der passierten Tomaten gewählt, die ich gerne verwende: Zutatenliste "Tomaten, Wasser, Salz" - so etwas ist in meinen Augen beim besten Willen kein hochverarbeitetes Lebensmittel. Falls sie aber vielleicht doch irgendwelche weiteren Substanzen enthalten, die nicht angegeben werden müssen, wäre eine gesetzliche Vorschrift, die dies unterbindet, eine der wenigen, die ich für wirklich nützlich halten würde. 

Ansonsten sehe ich nicht viel Sinn darin, die Lebensmittelkonzerne dazu zu animieren, den Feind von heute, ob er nun Salz, Zucker oder Fett wäre, durch irgendwelche Ersatzstoffe zu ersetzen, unter denen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit der neue Feind von morgen befinden wird. Genauso, wie es früher ja auch schon gewesen ist. Es ist etwa schon ein paar Jahre her, da stieß ich irgendwo im Web auf eine amerikanische Zeitungsnotiz aus den siebziger Jahren. In ihr bejubelte eine US-Verbraucherschutzorganisation den Erfolg ihrer Kampagne gegen die Fastfoodketten, denn diese waren nach lange geschürter öffentlichen Empörung eingeknickt und hatten den gräßlichen, gefährlichen, arterienverstopfenden Rindertalg zum Braten und Frittieren durch die gesunden Transfette ersetzt ...

Richtig, die Rede war von genau den Transfetten, die mittlerweile als das ölgewordene Böse gelten und gottweißwieviele Amerikaner auf dem Gewissen haben sollen. 

Gesundheitspolitische Forderungen sollten also SEHR genau geprüft werden, bevor man sich auf ihre Umsetzung einläßt.

Von künstlicher Verteuerung ungesunder Lebensmittel mit gesundheitspolitischer Argumentation halte ich aber grundsätzlich nichts, nicht einmal dann, wenn auch ich davon ausgehe, daß sie wirklich ungesund sind. Denn solche Lebensmittel sind ja so gut wie immer auch noch aus zahlreichen anderen Gründen problematisch, und wenn jeder Teilaspekt einzeln reguliert wird, reguliert man sich erstens irgendwann zu Tode und zweitens löst man bei jedem davon die Suche nach Schlupflöchern aus, die oft genug erfolgreich sein wird, um die gut gemeinten Bemühungen zu sabotieren und, wenn es richtig dumm kommt, vielleicht alles sogar noch schlimmer zu machen.

Wenn ich überhaupt regulieren würde, dann den - meiner Meinung nach - zentralen Problembereich, nämlich daß die größten Konzerne die übelsten Kostendrücker ihrer Lieferanten sind und geradezu zwangsläufig also auch die fragwürdigsten Lebensmittel herstellen. 

Was ich regulieren würde, wären die Transportwege, und zwar mittels einer Transportsteuer. Selbstverständlich für ALLE Güter, aber eben auch für Lebensmittel. Der Sinn einer solchen Steuer liegt, finde ich, auf der Hand, denn solange es sich für Produzenten und Vertreiber immer noch rechnet, Pfennigartikel fünfmal um den ganzen Globus zu transportieren, sind Transporte offensichtlich zu billig. Eine Transportsteuer wäre geeignet, die Lieferketten und transportierten Strecken kürzer zu machen, und sie könnte zweckgebunden für klimaschützende Maßnahmen und/oder Schutzmaßnahmen vor negativen klimatischen Veränderungswirkungen eingesetzt werden. 

Mir gefällt an dieser Lösung, daß sie eine ganze Reihe weiterer Probleme miterschlagen würde. Das gilt auch für das Lebensmittelproblem. Industrienahrung wird etwa aus billigsten Bestandteilen hergestellt, von denen jeder einzelne zwangsläufig lange Transportwege hat, wahrscheinlich aus den unterschiedlichsten Regionen der Welt, möglicherweise mehrere Mal, da auch Zwischenprodukte entstehen können - und da die Produkte zentral hergestellt werden, kommen für das fertige Produkt weitere lange Transportwege hinzu. Eine Transportsteuer würde somit regionale und un-  bzw. wenig verarbeitete Produkte gegenüber der Konzern-Massenware und stark verarbeiteten Produkten begünstigen. Genauso wie die ungesunden Lebensmittel das Ergebnis der bisherigen Vorteile für die Konzerne gewesen sind, sollten gesündere Lebensmittel das Ergebnis künftiger Vorteile für kleine und mittlere Erzeuger sein, die sich auf regionalere Verbreitung fokussieren.

Begleitend müßte eventuell aber zusätzlich noch für die zugehörige Infrastruktur gesorgt werden. Dazu fallen mir spontan Schlachthöfe ein. Es ist ein schlechter Witz, daß die Massenerzeugung von Fleisch und Wurst von wenigen Großkonzernen Ergebnis einer politischen Fehlsteuerung der EU gewesen ist, die u. a. durch die Anforderungen an Schlachthöfe wirksam dafür sorgte, daß viele dieser Betriebe nicht mehr konkurrenzfähig arbeiten konnten. Somit konzentrierten sich auch die Schlachtkapazitäten dort, wo die Mega-Fleischkonzerne wie Tönnies sie brauchen konnten. Sollte die Entwicklung wieder mehr in die Gegenrichtung gehen, fehlt es also zunächst möglicherweise regional noch an den erforderlichen Kapazitäten. 

Das gilt bestimmt nicht nur für Fleisch, sondern auch auch für anderen Arten von Lebensmittel und deren Verarbeitung.

Weil ich aber gerade beim Thema Fleisch bin, das ja auch so ein ideologisch aufgeladener Bereich ist: Ich halte die Debatten über die Klimaschädlichkeit des Fleischkonsums für mit viel Heuchelei überfrachtet. Solange in Deutschland so viel mehr Fleisch erzeugt als verbraucht wird, also zusätzlich auch noch der Transport klimawirksam zu Buche schlägt, sehe ich - alle weitere Einwände an dieser Stelle ausgeklammert - überhaupt keinen Grund dafür, weniger Fleisch zu konsumieren, das bei mir mit wesentlich kürzeren Wegen auf dem Teller landet. Womit ich eher ein Problem habe, ist, daß nur bestimmte Fleischteile überhaupt bei uns in den Handel kommen und etwa Innereien fast vollständig in den Export gehen, während jemand, der im Discounter einkauft, von vornherein so etwas wie beispielsweise eine Rinderzunge (eine gar köstliche Delikatesse) gar nicht zur Auswahl vorfindet. 

Genau das spricht übrigens schon jetzt für den Fleischkauf beim regionalen Metzger. 

Ein Teil der üblichen Heuchelei besteht darin, daß immer wieder behauptet wird, früher hätten die Leute "nur am Sonntag Fleisch" auf dem Tisch gehabt. Also, in meiner Kindheit traf das zwar zu ... und am Montag gab es dann die Reste des Sonntagsbratens. Von Dienstag bis Donnerstag gab es Dinge wie Würstchen mit Kartoffelbrei, gefüllte Paprika, gerne auch mal Leber. Freitags war der einzige echte fleischfreie Tag, und an dem gab es bei uns Fisch (mein Vater angelte). Samstags wiederum ging man zum Metzger und kaufte nicht nur den Sonntagsbraten, sondern auch die frische Wurst, auf die man vor allem bei Wochenendfrühstück Wert legte. In der Regel wurde genügend gekauft, dass am Donnerstag  die allerletzten Reste verbraucht werden konnten. 

Ich frage mich manchmal ja schon, wie vielen selbsternannten Vegetariern wohl überhaupt nicht klar ist, daß die Salami und die Wiener Würstchen ebenfalls in die Kategorie "Fleisch" gehören, denn anders ergibt dieses Sonntagsbraten-Argument ja nicht viel Sinn. 

Stichwort Wurst:

Eine Transportsteuer würde besonders die abgepackte Billigwurst der Massenhersteller treffen. Ich bin überzeugt davon, daß dieser Faktor und die Wirkungen, die eine solche Steuer auslösen würden, klimawirksamer wären als alles, was die Moralapostel so wahnsinnig gerne durchsetzen wollen, weil sie damit auch den Aspekt "Sünde/Reue/Buße" berücksichtigt fänden. Daneben würde es den Fortbestand der regionalen Erzeuger schützen und regionale Erzeugung zu einem attraktiveren Geschäftsmodell machen, und es würde damit auch für mehr gute Lebensmittel statt billigem Schlangenfraß sorgen.

Den Schlangenfraß verbieten würde ich aber nicht. Wahlmöglichkeiten zu haben, ist meiner Meinung nach eine Frage der Menschenwürde, und ein Staat, der sich damit nicht abfinden kann, wenn er mit dem Ergebnis individueller Entscheidungen nicht glücklich ist, und sich dann einbildet, die Leute zu ihrem eigenen Besten zwingen oder nudgen zu dürfen, überschreitet seine Kompetenzen und richtet unter dem Strich nichts als Schaden damit an. Ich finde, jeder, der Müll essen will, obwohl ihm zu gleichen Kosten bessere und ebensogut nutzbare Alternativen zur Verfügung stünden, sollte ihn auch essen dürfen.



Dienstag, 19. Oktober 2021

Das Ende nahet. Vielleicht jedenfalls.

Mein Gewicht heute früh: 91,6 Kilogramm, ungefähr wie erwartet. Falls ich heute gefastet hätte, wäre ich unter Umständen wieder bei einem Gewicht unter 90 Kilogramm gelandet - das ist schon bemerkenswert, da ich ja noch vor zwei Wochen nicht ausgeschlossen hatte, daß es bis März dauern könnte, bis mir das wieder gelingt. Aber aus strategischen Gründen - siehe mein gestriger Beitrag - faste ich heute ja nicht, und morgen dürfte mein Gewicht die 92 Kilogramm wohl überschreiten. 

In diesem Fall ist ein Wert unter 90 natürlich für übermorgen unerreichbar, denn mehr als zwei Kilogramm minus an einem Fastentag passieren mir in der Woche nach einem langen Fastenintervall nur in Ausnahmefällen, weil sich mein Wasserhaushalt da noch nicht ganz regeneriert hat.

Aber darauf kommt es mir ja im Moment gar nicht an. Vor allem möchte ich die nächsten drei Wochen ohne eine Wiederzunahme überstehen, wie sie für mich eigentlich jahreszeittypisch ist, und ich hoffe, das, was sich in den letzten drei Wochen angedeutet hat, bestätigt sich nach Ablauf dieses Zeitraums, nämlich daß Low Carb das richtige Mittel ist, um dies tatsächlich zu verhindern. Etwaige Gewichtsabnahmen anstelle der bekämpften Zunahme oder der erhofften Stagnation nehme ich natürlich gerne und mit Dank mit, falls sie sich einstellen sollten.

Gestern habe ich außerdem ein kleine Zwischenauswertung meiner Kalorienbilanz der letzten sechs Wochen vorgenommen und dabei festgestellt, daß ich in den 18 Tagen, seit ich mit Low Carb begonnen habe, zu meinem Erstaunen tatsächlich unter dem Strich ein Kaloriendefizit zu verzeichnen hatte. Das traf etwas unglücklich mit einem aktuellen Video zusammen, unter dessen Eindruck ich mir jetzt vorgenommen habe, meinen Kalorienverbrauch an Eßtagen gezielt so weit zu erhöhen, daß ich künftig kein Defizit mehr haben werde. Bis Ende November strebe ich ein Ergebnis an, mit dem ich, Eß- und Fastentage zusammengerechnet, einen Kaloriendurchschnitt von mindestens 2000 zu verzeichnen habe. Ich glaube zwar nicht, daß ein vergleichsweise geringfügiges Defizit wie das von mir kalkulierte (ca. 1800 Kalorien/Tag) über einen überschaubaren Zwei-Monats-Zeitraum sich bereits ungünstig auswirken würde, aber daß irgendwelche Schlauberger mir am Ende doch noch ein kalorisches Defizit als Grund für meine Abnahme unterschieben, muß ich nicht unbedingt haben.

Gestern habe ich gleich mit einem 4360-Kalorien-Tag begonnen. 

Die erstaunliche Wiederauferstehung des kalorischen Defizits bei Jason Fung

Das Video, das ich erwähnt habe, stammt von Dr. Jason Fung. Vermutlich war es nur eine Frage der Zeit, daß ich mich über eines der Videos auf seinem YouTube-Kanal entsetzen würde. Der Hauptgrund, warum es erst jetzt geschieht, besteht höchstwahrscheinlich darin, daß ich kaum einen der neuerdings regelmäßig von Jason Fung auf seinem YouTube-Kanal publizierten Filme gesehen habe. Das liegt daran, daß ich die Aufmachung dieser Videos so abschreckend finde. Wie müßte man aber auch gestrickt sein, um ernsthaft in einem so unseriös wirkenden Ernährungsvideo nach seriösen Informationen zu suchen?

Geradezu physische Schmerzen bekam ich ebenso beim Anblick des Shops.

Schon seit geraumer Zeit habe ich auf Twitter das blöde Gefühl bekommen, daß Fung und sein Team entweder die Bodenhaftung verloren haben oder vielleicht auch schlecht beraten werden, seit sie erfolgreich genug sind, um Berater dieser Art anzuziehen. Möglicherweise versuchte man auch, neue Interessentenschichten zu erschließen, die man an der Stelle abholen wollte, an der sie sich nun einmal befinden. Ein oder zwei dieser Videos, die ich trotzdem schon gesehen habe, waren dann weitaus besser, als die primitive Aufmachung des Startbilds erwarten ließ, wenn auch weniger gut als viele der älteren Videos, die ich von Fung gesehen hatte. Es ist wohl kein Zufall, daß Jason Fung bei Twitter ca. 150.000 Follower hat, aber auf YouTube über 600.000. 

Aber geschenkt. Daß Fung nicht plötzlich verblödet ist, konnte ich ja seinem brillanten Buch über Krebs entnehmen. (Freilich, ein Weilchen ist es schon her, daß er es geschrieben hat. Ich glaube, die ersten Texte, die später im Buch landeten, las ich schon 2018 in seinem damaligen Blog. Sollte er im Anschluß an diese Leistung vielleicht doch noch verblödet sein, hätte das aber frühestens erst ab letztes Jahr beginnen können.) 

Daß Jason Fung in dem oben verlinkten Video nun auf einmal behauptet, der Erfolg des Fastens sei zwingend von einem damit verbundenen Energiedefizit abhängig - etwas, was er meines Wissens seit seiner unmittelbaren Anfangszeit mit dem Intervallfasten nicht mehr vertreten hatte - macht mich aber eingestandenermaßen ein bißchen ratlos. 

Was ist da nur passiert? Wurde er einer Gehirnwäsche unterzogen?

Mein erster Gedanke nach der ersten Irritation war der vorübergehende Hype um die sogenannte LCLF-Ernährung ("Low Carb Low Fat") unter Low-Carb-Anhängern, deren Ernährung bis dahin dem Prinzip LCHF ("Low Carb High Fat") folgte. Wie lange ist das mittlerweile eigentlich her? Ich werde jetzt nicht nachschauen, aber meiner Erinnerung nach muß es ungefähr Anfang dieses Jahres gewesen sein. Inzwischen ist zumindest in dem von mir gefolgten Twitter-Biotop nicht mehr viel die Rede davon. Den Grund dafür kenne ich nicht, aber eine Vorstellung davon, was er sein könnte, habe ich schon: Bei dieser Art von Ernährung ist ein Kaloriendefizit, glaube ich, fast unvermeidlich, das ergibt sich klar aus dem enormen Kalorienanteil, den das Fett beisteuert - wirklich plastisch ist mir das tatsächlich erst geworden, seit ich Anfang September vorübergehend mit dem Zählen begonnen habe. 

Aber genau deshalb halte ich sie auch für hochgradig Jojo-verdächtig. Dasselbe würde dann aber natürlich auch für Intervallfasten mit Kaloriendefizit gelten. 

Sowohl der LCLF-Hype als auch Fungs Konversion zu den Kalorien haben natürlich einen Auslöser, und der dürfte darin bestehen, daß Intervallfasten und Low Carb zwar für viele eine Art Wunderkur geworden sind - wie ein Wunder muß oft die anfängliche Wirkung erscheinen, die so spektakulär ausfällt, daß sie auch mir wie ein Wunder erschienen ist -, und das höchstwahrscheinlich umso mehr, je höher das damit bekämpfte Übergewicht ausfiel. Aber gleichzeitig halte ich es für unwahrscheinlich, daß jemand mit BMI 40 oder mehr alleine durch das Beibehalten seiner gewählten Methode - in ihrer anfänglich gewählten Form und Intensität - eine reelle Chance hatte, in den Normalgewichtsbereich zu kommen. Ausnahmen gibt es bestimmt, und wenn ich einen Tipp abgeben darf: Vermutlich vor allem dann, wenn das Zielgewicht innerhalb eines Jahres erreicht werden konnte. 

Echte Verzweiflungstäter kombinieren ja gerne mehrere Methoden, und gerade dabei kommt dann gerne die Art von Abnahme zustande, für die man sich anschließend in Talkshows von Leuten ohne viel Ahnung ehrfürchtig bestaunen lassen darf. Intervallfasten nach der 10in2-Methode PLUS Low Carb PLUS Sport mit zunehmender Intensität (den sich verbessernden physischen Möglichkeiten folgend) ist sicherlich nicht weniger häufig als die Methode "sehr niedrigkalorische Diät PLUS Sport mit zunehmender Intensität". Beides kann jedenfalls innerhalb kurzer Zeit zum Ziel führen, Nadja Hermann zählt zu den Zeuginnen. 

Das Problem dabei sind vor allem die längerfristigen Aussichten, also auf das dauerhafte Halten des Gewichts. Dabei müßten eigentlich die Methoden, die insulinbasiert sind und auf ein Kaloriendefizit verzichten, die besseren Chancen bieten. Ein Fragezeichen wäre in diesem Bereich aber die wahrscheinliche Wirkung einer nachlassenden sportlichen Intensität, die ja sogar ich ansatzweise zu spüren bekam, als ich letztes Jahr das EMS-Training aufgab. Aber spontan fallen mir mehr Low-Carb-Verfechter als Diäthalter ein, die von sich auch nach Jahren behaupten, ihr Gewicht gehalten zu ahben.

Schade, daß man darüber, wie sich Langzeit-Low-Carb- und -Intervallfasten typischerweise auswirken, so wenig weiß. Möglicherweise hat es etwas damit zu tun, daß die Glückspilze, die ihr Ziel erreichen und damit zur Tagesordnung übergehen können, einen zu geringen Anteil an allen Patienten ausmachen, um mit ihm hausieren gehen zu wollen. 

Das finstere Geheimnis

Das finstere Geheimnis der insulinbasierten Methode besteht darin, daß die deutliche Mehrheit derjenigen, bei denen die Wirkung anfangs so durchschlagend ist, vermutlich den Normalgewichtsbereich nicht erreicht, jedenfalls nicht, ohne an ihrer Herangehensweise etwas zu verändern. Das Zeitfenster mit der höchsten Wirksamkeit liegt innerhalb des ersten Jahres, vielfach auch nur innerhalb der ersten sechs Monate. Danach fängt die Sache an, um einiges zäher zu werden. Aber dann bröckelt vermutlich bei vielen zunächst begeisterten Teilnehmern auch die Disziplin. Das gilt vor allem den Teil der Teilnehmer, denen diese Disziplin von Anfang an schwergefallen ist. Tatsächlich kann ich auch von mir nicht sicher sagen, ob ich in so einem Fall irgendwann aufgegeben hätte.

Intervallfasten wirkt, und Low Carb wirkt, aber eines von beidem irgendwann einmal gemacht zu haben, verhindert natürlich eine Wiederzunahme nicht, wenn es nicht mehr aufrechterhalten wird.  Motivationserhaltende Maßnahmen mit Wirkung auf der Waage sind dringend nötig, um die Patienten weiter bei der Stange zu halten, wenn jemand das Ziel verfolgt, ihnen ihre bereits erreichte Gewichtsabnahme weiter zu erhalten und sie im Idealfall noch weiter zu verbessern. Das könnte die Motivation hinter Dr. Fungs plötzlichem Schwenk zum Kaloriensparen als Grund für den Erfolg von Intervallfasten sein.

Das Gemeine daran ist, daß die Kaloriensparmethode, egal in welcher Verpackung, tatsächlich wirkt, jedenfalls eine gewisse Zeit lang. Aber gerade Dr. Fung sollte genau wissen, daß auf diese Weise erzielte Erfolge nur selten nachhaltig sind und daß ihm die anvisierte Zielgruppe, die gerade enttäuscht abzuspringen droht, dann eben ein paar Monate später enttäuscht abspringen wird.

Das gefällt mir nicht, und zwar deshalb, weil ich die Riesengefahr sehe, daß die insulinbasierte Methode der Gewichtsreduktion wieder in Vergessenheit sinkt, obwohl genau bei ihr der richtige Ausgangspunkt für die Suche nach dem Schlüssel zum Adipositasproblem zu finden wäre. 

Mein Ein-Mann-Protestmarsch, im Idealfall gleichzeitig mein Endspurt

Und genau deshalb werde ich jetzt das Gegenteil dessen tun, was Dr. Fung empfiehlt, erstens, weil ich davon überzeugt bin, daß ich damit besser fahren werde, als wenn ich seinen Empfehlunen folge, aber ebenso gewissermaßen als ein Ein-Mann-Protestmarsch gegen Empfehlungen, die sich meiner Meinung nach als schädlich erweisen werden, und zwar sowohl für Dr. Fungs eigene Sache als auch für die Gesundheit seiner Patienten. Dabei habe ich den Vorteil, daß ich jetzt schon lange genug erfolgreich genug mit hochkalorischer Ernährung gewesen bin, um die Gründe für nachlassende Wirkung an anderer Stelle zu suchen. 

Gestern sah ich in diesem Zusammenhang auch noch ein anderes Video, nicht von Dr. Fung sondern von Bret Scher, der über eine hochinteressante Studie berichtete, in der "sequentielle Diäten" untersucht wurden. Konkret unterzogen sich die Teilnehmer mehreren unterschiedlichen Gewichtsreduktionsmethoden - Kalorienreduktion, Low Carb und Intervallfasten -, aber nicht gleichzeitig, sondern aufeinanderfolgend, und das mit deutlich besserem Erfolg als erwartet. Jede neue Methode brachte eine Abnahme mit sich, die in etwa dem typischen anfänglichen Schwung entsprach, und so gab es eine eindrucksvolle Abnahme von durchschnittlich 11 Kilogramm. Die Studie dauerte nur ein paar Wochen, also lassen sich etwaige Jojo-Wirkungen der Kalorienrestriktion nicht feststellen. 

Das Prinzip sollte eigentlich auch bei meinem "Alles außer Kalorien"-Ansatz wirken, und vielleicht bilde ich es mir ja nur ein, aber mir deucht, ich kann es schon jetzt in meiner Excel-Tabelle ablesen.

Im Idealfall verschafft mir diese beschriebene Wirkung in den nächsten fünf Wochen noch eine weitere Gewichtsabnahme (schon ein bis zwei Kilogramm zusätzlich würden ja meine kühnsten Erwartungen aus der Phase vor dem Start übertreffen). Ebenso müßten dann im Januar/Februar aber auch die acht Wochen EMS-Training einen kleinen zusätzlichen Abnahmeschub außer der Reihe bewirken können. 

Falls dies aber wirklich geschehen sollte, könnte ich wohl, gemessen an meinem derzeitigen Gewicht von 92 Kilogramm (vor dem Fasten)/88,5 Kilogramm (nach dem Fasten), damit rechnen, bis zum nächsten Sommer erstmals die 80 Kilogramm zu unterschreiten. 

Daraus habe ich erstmals eine Endspurt-Strategie entwickelt: Sobald ich nur noch sechs Kilogramm vom Zielgewicht entfernt bin, werde ich Intervallfasten, Low Carb und EMS-Training für zwei bis drei Monate miteinander sowie mit im vierzehntägigen Wechsel fünftägigen Fastenintervallen kombinieren mit dem Ziel, diese letzten sechs Kilogramm bis zum Zielgewicht in Form eines Zielsprints möglichst rasch loszuwerden.

Vielleicht stecke ich nächstes Jahr um diese Zeit mittendrin in diesem Endspurt. Falls ich noch mehr Glück habe, steht er sogar schon kurz vor seinem Abschluß.

Aber auch wenn die in der Studie beschriebene Turbo-Wirkung bei mir schwächer ausfällt oder ganz ausbleibt und alles doch noch länger dauert, ist es jedenfalls nicht verkehrt, daß ich jetzt eine konkrete Vorstellung habe, wie ich die Schlußphase meiner Abnahme gestalten möchte.

Und was kommt danach? Keine Sorge, darüber mache ich mir noch früh genug konkrete Gedanken. Bislang habe ich eine eher vage Vorstellung, aber so ähnlich ging es mir mit dem Endspurt ja bislang auch. :-)