Montag, 28. Februar 2022

Gesucht: ein gesundheitspolitischer Wladimir Putin

Mein Gewicht heute früh zu Beginn des nächsten langen Fastenintervalls: 91,4 Kilogramm. Das ist wirklich, echt und richtig cool - gerade mal hundert Gramm oberhalb meines niedrigsten Vor-Fasten-Gewichts von 91,3 Kilogramm Ende November letzten Jahres. Damit kann ich also ganz offiziell verkünden, daß ich über die letzten drei Monate de facto mein Gewicht gehalten habe und die Zunahme, die mir die Waage angezeigt hatte, lediglich widergespiegelt hat, daß mein Wasserhaushalt bei Low Carb anders ist als bei normaler Ernährung. Ich habe ja seit Mittwoch vier Low-Carb-Tage hinter mich gebracht, also ist mein heutiges Gewicht wieder vergleichbar mit dem Gewicht, bevor ich mein Low-Carb-Experiment vom Herbst beendet hatte. Ich kann also den Faden an exakt der Stelle wieder aufnehmen, an dem ich ihn zum 1. Dezember letzten Jahres fallengelassen habe.

Ganz ehrlich? Nein, das hätte ich nicht zu hoffen gewagt. Auf maximal ein Kilogramm "echte" Zunahme war ich eigentlich gefaßt gewesen. Aber die fand nicht statt.

Am Freitag werde ich mit diesem Startgewicht höchstwahrscheinlich SEHR nahe an meinem niedrigsten "Nachher"-Gewicht von 86,5 Kilogramm landen, entweder knapp darüber oder knapp darunter oder in Form einer Punktlandung direkt auf 86,5. Ein neues Tiefstgewicht hatte ich eigentlich erst für das nächste lange Fastenintervall in zwei Wochen eingeplant, aber nun bin ich am Überlegen, ob ich, falls ich - was ebenso wahrscheinlich ist wie das Gegenteil - knapp darüberliegen sollte, vielleicht doch einen fünften Fastentag einlegen soll. Wenn es ohne viel Zusatzaufwand erreichbar sein sollte, hätte ich schon große Lust auf ein neues Niedrigstgewicht bereits diese Woche. Nach drei Monaten Stillstand wird es ja auch langsam mal wieder Zeit.

Neben anderem ist damit vor allem eines klar: Es hat sehr viel Sinn, zeitlich begrenzte Low-Carb-Phasen auch weiterhin strategisch einzusetzen. Nach diesen sechs Wochen im Frühjahr plane ich das für einen ähnlichen Zeitraum voraussichtlich wieder im Herbst im Oktober und November, und im Sommer teste ich möglicherweise (mindestens) ein oder zweimal, wie sich ein einzelnes Low-Carb-Wochenende im Vorfeld eines langen Fastenintervalls auswirkt, denn in den letzten Tagen habe ich den Eindruck gewonnen, daß dies fast die Wirkung eines zusätzlichen Fastentags hat. 

Ich habe ja meine Kohlenhydrate (aber nicht die Kalorien) seit letzten Mittwoch notiert und bin auf folgende Werte gekommen: Mittwoch 100 g KH, (Donnerstag: Fastentag), Freitag: 60 g KH, Samstag: 75 g KH, Sonntag: 63 g KH.

Verblüffend, wie schnell sich sowohl meine Verdauung als auch mein Wasserhaushalt an mein aktuelles Eßverhalten angepaßt haben, und bei meinem Mann übrigens auch. Wir sind uns einig, daß Low Carb uns tatsächlich spürbar guttut, und mein Mann hat gestern sogar vorgeschlagen, das auch nach Erreichen meines Zielgewichts ein- oder zweimal im Jahr für ein paar Wochen fest einzuplanen. Ihm gefällt es, daß es nicht nur zu seinem physischen Wohlbefinden beiträgt, sondern auch, daß wir neue Rezepte ausprobieren, unter denen es bislang nur sehr wenige gegeben hat, die ein Reinfall gewesen sind. Gestern abend habe ich Hähnchengeschnetzeltes mit Baconwürfeln und Champignons in einer Creme-fraiche- und Schmelzkäsesoße gemacht, das sagenhaft gut war ("Das kann mit jedem Restaurant mithalten", sagte mein Mann). Auf den Schmelzkäse wäre ich nie im Leben von alleine gekommen, und den muß ich mir echt merken. Als Beilage gab es Gemüsepuffer aus Zucchini, Karotten, Zwiebeln, Ei und gemahlenen Mandeln, die ebenfalls ausgezeichnet waren; Beilagen sind ja bei Low Carb immer so ein bißchen die offene Rätselfrage, und so ist es gut, daß ich damit eine neue im Repertoire habe.

Beim Abendessen denke ich leider nie daran, Fotos zu machen. Hier aber eines von dem leckeren Low-Carb-Brot (Mandelmehl, Chia-Samen, Leinsamen, Quark, Eier, Körnermischung und gehackte Walnüsse), das ich am Samstag gebacken habe. 

Und das da gab es zum Kaffee. Eine Pseudo-Biskuitrolle aus Eiern und Mandeln, darin enthalten eine Joghurt-Johannisbeersaft-Sahne-Mischung, mit Gelatine steif gemacht. Normalerweise hätte ich für die Joghurtcreme ja einfach zwei, drei Eßlöffel Speisestärke genommen, aber das ist ja nicht Low-Carb-kompatibel.


Es schmeckte genauso gut, wie es aussieht (eher noch einen Tick besser), und das abgebildete Stück enthielt nur 10 Gramm Kohlenhydrate. Damit ist der angebrochene Johannisbeersaft verbraucht, aber ich glaube, den kaufe ich demnächst wieder.

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Am Wochenende stieß ich auf den angeblich endgültigen Beweis dafür, daß Low Carb in Wirklichkeit gar nicht funktioniere, und schwanke zwischen Gelächter und Zorn. Schade ist es vor allem um den Ernährungswissenschaftler Uwe Knop, auf den die Dame, die sich Gesundheitsredakteurin bei "Der Standard" schimpft, sich berufen hat. Von dem habe ich nämlich einmal wirklich etwas gehalten. Ich weiß nicht, ob Knop selbst die Sache so undifferenziert sieht, wie sie in dem Bericht im "Standard" wiedergegeben wird, aber jedenfalls hat er es nicht verhindert, daß sie so dargestellt wird. Und natürlich werden solche als Abschreckungsmaßnahme gedachten Artikel viele Leute davon abhalten, mit Low Carb etwas auszuprobieren, das sich möglicherweise auch bei ihnen als der Schlüssel zur Lösung ihres Gewichtsproblems herausstellen könnte. Daran macht er sich mitschuldig. 

"Zwar seien Low-Carb-Diäten kurzfristig häufig von Erfolg gekrönt", heißt es in dem Artikel. "Das liege aber am ehesten daran, dass man sich für die Dauer der Diät intensiv mit der eigenen Ernährung auseinandersetze und bewusst weniger und meist auch Gesünderes zu sich nehme." Das jedenfalls ist die Meinung eines gewissen Stefan Lorkowski vom Institut für Ernährungswissenschaften in Jena. "Er meint, es sei naiv zu glauben, dass allein eine Änderung der Relation von Kohlenhydraten und Fetten ausreiche, um Gewicht zu verlieren. Es komme vielmehr auf die ernährungsphysiologische Qualität der Nahrungsmittel und vor allem die Energiebilanz an", heißt es weiter.

Energiebilanz, my ass. Was solche Behauptungen vollends absurd macht, ist daß Low Carb in meinem Fall ja sogar tatsächlich als "Diät", also eine zeitlich begrenzte Intervention, genau das gebracht hat, was eine klassische kalorienbasierte Diät niemals mit sich bringt, nämlich eine Abnahme, die auch nach dem Ende der Intervention ohne irgendwelche ernährungstechnischen Klimmzüge weiter gehalten werden kann. Normalerweise geht es bei Low Carb ja um eine dauerhafte Ernährungsumstellung - und die wiederum läßt im Lauf der Zeit in ihrer Wirkung nach, was vermutlich auch einer der Gründe dafür ist, daß die Wissenschaft sich so schwer damit tut, eine solche Wirkung zu finden. 

Ich bin mir mittlerweile außerdem ziemlich sicher, es stimmt wirklich, daß Low Carb nicht bei jedem wirkt, aber es ist ein epidemiologischer Kunstfehler, daraus zu schließen, daß es dann bei niemandem wirkt. Herausfinden müßte man, was die Voraussetzungen dafür sind, daß eine gute Wirkung zu erwarten ist. Daß Low Carb etwas mit dem Körper macht, das sich fundamental von dem unterscheidet, was bei kalorienbasierten Diäten geschieht, erlebe ich ja gerade am eigenen Leib, und wenn das nicht bei jedem die Wirkung einer Gewichtsabnahme hätte, dann muß das Gründe haben, die man herausfinden sollte. Das eigentliche Problem scheint zu sein, daß alle Welt nach der einen Methode sucht, die bei jedem funktioniert. Und die bei jedem außerdem zeitlich unbegrenzt dieselbe Wirkung hat. Wenn man auf diese Weise weitersucht, wird man bis zum jüngsten Tag erfolglos weitersuchen, da es offensichtlich ist, daß eine solche Methode nicht existiert. Was existiert, ist ein Baukasten möglicher Herangehensweisen, die bei verschiedenen Leuten gut wirken und bei anderen nicht - und die außerdem bei fast jedem, der sie erfolgreich anwendet (je nachdem, von welchem Gewicht er herkommt und zu welchem Gewicht er hinwill), im Lauf ca. eines Jahres in ihrer Wirkung nachlassen, was aber mitnichten der Beweis dafür ist, daß sie sinnlos sind. Es gibt nämlich einen Unterschied zwischen nachlassender Wirkung und dem Jojo-Bumerang, und zwar nicht nur die Gewichtsentwicklung, sondern auch die gesundheitliche Entwicklung in längerfristiger Perspektive betreffend.

Was bilden sich diese statistikgläubigen Erbsenzähler eigentlich ein, für was sie das machen, wofür sie bezahlt werden? Das ist doch kein Sandkastenspiel zu ihrer höchstpersönlichen Unterhaltung oder ein ideologischer Grabenkrieg der Güteklasse "Wieviele Engel können auf einer Nadelspitze tanzen?" ohne Wirkung in der realen Welt, auf reale Menschen, die es verdient hätten, daß dieses Dr[Selbszensur]ack den Fokus ihrer Arbeit auf das richtet, womit sie gesund bleiben/werden können und woran sie krank werden und häufig genug unnötig früh sterben. Ich vermisse ein ernsthaftes Interesse an Ergebnissen, die - gesundheitspolitisch und für die Gesundheit und, nicht zu vergessen, die Lebensqualität der Betroffenen - von Bedeutung sind. Meine Erfahrungen der letzten Monate signalisieren eine solche Bedeutung von Low Carb ganz eindeutig. Mag sein, nicht für jeden. Aber das kann doch unmöglich ein Grund dafür sein, diejenigen, bei denen es funktionieren würde, lieber über die Klinge springen zu lassen, als zuzugeben, daß da irgendwas dran sein muß, auch wenn im Detail noch unklar ist, was genau und wann und wie das nutzbar gemacht werden kann. 

Besonders enttäuschend finde ich, daß Knop sich bei seiner Einschätzung voll und ganz auf Studien der Art verläßt, die er in anderen Zusammenhängen selbst ganz gerne kritisiert. Gerade Knop, der ja eine individuelle Ernährung propagiert, sollte nicht mit den Durchschnittswerten argumentieren, die bei solchen Studien Erfolg oder Mißerfolg belegen. Seine These legt ja implizit nahe, daß man in solchen Studien am ehesten sinnvolle Erkenntnissen gewinnen könnte, wenn man nicht den Durchschnitt einem Urteil zugrundelegen, sondern die zehn Prozent erfolgreichsten und die zehn Prozent erfolglosesten Teilnehmer am Ende der Studie herauspicken und vergleichen würde, was sie voneinander unterscheidet. 

Was mich so irre macht, ist, daß niemand von solchen Wichtigtuern Erfolgsnachweise verlangt, bevor ihre Behauptungen über die medialen Lautsprecher in die weite Welt hinaustrompetet werden. Meiner Meinung nach müßte man es in den Pressekodex mit aufnehmen, daß die Abnehm-Weisheiten angeblicher Ernährungsexperten nur dann öffentlich verbreitet werden dürfen, wenn sie nachweisen können, daß mindestens 20 Patienten auf Basis ihrer Empfehlungen mindestens 20 Kilo abgenommen haben und diese Abnahme mindestens zweimal 20, also 40 Monate lang halten konnten. 

Außenpolitisch gab es ja gerade einen größeren Erdrutsch in der deutschen und europäischen Politik mit Dingen, die noch vor einer Woche undenkbar erschienen wären: Waffenlieferungen an die Ukraine! Aufstockung des Bundeswehretats! Ausschluß Rußlands von SWIFT! Der russische Präsident hatte ja gehofft, in die Geschichte einzugehen, und das ist ihm nun wohl gelungen, wenn auch auf ganz andere Weise als von ihm erwartet. Aber wie könnte man es anstellen, so eine tektonische Verschiebung auch in der Gesundheitspolitik, Abteilung Adipositas-Bekämpfung, zu bewerkstelligen? Wo ist der gesundheitspolitische Wladimir Putin, dessen strategische Fehlkalkulation dazu genutzt werden könnte, daß die Politik vom gesundheitspolitischen "So tun, als ob" dazu übergeht, das real bestehende Problem mit der Adipositas wirklich lösen zu wollen? Ich wäre ernsthaft bereit, gegen ihn auf den Kriegspfad zu ziehen, falls es mir auch nur ansatzweise erfolgversprechend erschiene. 👿

Freitag, 25. Februar 2022

"... anläßlich deines bevorstehenden Martyriums ..."

Mein Gewicht gestern früh nach dem ersten Low-Carb-Tag und zu Beginn des zweiten Fastentags der Woche: 92,2 Kilogramm. Heute morgen nach dem Fastentag: 89,8 Kilogramm. Das fühlt sich doch gleich ganz anders an. Es ist das erste Mal im laufenden Jahr, daß ich nach einem einzelnen Fastentag wieder unter 90 Kilogramm bin. 

Spoiler: das liegt natürlich nur daran, daß sich der Wasserhaushalt mit Low Carb verändert - aber dennoch interessant, daß schon ein einziger Tag Low Carb das bewirken konnte. Und natürlich ist es gut für die Laune und den Optimismus, nachdem ich drei Monate Stagnation ausgesessen habe.

Ich habe mich gestern spontan entschieden, wieder die Kohlenhydrate meines Essens zu zählen - irgendwie fühle ich mich sonst unsicher, ob es zu viel wird. Die Kalorien und den ganzen anderen Kram ignoriere ich aber, weil es darauf meiner Meinung nach ja nicht ankommt. Für gestern stellte sich dann eine Punktlandung auf 100 Gramm Carbs heraus. 

Morgens hatte ich Brötchen aus Kokosmehl, gemahlenen Mandeln und Frischkäse gemacht, die sehr gut waren. Weil ich ein angebrochenes Tetrapack Johannisbeersaft hatte, gab es nachmittags zum Kaffee Johannisbeer-Joghurt-Gums (ein echter Geheimtip, stellte sich heraus, ich hätte nicht für möglich gehalten, daß die so besonders köstlich werden würden). Irgendwie ist aber immer noch Saft übrig, also werde ich wohl noch ein paar Pralinen aus Moser-Roth 70% mit Johannisbeerjoghurt-Füllung machen. Ich habe mir das mal ausgerechnet: Pro Praline komme ich auf 2 Gramm KH, das finde ich vertretbar. Mehr als zwei oder drei Stück schaffe ich von denen aller Erfahrung nach ohnehin nicht.

Abends habe ich die Big-Mac-Rolle gemacht, auf die ich mich schon seit einer ganzen Weile gefreut hatte, mit dem berühmten Zucchini-Eier-Teig aus dem Backofen.

Merkwürdigerweise bekam ich daraufhin abends leichtes Sodbrennen, das bis gegen Mittag am folgenden Tag anhielt. Im letzten Herbst war es auffällig, daß ich das in der gesamten Low-Carb-Phase überhaupt nie hatte. Vielleicht war das immer noch eine Nachwirkung von meinen letztwöchigen Magen-Darm-Problemen? Jetzt ist es jedenfalls weg.

Interessanterweise hatte ich schon gestern abend Spuren von Ketonen im Urin (normalerweise erst am folgenden Morgen), die Reduktion von Kohlenhydraten an den Eßtagen wirkt also, indem einfach die Stoffwechselprozesse an Fastentagen beschleunigt einsetzen. Ich habe noch ein paar wenige Keto-Sticks gehabt, so kam mir gestern der Gedanke, das mal zu messen. 

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Die gute Laune und der Optimismus zu Beginn meiner zweiten Low-Carb-Phase, was meine weitere Gewichtsentwicklung betrifft, stehen in erheblichem Kontrast zu meiner allgemeinen Simmung. Mein gestriges Erwachen war ein ziemlich böses, wie das wohl den meisten ging, da bestimmt niemand damit gerechnet hatte, morgens zum Kaffee von einem Angriffskrieg, einer Invasion mit dem Ziel, eine frei gewählte Regierung zu stürzen, in ein europäisches Land zu erfahren. 

Die Reaktionen der westlichen Welt erinnerten mich an dies hier oder auch an den typischen Ablauf meiner Auseinandersetzungen mit meinem Sohn, als er im Vorschulalter war. War er sauer auf mich, weil er irgendwas nicht bekommen hatte, drohte er mir gerne: "Dann habe ich dich nicht mehr lieb." Das war in diesem Alter seine Standarddrohung. War er aber wirklich fuchsteufelswild und wollte mir mit etwas noch Schlimmerem drohen, änderte er das in: "Dann habe ich dich NIE WIEDER lieb." Das arme Kind, dachte ich damals immer, und war jedesmal vom hilflosen Zorn meines Kinds angerührt. Er weiß genau, daß ich am längeren Hebel sitze. Wie muß sich das für ihn anfühlen, daß er jetzt - jedenfalls in dieser Sekunde - so grimmig entschlossen ist, die Brücken zu mir abzubrechen?

Meine Rührung gegenüber unserer Politik hält sich sehr in Grenzen, und das liegt auch daran, daß sie ja nicht einmal den Schritt von "... dann hab ich dich nicht mehr lieb" hin zu "... dann hab ich dich NIE WIEDER lieb" geschafft hat, zu dem sich sogar ein fünfjähriges Kind entschließen konnte. Die Sanktionen, die beschlossen wurden, sind hasenfüßig ausgestaltet, weil sie uns selbst möglichst nicht wehtun sollen. Das ist leicht zu erkennen, und es ist ein schwerer strategischer Fehler. Es beweist Putin, daß wir viel zu viel Angst haben, uns selbst wehzutun, um uns zu irgendetwas wirklich Wirksamen gegen seine Machenschaften entschließen zu können - also wird er es als Einladung auf dem Silbertablett auffassen, weiterhin einfach zu tun, was ihm beliebt.

Noch lächerlicher wird die Sache mit den Sanktionen dadurch, daß sich alle Akteure mit Superlativen überbieten, was deren angeblich nie dagewesene Härte und deren gräßliche Folgen für Rußland betrifft, obwohl sie genau wissen, daß sie viel weniger beschlossen haben, als sie es eigentlich könnten. Und wenn ein Angriffskrieg auf ein Nachbarland kein Anlaß für maximale Härte sein sollte, was zum Teufel wäre denn dann einer? Als Nachbarländen der Ukraine grenzen die EU-Staaten Polen, Slowakei, Ungarn und Rumänien an sie an. Ein von Rußland "befreite" Ukraine, also ein russischer Satellitenstaat mit einer Quisling-Regierung wäre somit Nachbar der EU. Man sollte doch meinen, aus schierem Selbsterhaltungstrieb müßte die EU das maximal Mögliche tun, um diese Entwicklung zu verhindern. 

Ach ja, und wie kommt das eigentlich, daß wir, und damit meine ich speziell Deutschland, nie ernsthaft nach einer Möglichkeit gesucht haben, um von russischem Gas unabhängig zu werden? Schon seit 2008 haben die Russen uns immer wieder mit provokativen Drosselungen der Lieferungen klargemacht, daß wir genauso abhängig von ihnen sind wie mein Sohn es damals war. Nur, er ist inzwischen erwachsen, unabhängig und bei Meinungverschiedenheiten verhandeln wir auf Augenhöhe. Wieso fand es in unserer Politik die ganzen verdammten letzten 14 Jahre lang also niemand wichtig, diese Augenhöhe durch eine ausreichende Verringerung der Abhängigkeit auch anzustreben? Ich finde nämlich, nicht nur Nordstream II gehört komplett gecancelt, wir sollten auch Nordstream I nicht mehr nutzen.

Wenigstens kann ich von mir sagen: Ich habe diese Leute zumindest nicht gewählt. Aber ein echter Trost ist das nicht, wenn man sich für sein eigenes Land schämen muß.

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Update: 

Anonymous International hat Rußland den Cyberkrieg erklärt und läßt damit die internationale Staatengemeinschaft noch handzahmer wirken. Auch wenn diese Kriegserklärung wohl wenig praktische Konsequenzen haben wird, die Geste weiß ich zu würdigen. Wenn dies nicht die Realität, sondern eine Filmschmonzette wäre, dann würde Rußland jetzt natürlich unversehens in der digitalen Steinzeit landen und den Krieg verlieren, weil die Kommunikation nicht mehr funktionieren würde. Da wir es aber leider mit der Wirklichkeit zu tun haben, sind bzw. waren lediglich ein paar offizielle Websites down. Schade eigentlich. Wenn ich mir was wünschen könnte, dann stünde der völlige Zusammenbruch der russischen digitalen Infrastruktur (vor allem der militärischen) ziemlich weit vorne auf meiner Wunschliste, und ein paar Plätze weiter hinten käme die Abkopplung der russischen Zahlungssysteme von SWIFT. An einem Crowdfunding solcher Vorhaben würde ich mich beteiligen. 




Dienstag, 22. Februar 2022

Abnehmen als Prozeß. Oder: Der Weg ist das Ziel.

Mein Gewicht heute früh vor dem letzten EMS-Training: 92,7 Kilogramm - exakt identisch mit dem Wert vor dem ersten Training am 4. Januar. Die Vermessung hat sich als unterhaltsam erwiesen, allerdings mußte ich mir mehrmals auf die Zunge beißen, um meinem Trainer nicht ungebührliche Widerworte zu geben. Meine Meßwerte hatten den armen Kerl nämlich ohnehin schon in beträchtliche Verwirrung gestürzt: An allen gemessenen Stellen mindestens zwei Zentimeter weniger Umfang, aber selbes Gewicht und, noch viel schlimmer, nach Meinung der Körperanalysewaage eine Zunahme des Fettanteils in Höhe von 1,5 Kilogramm auf Kosten einer entsprechend geschrumpften Muskulatur.

Daß dann beim Blutdruckmessen auch noch ein Wert jenseits von Gut und Böse herauskam (165 zum 102, so was hatte ich überhaupt noch nie), hat der Sache dann das Sahnehäubchen aufgesetzt. Das kann ich mir auch nicht so richtig erklären, aber ich nehme an, es war ein Ausreißer, den ich nicht so ernst nehmen muß. Normal sind bei mir 130 zu 90 plusminus ein bißchen was (ja, ich weiß, unter Medizinmännern gilt das auch schon als zu hoch, aber ich bin so frei, das anders zu sehen). Gerade eben habe ich nochmal nachgemessen und er lag - obwohl ich gerade vom Wochenmarkt komme und so schwer an meinen erworbenen Low-Carb-Vorräten geschleppt hatte - bei 140 zu 99. Die nächsten Tage behalte ich meinen Blutdruck vorsichtshalber mal im Auge, auch wenn ich davon ausgehe, daß mir morgen früh schon wieder mein üblicher Normalwert angezeigt wird.

Nun ist natürlich klar, daß ich in den letzten acht Wochen keine 1,5 Kilogramm Muskeln verloren und 1,5 Kilogramm Fett hinzugewonnen haben kann, also handelt es sich wohl um einen Meßfehler. Vielleicht hängt er ja irgendwie zusammen mit dem Blutdruckwert? Möglich ist es natürlich auch, daß entweder der aktuelle oder der Wert vom Januar auf irgendeine Weise verzerrt war, die wir einfach nicht beurteilen können, weil von außen nicht erkennbar.

Der Trainer führte die Sache  auf einen völlig anderen Faktor zurück, er verdächtigte mich nämlich, zu wenig Protein für einen Muskelaufbau zu mir zu nehmen. Das erklärt meines Erachtens zwar nicht das Ergebnis einer Muskelschrumpfung auf der Körperanalysewaage, aber ich muß zugeben, es wäre prinzipiell denkbar, daß das Training mir mehr gebracht hätte, wenn ich mehr Eiweiß zu mir genommen hätte - vor meinem Low-Carb-Experiment kam ich auf 80 Gramm Protein pro Tag und während des Experiments auf 130 Gramm. Das ist für den Normalbedarf zwar absolut ausreichend (empfohlen werden 0,8 Gramm pro kg Körpergewicht), für den Muskelaufbau wird allerdings noch mehr empfohlen. Der Trainer empfahl 160 Gramm, also um die 1,7 Gramm pro kg Körpergewicht, was allerdings so ziemlich die Obergrenze der Empfehlungen darstellt, die ich im Web fand. Es ist außerdem das Doppelte von dem, was ich mutmaßlich auch jetzt im Durchschnitt an Eiweiß esse.

Ich glaube, damit hat mein Trainer mich jetzt doch für Anfang nächsten Jahres für eine weitere Acht-Wochen-Runde EMS-Training geködert, denn es brachte mich auf eine Idee: Im Januar vier Wochen EMS-Training plus High Protein (ohne Kohlenhydrate zu reduzieren), und im Februar dann wieder Low Carb - das wäre tatsächlich noch eine neue und zusätzliche Möglichkeit, EMS-Training sinnvoll experimentell auf dem Weg in Richtung Abnahme-Endspurt miteinzusetzen und zu schauen, was passiert. Das Training für sich alleine könnte ich eigentlich künftig weglassen, da die Wirkung ja nicht gerade überzeugend ausgefallen ist, aber in dieser Kombination finde ich es wieder interessant.

Schade, ich hätte gerne das zugehörige Dokument der Vermessung hier eingefügt, aber diesmal bekam ich leider keinen schicken Ausdruck mit bunten Grafiken, nur einen handschriftlichen Freßzettel, den ich selbst nur mit Mühe entziffern kann.

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In den letzten Wochen habe ich eine ganze Reihe von Blogartikeln geschrieben, die ich dann doch nicht veröffentlicht habe. Das lag in der Regel daran, daß es "Schlechte-Laune-Texte" in Überlänge waren, von denen ich mich beim Nochmal-Durchlesen nicht einmal mehr selbst runterziehen lassen wollte, also warum hätte ich sie den Lesern meines Blogs zumuten sollen? Aber ein paar Kurzfassungen (minus die schlechte Laune, die ich gerade nicht habe) seien mir an dieser Stelle gestattet.

Grund zur schlechten Laune finde ich ja öfter bei Durchsicht dessen, was in meiner Twitter-Blase speziell von den Accounts mit "Expertenstatus" geschrieben wird, und wenn das "blogrelevant" genug ist, kann es dennoch passieren, daß ich es publiziere. Manchmal ist es mir aber, nachdem ich mich abreagiert habe, doch zu sehr auf der Metaebene, etwa Schwachsinn aus einem nicht ganz so nahe angrenzenden Feld, der mir lediglich bestätigt, daß ich der Wissenschaft und denen, die immer so tun, als hätten sie die Fakten und deren Interpretation gepachtet, niemals ohne eigene Überprüfung trauen sollte. 

Etwas in dieser Art passierte mir beispielsweise am Samstag, als ich auf einen Bericht darüber stieß, daß der Faktencheck der Tagesschau sich in einem bestimmten Fall als ziemlich faktenresistent erwiesen hat, und zwar vordergründig vor allem deshalb, weil die Fakten von einer Nichtfachfrau kamen, die aber im Gegensatz zu dem amtlich beauftragten Faktenchecker die simple Rechentechnik der Subtraktion korrekt anwenden konnte. Eigentlich sollte ja jeder das können, da man es schon in der Grundschule lernt. Näher betrachtet, war es wohl einfach nicht opportun, zuzugeben, daß diese Twitter-Userin recht gehabt haben könnte. Die schleswig-holsteinischen Bildungsministerin hatte auf ihren Tweet reagiert und leider eine so dumme und instinktlose Antwort gegeben, daß sie damit einen (absolut berechtigten) Shitstorm auf sich zog ... der sie wiederum dazu veranlaßte, sich selbst als das Opfer in dieser Sache zu stilisieren, wofür sie auch tatsächlich haufenweise Solidaritätsadressen von Politikerkollegen aller Parteien bekam, und schließlich als Gipfel der Theatralik ihren Twitter-Account löschte.

Die öffentlich-rechtlichen Sender fühlten sich offenbar ebenfalls verpflichtet, ihr zur Seite zu springen. Nur blöd, wenn man bei so was dann etwas behauptet, das jeder Grundschüler widerlegen könnte. Noch blöder, wenn man anschließend auf einem zu hohen Roß sitzt, um seinen Fehler zugeben zu können.

Ohnehin ist es schon eine Irreführung, so zu tun, als wäre es ausreichend, bestimmte Fakten beweisen zu können, denn mehrere eigentlich korrekte Fakten, die falsch kombiniert werden oder bei denen man einen weiteren genauso beweisbaren Fakt wegläßt, weil er das Bild verderben würde, ergeben ja trotzdem wieder ein falsches Gesamtbild. Es ist leicht, mit Fakten zu lügen, genaugenommen sind das sogar die wirksamsten Lügen überhaupt, die einen großen Anteil an Fakten enthalten. Diese ganze Faktencheckerei wird zu einer Mogelpackung, sobald man so gute Gründe bekommt, an der Wahrheitsliebe ihrer Inszenierer zu zweifeln. Diesen Faktenchecks ist also auch nicht zu trauen.

Schon näher an meinem Thema war diese Studie zum Thema Lebensmittelverschwendung, ein Thema, das mich sowieso regelmäßig auf die Palme bringt (irgendwann hole ich sicherlich dazu noch weiter aus). Das besonders Haarsträubende an dieser speziellen Studie besteht darin, daß die Autoren sich dazu verstiegen haben, den Begriff der Lebensmittelverschwendung so weit auszudehnen, daß sie alles, was ein Mensch ißt, das den Minimalbedarf seiner Gesunderhaltung übersteigt, ebenfalls als verschwendete Lebensmittel gewertet haben. 

Den Autoren dieser Studie verleihe ich hiermit feierlich den "Dr.-Seltsam-Preis für gemeingefährliche Irre in der Wissenschaft". Abgesehen von der Anmaßung, die hinter dem in der Studie angewandten Grundgedanken steckt: Man mag sich das gar nicht ausmalen, wie wohl eine Gesetzgebung aussehen würde, die auf dieser Prämisse basiert und eine "gerechte" unverschwenderische Verteilung der Lebensmittelproduktion zu organisieren versuchen würde. Sankt Bürokratius stehe uns in so einem Fall bei! Vermutlich würden drei Viertel der Nahrungserzeugung auf dem Schwarzmarkt landen, was ein paar Leute stinkreich, aber die meisten bettelarm machen würde. Und diejenigen, die aus irgendeinem Grund auf den Schwarzmarkt keinen Zugriff hätten und auf die unterversorgten staatlichen Kalorienverteilbehörden angewiesen wären, würden nach und nach den Hungertod sterben, wie das in früheren Zeiten der Lebensmittelverteilung durch staatliche Stellen auch schon gewesen ist. Ach ja, und genau wie in der Sowjetunion unseligen Angedenkens würden natürlich NOCH mehr Lebensmittel verderben - nur eben nicht mehr in den dann chronisch unterversorgten Privathaushalten.

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Das hier ist jetzt aber wirklich on topic, ein im Abnehmen-Forum verlinktes Video einer Talksendung des NDR mit Dr. Carsten Lekutat, Allgemeinmediziner, "Fernsehdoktor" und Autor eines Buchs mit dem Titel "Schlank für Faule". Lekutat bezeichnet sich selbst als "trockenen Dicken" in Anlehnung an den Begriff "trockener Alkoholiker" - womit er ausdrücken will, daß er auch zehn Jahre nach seiner Gewichtsabnahme (wie viel das in Kilos war, erfuhr man leider nicht) jederzeit gefährdet sei, einen Rückfall zu erleiden. Er glaubt nicht nur, süchtig zu sein, sondern er glaubt außerdem, ein Sünder gewesen zu sein, der nun für den Rest seines Lebens für diese Sünde büßen müsse. (O-Ton in entlarvender Wortwahl: "Ich trage [mit einem heruntergefahrenen Stoffwechsel] immer noch meine Schuld mit mir herum.")

Anders, als das viele andere - vor allem Nadja-Hermann-Jünger - wahrhaben wollen, ist ihm nämlich sehr genau bewußt, daß er zwar sein Gewicht halten konnte, aber ein um 400 Kilokalorien am Tag reduzierter Stoffwechsel ihm dies so erschwert, daß er sein Eßverhalten ständig kontrollieren muß, um eine Wiederzunahme zu vermeiden. Was seine Methode noch ein Stückchen weniger unangenehm macht als die üblichen Vorstellungen, das sind die kleinen Tricks, mit denen er die Kontrolle so ausgestaltet, daß sie so wenig wie möglich im Alltag spürbar ist, also den damit verbundenen psychischen Streß verringert, der am Ende dazu führt, daß das Konzept nicht auf Dauer durchgehalten werden kann.

Auch wenn es wesentlich schlimmere Diätkonzepte als ausgerechnet dieses gibt: Wegen des heruntergefahrenen Stoffwechsels ist seine Methode bei mir auch ungeachtet aller Details als Ganzes durchgefallen. Eine Methode mit dieser Nebenwirkung mag vielleicht weniger ungesund sein als ein dauerhaft beibehaltener BMI über 40, aber sie ist mit Sicherheit ungesünder als eine Gewichtsabnahme und -kontrolle ohne diese Nebenwirkung. Also das, was ich praktiziere.

Ich nahm aus diesem Interview aber, immerhin, zwei Informationsschnipsel als interessant mit: 

Nach Lekutats Darstellung wird Zucker unterschiedlich verstoffwechselt, je nachdem, ob man ihn vor oder nach einer proteinhaltigen Mahlzeit verzehrt - das erinnert daran, daß es ja traditionell auch üblich ist, Süßes als Nachtisch zu verzehren. Nassim Nicholas Taleb würde das wohl als eine "Heuristik" bezeichnen. Offenbar bekommt einem Süßes auf diese Weise einfach besser. Das wäre vielleicht noch eine Sache, zu der ich mich mal eingehender informieren könnte, auch wenn ich bezweifle, daß ich dadurch irgendetwas herausfinde, das in der praktischen Anwendung sinnvoller ist als das, was ich ohnehin schon längst mache.

Aufgehorcht habe ich aber vor allem bei einem Satz: "1 Kilo Abnahme hat eine positive gesundheitliche Wirkung, egal von welchem Gewicht man herkommt." Diesen Satz kann man nämlich auf zwei verschiedene Arten verstehen, entweder also diese Wirkung dem Ergebnis (dem verlorenen Kilogramm Gewicht) zuzuschreiben oder dem Prozeß der Abnahme (was bedeuten würde, daß die Wirkung schon vor der Abnahme als solcher meßbar sein müßte). Ich halte die zweite Version für die richtige, denn die Verbesserung der Blutwerte schon vor Einsetzen der Abnahme ist beispielsweise ja für bariatrische Chirurgie bereits vielfach bestätigt. Ähnliches gilt für kohlenhydrat-/insulinbasierte Abnahmemethoden. Inwieweit man das auch für kalorienreduzierte Diäten mitverallgemeinern kann, bin ich mir weniger sicher, aber zumindest so lange, wie man mit einer solchen Diät tatsächlich abnimmt, kann das natürlich ebenfalls sein. Das Problem bei solchen Diäten ist halt, daß sie in fast allen Fällen nach einiger Zeit in eine Wiederzunahme münden.

Ich kann den Verdacht nicht loswerden, der Herr Dr. Lekutat hält genau die umgekehrte Annahme für richtig, wie das bei jemandem ja anzunehmen ist, der in Sachen Ernährung in diesen "Schuld, Strafe, Buße"-Kategorien denkt, also das Kilo weniger als einen Lohn für die Buße auffaßt. 

Beim Abnehmen ist das erreichte Gewicht - auch wenn es tief im Normalgewichtsbereich sein sollte - meiner Einschätzung nach längst nicht so relevant wie der Prozeß des Abnehmens, wenn es um die gesundheitliche Bewertung geht. Und vermutlich gilt das genauso auch umgekehrt, daß als der Prozeß des Zunehmens eine möglicherweise gesundheitlich problematische Entwicklung signalisiert. Das wiederum macht die Jojo-Wirkung so bedenklich. Ich finde es aber darüber hinausgehend auch fragwürdig, wenn man sich beim Essen Gewalt antun (oder wie Dr. Lekutat, ständig an sich selbst herumnudgen) muß, um seinen Erfolg dauerhaft halten zu können. Deswegen fange ich mit so etwas gar nicht erst an - im Zweifelsfall nehme ich lieber eine längere Dauer bis zum Erreichen des Zielgewichts in Kauf. Wiederzunahmen hatte ich ja nun fast fünf Jahre lang keine mit Ausnahme dieser letztes Jahr endlich geknackten Herbst-Symptomatik, die aber irgendwelche Ursachen haben muß, die jedenfalls nichts mit einem gesunkenen Grundumsatz zu tun haben und durch Disziplinierung bei der Energieaufnahme auch nicht zu ändern wäre.

Mal sehen, mit welchem Gewicht ich nächsten Januar dann wieder im EMS-Studio aufschlagen werde. Wenn die Sache dieses Jahr gut läuft (was ich natürlich hoffe), sollte ich dann trotz der beiden "verlorenen Monate" Januar und Februar, von denen ich mir tatsächlich ein bißchen mehr versprochen hatte, nicht mehr allzu weit von 80 Kilogramm "Vorher-Gewicht" entfernt sein. Idealerweise sollte ich spätestens nächsten Sommer, also Sommer 2023, in die Haltephase gehen, denn der Herbst bringt ja bekanntlich bei mir dieses klitzekleine Bärengene-Problem mit sich, und wie ich in der Haltephase damit umgehen werde, weiß ich jetzt noch nicht so genau. Gegensteuern oder hinnehmen und nach dem Winter im Frühjahrs-Flow wieder eliminieren? Aber ich hätte bis dahin gerne schon Erfahrungswerte, mit welchem Fastenrhythmus es mit dem Halten über den Sommer geklappt hat. Idealerweise, wenn alles wunschgemäß funktioniert, kann ich die Haltephase dann schon nach einem Jahr zum "neuen Normal" erklären, mit dem ich mich gedanklich nicht mehr viel beschäftigen muß.







Mittwoch, 16. Februar 2022

Das Kiwi-Syndrom

Mein Gewicht heute früh zu Beginn von Fastentag 3 von 4: 90,0 Kilogramm. Das ist eine herbe Enttäuschung, ich hatte mit deutlich weniger gerechnet. Ich bin - und zwar schon seit meinem letzten Blogbeitrag - aber auch kontinuierlich von Blähungen und Völlegefühl geplagt. Ja, auch heute, obwohl ich jetzt schon zwei Fastentage hinter mir habe! Irgendwas stimmt in meinem Magen-/Darmbereich nicht. Vielleicht relativiert sich die Sache also bis übermorgen ja noch, denn ich hoffe auf einen überdurchschnittlichen Gewichtsverlust spätestens morgen früh, denn ungefähr so wie bei mir, stelle ich mir vor, müßte sich der Bauch eines Kiwis kurz vor dem Legen anfühlen (Bild hier geklaut):

 Ein Kiwi-Skelett mit Ei. (via tumblr.com)

Trotzdem bin ich aber vor allem heilfroh, daß der März nicht mehr fern ist, der Monat, bis zu dem die Gewichtstrübsal im Winter auszuhalten sich noch jedes Jahr für mich gelohnt hat. Allmählich merkt man ja auch schon, daß das Frühjahr naht, nicht nur daran, daß die Tage länger werden. Die Spatzen, die letztes Jahr in einem Loch im Ziegelmauerwerk gebrütet haben, sind nämlich auch schon fleißig am Bauen. Sie haben einen viel kleineren Spalt in unmittelbarer Nähe dieses Lochs als Lager genutzt, aus dem von gestern bis heute gegen Mittag eine enorme Menge Nistmaterial herausragte. Oder war das vielleicht von einem zweiten Spatzenpärchen, das unbedingt in der Nähe des anderen nisten wollte? Spatzen sind beim Nisten ja viel geselliger als etwa Meisen. Jetzt ist die Halde Nistmaterial aber wieder weg. Verbaut oder doch heruntergefallen? Ich fand heute morgen schon, daß die Sache mittlerweile enorm kippelig aussah.

Den Beginn meiner zweiten Low-Carb-Phase habe ich nach Absprache mit meinem Mann jetzt auf Mittwoch nächster Woche vorverlegt. Die Gründe sind zum einen, daß ich am Dienstag mein letztes EMS-Training habe. Vor dem Training erfolgt eine abschließende Vermessung, und danach kann ich eigentlich loslegen, ohne daß sich zwei Maßnahmen überschneiden und ein Urteil erschweren, was nun welche Wirkung hatte. Zum zweiten kam mir der Gedanke, daß ich letzten Herbst direkt nach einem langen Fastenintervall mit Low Carb losgelegt habe, und ich würde gerne die Gewichtsverläufe zwischen dem letztjährigen Fastenintervall vor dem Start und den vom nächsten in anderthalb Wochen miteinander vergleichen, wenn ich in der Woche davor schon Low Carb gegessen habe. Und natürlich kann es mir nach der Enttäuschung mit dem EMS-Training jetzt auch gar nicht schnell genug gehen mit neuen Erfolgserlebnissen, also warum länger als nötig abwarten? 

In den nächsten Tagen werde ich mal meine Low-Carb-Rezeptsammlung durchgehen und für den Einkauf am nächsten Dienstag, gleich nach dem letzten Training, eine entsprechende Einkaufsliste schreiben. Viele Eier natürlich! Zucchini ebenfalls. Und Blumenkohl, unbedingt - und viel davon. 😍 Bei allem anderen muß ich noch meine Vorräte sichten. Das "Rohmaterial" für Brot und Brötchen sollte noch ausreichend vorhanden sein, aber eine neue Packung Xylit oder Erythrit (oder beides) wäre nicht schlecht, weil ich das mittlerweile auch für "normalen" Kuchen mitverwende und deshalb stetigen Verbrauch hatte. 

Apropos Blumenkohl: Letzte Woche habe ich auf dem Wochenmarkt Kohlröschen entdeckt, anscheinend eine Kreuzung aus Grünkohl und Rosenkohl, neugiershalber gekauft und fand sie extrem lecker. Die Standinhaberin hat mir empfohlen, sie mit Zwiebeln anzubraten und mit Brühe oder Sahne abzulöschen. Das Ergebnis schmeckte sehr überzeugend. Die nehme ich nächste Woche möglicherweise auch wieder mit.

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Ich gebe es ja nur ungern zu, aber ich habe in letzter Zeit eine echte Schwäche für den Twitter-Account von Dr. Oetker entwickelt. Noch folge ich ihm nicht, aber ich bin gerade schwer in Versuchung, es zu tun. Aber wer auch immer den Twitter-Feed mit den Dr.-Oetker-Posts füttert, er macht das ganz ausgezeichnet, und ich empfehle ihn hiermit ausdrücklich für eine Gehalts- bzw. falls das eine Agentur ist, eine Honorarerhöhung. Meine Pizza backe ich natürlich trotzdem weiterhin selber und eine Fertigpizza käme mir nie ins Haus. Die einzige Fertigpizza, die ich in den letzten dreißig Jahren gegessen habe, war vor ca. vier Jahren, als meine damalige Putzfrau ihre Einkäufe in meinem Gefrierschrank zwischenlagern wollte, sie dann mitzunehmen vergaß und anschließend monatelang nicht mehr kam. Und das auch nur, weil ihre beiden Pizzen so verdammt viel Platz blockierten und ich aus Prinzip keine noch eßbaren Lebensmittel wegwerfe.

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Auch ohne die tägliche Zeitungslektüre stoße ich weiterhin auf Nachrichten, die mich ärgern. Heute morgen beispielsweise dies hier: "Bargeldloses Bezahlen wird in Deutschland immer beliebter."

Ich könnte SO einen Hals kriegen, wenn ich so etwas lese. Nicht nur wegen der Faustregel, daß ich immer, wenn irgendwo behauptet wird, etwas werde "immer (mehr/weniger/beliebter ...)", schon automatisch damit rechnen muß, daß mir gerade eine faustdicke Lüge erzählt wird, sondern auch, weil diese Interpretation häufigerer Kartenzahlungen in Corona-Zeiten eine bodenlose Unverschämtheit ist. Selbstverständlich bezahle auch ich, wann immer ich kann, mit Karte, aber nicht etwa, weil ich das so toll fände, daß ich es nun unbedingt für immer so machen möchte - ich würde in Wirklichkeit viel lieber wieder auf Bargeld umsteigen -, sondern aus Rücksichtnahme auf die Kassenmitarbeiter, deren Infektionsrisiko sich auf diese Weise ein wenig verringert. So viel mag es bei einer Einzelperson nicht ausmachen, aber es läppert sich halt doch bei den vielen Personen, die im Laufe eines Arbeitstags an einer Discounterkasse bezahlen. 

Ich mache das, weil ich mich mitverantwortlich fühle. Es kotzt mich gerade richtig an, daß mir dies jetzt allen Ernstes als ein "Du willst es doch selbst so, Baby" ausgelegt wird, und ich denke gerade ernsthaft darüber nach, ob ich es mir wirklich weiter leisten möchte, diese Rücksicht zu nehmen, oder ob dieses "immer beliebter" vielleicht demnächst als Vorwand aus dem Zylinder gezaubert werden könnte, um die Möglichkeit der Bargeldzahlung ganz abzuschaffen, falls diese vermeintliche neu entdeckte Vorliebe für Kartenzahlung jetzt nicht doch langsam wieder nachläßt. Ich bin mir nämlich in solchen Fällen nie so ganz sicher, ob das wirklich nur eine sprachliche Schlamperei ist, oder ob das zuweilen vielleicht auch Bestandteil einer zielgerichteten manipulativen Strategie sein könnte, mit der man den Widerstand im Vorfeld einer geplanten Veränderung zu minimieren versucht. 

Tipp an die Politik, die ja gerade an der Aufgabe zu knobeln behauptet, wie man Vertrauensverluste in der Bevölkerung verhindern oder rückgängig machen kann: Benehmt euch vertrauenswürdig, verbreitet keine doppelten Botschaften und versucht nicht, uns dauernd manipulativ über den Tisch zu "nudgen", dann klappt es jedenfalls mit meinem Vertrauen bestimmt wieder. Findet euch bis dahin mit meinem sicherlich nicht immer begründeten, aber leicht zu entfachenden Mißtrauen ab. 😡




Donnerstag, 10. Februar 2022

Ihre freundliche Ernährungmythologin empfiehlt

Mein Gewicht heute früh zu Beginn von Fastentag 2 der Woche: ärgerliche 92,7 Kilogramm. Eigentlich hätte ungefähr ein Kilogramm weniger herauskommen müssen, aber letzte Nacht bekam ich fieses Sodbrennen und fühle mich sehr verstopft, weshalb das Sodbrennen leider immer noch nicht ganz weg ist. Eigentlich ist das mit dem Sodbrennen, wenn ich es ausnahmsweise doch mal wieder bekommen habe, sonst immer so gewesen, daß ich morgens nach dem Kaffee aufs stille Örtchen mußte und danach nicht nur erleichtert wieder herauskam, sondern auch das Sodbrennen weg war. 

Gestern hat mein Mann gekocht. Auch wenn es mir gut geschmeckt hat: Für meinen Geschmack kocht er immer einen Tick zu fettig. Ich weiß schon, warum ich in letzter Zeit das Kochen mehr und mehr an mich gerissen habe. Das von mir gekochte Essen bekommt mir einfach besser.

Da aber nichts so schlecht ist, daß es nicht für irgendwas gut wäre: Dafür werde ich wahrscheinlich von heute auf morgen mehr Gewicht als sonst verlieren. Im Extremfall könnte es sogar einer der seltenen Fälle werden, in denen ich nach einem einzigen Fastentag ungefähr 3 Kilogramm minus verzeichne, denn daß ich von gestern auf heute 2,4 Kilogramm mehr auf die Waage brachte, ist ebenfalls ganz schön extrem. Gut, ist ja alles nur aus dem Bereich "Gas, Wasser, Scheiße", trotzdem sieht man so was natürlich nicht besonders gerne.

In den weiteren Aussichten steht nächste Woche wieder ein viertägiges Fastenintervall bevor, denn ich habe entschieden, daß ich bis auf weiteres alle Spätschichten meines Mannes für viertägige Fastenintervalle nutzen werde, weil ich später im Jahr, ab ca. Mitte April, damit rechnen muß, ziemlich viele lange Fastenintervalle nicht machen zu können. Also nehme ich vorher alle mit, die machbar sind, und hoffe, daß das in Kombination mit meiner nächsten Low-Carb-Phase, die in drei Wochen beginnt, ab März endlich den heiß ersehnten weiteren Schub nach unten gibt, der unter Zuhilfenahme von EMS-Training vorher nicht kommen wollte.

Aber warum ich eigentlich heute einen (für meine Verhältnisse ungewöhnlich kurzen) Blogbeitrag schreibe: Es ist noch keine drei Wochen her, da mutmaßte ich in meinem Blogartikel über den Trendreport Ernährung, daß in den Augen dieser "Experten" jemand wie ich zu den Verbreitern von Ernährungsmythen gehören müsse, der als einer der Trends aufgezählt wurde. Und schau an, da haben wir es doch

"Und bei den Kohlenhydraten kann ich es auch nicht oft genug sagen: Esst mehr Vollkorn und weniger Zucker, dann machen euch Kohlenhydrate auch nicht dick, sondern satt."

Wobei schon der Satz "Kohlenhydrate machen dick" ein Popanz ist, aufgebaut, um ihn mit viel Theaterdonner erschlagen zu können, nämlich eine reichlich unterkomplexe Aussage, die dem, was die "Ernährungsmythologen" im Web wirklich schreiben, nicht so ganz gerecht wird. Grob gesagt, geht es weniger um das Nicht-Zunehmen, sondern um das Abnehmen, es geht um Diabetes, es geht um hormonelle Faktoren, die durch Kohlenhydrate bzw. durch den Verzicht auf selbige günstig beeinflußt werden können. Die Gewichtsabnahme ist dabei letztlich ein Nebenprodukt, obwohl es natürlich genau dies ist, worauf ein Großteil der Low-Carb-Enthusiasten den meisten Wert legt. 

Die zugehörigen "Ernährungsmythen", die ich hiermit noch einmal ausdrücklich als selbst erlebte Erfahrung meines Low-Carb-Experiments vom Herbst verbreite, weichen in meiner eigenen Version vom "Low-Carb-Mainstream" ein wenig ab. Meine Erfahrung zeigt nämlich, daß es, um erfolgreich Gewicht zu verlieren, keineswegs erforderlich ist, die Version "so wenig Kohlenhydrate wie mit aller Gewalt möglich" umzusetzen, wie das viele Keto-Jünger auf die Bibel zu schwören bereit wären. Bei mir reichte ein Durchschnittswert von hundert Gramm Kohlenhydraten pro Tag in Kombination mit Intervallfasten aus, um in einer Jahreszeit, in der mir mit Intervallfasten alleine noch nie eine Abnahme gelungen ist, sondern ich im Gegenteil zu meinem Verdruß immer ein wenig zunahm, plötzlich eine Abnahme deutlich über Durchschnitt zu erreichen. 

Normales Weizenmehl enthält auf 100 Gramm ca. 70 Gramm Kohlenhydrate. Das gesamte Weizenkorn (also die Grundlage für Vollkornmehl) enthält knapp 60. Mit Vollkorn kann man sich also definitiv nicht kohlenhydratarm ernähren.  Hätte ich das normale Mehl lediglich durch Vollkornmehl ersetzt, hätte das letzten Herbst kaum funktioniert, denn daß eine kohlenhydratarme Ernährung - wie in meinen Blogartikeln während des Experiments beschrieben - auch einige andere auffällige Veränderungen mit sich brachte - etwa einen beschleunigten Verdauungsprozeß -, legt ja nahe, daß da irgendeine Verbindung zu der unerwartet hohen Abnahme besteht. Am Rande erwähnt: Mit Low Carb wäre mir auch das verdammte Sodbrennen nicht passiert. Egal, wie fettreich ich im Herbst gegessen habe, ich bekam davon kein einziges Mal Sodbrennen, nicht einmal dann, wenn ich später als sonst zu Abend gegessen habe.

Ich will nicht ausschließen, daß meine Abnahme noch höher hätte ausfallen können, falls ich bei der Ernährung Keto-Maßstäbe (unter 50 Gramm KH und möglichst noch weniger) angelegt hätte. Aber für mich ist das ein klarer Fall, in dem ich Suffizienz-Maßstäbe anlege. Denn ich sehe überhaupt nicht ein, warum ich mir das Leben komplizierter und unangenehmer als nötig machen soll.

Meine Abnahme hat sich außerdem größenteils als stabil erwiesen: Im Vorjahresvergleich liegt mein Gewicht weiterhin ungefähr 8 Kilogramm niedriger. Vor dem Low-Carb-Experiment waren es nur 5 Kilogramm. Das ist deshalb wichtig, weil es bedeutet - und darin unterscheidet sich diese Sache von einer "normalen" Diät mit ihrem Jojo-Mist -, daß ich auch mit vorübergehendem Einsatz von Low-Carb-Phasen arbeiten kann, um meine Abnahme zu beschleunigen, also von meinem Prinzip "Was ich nicht für den Rest meines Lebens weitermachen will, besser gar nicht erst anfangen" in diesem Fall abrücken kann. Und obwohl ich mich auf meine nächste Low-Carb-Phase wirklich freue und schon fleißig Rezepte sammle, wäre ich doch niemals bereit, dauerhaft auf Fladenbrot, Ciabatta oder andere Köstlichkeiten aus Weizenmehl zu verzichten. 

(Übrigens kaufe ich mein Mehl jetzt auch auf dem Wochenmarkt, da endlich dort genau die Art von Mehl angeboten wird, die ich mir schon die ganze Zeit gewünscht habe: Mehl aus Getreide, das in der Region gewachsen ist, in einer Mühle ganz in der Nähe gemahlen wurde und vom Erzeuger direkt verkauft wird. Genau das sind die Faktoren, die mir wichtig sind. Daß es nebenbei auch noch Demeter-Standards entspricht, nehme ich als Dreingabe mir, ohne daß es mir aber darauf angekommen wäre, und daß es auch in einer Vollkorn-Version angeboten wird, nahm ich zur Kenntnis, ohne deshalb auch Vollkorn zu kaufen. Es kostet natürlich dreimal soviel wie das Mehl im Discounter, aber das ist es mir - im Gegensatz zu den Produkten, die im Biosupermarkt angeboten werden - auch wert.)

Noch einmal: Die Theorie ist mir scheißegal. Ich habe keine Ahnung, ob und wenn ja wie weit die Low-Carb-Theoretiker vielleicht mit ihren Annahmen über die Gründe, warum Low Carb funktioniert, danebenliegen. Aber daß es bei mir funktioniert hat, diese Theorien praktisch anzuwenden, das jedenfalls kann ich bestätigen. Selbstgefällig-ahnungslosen Theoretikern wie dieser Ernährungswissenschaftlerin Julia Icking scheint es immer völlig egal zu sein, ob das, was sie empfehlen, in der praktischen Anwendung wirkt oder nicht, aber für mich ist es das einzige Kriterium, das ich als maßgeblich zu akzeptieren bereit bin. 

Ob dieselbe Wirkung wie bei mir bei jedem eintreten würde, weiß ich natürlich nicht. Aber es gibt eine ausgezeichnete Methode, das herauszufinden: Einfach ausprobieren. Außer ein paar Pfund Gewicht hat man dabei ja nichts zu verlieren.


Freitag, 4. Februar 2022

Aus Zimperlichkeit eine Tugend machen

Mein Gewicht heute früh: 87,5 Kilogramm. Das ist im Rahmen dessen, was ich erwartet hatte, obwohl es mir natürlich viel besser gefallen hätte, ein Stück näher an mein Tiefstgewicht heranzukommen. Aber eine Differenz von nur einem Kilogramm zu 86,5 Kilo ist natürlich im Vergleich zur Differenz von 1,5 Kilogramm zwischen meinem aktuellen Vorher-Gewicht und meinem niedrigsten Vorher-Gewicht Anfang Dezember ein erfreuliches Signal. Ich bin ganz optimistisch, daß ich mich im Lauf der nächsten beiden langen Fastenintervalle dem alten Tiefstgewicht annähern und es spätestens im März unterbieten werde. Was wirklich geschehen wird, werde ich dann ja sehen. Einen Hinweis dürfte die Entwicklung ab heute bis zum nächsten Wochenende geben. Falls mein Gewicht wieder auf Werte zwischen 92,5 und 92,8 hochbouncen sollte, kann ich das mit dem baldigen Erreichen des Tiefstgewichts wohl knicken und muß auf den Low-Carb-Effekt im März warten. 

In diesem langen Fastenintervall habe ich mich tatsächlich die meiste Zeit viel wohler gefühlt als während des letzten mit der Fleischbrühe am Abend, also war es eine richtige Entscheidung, das nicht mehr zu machen. Nur eines war seltsam, ich hatte die ganze Zeit keinen Stuhlgang und fing im Lauf der Tage an, mich regelrecht aufgebläht zu fühlen. Das steigerte sich im Lauf des gestrigen Tages zu einem allgemeineren Unwohlsein, ich fühlte mich schlapp, unkonzentriert und war schlecht gelaunt. Und ja, dann fing ich natürlich auch an, das Ende dieses Fastentages herbeizusehnen, ohne allerdings deshalb den Drang zu bekommen, mein schlechtes Gefühl mit Nahrungsaufnahme zu bekämpfen. Das ist sicherlich ein Feature, um das mich so mancher beneidet, und dabei ist es nicht einmal eine persönliche Leistung von mir, es funktioniert einfach von alleine: So gern ich normalerweise esse, aber an Fastentagen habe ich einfach nicht das Bedürfnis danach. Statt dessen bin ich aber früh zu Bett gegangen, damit dieser blöde Tag endlich vorbei ist. 

Heute morgen tat der Kaffee, bezogen auf die Verdauung, endlich doch wieder seine gewünschte Wirkung, und dann fühlte ich mich auch gleich sehr viel besser. Zumal ich auch mein traditionelles Nach-Fasten-Frühstück, bestehend aus Quarkpfannkuchen, Rettich-Karotte-Apfel-Salat und diesmal noch einen Nachtisch aus den Kiwis, die unbedingt schnellstens verbraucht werden mußten, und Joghurt heute relativ früh genossen habe. Ein bißchen aufpassen muß ich bei langen Fastenintervallen  nämlich schon, daß mir keine Lebensmittel verderben. Ich kann das auf den Tod nicht ausstehen, wenn ich mich beim Einkaufen mit der Menge verhauen habe und mir dann etwas verdirbt, aber ganz vermeiden kann ich es natürlich auch nicht. Einen meiner Äpfel, der von vorne nicht zu sehen gewesen war, mußte ich leider wegschmeißen, der war gar nicht mehr zu gebrauchen, aber bei einem zweiten war es glücklicherweise noch möglich, die faulende Stelle rauszuschneiden und den Rest in den Salat zu raspeln.

Diesmal habe ich endlich einmal Fotos von meinem Nach-Fasten-Frühstück gemacht. Was auf den Bildern fehlt, ist der Thunfisch-Dip (Thunfisch, Zwiebeln, in Scheiben geschnittene schwarze Oliven und Creme fraiche), den ich spontan auch noch gemacht habe, weil er mir gestern Abend, als ich schon im Bett lag, im kulinarischen Kopfkino erschienen ist, das sich immer am letzten Fastenabend automatisch einschaltet und mich schon zu vielen Rezeptideen inspiriert hat.



Als Low Carb könnte das mit ein paar Abstrichen wohl durchgehen, obwohl ich beim Joghurt einen der vier Becher "Griechischer Joghurt mit Honigzubereitung" verwendet habe, die ich zu meinem Verdruß neulich versehentlich statt des Naturjoghurts derselben Marke in den Einkaufswagen gelegt habe und jetzt wieder irgendwie loswerden muß, was zwangsläufig bedeutet, ich muß sie essen. Aber so übermäßig sind die enthaltenen KH dabei auch wieder nicht, wenn ich ansonsten wenig davon esse, ungefähr 20. Auch den Apfel und vielleicht sogar die beiden kleinen Karotten würde ein Keto-Fanatiker sicherlich rügen. Dafür wäre ein Kalorienlogiker über das viele Fett in Gestalt von viel Olivenöl, einem ganzen Becher Creme fraiche (verteilt auf den Thunfisch und den Salat) und den Oliven entsetzt. Ist mir aber beides egal, da es mir vor allem darum geht, einen Tag lang so zu essen, daß ich nächste Nacht keine Wadenkrämpfe bekomme, wie mir das nach langen Fastenintervallen schon passiert ist. Um das zu bewirken, sollte ich es vor allem mit den KH nicht übertreiben, muß aber andererseits keinen sportlichen Wettbewerb über "so wenig KH wie möglich" anfangen.

Ich kann tatsächlich die Methodik der Aufbautage beim Heilfasten nicht bestätigen. Bei mir kann das Essen nach vier Tagen Fasten so leicht oder schwer, salzarm oder -reich sein, wie es will, nur KH sollte es möglichst nicht allzu viele enthalten, sonst drohen fiese Wadenkrämpfe und, wenn ich großes Pech habe, manchmal auch welche in der Fußsohle. Die sind besonders ekelhaft, das fühlt sich immer an, als hätten meine Fußknochen sich voneinander gelöst, lägen nun kreuz und quer durcheinander und würden sich  nie wieder richtig zusammenfügen. Natürlich sitzen sie, wenn der Krampf vorbei ist, immer noch an der richtigen Stelle und sind so fest verbunden mit ihren Kollegen wie zuvor. Trotzdem bin ich gerade auf diese Art von Krämpfen gar nicht scharf.

***

Meine Meinung über den Trendreport Ernährung  habe ich ja bereits in einem anderen Blogbeitrag schriftlich festgehalten. Im Grunde war es mir aber klar, daß die einschlägigen Pressure Groups mit ihrer Agitations-Agenda zu völlig anderen Schlußfolgerungen kommen würden. Beispielhaft die BZfE in einem aktuellen Tweet.

 

Die Realität spiegelt das allerdings nicht so richtig wider. Am exakt gleichen Tag nämlich auch bei Twitter gefunden: Die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von Ende 2020.

Über die Wortneuschöpfung "vegetabile Ernährungspraktiken" (das klingt fast, als ginge es um exotische sexuelle Vorlieben), um vegetarisch und vegan zusammenzufassen, habe ich ein bißchen geschmunzelt. Aber gut, warum nicht. - Was aber fällt an diesen Zahlen auf?

Erstens, auch Vegetarier sind nur eine kleine Minderheit, von Veganern ganz zu schweigen. Wir reden auch in der Altersgruppe, in der "vegetabile" Ernährung besonders populär ist, von 83 Prozent Nicht-Vegetabilen. Und diese Altersgruppe macht höchstens 15 Prozent der Bevölkerung aus. Leider fand ich keine Quelle, in der die Altersgruppeneinteilung exakt übereinstimmt, also dies als grober Schätzwert. Die über 60jährigen sind jedenfalls mehr als doppelt so viele.

Gemessen daran, daß die mediale Propagandamaschinerie schon über zehn Jahren mit nicht nachlassender Phonzahl die "pflanzenbasierte" Ernährung als gesund, klimafreundlich und ethisch geboten herausschreit und mittlerweile ja dazu übergegangen wurde, nun nicht mehr den vegetarischen, sondern gleich den veganen Lebensstil einem als das Nonplusultra verkaufen zu wollen, ist das ein eher bescheidenes Ergebnis, obwohl der Wert für Vegetarier heute in der Tat höher liegt, als dies vor noch vor einigen Jahren gemeldet wurde. Die Veganer allerdings sind nach wie vor eine winzige Minderheit, die mit zwei Prozent der Frauen und einem Prozent der Männern eigentlich vernachlässigbar wirkt. 

Trotzdem ist es gelungen, vegane Ernährung zu einer Konsumenten-Mode zu machen. Das ist schon verblüffend. Andererseits, über die Discounterregale sind ja schon genügend andere Moden hinweggeschwappt.

Da die Vegan-Mode auf dem Nahrungsmittelmarkt gerade eher auf dem absteigenden Ast zu sein scheint, kommt mir die Prognose der Experten nicht sonderlich realistisch vor - sofern diese Leute wirklich nur eine Vorhersage der von ihnen erwarteten Entwicklung treffen wollten. Mehr Sinn ergeben solche Vorhersagen, wenn die Entwicklung aktiv durch die Prognose so mitbeeinflußt werden soll, daß die tatsächliche Entwicklung ihren persönlichen Wünschen möglichst nahe kommt. 

Solche Umfragen sind allerdings immer sehr mit Vorsicht zu genießen, denn daß jemand bei einer Telefonumfrage sagt, er sei Vegetarier, heißt noch lange nicht, daß er wirklich einer ist. Das gilt gerade in Zeiten wie diesen ganz besonders, in denen "vegetabile Ernährung" als ein Trend vermarktet wird. Jemand, der nur ab und zu Fleisch ißt, aber meistens nicht, ist kein Vegetarier. Jemand, der Fisch ißt, aber kein Fleisch, ist kein Vegetarier. Jemand, der Wurst ißt, aber kein Fleisch, ist kein Vegetarier. So lächerlich das klingen mag, dies scheint nicht jedem bewußt zu sein. 

In der sehr viel präziseren Nationalen Verzehrstudie II aus dem Jahr 2008, deren Daten NICHT telefonisch, sondern in persönlichen Interviews erhoben wurden, fällt mir nämlich etwas auf:

Interessanterweise sind da nämlich die Anteile der "Vegetabilen" nicht höher, sondern deutlich niedriger als die der in der Vorgängerpublikation aus dem Jahr 2002, in der aber keine Grafik dazu enthalten war, sondern der Anteil der Vegetarier (nicht aber Veganer) nur ganz am Rande einmal im Text erwähnt wurde:

Aufschlußreich ist auch die Altersverteilung. Sowohl beim Bekenntnis zu vegetarischer als auch bei veganer Ernährung dominieren die unter 30jährigen Frauen sehr deutlich. Das war aber auch vor zwanzig Jahren schon so, siehe das Zitat. 

Über die Gründe dafür läßt sich spekulieren. Eine meiner Lieblingshypothesen - und zwar deshalb, weil mir das ganz ähnlich ging, als ich daheim ausgezogen war, nur vegetarisch lebte ich eben trotzdem nicht - lautet, daß sich gerade junge Frauen oft einfach davor ekeln, rohes Fleisch anzufassen, und es deshalb lieber von vornherein nicht kaufen. So etwas liegt immer dann nahe, wenn jemand es nicht gelernt hat, zu kochen. Zu meiner Zeit war mein Fall noch ein bißchen ungewöhnlich, aber heute dürfte es längst der Normalfall sein. 

Rohes Fleisch fühlt sich wirklich gewöhnungsbedürftig an, auch wenn ich mittlerweile darüber grinsen muß, wenn ich daran denke, wie zimperlich ich mich da in ganz jungen Jahren angestellt habe.

So einfach wie heute war es natürlich noch nie, aus einer Zimperlichkeit eine hochmoralische Tugend zu machen. Dieser Art von Vegetariern wäre es aber durchaus zuzutrauen, daß sie die Salami auf der Pizza überhaupt nicht mit dem, was sie als "Fleisch" betrachten, in Verbindung bringen. 

Junge Vegetarierinnen bleiben offenbar mehrheitlich nur ein paar Jahre lang welche. Sei es deshalb, weil bei ihnen bezüglich der Salami irgendwann doch noch der Groschen fällt, sei es, weil sie sich nicht mehr dazu entschließen können, sich dauerhaft so zu ernähren. Würden nämlich junge Vegetarierinnen mehrheitlich dauerhaft bei dieser Ernährungsform bleiben, hätte es sich  in den aktuellen Umfragewerten niederschlagen müssen, daß vor zwanzig Jahren 16 Prozent der 18- bis 24jährigen Frauen angaben, sich vegetarisch zu ernähren. Die müßten heute ja zwischen Ende dreißig und Mitte vierzig sein. Tatsächlich ist die Zahl der selbsterklärten Vegetarier (beider Geschlechter) aber auch nicht höher als bei den 50- bis 64jährigen, die damals die nächsthöhere Altersgruppe stellten und unter denen die Vegetarier offenbar weniger vertreten waren. Das legt die Vermutung nahe, daß nur ein Bruchteil der Vegetarier der jüngsten Altersgruppe unter der Erwachsenen dauerhaft bei dieser Ernährungsweise bleibt. 

Warum wohl?

Einer der Gründe könnte natürlich sein, daß sie mehrheitlich - so, wie ich auch - sich ans Kochen gewöhnen und dabei auch ihre Berührungsängste verlieren, was rohes Fleisch betrifft. Oder ihr moralischer Rigorismus, der hinter der Entscheidung stecken kann, kein Fleisch zu essen, nimmt im Lauf der Jahre ab, wie das letztlich ganz normal und ebenfalls auch bei mir im Lauf der Zeit passiert ist, nur eben in meinem Fall andere Themen betreffend. Am wahrscheinlichsten scheint mir aber, daß es in den meisten Fällen einfach genauso ist wie bei einer Diät: Dauerhaft auf etwas verzichten, das man eigentlich gerne essen würde, weil man glaubt, man solle es nicht essen, das hält kaum jemand für immer durch.

Vegane Ernährung wiederum enthält noch einen weiteren Faktor, der vermuten läßt, daß noch weniger eigentlich fest Überzeugte dauerhaft dabei bleiben werden. Sie kann nämlich im Laufe der Zeit zu erheblichen Gesundheitsproblemen führen. 

Kann, nicht muß!

Ich möchte an dieser Stelle, nicht zuletzt, weil ich mich für Vegetarier und Veganer im Prinzip kaum interessiere und folglich auch gar nicht mit ihnen auskenne, ausdrücklich dahingestellt sein lassen, ob sich die Gesundheitsprobleme oft auch vermeiden ließen, also bei vielen Betroffenen, die deshalb aufhören, vegan zu essen, weil sie feststellten, daß ihre Gesundheit darunter gelitten hatte, auch eigene Ernährungsfehler der eigentliche Grund sein könnten. Ich bin mir aber ebenso ziemlich sicher, daß die gesundheitliche Wirkung einer veganen Ernährung - ebenso wie die der ketogenen - von den genetischen Voraussetzungen abhängt, also ein kleinerer oder größerer Teil sich auf diese Weise beim besten Willen nicht über längere Zeiträume ernähren kann, ohne sich damit selbst physisch zu schädigen. Daneben liegt es aber ebenso nahe, zu vermuten, daß es auch Leute gibt, die problemlos vegan leben können. Genetische Varianten, die den Stoffwechsel beeinflussen, sind ja real, auch wenn bislang nur über wenige - etwa dieses "Jäger- und Sammler-Gen" vs. "Ackbauer-Gen", das jeweils die Verstoffwechslung von Kohlenhydraten beeinflusst - genug bekannt ist, um eine bestimmte Wirkung auf die dafür beste Ernährung daraus ableiten zu können. Mehrheitlich ist dieses wichtige Gebiet in der Wissenschaft immer noch Terra incognita.

Wie auch immer es sich mit diesem letzten Punkt verhalten mag und welche Gründe ansonsten dahinterstecken: Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, daß es sich sowohl bei vegetarischer als auch - allerdings noch beträchtlich stärker - bei veganer Ernährung häufig nur um eine relativ kurze Lebensphase handelt. In einer Schweizer Studie stellte sich jedenfalls heraus, daß die Veganer unter den Studienteilnehmern durchschnittlich erst seit 2,7 Jahren vegan lebten.

Die Altersgruppenverteilung spricht außerdem Bände. Die Altersgruppe über 40 ist unter Veganern mit um die 12 Prozent aller Veganer nur sehr spärlich vertreten. Kurioserweise kenne ausgerechnet ich eine davon persönlich, die ungefähr in meinem Alter sein muß. Eine Nachbarin. Wie lange sie schon vegan lebt, habe ich sie noch nicht gefragt, aber vielleicht sollte ich das ja einmal machen. Es ist nicht so, daß ich da Berührungsängste hätte. Ich fand bloß bislang immer, wie sie ißt, sei ihre Privatsache, und der einzige Grund, warum es gut ist, wenn ich davon weiß, besteht darin, daß ich dann auch weiß, daß sie sich im Sommer über ein Schälchen Kirschen aus dem Segen vom Kirschbaum meiner Mutter sehr freuen wird, ich sie mit einem spontan vorbeigebrachten selbstgebackenen Muffin aber nur in Verlegenheit bringen würde.

Kommerziell viel interessanter als die echten "Überzeugungstäter" beim Vermeiden von Fleischgenuß sind aber natürlich - aus Blickwinkel der Lebensmittelkonzerne - die Menschen, die zwar nicht auf Fleisch und Wurst verzichten möchten, aber unter dem Druck der Überflutung mit einer fleischverzehrkritischen Berichterstattung in den Medien ihr Gewissen in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen zu erleichtern versuchen, indem sie als "vegan" gekennzeichnete Produkte  kaufen (ob sie dann auch verzehrt werden, sei dahingestellt) - und sich wahrscheinlich dann gegenüber anderen ausgiebig selbst dafür loben. Zumindest in Form von Lippenbekenntnissen stellt diese Zielgruppe ungefähr die Hälfte der Bevölkerung. Dafür lohnt es sich natürlich, vegane Fertigprodukte zu entwickeln und in die Supermarktregale zu bringen.

 

Ich vermute, daß diese Beyond-Meat- und ähnliche Produkte auch hauptsächlich auf solche gewissensgeplagten Käufer abzielen. Erstens liegt es nahe, zu vermuten, daß die "Ablaßkäufer" unter den Käufern solcher Produkte vor allem mit dem Begriff "vegan" geködert werden können, und eine Zucchini oder ein Blumenkohl erfüllt diese Bedingung ja nicht, weil für so eine Aufschrift eine Verpackung nötig ist. Die "echten" Veganer sind daneben viel zu wenige, um an ihnen richtig Geld zu verdienen. Außerdem kann man sich ja auch ohne dieses Zeug relativ problemlos vegan ernähren. Echte "Überzeugungstäter", mindestens die, die schon vor dem Vegan-Hype dabei waren - also in jedem Fall die 10 Prozent der Veganer, die schon länger als fünf Jahre vegan essen -, beherrschen das vermutlich problemlos, alleine schon, weil ihnen noch vor wenigen Jahren ja kaum etwas anderes übrigblieb. Das stelle ich mir ähnlich vor wie bei Low Carb. Ich habe mich ja letzten Herbst bemüht, relativ weitgehend auf überkandidelte spezielle Low-Carb-Produkte zu verzichten (und in der nächsten Low-Carb-Phase werde ich auch einen großen Teil von den wenigen, die ich im Herbst noch kaufte, weil ich glaube, auf sie nicht verzichten zu können, nicht noch einmal erwerben, weil ich jetzt gut genug Low Carb kochen und backen kann, um zu wissen, daß man von denen die meisten ebenfalls eigentlich nicht braucht). 

Aber so ein Mist wie Proteinriegel oder Keto-Backmischungen wäre mir von vornherein nie ins Haus gekommen, und ich nehme an, "echte" Veganer aus Überzeugung würden das mit dem Mist, der für sie angeboten wird, ebenfalls so machen. 

Wie es scheint, gibt es im Moment genug Gewissensgeplagte, denen es bauchgefühlstechnisch einleuchtet, sich aus dem Regal mit den "Veggie"-Fertigprodukten zu bedienen. Die Wahrscheinlichkeit ist meines Erachtens aber gering, daß dieser Trend dauerhaft erhalten bleibt oder sich gar noch verstärkt.

Außer dem abgestürzten Aktienkurs von "Beyond Meat", dessen Gewinnerwartungen schon seit drei Börsenquartalen nicht erreicht wurden, gibt es darauf noch andere Hinweise. Die Propagandisten des Fleischverzichts zerbrechen sich nämlich zunehmend den Kopf darüber, wie man uns alle noch stärker als bislang in die erwünschte Richtung nudgen kann, also scheinen sie mit dem bislang Erreichten noch längst nicht zufrieden zu sein, rechnen aber auch nicht damit, daß sich noch viel bewegen wird, sofern sie nicht aktiv auf dem Nudging-Weg dabei nachhelfen. Wie sie allerdings die Restaurants dazu bringen wollen, ihr Experiment mit 75 % vegetarischen Gerichten auf der Speisekarte tatsächlich aufzugreifen, mit dem die Versuchspersonen tatsächlich häufiger als bei einem niedrigen Anteil vegetarischer Angebote dazu gebracht wurden, ein vegetarisches Gericht zu wählen, kann ich mir nicht so recht vorstellen. 

Als Restaurantbesitzer würde ich mir eine solche Einmischung auch ernsthaft verbitten.

Jetzt hätte ich natürlich auch noch gerne gewußt, um wie viel der Anteil der Bestellungen vegetarischer Gerichte innerhalb dieser Studie in Wirklichkeit angewachsen ist, aber der Artikel befindet sich hinter einer Bezahlschranke, und so wichtig ist mir die Sache auch wieder nicht. Ich habe allerdings den Verdacht, mehr als die knapp über zehn Prozent Raucher, die Studien zufolge das Rauchen wirklich aufgeben, wenn man sie zwingt, zwischen Rauchen und Essen zu wählen, sind es vermutlich auch nicht gewesen. Natürlich hängt das aber auch davon ab, wie populär oder unpopulär die verbleibenden zwei Fleischgerichte auf der Speisekarte gewesen sind. Es ist ja nicht so, daß bei solchen Studien nicht auch gerne mal ein bißchen geschummelt wird, um auch ganz bestimmt das Ergebnis zu bekommen, das man gerne haben möchte.

Ganz unter uns Klosterschülerinnen: Manchmal esse sogar ich vegetarisch. Ich mag beispielsweise Spinat, Spiegeleier und Salzkartoffeln, ich bin ein großer Fan von Sauerkrautpuffern und ich fülle Pfannkuchen manchmal auch gerne mit Frischkäse, Frühlingszwiebeln und Knoblauch. Außer, wenn ich mich gerade über Dinge wie "Veganuary" geärgert habe, mit dem einen die Discounter gerne belästigen. Schinkenwürfel oder ähnliches kann man im Zweifelsfall ja bei allem, was vegetarisch gehen würde, auch noch mit unterbringen. 

Im Restaurant vermeide ich es aber immer ganz, vegetarisch zu essen, von vegan gar nicht erst anzufangen. Das gilt sogar für Gerichte, von denen ich annehme, daß sie mir schmecken würden. Ich trau mich das einfach nicht mehr, seit "vegetabile" Ernährung so gehypt und auch von derzeitigen Regierungsparteien so massiv promotet wird.  

Mich gruselt es bei Vorstellung, der Moment könnte kommen, in dem der Zuspruch für vegetarisches Essen in einem Durchschnittsrestaurant hoch genug ist, um der Gesundheitspolitik den von den Grünen ganz bestimmt schon jetzt heftig herbeigesehnten Vorwand zu bieten, bestimmte Anteile fleischlosen Essens auf der Speisekarte per Gesetz verpflichtend zu machen - was dann natürlich auch wieder erst der Anfang wäre, auf den im Lauf der Zeit Weiteres folgen würde. Man weiß ja inzwischen, wie das läuft: Wird eine freiwillige Vereinbarung gar zu gut angenommen, dann widmen "die da oben" sie gerne schnellstens ganz in gesetzliche Vorschriften um, damit sich die Leute diese Sache auch garantiert nicht mehr anders überlegen können. Das Plastiktütenverbot, bei dem es exakt so gelaufen ist, war mir da eine ernsthafte Warnung. 

Weltverbesserer, die ihre verfolgten Ziele für edel halten, fressen immer nur so lange Kreide, wie sie genau wissen, daß sie auf unseren guten Willen angewiesen sind. Also habe ich diesen guten Willen bei der Frage, wie ich mich ernähre, von vornherein nicht. Ich betrachte das als einen notwendigen Akt des Selbstschutzes, weil ich mittlerweile einfach die Schnauze voll davon habe, wieder und wieder in solchen moralisch überfrachteten Fragen bei der ersten günstigen Gelegenheit plattgewalzt zu werden. Falls sich das als nicht ausreichend erweisen sollte, um die befürchtete Entwicklung zu verhindern, kann ich mir dann wenigstens noch sagen, daß es an mir jedenfalls nicht lag.

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Die fünf Bücher von Nassim Nicholas Taleb sind bei mir eingetroffen und ich habe begonnen, das erste zu lesen, Narren des Zufalls. Ich bin erst ca. hundert Seiten weit gekommen und mir deshalb noch nicht ganz sicher, was ich aus dem Buch am Ende mitnehmen werde. Einstweilen habe ich vor allem eine eine ganze Menge "Ja, genauso ist es!"-Momente erlebt, aber ich wäre enttäuscht, wenn das alles sein sollte. So interessant es ist, daß ich - auf völlig anderen Wegen und in viel kleinerem Alltagsmaßstab - im alltäglichen Umgang mit Information, ihrer Bewertung, mit Wahrscheinlichkeit und Zufall in erstaunlich vielen Bereichen schon längst selbst auf ungefähr dieselben Erkenntnisse wie er gekommen bin, eigentlich hoffe ich schon noch darauf, daß er in diesem Bereich noch einiges weiß, das mir bislang durch die Lappen gegangen ist. Diese Dinge will ich erfahren. Bislang kamen sie im Buch noch nicht vor, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß es sie nicht gibt.

Aber bei einem Alltagsproblem habe ich mich heute schon einmal von Taleb beeinflussen lassen. Die Zeitungslektüre wird mir nämlich immer lästiger, aber bislang habe ich trotzdem jeden Tag meine Heimatzeitung gelesen. Meine Nachbarin hat sie abonniert, und ich habe mich an diesem Abo beteiligt und ihr Exemplar immer gelesen, nachdem sie damit fertig war. Das war praktisch, ich mußte nicht mal zum Briefkasten, sondern konnte sie einfach nur vor der Wohnungstür einsammeln. 

Seit sicherlich zwei Jahren mache ich aber an der Frage herum, ob ich aus diesem Arrangement aussteigen soll. Das hat mehrere Gründe, und einer davon ist, daß mich die Zeitungslektüre mittlerweile eher nervt und streßt als unterhält, und für die Information würde ich sie - außer allenfalls ihren Lokalteil - im Prinzip sowieso nicht brauchen. Als nun heute diese Nachbarin bei mir klingelte - ich hatte mich schon gelegentlich letztes Jahr mit ihr über diese Sache unterhalten - und fragte, ob ich mich an ihrer Zeitung auch dieses Jahr mitbeteiligen wolle, sagte ich, nein, ich wolle aussteigen. 

Zu meinem Entsetzen sagte sie dann aber, sie würde mir die Zeitung trotzdem vor die Tür legen, nur eben später als bislang, gegen Abend. Das mußte ich ihr dann erst wieder ausreden. Ums Geld ging es mir ja gerade nicht, wie sie zu glauben schien, sondern nur um die Zeitung selbst.

Mir ist gerade ein bißchen merkwürdig, nachdem ich diesen Schnitt gemacht habe. Einerseits, als wäre eine große Last von mir genommen, aber andererseits werde ich mich speziell am Wochenende an den zeitungslosen Sonntagmorgen erst noch gewöhnen müssen. Die Lektüre der Samstagszeitung am Sonntagmorgen zum Kaffee war mir tatsächlich als einziges bis heute wirklich angenehm. Ob sie sich vielleicht wirklich als unersetzlich für das Sonntags-Feeling erweisen wird? 

Mal sehen, wie ich das künftig machen werde. Vielleicht kaufe ich die Samstagszeitung doch selbst, wenigstens gelegentlich. Aber daß ich unter der Woche diesen Klotz am Bein loshabe, darüber bin ich gerade wirklich froh. 

Weil es aber auch ein paar Gründe gab, die Zeitung trotzdem weiter zu behalten, und ich genau deshalb auch seit Monaten so unentschlossen war, hat die gestern abend gelesene Bemerkung Talebs zu Zeitungen und wie sie einen mit ihrer Themenauswahl nach Krawall- und Aufregerpotential eher daran hinderten, sich mit den wirklich wichtigen aktuellen Entwicklungen zu befassen, als einem dabei zu helfen, heute, als ich zu meiner Nachbarin auf der Stelle Ja oder Nein sagen mußte, bei mir das Zünglein an der Waage gespielt.