Samstag, 30. April 2022

Lumpen-Pazifisten

Mein Gewicht heute früh nach vier Fastentagen: 84,6 Kilogramm. Wie erwartet, geringfügig (400 Gramm) über dem Tiefstgewicht vor zwei Wochen. Ganz ähnlich war das Anfang Dezember auch beim ersten langen Fastenintervall nach dem Ende der Low-Carb-Phase. 

Was mich letzte Nacht ein bißchen erschreckt hat, waren ungewöhnlich fiese Wadenkrämpfe, die in mehreren Wellen kamen und wieder gingen und zusammengenommen etwa zehn Minuten lang anhielten. Magnesium erwies sich in ihrem Fall als wirkungslos. Ich nehme an, daß ein Zusammenhang mit dem Abschied meiner Darmflora besteht, denn parallel dazu mußte ich auch dringend auf das gewisse Örtchen. Der flotte Otto irgendwann zwischen Tag 2 und Tag 4, manchmal auch erst nach der ersten Mahlzeit nach Tag 4, benötigt immer auch extrem viel Wasser. Das mußte wohl irgendwo hergenommen werden und wurde in der Muskulatur offenbar vermißt wurde. 

Dieser Besuch im "heimlich Gemach" mit blubberndem Gedärm und Wadenkrämpfen gleichzeitig war echt nicht vergnügungssteuerpflichtig.

Ich versuchte erst, wieder zu schlafen, als der Spuk vorbei war, merkte dann aber daran, wie sich mein linkes Bein anfühlte, daß irgendetwas immer noch nicht in Ordnung war und das Problem vielleicht wiederkommen würde. Mein Mann brachte mich auf die Idee mit dem Wasser, und so saß ich dann ein Viertelstündchen lesend am Küchentisch und trank nebenbei etwa einen Liter Sprudel. Danach ging ich wieder ins Bett. Später, die Amsel war schon zu hören und die Dämmerung zu erahnen, passierte dasselbe dann noch einmal - parallel diese Wadenkrämpfe und der Drang aufs Klo -, aber glücklicherweise in erheblich abgeschwächter Form. Also setzte ich mich nochmal ein Weilchen an den Küchentisch und trank nochmal viel Sprudel. Danach war es endlich wirklich weg. 

Diese Krämpfe waren nicht die allerschlimmsten, die ich je gehabt habe, aber in die Top 5 schaffen sie es bestimmt. Unheimlich war vor allem, daß das, womit ich sonst Wadenkrämpfe bekämpfen kann, diesmal keine Wirkung zeigte. Darauf, so etwas noch einmal zu erleben, bin ich nicht sonderlich scharf, aber ich wüßte jetzt nicht, was ich gestern falsch gemacht hätte und nächstes Mal anders machen könnte. Ich trinke tagsüber immer meine drei bis vier Liter Sprudel und schwarzen Kaffee, nehme abends zwei bis drei Magnesiumtabletten und ein Tütchen Basenpulver. Keine Ahnung, ob und wie ich das hätte verhindern können. Aber der Verlauf der beiden Krampfwellen deutet schon darauf hin, daß es etwas mit zu wenig Wasser in der betreffenden Muskulatur zu tun hat, also stelle ich mir vielleicht künftig am Fastentag Nr. 4 eine Wasserflasche ans Bett, die ich noch leer mache, bevor ich das Licht ausschalte.

Ich verabschiede mich damit für die nächsten zwei Wochen, denn ich gehe jetzt erst mal mehrere Tage wandern und verbringe anschließend noch ein paar Tage bei meiner Mutter. Daß ich mich irgendwann während der Obstbaumblüte im Frühjahr zu Fuß zu ihr aufmache (ca. 50 km wohnt sie von mir entfernt), hat bei uns Tradition, aber die letzten drei Jahre spielte teils das Wetter nicht mit und teils kam irgendetwas anderes dazwischen. Aber diesmal will ich es wissen, denn mit einem so niedrigen Gewicht war ich seit dreißig Jahren nicht mehr auf Wanderschaft, und natürlich bin ich neugierig, wie sich das anfühlt. Der Wetterbericht ist im Moment positiv, allerdings hat sich das im Laufe der Woche praktisch täglich geändert, also mal sehen. Das heutige Regenwetter, das uns leider dazu nötigte, die erste Runde der Hofflohmärkte auszulassen, soll aber angeblich schon morgen enden.

Spannend ist bei meinen Besuchen bei Mama immer die Frage, was ich wiegen werde, wenn ich wieder daheim bin, denn dort faste ich ja gar nicht. Im Gegenteil hat es sich im letzten Jahr eingependelt, daß meine Mutter es richtig genießt, sich jeden Tag von mir bekochen und bebacken zu lassen, und dabei laufe ich natürlich immer zu großer Form auf und gebe mir Mühe, sie richtig zu verwöhnen. Leider habe ich den Eindruck, daß bei meiner Mutter nun auch bei den gewohnten Rezepten das Gedächtnis nachzulassen beginnt, und das könnte dazu beitragen, daß sie mich das so bereitwillig machen läßt; früher legte sie eigentlich Wert darauf, solche Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Wie auch immer, im Frühjahr sollte ich eigentlich damit rechnen können, nach meiner Rückkehr keine nennenswerte Gewichtszunahme zu verzeichnen, aber eine Garantie darauf gibt es natürlich nicht. Erst jetzt habe ich außerdem bemerkt, daß mein nächstes langes Fastenintervall in vier Wochen einen Feiertag am Donnerstag mitenthalten würde. Deshalb bin ich am Überlegen, ob ich es auf drei Tage beschränken soll, denn an Feiertagen legen wir Wert auf gemeinsame Mahlzeiten. Wahrscheinlich mache ich das von meinem "Vorher-Gewicht" in dieser Fastenwoche abhängig. Falls mein Gewicht doch einen Satz nach oben gemacht hat, gebietet es wohl die Eitelkeit, das Fasten keinesfalls abzukürzen.

Wie auch immer, im Mai kann ich vermutlich so mit keinem neuen Niedrigstgewicht rechnen, aber dafür bin ich fest entschlossen, im Juni wieder eines zu erreichen.

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Für Semaglutid, das gehypte Wundermedikament, mit dem viele Patienten besser abnehmen als mit jeder Diät (was allerdings auf Intervallfasten und Low Carb ebenfalls zutrifft) und von dem gehofft wurde, daß es Magenverkleinerungs-OPs in Bälde ablösen werde, sah ich erstmals einen Hinweis darauf, daß die Abnahmewirkung ebenfalls nicht dauerhaft ist - womit ich von vornherein gerechnet hatte. Alles deutet darauf hin, daß es einfach kein Mittel gibt, das jemanden über lange Zeit zuverlässig abnehmen läßt, sondern daß man nach einer gewissen Zeit, nach ca. einem Jahr plusminus ein bißchen was, irgendetwas an seiner Methode verändern muß, um weiter abnehmen zu können.

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Der Kolumnist Sascha Lobo hat kürzlich den bösen, aber treffenden Begriff "Lumpen-Pazifismus" geprägt. Gemeint sind damit Pazifisten, deren Pazifismus in Wirklichkeit insgeheim nur eigenen kleinen Egoismen dient und die Friedensliebe nur vorgeschoben ist. 

Ich hätte nie gedacht, daß ich Wirtschaftsminister Robert Habeck einmal loben würde (immerhin gehört er zu den Grünen, die ich nicht ausstehen kann), aber genau in diesem Punkt hat er heute sehr präzise definiert, was Pazifismus ist und was nicht. Pazifismus ist, wenn man im extremsten Fall sein eigenes Leben dem Frieden opfert. Pazifismus ist nicht, wenn man andere Menschen dem Frieden opfert. Das zweite ist es, was die Wortneuschöpfung "Lumpen-Pazifismus" ausdrücken soll. Solange die Ukraine sich selbst gegen die Invasion verteidigen möchte, anstatt sich aus pazifistischen Gründen aus eigenem Antrieb einer russischen Besatzung unterwirft, ist der angebliche eigene Pazifismus kein Argument, ihr die Hilfe zu verweigern. Es gibt durchaus andere stichhaltige Argumente, die dagegen sprechen können, aber bislang ist mir unter denen, die sie verwenden, noch niemand untergekommen, der so klar wie ebenfalls Robert Habeck (meine Güte, ich muß ihn schon wieder loben) auf den Punkt gebracht hat, daß es in dieser Frage keine Entscheidung gibt, mit der man seine weiße Weste behalten kann. Durch Handeln wie Nichthandeln macht man sich in diesem Fall zwangsläufig in irgendeiner Form schuldig. Man wählt nicht zwischen richtig und falsch, sondern zwischen der mutmaßlich folgenschwereren und wenger folgenschweren Möglichkeit.

Bei den "Lumpen-Pazifisten" vermisse ich jegliche ernsthafte Abwägung der Art, wie sie Habeck für seine eigene Entscheidung vorgenommen hat. Sie tun immer so, als wäre das - und nur das - was sie fordern, hundert pro richtig und alles andere hundert pro falsch.

Den Habeck sollte ich mal im Auge behalten. Falls seine Art der Kommunikation so bleibt, ist das ein wohltuender Kontrast zum üblichen PR-Sprech, bei dem Zwischentöne und das Einerseits-Andererseits von vornherein nicht vorkommen, sondern vorgetäuscht wird, alles, was man vorhat, sei in sich stimmig.



Dienstag, 26. April 2022

Angriff des Killerweizens?

Mein Gewicht heute früh zu Beginn des letzten viertägigen Fastenintervalls, bevor ich mich zum Wandern und einem Besuch bei meiner Mutter verabschiede: 90,4 Kilogramm. Ein bissel bin ich enttäuscht, das sind "nur" knapp zweieinhalb Kilo weniger als vor der Low-Carb-Phase, und ich hatte mit einem Wert zwischen 3 und 4 Kilo gerechnet. Andererseits sind zweieinhalb Kilo zweieinhalb Kilo, und Anfang Dezember schoß mein Gewicht nach dem Ende der Low-Carb-Zeit auch erst einmal stärker nach oben als erwartet, bevor es sich auf dem Level einpendelte, das dann bis Ende Februar hielt. Jetzt hoffe ich halt, daß sich die Sache bis zum Samstag auch diesmal relativiert. Auf ein neues Niedrigstgewicht kann ich wegen meines Urlaubs freilich vor Ende Mai nicht rechnen. Wenn ich Pech habe, dauert es sogar bis zum Juni. Aber da muß ich jetzt halt durch. 

Ich habe mal wieder eines der bekannteren einschlägigen Bücher zu "alternativen" Ernährungstheorien gelesen, nämlich "Weizenwampe. Warum Weizen dick und krank macht" von Dr. William Davis. Wieder einmal finde ich es gar nicht so einfach, diesem Buch gerecht zu werden, obwohl es mich ziemlich schnell zu nerven begonnen hat. Der Autor hat triftige Gründe dafür angeführt, warum er den Weizen böser Dinge verdächtigt, da er in seiner ärztlichen Praxis offenbar bei den unterschiedlichsten Krankheiten erfolgreich damit gewesen ist, seine Patienten von einem Verzicht auf Weizen zu überzeugen und damit eine Besserung oder Heilung zu erreichen. Einer der gemeinsamen Nenner dabei war, daß sie außerdem häufig ziemlich viel Gewicht verloren haben. Die Theorie, die er daraus entwickelt hat, erscheint mir allerdings trotzdem unter dem Strich unausgegoren. 

Beispielsweise scheint er sich insgeheim selbst gar nicht so sicher zu sein, wie er sein Problemnahrungsmittel nun eigentlich definieren will. Geht es aus seiner Sicht um den Hochleistungsweizen, der sich in den letzten Jahrzehnten als Ergebnis von Züchtungen weltweit durchgesetzt hat – so anfangs –, oder um Weizen generell seit Beginn seiner Kultivierung – so später – oder gar um alle Getreideprodukte seit Beginn des Ackerbaus – so noch später? An einer bestimmten Stelle des Buches schwenkt er gar, allerdings nur vorübergehend, zur Low-Carb-Theorie über und fokussiert sich auf Kohlenhydrate überhaupt.

Hinzu kommt, daß der Autor versucht, locker und humorvoll zu schreiben, wie das in den USA bei Sachbüchern ja auch erwartet wird. Aber bei ihm läuft das auf immer wiederkehrende, weniger komische als eher gehässig-giftige Seitenhiebe gegen das „ach so gesunde“ Vollkorn hinaus, die sachlich vielleicht ja nicht ganz unberechtigt, aber doch nur begrenzt witzig sind und die ich spätestens nach dem dritten Mal schon nicht mehr hören konnte.

Interessanterweise gleichen die Vorwürfe, die Davis dem Weizen macht, in vielen Punkten denen, die von anderen gegen Zucker erhoben werden; nach seiner Darstellung löst Weizen sogar stärkere Blutzuckeranstiege als Zucker aus. Das bedeutet unter anderem, daß man beide Theorien eigentlich durch Low-Carb-Ernährung gleichzeitig erschlagen kann, allerdings kann man dann natürlich nicht beurteilen, ob die Wirkung nun auf den Weizen- oder den Zuckerverzicht zurückzuführen ist. 

Ein interessanter Unterschied zwischen Weizen und Zucker ist aber das Gluten und deshalb auch mögliche Unverträglichkeiten, die darauf beruhen, samt etwaiger Wirkungen nicht nur auf die Gesundheit, sondern unter Umständen auch auf das Körpergewicht. Damit kommen wir zum meiner Meinung nach überzeugendsten Teil dieses Buches. Zöliakie ist mittlerweile ziemlich bekannt, aber welche und wie viele Krankheitsbilder entweder mit Zöliakie in Verbindung stehen - so kommt Diabetes Typ 1 zum Beispiel bei Zöliakie doppelt so häufig vor - oder unabhängig davon und trotz negativem Ergebnis bei Überprüfung von Zöliakie in Verbindung mit Weizen stehen können, und zwar häufig, ohne daß diese Verbindung erkannt wird, war mir tatsächlich noch neu. 

Daß der Autor den Eindruck erweckt, als wären wir alle durch die Bank insgeheim sterbenskrank, nur weil wir Brötchen - ob nun normale oder Vollkorn - essen, halte ich zwar für eine maßlose Übertreibung, dafür erreichen einfach zu viele Menschen ohne schwerwiegendere Beschwerden ein hohes Alter trotz lebenslänglich Frühstücksbrötchen, Nudeln und Sonntagskuchen. Aber auch dann, wenn Weizen längst nicht so häufig eine Krankheit auslösen sollte, wie der Autor suggeriert, ist es bei Leiden unklarer Ursache, von Reizdarmerkrankungen über Hautkrankheiten bis zu auffälligen Blutwerten jedenfalls eine sehr simple und ohne Schwierigkeiten umsetzbare Maßnahme, für die man nicht einmal einen Arzt benötigt, einfach mal vier Wochen lang Weizenprodukte aus dem Speiseplan zu streichen, und sich mal anzuschauen, was während dieser Zeit mit diesen Beschwerden passiert. Im günstigsten Fall hat man den Übeltäter tatsächlich gefunden und sein Problem gelöst oder jedenfalls verbessert. Und falls nicht, hat man keinesfalls einen zusätzlichen Schaden angerichtet. Das ist also die positive Botschaft, die ich aus diesem Buch mitnehmen würde, auch wenn sie in meinem Fall nicht relevant ist, weil ich keine solchen Beschwerden habe.

Es kann durchaus auch sein, daß Low-Carb-Ernährung bei einem Teil ihrer Anwender gar nicht wegen der Kohlenhydrate eine gute Wirkung zeigt, sondern wegen des Glutens im Weizen, das ja automatisch bei Low Carb mit wegfällt. Und wer weiß, ob nicht vielleicht doch noch andere, möglicherweise bislang noch nicht erkannte Faktoren eine Rolle spielen - vielleicht ja tatsächlich solche, die bei traditionellen Getreiden keine oder nur eine geringere Rolle spielen als bei dem auf hohe Erträge hochgezüchteten Hochleistungsweizen der heutigen Zeit? 

Was Davis - wie alle Ernährungstheoretiker - komplett ignoriert, ist die meines Erachtens wichtige Frage des Lebensalters bei einer Gewichtszunahme. Nahezu sämtliche Statistiken, die zeigen, daß der Anteil der stark Übergewichtigen in den letzten Jahrzehnten sich stetig erhöht hat, berücksichtigen diesen Faktor nicht, obwohl er eine Rolle spielen müßte, da ja auch das Durchschnittsalter der Bevölkerung ständig steigt. Gewichtszunahmen ab den mittleren Jahren sind aber kein neues Phänomen, sondern begleiten die Menschheit schon seit Jahrtausenden, ganz ohne Hochleistungsweizen.

Neu ist aber, daß immer mehr junge Menschen nicht nur ein wenig pummelig, wie ich in meinen Teenagerjahren, sondern sehr dick werden, und die Ursache dafür ist nach wie vor unbekannt - alle, die behaupten, sie zu wissen, spekulieren letzten Endes auch nur ins Blaue hinein. Zucker kann diese Ursache nämlich nicht sein, und zwar weder Zucker generell noch speziell Fructose, denn seit der Jahrtausendwende, also mittlerweile ca. zwanzig Jahren, sinkt deren Verbrauch wieder, ohne daß sich dies aber in einer Abschwächung der Adipositaswelle niedergeschlagen hätte. Könnte es aber vielleicht tatsächlich irgendwie mit Weizen zusammenhängen, und wenn ja, wie ließe sich das herausfinden? 

Mir kam dazu in den Sinn, daß im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine Hungerkrisen in armen Ländern befürchtet werden, da Weizen aus der Ukraine in viele dieser Länder geliefert wird. Das brachte mich auf den Gedanken, daß in diesen Ländern vielleicht der Weizenkonsum nicht gleichmäßig über die Bevölkerung verteilt sein könnte, jedenfalls dann, wenn dort ohne diese Hilfslieferungen gar kein oder nur sehr wenig Weizen auf den Markt käme. Vielleicht könnte man ja in solchen Ländern anfangen, zu forschen, in denen der Weizenkonsum sich auf bestimmte Bevölkerungsgruppen beschränkt? 

Ich bin mir nicht sicher, ob ukrainischer Weizen typischerweise auf normalem Handelswege dorthin gelangt oder der in Form von Hilfsgütern, die etwa von einschlägigen Organisationen vertrieben werden, da ja in Ländern, die selbst keinen Weizen anbauen, wohl eigentlich andere Getreidearten oder Stärkelieferanten ernährungstypisch sein müßten. Das wiederum würde bedeuten, daß Weizen, falls er häufig negative Wirkungen haben sollte, eher noch negativer als bei uns wirkt, weil evolutionär der Stoffwechsel an andere Kohlehydratquellen angepaßt sein sollte. Etwaige negative Wirkungen des Weizens durch eine Häufung der bei Davis beschriebenen Krankheitsbilder, die er mit Weizenverzicht bei seinen Patienten bessern konnte, würde man also, je nachdem, welche Teile der Bevölkerung ihn essen, entweder bei der Mittelschicht feststellen können, die sich Importgetreide leisten kann, oder im Gegenteil bei den Ärmsten im Land, die auf Lebensmittellieferungen angewiesen sind, um keinen Hunger leiden zu müssen. 

Angenommen, die Bemühungen, dem Hunger auf der Welt speziell mit Weizen entgegenzuwirken, enthielten für einen nennenswerten Prozentsatz der Empfänger von Nahrungsmittelhilfen ein unnötig hohes Krankheitspotential, würde dies natürlich neue Lösungen erfordern. Mir ist aber eingestandenermaßen noch nie so ganz wohl bei dem Gedanken gewesen, daß Spenden aus dem Westen - welcher Art auch immer, von Lebensmitteln über Kleidung bis zu Geld - in den Empfängerländern immer auch eine zerstörerische Wirkung auf die einheimische Wirtschaft hat. Wer sein Essen umsonst bekommt, kauft es nicht bei den einheimischen Bauern, und das muß sich auf sie ungünstig auswirken. Andererseits, verhungern lassen kann man die Leute ja auch nicht. Ich möchte nicht so tun, als hätte ich für diese Verknotungen eine überzeugende Lösung zu bieten. Am ehesten könnte ich mir noch vorstellen, daß Nahrungsmittelhilfen nur in akuten Bedrohungslagen vorgenommen werden sollten, also beispielsweise Mißernten durch Dürre oder ähnliches, die eine Versorgung aus Anbauprodukten des eigenen Lands unmöglich machen, aber ansonsten der Fokus eher auf eine Verbesserung der örtlichen Landwirtschaft liegen sollte, und das möglichst mit Schwerpunkt auf Nahrungsmittel, die dort ohnehin traditionell schon lange erzeugt wurden.

Generell bin ich aber überzeugt davon, daß es ein Fehler ist, für Adipositas und Diabetes nach einer einzigen auslösenden Ursache zu suchen, die für jeden gleich ist. Ob das nun Zucker, Fett (oder speziell Pflanzenöle, die ja ebenfalls von manchen für Adipositas verantwortlich gemacht werden) oder Kohlenhydrate oder eben speziell der Weizen ist. Versuch macht aber auch in diesem Fall kluch: Falls Weizenverzicht bei jemandem die Wirkung zeigt, die der Autor verspricht, hat es durchaus einen Sinn, eine solche Ernährung beizubehalten. Ich glaube aber nicht daran, daß diese Wirkung bei jedem zu erwarten ist – genausowenig, wie ich daran glaube, daß ein Zuckerverzicht oder eine generelle Reduktion der Kohlenhydrate bei jedem genau dieselbe Wirkung mit sich bringen würde.

Das ist also mein wichtigster Kritikpunkt: Davis sucht – wie leider nahezu alle – nach der einen Lösung, die bei jedem funktioniert. Ich bin mir aber mittlerweile sicher, eine solche Lösung gibt es ganz einfach nicht. Das zugehörige Problem wird sich meiner Meinung nach erst lösen lassen, wenn die Wissenschaft einsieht, daß sie statt Durchschnittswerten aus einer untersuchten Gruppen von Patienten den einzelnen Patienten und das, was speziell bei ihm wirkt oder nicht wirkt, in den Mittelpunkt stellen sollte.

Davis' Buch kurzerhand als reinen Bockmist abzutun, hieße aber das Kind mit dem Bade auszuschütten, auch wenn der Autor mich in vielen Punkten nicht überzeugt hat. Was ich übrigens ebenfalls ein bißchen nervig fand, waren die Fallbeschreibungen aus seiner ärztlichen Praxis. Nicht deshalb, weil ich ihm die beschriebenen Erfolge nicht glauben würde, sondern weil jede dieser Erfolgsgeschichten für mich erst einmal die Frage nach dem Anteil der nicht erfolgreichen Patienten dieses Arztes aufwarf. Ich würde nämlich Haus und Hof darauf verwetten, daß er auch Patienten hat, bei denen sein Ansatz NICHT erfolgreich gewesen ist. Ich wüßte gerne, wie hoch der Anteil der Erfolglosen ist. Denn ich halte es schon für bedeutsam, ob Weizenverzicht bei Diagnose x oder y nun in Dr. Davis' Praxis in 10, 20, 50 oder 90 Prozent der Anwendungsfälle geholfen hat und ob es Faktoren gibt, die eher einen Erfolg oder eher einen Mißerfolg erwarten lassen. 

Nach dieser Lektüre blieben für mich also mal wieder viele Fragen offen, die ich wichtig gefunden hätte. Das stört mich freilich längst nicht so sehr wie die Annahme des Autors, er habe alles samt und sonders befriedigend erklären können.


 

Freitag, 15. April 2022

Südlich des Adipositas-Äquators

Mein Gewicht heute früh nach vier aufeinanderfolgenden Fastentagen und zu Beginn des letzten Low-Carb-Tags dieser Low-Carb-Phase: 84,2 Kilogramm. Das ist nicht nur ein neues Tiefstgewicht, sondern außerdem ein erstmaliges Unterschreiten der Grenze zwischen "Adipositas" und "Übergewicht", wie sie beim BMI immer gezogen wird. Eigentlich gebe ich ja gar nicht so viel auf diese Art von Zahlenhokuspokus, aber nicht als adipös zu gelten, hat schon seine praktischen Vorzüge. - Bis ich dauerhaft südlich des Adipositas-Äquators liegen werde, das kann freilich noch ein paar Monate dauern. 

Es ist ja immer wieder spannend, wenn eine Veränderung bevorsteht, von der ich zwar glaube zu wissen, aber eben doch nicht ganz sicher wissen kann, wie sie wirken wird. Auch der Beginn meines zweiten Low-Carb-Intervalls war für mich aufregend: Würde es wirklich wieder so gut funktionieren wie im Herbst?

Das tat es tatsächlich. 

Zwar wird jetzt mein Gewicht vermutlich wie Anfang Dezember erschreckend schnell nach oben sausen - im Herbst schoß es binnen einer Woche um mehr als 6 Kilogramm hoch, pendelte sich dann aber auf einem knapp ein Kilo niedrigeren Gewicht wieder ein. Aber dennoch gehe ich davon aus, daß ich vor meinem nächsten langen Fastenintervall, das wegen eines Termins mit gemeinsamem Essen am Montag ausnahmsweise von Dienstag bis Freitag gehen wird, zwischen 3 und 4 Kilogramm weniger wiegen werde als vor Beginn der Low-Carb-Phase, also zwischen 88,7 und 89,7 Kilogramm. Was jetzt den Spannungsfaktor wieder einmal auslöst: Wird es jetzt aber über das Restfrühjahr und den Sommer tatsächlich wieder so laufen wie im letzten Jahr? Wird sich die eingeplante durchschnittliche Abnahme von einem Kilogramm pro Monat wirklich bestätigen? Das ist natürlich die Voraussetzung dafür, daß ich meine Gewichtsziel-Deadline für spätestens Sommer nächstes Jahr einhalten kann. 

Wenn ich annehme, daß ich zwischen Mai und September im Durchschnitt ein Kilo minus pro Monat verzeichnen kann, wären das fünf Kilogramm weniger, und dann läge ich ab September dauerhaft unter dem Adipositas-Äquator und sollte eigentlich noch vor dem ersten Oktober das erste Mal die 79,x nach einem langen Fastenintervall gesehen haben.

Unabhängig davon, ob das laufen wird wie geplant, sind mein Mann und ich uns aber einig, daß wir im Oktober/November wieder ca. sechs Low-Carb-Wochen einlegen werden, und nach zwei erfolgreichen Low-Carb-Phasen gehe ich fest davon aus, daß ich dann wieder mit einem erfreulichen Gewichtsrutsch rechnen kann. Das übernächste Low-Carb-Intervall plane ich dann schon ab Februar ein und hoffe, das erweist sich nicht als zu früh - denn ich gehe davon aus, daß ich meinen Stoffwechsel ein bißchen austricksen muß. Er darf nicht zu sehr auf Low Carb eingestellt sein, wenn ich eine vernünftige Abnahme haben will, und dafür brauche ich eine längere Pause zwischen zwei Low-Carb-Phasen.

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Die Jeans, bei der ich als Erstes auf Größe 40 wechseln konnte, fängt an, an den Oberschenkeln zu schlottern. Gleichzeitig sitzt sie um den Bauch herum aber noch perfekt. Ein Zeichen dafür, daß ich mir die auf die Oberschenkel konzentrierte Abnahme vor allem beim vorletzten langen Fastenintervall nicht nur eingebildet hatte. Was mach ich jetzt nur? Präventiv Größe 38 kaufen oder ... sehr merkwürdige Vorstellung ... auf schmaler geschnittene Jeans (etwa den Schnitt "Skinny"?👀) umsteigen? 

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Johannes Varwick hat mich auf Twitter blockiert, nachdem ich ihn in der Antwort auf einen seiner Posts als den Stefan Homburg des Ukrainekriegs bezeichnet habe. Gut so. Das erspart es mir, zu entscheiden, ob ich ihn entfolgen soll oder nicht. Varwick auf Twitter ist nämlich wie ein Autobahnunfall: Gräßlich anzusehen, aber irgendwie kann man doch nicht wegschauen ... Ich habe in den letzten zwei, drei Tagen mehrmals darüber nachgedacht, ihn zu entfolgen, weil ja jedes Eingehen auf ihn eine Erhöhung seiner Reichweite bedeutet, auch wenn meine Antworten da sicherlich keinen allzu großen Unterschied machen.

Aber es hat mich auch richtig gefreut, daß gerade der Vergleich mit dem Coronaleugner Homburg bei Varwick so sehr "autsch" gemacht hat, daß er mich als Follower nicht mehr ertragen konnte, während ihn trotz der vollmundigen Ankündigung "Wer pöbelt, wird geblockt" andere, teils viel aggressivere Antworten kaltzulassen scheinen. Da habe ich offenbar einen Nerv getroffen, und genau das wollte ich neben anderem erreichen. Wie mein Zahnarzt früher zu sagen pflegte: Wenn es weh tut, haben wir die Stelle gefunden, an der wir weiterbohren müssen. 

Ich bin aber nicht wirklich unglücklich darüber, daß ich persönlich jetzt daran gehindert bin, dies zu tun. Der Spaßfaktor daran wäre überschaubar gewesen. Falls er wirklich intelligent sein sollte, hat er dies bislang erfolgreich zu verstecken vermocht. Er doziert, Eingehen auf Einwände: Fehlanzeige. Falls er überhaupt mal auf jemanden reagiert, dann entweder beleidigt und/oder beleidigend.

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Hatte ich eigentlich vor einem Jahr über diese SWR-Doku von Dagmar Stöckle geschrieben? Ich hatte sie auf YouTube gesehen. Da mein Blog jetzt doch schon recht umfangreich geworden ist, habe ich nur einen halbherzigen Versuch gemacht, es zu suchen, aber ich fand nichts. Ich könnte aber eigentlich schwören, daß ich dazu etwas geschrieben hatte ... bloß, wo? 

Kurzinhaltsangabe: Dagmar Stöckle nutzt ihre beruflichen Kompetenzen als SWR-Wissenschaftsjournalistin, um herauszufinden, warum sie im Lauf der Jahre bis auf 105 Kilogramm zugenommen hat und wie sie das Gewicht wieder loswird. Eigentlich brachte diese Doku nichts weiter Aufregendes, das mich überdurchschnittlich in Rage hätte bringen können - meistens meine Hauptmotivation, um so etwas in einem Blogartikel durchzuhecheln -, und ebenso kein sonderliches Highlight, das mich positiv überrascht und mich auf eine gute Idee hätte bringen können. Es wurden viele altvertraute Irrtümer durch Experten wiederholt, aber nicht in einer Form, die mich überdurchschnittlich provoziert hätte. Wie auch immer, ein Jahr danach sah ich die brandaktuelle Fortsetzung der Doku zu der Frage, wie es Frau Stöckle seither ergangen ist. Kürzestfassung: Sie hat abgenommen, allerdings deutlich weniger als erwartet. Erwähnenswert dabei ist, daß sie eine Low-Carb-Ernährung versucht hatte. Daß das so wenig Wirkung zeigte, fand auch ich zunächst etwas überraschend. Sieben Kilo, das ist ziemlich wenig für ein Jahr, noch dazu, wenn man keine langandauernde Diät-Vorgeschichte zu haben behauptet.

Näher betrachtet, nehme ich an, daß die Kombination aus Low Carb und einem Energiedefizit (1600 Kalorien am Tag) einfach nicht das Gelbe vom Ei war. Das gilt vor allem dann, falls sie schon vorher energiearm gegessen haben sollte.

Herzlich gelacht habe ich darüber, daß Dagmar Stöckle Kartoffeln zu den unbedingt zu vermeidenden Lebensmitteln zählt. Klar, das ist gewissermaßen Low-Carb-Allgemeinwissen und wird in einschlägigen Kreisen von allen Kanzeln gepredigt. Aber man kann doch auch seinen eigenen Kopf gebrauchen, gerade als Wissenschaftsjournalistin. 100 Gramm Kartoffeln schlagen mit 15 Gramm KH zu Buche, verglichen mit Mehl, Reis und Nudeln ist das recht harmlos. Ich habe deshalb auch in meiner Low-Carb-Phase manchmal Kartoffeln gemacht, nur eben eine geringere Menge als sonst. Einmal in einem Auflauf und einmal als Kartoffelbrei, kombiniert mit Karotten (10 g KH)  und Kohlrabi (6 g KH). 

Interessant, oder? So viel weniger KH als Kartoffeln haben jedenfalls die Karotten nämlich auch wieder nicht. Frau Stöckle hatte aber offenbar keine Zweifel daran, daß sie Karotten essen kann.

200 Gramm Kartoffeln, 100 für mich, 100 für meinen Mann, fand ich auch mit Low Carb völlig okay. Die Karotte im Kartoffelbrei, die für eine schöne rotgesprenkelte Färbung sorgt, kenne ich übrigens schon seit meiner Kindheit. Meine Mutter machte das manchmal auch. Deshalb habe ich schon immer gerne ein, zwei Karotten mit den Kartoffeln mitgekocht. Kohlrabi hat sich als eine geschmacklich absolut empfehlenswerte Ergänzung entpuppt. Diesen Kartoffelbrei mache bestimmt wieder. 

Im Moment freue ich mich aber vor allem darauf, mal wieder einen normalen Kartoffelbrei zu genießen. Das Leben kann so schön sein, wenn man immer etwas hat, worauf man sich freuen kann! Alleine dafür war meine Low-Carb-Phase schon nützlich. 

Es blieb mir letztlich unklar, wieviele Gramm KH Frau Stöckle bei ihrer Low-Carb-Variante zu sich genommen hat, und ich habe den Verdacht, daß sie außer KH-arm auch zu fettarm zu essen versucht hat, da zu den Produkten, die sie glaubte vermeiden zu müssen, neben Schokolade auch die meisten Milchprodukte zu finden waren und an irgendeiner Stelle wurde der Bacon erwähnt, den sie künftig weglassen solle. Wahrscheinlich liegt sie auch beim Protein erheblich niedriger, als es gut wäre.

Irritiert war ich außerdem davon, daß fast im selben Atemzug gesagt wurde, sie vermeide stark verarbeitete Lebensmittel, aber danach sieht man sie beim Einkaufen lauter solche Produkte kritisch beäugen und wieder verwerfen (ein Kölln-Müsli, dann eine Dosen-Gulaschsuppe und ein Dosengericht mit irgendeiner asiatischen Geflügelvariante) und sich laut darüber beklagen, daß Einkaufen so schwierig sei, weil überall Zucker mit enthalten sei. Also, liebe Frau Stöckle, so funktioniert das nun wirklich nicht mit einer Ernährung mit wenig stark verarbeiteten Lebensmitteln! Ich bin kein Müsli-Fan, aber eine Packung Haferflocken, Walnüsse und Heidelbeeren usw. so kaufen sollte doch nun echt kein Hexenwerk sein. Dasselbe gilt für den Kauf von Gulasch- oder Hähnchenfleisch. 

Über das Thema Sport beim Abnehmen, das im Anschluß zur Sprache kam, sage ich nur eines, um mich jetzt nicht zu verzetteln: Herman Pontzer.

Am Ende des Films zählte Frau Stöckle auf, auf welche Lebensmittel sie nun noch alles verzichten müsse, wenn sie noch weiter abnehmen wolle: Obst hatte sie sowieso vorher auch nur eine streng orthodoxe low-carb-taugliche Auswahl. Jetzt ißt sie gar keines mehr. Ebenso verzichtet sie auf die restlichen Milchprodukte - einschließlich Hafermilch. Und noch einiges andere mehr. Die arme Frau!, dachte ich im ersten Moment. Da ist so viel Verzichtslogik im Spiel, das KANN auf Dauer gar nicht funktionieren. Sie ist auf dem besten Weg, sich unglücklich zu machen, und ich glaube auch nicht, daß sie so nennenswert abnehmen wird. Jetzt ißt sie ja noch proteinärmer. 

Ich bin mir zwar immer noch nicht sicher, welche Rolle genau die Proteine beim Abnehmen spielen, aber jedenfalls sind sie wichtig fürs Sättigungsgefühl. Und wenn man dauernd hungrig ist, wird es jeden Tag schwieriger, eine auf Energiedefizit basierende Ernährung durchzuhalten. 

Ob es nächste Jahr wieder eine Fortsetzung geben wird? Hoffentlich enthält die dann nicht die Geschichte der Magenverkleinerung, weil ihr Abnehmprogramm nicht funktioniert hat. Zwei Folgen lang hat sie diese Lösung für sich selbst zwar ausgeschlossen, aber so ganz sicher schien sei mir nicht zu sein. Falls also ihr Programm, wie von vornherein abzusehen ist, ihr nicht zu einer dauerhaften Abnahme verhelfen wird, wer weiß ...

Außerdem fand ich etwa Merkwürdiges heraus: Dagmar Stöckle hatte schon 2017 in einer anderen SWR-Dokumentation an einem vierwöchigen Versuche im "intermittierenden Fasten" (also Intervallfasten) teilgenommen, dabei in vier Wochen 1,7 Kilogramm abgenommen und am Ende des Beitrags verkündet, sie werde das weitermachen. Drei Jahre später war in der neuen Doku davon aber überhaupt nicht mehr die Rede. Das ist schon ein bißchen irritierend. Was lief da so schief, daß es nicht einmal mehr einer kurzen Erwähnung wert war?

Wieviel Dagmar Stöckle 2017 gewogen hat, wurde damals nicht verraten, aber allzu weit wird sie dem optischen Eindruck nach auch da nicht mehr von ihrem Maximalgewicht von 105 Kilogramm entfernt gewesen sein. An einer Stelle in der Fortsetzungs-Doku von 2021 heißt es, das letzte Mal weniger als 100 Kilogramm habe sie vor sechs Jahren gewogen. Das hätte 2015 sein müssen, und da sie im Jahr 2017 1,7 Kilogramm in vier Wochen abnahm, ohne dabei offensichtlich die 100-Kilo-Marke unterschritten zu haben, wog sie also mindestens 102 Kilogramm.

Das gibt mir sehr zu denken, da ja meine Reise von 147 Kilogramm auf nunmehr 84,2 fast zur selben Zeit, 2017, und auch mit Intervallfasten begonnen hat. Aber ohne diesen ganzen Wissenschaftsklimbim, dem sie so sehr vertraut, sondern mit Fokus auf die tatsächlich meßbare Wirkung auf der Waage bei dem, was ich tue und unterlasse, und auf eine Weise, die von Anfang an ohne freudlose Verzichtslogik, ohne Selbstbezichtigungen und außerdem auch ohne Sport auskam. Und ich hatte damals noch eine weitere Gemeinsamkeit mit ihr: Sie behauptete, noch nie eine Diät gehalten zu haben. Bei mir war das ähnlich mit ein paar Einschränkungen, meine letzte "echte" Diät war zehn Jahre davor gewesen (und das wiederum war die erste seit, glaube ich, 1984 gewesen).

Ich bin überzeugt davon, daß ich der Wissenschaft eher reserviert gegenüberstehe und meinen Weg alleine gesucht habe, ist der Grund, warum es bei mir so viel besser als bei ihr funktioniert hat, denn genetisch scheinen wir ziemlich ähnlich schlechte Voraussetzungen zu haben.

Apropos keine freudlose Verzichtslogik: 

Ich habe heute wieder Pralinen gemacht, teils gefüllt mir Erdnußbutter, teils mit einem Rest Holundermarmelade, teils mit beidem, die gab es zum Nachmittagskaffee (ca. die Hälfte ist noch übrig). Außerdem habe ich Eis aus Sahne, Skyr, Erythrit/Xylit und einem Schuß Orangensirup gemacht, das es abends als Nachtisch gab. Zum Abendessen gab es köstliche Käse-Gemüsepuffer aus dem Backofen (Karotten, Rettich, Paprika, Zwiebeln, Knoblauch, viel Gouda, einen Rest Parmesan, Eier, Mandelmehl und Flohsamenschalen) und dazu Eiersalat, der ebenfalls sehr gut gelungen war. Dazu gab es zwei Viertele Riesling-Weißweinschorle. (Noch präziser: aus einem leckeren Brackenheimer Haberschlachter Heuchelberg.) Und, wie erwähnt, danach das selbstgemachte Eis, das umwerfend gut war.

So sah MEIN Low Carb an meinem letzten Low-Carb-Tag dieser Low-Carb-Phase aus. Ich fände es trostlos, so essen zu müssen, wie das Frau Stöckle zu müssen glaubt, und ich bin mir ziemlich sicher, sie müßte das eigentlich auch nicht. Essen muß Spaß machen, dann klappt es auch mit dem Abnehmen.

Dienstag, 12. April 2022

Die harmlose mittelalte dicke Tante

Mein Gewicht heute früh nach dem ersten von vier Fastentagen: 87 Kilogramm exakt. Damit sollte ich  am Karfreitag ein Gewicht von um die 84 Kilogramm verzeichnen können, da durchschnittlich um die 1 Kilogramm minus für jeden der drei weiteren Fastentagen eine realistische Annahme ist. Noch schöner wäre es natürlich, bei 83,x zu landen, aber daran glaube ich erst, wenn die Waage mir das anzeigt.

Am Karfreitag gibt es dann außerdem noch einen allerletzten Low-Carb-Tag, um ein Refeeding-Syndrom zu vermeiden, und ab dem Samstag essen wir wieder normal. Ich freue mich schon auf die knusprigen Briegel am Samstag und auf den Kaninchenbraten mit Spätzle am Ostersonntag. Aber das Essen der letzten sechs Wochen habe ich durchaus auch fast immer als sehr erfreulich empfunden; das Unerfreuliche war harmlos und meistens meine eigene Schuld. Die Low-Carb-Nudeln letzte Woche sind mir beispielsweise etwas mißraten, weil der Teig zu lange im Backofen und deshalb zu ausgetrocknet war, aber die Sahnesoße mit Lachs, die es dazu gab, machte sie wieder weich, nur sahen die Nudeln nicht so richtig wie Nudeln aus, weil der trockene Teig beim Schneiden natürlich zersplitterte. So was kann aber der besten Hausfrau mal passieren.

Es ist in jedem Fall nicht so, daß wir in den letzten sechs Wochen beim Essen an irgendetwas Mangel gelitten hätten, nur weil ich mit nur zwei Ausnahmen an allen Eßtagen weniger als 70 Gramm Kohlenhydrate zu verzeichnen hatte - übrigens zu meinem eigenen Erstaunen, denn aktiv angestrebt hatte ich nur einen Wert unter 100 Gramm. Zu den Highlights zählten aus meiner Sicht neben der immer wieder ausgezeichneten Big-Mac-Rolle auch die Blumenkohlkroketten, die ich letztes Wochenende erstmals gemacht habe, ebenso das Schweinefilet im Baconmantel mit Champignons.

Hätte ich nicht konsequent jeden Tag entweder einen Kuchen oder eine Süßspeise auf den Tisch gestellt, könnte ich mir leicht vorstellen, daß ich im Durchschnitt sogar unter 50 Gramm KH geblieben wäre - nur, wäre es das wirklich wert gewesen? Die geringere Menge KH hat im Vergleich zum letzten Herbst, als ich durchschnittlich pro Tag um mehr als 30 Gramm höher lag, keinen Abnahmevorteil gebracht. Das ist es aber, worauf es mir aber ankommt, nicht irgendwelche theoretische Klügeleien aus der Wissenschaft, in denen aus irgendwelchen meßbaren Veränderungen der Blutwerte oder sonst irgendetwas die Schlußfolgerung gezogen wird, deshalb müsse es eigentlich auch beim Abnehmen besser wirken. Meine Erfahrung nach zwei Low-Carb-Phasen widerspricht dem: Intervallfasten plus Low Carb bringt im Vergleich zu Intervallfasten pur in der Tat eine auffällig höhere Abnahme. Aber es scheint keinen großen Unterschied zu machen, ob man sich auf "bequemes" Low Carb beschränkt oder so wenige Kohlenhydrate wie möglich anstrebt. Wozu also sollte ich dann unbedingt ein Maximalprogramm fahren müssen? Wie ich das mache, ist es ja suffizient. 

Im letzten oder vorletzten Beitrag hatte ich ein Exemplar meines Low-Carb-Eises aus Skyr, Sahne und zuckerfreier Heidelbeermarmelade gepostet. Ehrlich gesagt, von dem Eis in den Mini-Gugel-Formen war ich ein bißchen enttäuscht; es war nicht so richtig cremig. Genau dasselbe Eis war aber ganz köstlich und an seiner Cremigkeit war auch nichts auszusetzen, wenn man es in Stieleis-Förmchen füllte. Komisch, daß das so einen großen Unterschied macht. Für den Kaffee habe ich letzte Woche außerdem einmal Schokopralinen mit Erdnußbutterfüllung gemacht, aus der guten Moser-Roth-Schokolade mit 70 % Kakaoanteil. Die waren ebenfalls eine Entdeckung. Die Low-Carb-Biskuitrolle mit überaus dekadenter, aber wahnsinnig gut schmeckender Mascarpone-Sahne-Füllung, habe ich kombiniert mit Heidelbeeren, jetzt auch noch einmal gemacht, diesmal mit Betonung auf der Füllung. Nichts davon mußte ich pro gegessener Portion mit mehr als 17 Gramm KH verbuchen; das meiste lag sogar deutlich darunter.

Suffizient daran ist auch, daß ich jetzt für die nächsten Monate wieder damit aufhöre, bevor es aus einem kulinarischen Abenteuer, das Spaß macht, in eine mühsame Pflichtübung mutiert. Und natürlich auch, bevor die Wirkung nachläßt, was mit Sicherheit irgendwann passieren würde. Wenn ich das Abenteuer wieder aufnehme, ist ein Teil des Spaßes auch die rasche Belohnung, und das will ich mir unbedingt erhalten.

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Seit Tagen ringe ich um die richtigen Worte, was die Greueltaten der russischen Besatzungsarmee in den mittlerweile befreiten Gebieten rings um Kiew betrifft, und ich habe schon ein halbes Dutzend Mal zu einem Blogartikel darüber angesetzt, aber das Geschriebene dann wieder verworfen. 

Twitter spülte mir eine Menge Fotos und Videos in meine Timeline, die man in den Medien nicht gezeigt hat, weil sie zu schlimm waren (und was dort gezeigt wurde, war ja weiß Gott schon schlimm genug). Dafür gibt es ganz vernünftige Gründe, denn ich merke an mir selbst, daß ich kein besserer Mensch werde, wenn ich in solche Abgründe der Bestialität blicke, sondern dies den Wunsch nach geradezu archaischen Strafen für die Täter weckt, in denen merkwürdigerweise - und absolut spontan - immer auch deren Kinder und Kindeskinder mit eingeschlossen sind. 

Ich mußte mich deswegen schon Dutzende Male streng zur Ordnung rufen. Ich bin kein Monster, ich glaube nicht an Sippenhaftung, so etwas ist einfach indiskutabel. Das, was der Hammurabi-Kodex oder das Alte Testament in solchen Fällen für den Umgang mit den Tätern vorschlagen würde, poppt dennoch wie ein Schachtelteufelchen aus irgendwelchen mir unzugänglichen Regionen, womöglich meines Stammhirns, unweigerlich wieder hoch, wenn ich neue Berichte lese oder Fotos sehe, und ich muß es mit der Keule wieder in seine Höhle zurückjagen. Erstaunlich, daß ich als Mensch, der sich etwas auf seine Rationalität und Reflektiertheit zugute hält, dies offenbar so tief in mir drin habe, daß ich solchen Gedanken immer wieder aktiv gegensteuern muß. Fast könnte man meinen, der Drang, das Geschlecht eines Feindes mit Stumpf und Stiel komplett ausrotten zu wollen, sitze irgendwo in den Genen.

Vielleicht sollten diese Bilder trotz der Abgründe, mit denen sie einen konfrontieren - auch denen in einem selbst -, allgemein bekannt werden, so wie die Bilder aus den befreiten Konzentrationslagern. Neben anderem sollten diese Bilder auch verdeutlichen, wie naiv es ist, im Namen einer sogenannten "Realpolitik" ernsthaft daran zu glauben, daß Tote durch eine rasche Kapitulation der Ukraine verhindert worden wären. Wir hätten von diesen Toten bloß nichts zu sehen bekommen und allenfalls Einzelfälle in Form von Gerüchten und Spekulationen wären bekannt geworden.

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Nachtrag 13.4.: In Afghanistan hat die Regierung letztes Jahr übrigens genau das gemacht, was hier empfohlen wird. Mit schwerwiegenden Folgen für die Teile der Bevölkerung, die ihr und dem Westen vertraut hatten.

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Mit welcher Selbstverständlichkeit Leute auch meiner Altersgruppe postuliert haben, eine Kapitulation der Ukraine wäre aus humanitären Gründen geboten, fand ich aber auch unabhängig davon unerträglich. Nach einigem Nachdenken fiel mir auf, daß es aber in den Zeitgeist der letzten ungefähr zwanzig Jahre ziemlich perfekt hineinpaßt, in dem ja auch, beispielsweise in der Gesundheitspolitik, das regelmäßig noch weitergehende Minimieren auch geringfügiger Risiken und implizit, manchmal aber auch ausdrücklich ein Überleben um welchen Preis und für so lange wie möglich dabei die Begründung ist, die ständig über alles andere gestellt wurde. Ein Konzept, das durch Corona erstmals seit langem wirklich in Frage gestellt wird, denn im aktuellen Stadium wird es ja nach zweijährigem Kampf doch ohne allgemeine Impfpflicht hingenommen, daß weiterhin Menschen an dieser Krankheit sterben werden - sogar täglich mehr als während der ersten Coronawelle, als der Lockdown besonders drastisch ausfiel, man denke etwa an die Besuchsverbote in Pflegeheimen.

In anderen Bereichen gilt dieselbe Prämisse aber einstweilen nach wie vor als unantastbar. Was hinter diesen Kapitulationsforderungen durch Leute wie Harald Welzer, Richard David Precht oder Johannes Varwick für die Ukraine steckt, ist eine Wahl zwischen Leben und Würde. Die Herren gehen davon aus, daß die höhere Chance auf ein wenn auch würdeloses Leben immer den Vorzug haben müsse vor dem Kampf um den Erhalt der Würde bei dabei deutlich höherem Risiko, zu sterben. Sie sind der Auffassung, daß  auch das würdelose Weiterleben der einer Regierung anvertrauten Bürger bei einer solchen Wahl grundsätzlich oberste Priorität haben müsse. Sie sind außerdem der Meinung, unsere Bundesregierung bzw. die EU hätten die Pflicht, bei anderen Regierungen ggf. auf eine solche Priorisierung einzuwirken. Im vorliegenden Fall, indem sie der ukrainischen Regierung die Mittel für eine andere Priorisierung einfach vorenthält. - Eine Abart des Nudging, wenn man so will.

Das steckt hinter dem gedanklichen Konzept politischer Forderungen, bloß keine Waffen an die Ukraine zu liefern. Der ukrainischen Regierung soll die Wahlmöglichkeit entzogen werden, Würde über Leben zu stellen, weil geglaubt wird, in dieser Frage gäbe es von vornherein keine andere legitime Wahl als diejenige, die möglichst viel Leben, und müsse es auch noch so würdelos geführt werden, möglichst lange vor dem Tod bewahrt. Dieses Gedankenkonzept ist schon als solches entwürdigend. Es hat auch in den zahlreichen - viel harmloseren - anderen Belangen, in denen derselbe Grundgedanke unausgesprochen vorausgesetzt wird, die Würde der jeweils davon Betroffenen verletzt. Im vorliegenden Fall verweigert es außerdem dem erklärten Willen einer überwältigenden Mehrheit der Ukrainer den Respekt, die eine Unterwerfung durch die Russen ja erkennbar für ein Schicksal halten, das schlimmer ist als der Tod.

Aber Risikovermeidung ist immer aus sich selbst heraus auch ein zusätzliches Risiko. Eine schnelle und entschiedene Reaktion des Westens schon Ende Februar hätte in der Ukraine vermutlich mehr Menschenleben retten können als alles andere.

Ich bin von Haus aus kein "Risikovermeider". Hätte ich am 24.2.2022 für die Bundesregierung (oder, noch besser, die EU) entscheiden müssen, was nun zu tun ist, und mich dabei so verhalten, wie ich das auch in allen meinen persönlichen Belangen zu tun gewohnt bin, wäre meine Spontanreaktion als Erstes dies gewesen: Ob Gas, Öl, Kohle oder was auch immer, die Bezahlung wird weiter geleistet, fließt aber auf ein Sperrkonto, das Rußland erst zugänglich gemacht wird, nachdem es seine Truppen vollständig aus der Ukraine wieder abgezogen hat und Inventur über die - vom Angreifer zu bezahlenden - Kriegsschäden erfolgt ist, damit dieser Betrag abgezogen und an die Ukraine überwiesen werden kann.

Rußland hätte das keine einzige befriedigende Option gelassen. Entweder man hätte uns den Gashahn abgedreht sowie auch alle sonstigen Belieferungen und die Bezahlung in den Kamin geschrieben, was man sich nicht leisten konnte, oder man hätte das Gas weiterfließen lassen in der Hoffnung, uns durch Druck, Drohungen oder Scheinzugeständnisse weichzubekommen, ohne aber dadurch gleich Zugriff auf das Geld zu bekommen, was man sich ebenfalls nicht leisten konnte, oder man hätte sofort klein beigegeben, weil es das einzige gewesen wäre, was man sich wirklich hätte leisten können - zugegebenermaßen als sofortige Reaktion aber eher unwahrscheinlich. Gleichzeitig wäre aber jeden Tag die Finanzdecke löcheriger und damit das Geld auf dem Sperrkonto verlockender geworden. Es hätte außerdem auch bei Weiterführung des Krieges ein handfester Anreiz dafür bestanden, die Schäden möglichst gering zu halten, was der Ukraine bestimmt  Tote und Verletzte erspart hätte.

Wie lange hätte Rußland das wohl durchgestanden? Ich bin der Meinung: nicht so lange, wie wir es durchhalten können. 

Ja, und was, wenn Putin uns dann den Gashahn abdreht? Gerade dann trifft uns das jedenfalls nicht unvorbereitet. Was mir nämlich viel zu selten erwähnt wird: Sobald Putin dieses Druckmittel aus eigenem Entschluß einsetzt, müssen wir damit doch auch irgendwie fertigwerden! Er wird außerdem schon Sorge dafür tragen, daß das im für uns ungünstigstmöglichen Moment passiert. 

Ich fände es besser, den Zeitpunkt des Lieferstopps selbst zu bestimmen. Mit ein bißchen Glück erwischt ihn das so kalt, daß er doch schneller in die Knie geht als erwartet und das Worst-Case-Szenario gar nicht eintritt, auf das wir natürlich erst mal gefaßt sein müssen. So, wie das im Moment aussieht, müssen wir uns aber ebenfalls bereits auf ein Worst-Case-Szenario einstellen, um nicht unvorbereitet damit konfrontiert zu werden. Mir gefällt diese passive Rolle nicht, daß wir uns von Putin vor sich hertreiben lassen. Eigene Initiative wäre mir gerade in der Energiefrage viel lieber.

So handhabe ich das nämlich auch in meinen persönlichen Angelegenheiten am liebsten. Wenn ich die Wahl habe, abzuwarten oder selbst die Initiative zu ergreifen, wähle ich immer die Initiative, wenn dabei ein Kontrahent im Spiel ist, dem nicht zu trauen ist oder der mir offen übel will. Ich gehe dabei auch Risiken ein. Interessanterweise sind dann  jedes Mal gerade diejenigen, die zuvor besonders großmäulig aufgetreten waren, auf der Stelle in die Knie gegangen. Daß ich überhaupt keine Angst vor einem möglichen eigenen Schaden habe, wenn ich mit dessen Hilfe einen sehr viel größeren, womöglich sogar irreparablen Schaden bei meinem Kontrahenten bewirken kann, traut einer harmlosen mittelalten dicken Tante, wie ich sie bei diesen Gelegenheiten überwiegend noch gewesen bin, offenbar keiner zu. - Mal sehen, ob ich mir diesen Vorteil erhalten kann, wenn ich dem Normalgewicht näher komme.

Der beste Zeitpunkt für ein kompromißloses Embargo gegen Rußland war der 24.2.2022. Der zweitbeste Zeitpunkt wäre jetzt. Obwohl die Wirkung jetzt nicht ganz vergleichbar wäre, haben wir doch immer noch den Vorteil, daß Rußland vollkommen davon überzeugt ist, uns harmlose mittelalte dicke Tante genau einschätzen zu können. Ein radikales Embargo traut man uns jetzt sogar noch weniger zu als vor sechs Wochen. Diesen Vorteil würden wir jedenfalls miteinsetzen können. Was für ein Jammer: Das wird natürlich nicht passieren, denn dafür bräuchten wir eine Bundesregierung mit dem richtigen Mindset und mit weniger Angst vor der Reaktion der wohlstandsverwahrlosteren unter den Bürgern, denen natürlich ihre wohlgeheizte Wohnung und die Lebensmittelpreise allemal wichtiger sind als das Leben, die Würde und die Freiheit der Menschen in der Ukraine, von denen sie irrtümlich glauben, sie gingen uns doch gar nichts an. 

Ich bin mir zwar ziemlich sicher, die Bundesregierung überschätzt deren Bevölkerungsanteil, aber ich kann es nicht ändern, daß das so ist. Wir bleiben also wohl, leider, weiterhin harmlos, leicht zu durchschauen, leicht unter Druck zu setzen und leicht über den Tisch zu ziehen.

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Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob es vernünftig ist, über solche Themen wie den Ukrainekrieg Blogartikel zu schreiben, aber diese Version stelle ich jetzt mal online, weil ich mehrere indirekte Bezüge zu meinem eigentlichen Thema sehe. Neben dem "Leben vs. Würde", das mit eine Rolle spielt, sehe ich auch einen Gemeinsamkeit in der übergeordneten Problematik, daß unsere Politik gerne nur so tut, "als ob", daß es also um Rhetorik und Anschein geht, nicht darum, wirklich etwas zu bewirken. 

Zu Beginn des Ukrainekriegs sagte die Außenministerin mit ihrer harmlosen Kleinmädchenstimme etwas, das mir imponierte, nachdem sie die Sanktionen aufgezählt hatte, die beschlossen worden waren, sinngemäß sagte sie: "Das wird Rußland ruinieren." Wow, dachte ich angenehm überrascht. Das ist mal eine Ansage, an der so gar nichts Halbherziges ist, wie man das sonst immer gewöhnt war. Schade, daß es sich mittlerweile doch nur als Rhetorik erwiesen hat. An der Sprache hatte ich nichts auszusetzen, aber was getan wurde, war eben doch nur das übliche "So tun, als ob". 




Freitag, 1. April 2022

Neuigkeitensammelsurium: Neues Tiefstgewicht, 100-Pfund-Abnahmen, Insulinresistenz, Nahrungsmittelversorgung in Deutschland und der Immobilienmarkt

Mein Gewicht heute früh: 85,1 Kilogramm - das erhoffte ganze Kilogramm weniger als mein letztes Niedrigstgewicht vor zwei Wochen. (Oder eigentlich: vorletztes, denn schon gestern hatte ich mit 85,7 Kilogramm ein neues Niedrigstgewicht.) Das waren diesmal also 4,4 Kilogramm minus in vier Fastentagen - nach den 3,9 Kilogramm vor zwei Wochen immer noch der zweitniedrigste Wert, aber schon erheblich näher an dem, was ich während der Low-Carb-Phase im Herbst verzeichnet hatte (zwischen 4,6 und 5 Kilogramm). 

Bis zum Fastenbrechen mit den traditionellen Quarkpfannkuchen mit Rettich-Karotte-Apfel-Salat war ich damit offiziell bei einem BMI unter 30, hätte also bei einem Arztbesuch jetzt nicht mehr als adipös gegolten. Das ist ein Zwischenziel, an dem mir vor allem aus praktischen Gründen etwas liegt, denn ich habe echt keinen Bock, mit meinem Arzt womöglich über irgendwelche Nebenkriegsschauplätze diskutieren zu müssen, bevor er sich dazu herabläßt, sich mit meinem eigentlichen Problem zu befassen. Freilich, bis ich stabil unter dem BMI 30 liegen werde, wird es natürlich noch ein Weilchen dauern, also gut, daß die Wahrscheinlichkeit für einen Arztbesuch nach fast zweieinhalb Jahren ohne weiterhin recht gering ist. 

Falls ich nach dem Ende der zweiten Low-Carb-Phase über den Sommer, also "nur" mit meinen Fastenintervallen, vergleichbar zum letzten Jahr abnehmen sollte - was ich doch mal hoffen möchte -, gehe ich davon aus, daß ich diesen Punkt kaum vor September erreichen werde; außerdem nehme ich an, daß ich dann nach vier Fastentagen auch zum ersten Mal eine Sieben auf der Waage sehen werde. Das wird dann wirklich ein besonderer Moment für mich; das letzte Mal weniger als 80 Kilogramm habe ich nämlich anno domini 1986 vor meiner Schwangerschaft gewogen. 

Es wäre ein gutes Omen, wenn ich diesen Moment noch vor Beginn meiner dritten Low-Carb-Phase im Oktober schon erreichen würde. :-)

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Aus der Reihe "Unwissenschaftliche Anekdoten, aber interessanter als die meisten Studien" hat derselbe Dr. Tro, den ich in meinem letzten Beitrag noch so harsch kritisiert hatte, etwas gemacht, dem ich ausdrücklich applaudieren möchte, nämlich seine Twitter-Bubble gefragt, wer mehr als 100 Pfund (entspricht knapp 45,5 kg) abgenommen und wie lange man dafür gebraucht habe. Herausgekommen ist nämlich eine ganze Reihe von wirklich erfolgreichen Abnehmern, von denen nicht wenige ihr Gewicht nach eigenen Angaben schon jahrelang gehalten haben. Unweigerlich haben als Erstes diejenigen geantwortet, bei denen es wirklich sehr schnell ging, also nur eines oder anderthalb Jahre erforderlich waren. Aber insgesamt kamen doch sehr unterschiedliche Antworten zustande. Ich selbst habe übrigens für die ersten 45 Kilogramm ca. drei Jahre gebraucht und damit ungefähr ebenso lang wie Dr. Tro selbst, im Gegensatz zu ihm hatte ich zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht mit Plateaus und ähnlichem Psychoterror zu kämpfen; das kam erst in Jahr vier.

Diesen Thread auf Twitter sollte man echt weiterführen, gewissermaßen als ein Konkurrenzprojekt zu der verkorksten National Weight Control Registry, über die ich mich an anderer Stelle bereits kritisch geäußert hatte. (Die Weight Control Registry betreibt nämlich nur sinnlose Sandkastenspiele. Es ist mir unbegreiflich, daß die relativ wenigen, die sie überhaupt kennen, sie dennoch - mit einer Ausnahme, nämlich meiner Wenigkeit - alle für ein seriöses Projekt zu halten scheinen.) Und ließe sich das ab einer gewissen Zahl von Antwortenden, die bereit wären, dabei mitzumachen, nicht vielleicht sogar in eine formal korrekte Studie überführen? Genau Leute wie wir, die von ehemals BMI 40+ gekommen sind und mindestens um die 50 kg verloren (und idealerweise die Abnahme mehrere Jahre lang gehalten haben), sind es doch in Wirklichkeit, die die angeblich so dringend gesuchten Antworten auf eine der wichtigsten Gesunderhaltungsfragen unserer Zeit noch am ehesten liefern könnten, nach denen aus irgendwelchen Gründen aber niemand fragen will. 

Die Teilnehmer der informellen Umfrage sind - angesichts von Dr. Tros Gefolgschaft: selbstverständlich - in der derzeitigen Form noch extrem Low-carb-lastig (meistens geht es außerdem um Low Carb in Verbindung mit viel Sport), unter anderem deshalb fand ich es angebracht, meinen eigenen Fall auch zu ergänzen, der trotz ein paar Überschneidungen in einigen Bereichen abweicht. Es würde mich echt interessieren, wie viele konventionelle Diäthalter sich auftreiben lassen, die vergleichbar erfolgreich gewesen sind - wieder nicht nur im Sinne einer Abnahme, sondern auch des Gewichthaltens. 

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Aus der Wissenschaft kommt ebenfalls ein interessantes neues Ergebnis; eine Studie (hier auch noch eine allgemeinverständlichere Zusammenfassung, ebenfalls aber auf Englisch, und für die Nicht-so-gern-Leser auch noch eine kurze Videoanalyse der Diet-Doctor-Website), in der der unbestechliche Dr. Ludwig wahrscheinlich etwas ganz anderes nachweisen zu können hoffte, aber nun getreulich auch das Unerwartete rapportiert. Eine Auswertung von zwei Studien, von denen die Teilnehmer der einen "Very Low Carb" ernährt wurden (7,5 % KH) und die der anderen "moderat" Kohlenhydrate zu sich nahmen (45 % KH), ergab nämlich, daß in allen beiden Gruppen umso mehr fettfreie Körpermasse verloren ging, je insulinresistenter sie zu Beginn der Studie gewesen waren. 

Unerwartet - für Low-Carb-Anhänger, aber auch für mich - daran war, daß dieser Effekt bei den Low Carb Ernährten aus der ersten Studie der Low Carb zugrundeliegenden Grundannahmen zufolge eigentlich geringer hätte ausfallen müssen, da eine solche Ernährung die Insulinresistenz eigentlich rasch verringert. 

Wie läßt sich das also erklären?

Das Erste, das mir durch den Kopf ging, war die Frage der losen Haut. Haut zählt zur fettfreien Masse, und sie MUSS weniger werden, wenn es nach dem Gewichtsverlust keine losen Hautlappen - die berüchtigten Fettschürzen - geben soll, die sich ja auch niemand wünscht. Insofern würde ich es für gar keine so tolle Nachricht halten, wenn man mir versprechen würde, daß ich mit Methode x garantiert 100 Prozent Fett und sonst gar nichts verlieren würde. 

Das wäre also meine erste Frage: Geht es hier WIRKLICH um verlorene Muskelmasse?

Das war einer der Gründe, warum ich diese Studie gründlicher durchgelesen habe, anstatt sie nur zu überfliegen, aber leider wird "lean mass" dort nicht näher spezifiziert - was möglicherweise damit zu tun hat, daß dies einfach beim besten Willen nicht möglich ist. Das aber bedeutet, daß man es auch nicht seriös beurteilen kann, ob das Ergebnis wirklich die schlechte Nachricht ist, für die Dr. Ludwig und Dr. Scher (im Video) sie halten. Dazu müßten sich die einschlägigen Gelehrten mal etwas einfallen lassen. Denn ich bestehe darauf, daß es NICHT schlecht ist, überschüssige Haut zu verlieren. Ich bin ja selbst heilfroh, daß meine Haut so gut mitschrumpft, und das noch mehr, seit ich im Abnehmforum, das ich vor einem Monat verlassen habe, bei zwei Leuten mitbekommen habe, WIE unangenehm das für längere Zeit ist, wenn man sich so eine Fettschürze entfernen lassen hat.

14 bzw. 10 Wochen ist mal wieder arg kurz, aber um den Faktor Insulinresistenz mit höherem Anteil fettfreier Masse bei der Abnahme zu bestimmen, meines Erachtens lang genug, denn 14 Wochen Low Carb sollte eigentlich ausreichen, um eine zuvor bestehende Insulinresistenz wesentlich zu verbessern. Wenn es also trotzdem keinen Unterschied bei der Relation Fett und fettfreier Masse im Vergleich zu der anderen Diätform beim verlornen Gewicht gibt, sondern derselbe Zusammenhang zu höherer Insulinresistenz und mehr verlorener fettfreier Masse sowohl bei einer Diät mit mehr als auch mti weniger Kohlenhydraten besteht, was bedeutet das dann wohl? 

Vielleicht hat die Sache ja etwas damit zu tun, daß es sich in beiden Studien um "hypokalorische" Diäten handelten, also um eine Energiezufuhr unterhalb des erwarteten Energiebedarfs, präziser gesagt: 60 Prozent des Energiebedarfs. Bei Low-Fat-Diäten ist diese Herangehensweise zwar die Regel, aber bei Low Carb eigentlich normalerweise nicht. Daß in dieser Studie dennoch ein Energiedefizit gewählt wurde, könnte etwaige Vorteile von Low Carb bei der Relation Fett/Fettfreie Masse bei der Abnahme also auch sabotiert haben. Dieser verbindende Faktor eines Energiedefizits von 40 % wäre aus meiner Sicht eine denkbare Erklärung dafür, warum beide Diätformen dieselbe Wirkung zeigten.  

Da die Insulinresistenteren auch - in beiden Gruppen - ein höheres Ausgangsgewicht zu verzeichnen hatten, kann es auch einfach sein, daß  dies der verbindende Faktor ist.

Es kann aber natürlich ebensogut sein, daß diese Sache in Wirklichkeit gar nichts bedeutet und die "verlorene Muskelmasse" einfach nur absorbierte Haut ist, was in der Phase der höchsten Abnahme vielleicht ja bei beiden Diätformen gar nicht so weit voneinander abweicht. Es geht ja hier nicht um wirklich hohe Abnahmen von, sagen wir: 50 Kilo, sondern um 10 bis 15 Prozent eines Ausgangsgewichts, das in der einen Studie knapp unter 100 (10 %: 10 Kilogramm) und in der anderen knapp unter 90 Kilogramm (10 %: 9 Kilogramm) lag.

Womöglich ist das sogar das Hauptproblem: Daß die Studienteilnehmer gar nicht repräsentativ für die Menschen sind, mit deren Problemen man sich vorrangig befassen sollte. Und damit landen wir wieder oben bei Dr. Tro.

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Ich fand gestern eine interessante Grafik zur Ernährungslage in Deutschland: 

(Quelle)

Woher die "Überversorgung" mit Fleisch um fast 20 Prozent kommt, kann ich mir in etwa vorstellen. Vor allem bei Schweinefleisch werden weniger gefragte Fleischteile in andere Länder, ich glaube, vor allem in Asien, exportiert, etwa die Köpfe, die Pfoten und so weiter. Aber die "Unterversorgung" bei Obst und Gemüse finde ich bemerkenswert. Ich glaube auch nicht, daß es sich wirklich um eine Unterversorgung im eigentlichen Sinne handelt, sondern das spiegelt wohl zum Teil wider, daß heutzutage alles zu jeder Jahreszeit angeboten wird (Stichwort etwa die berüchtigten Erdbeeren), also außerhalb der hiesigen Erntesaison zwangsläufig importiert werden muß. 

In meiner Kindheit gab es im Winter Äpfel (unsere eigenen, im Keller eingelagert) und aus dem Laden Orangen und Mandarinen als frisches Obst, das wurde damals auch nur von Spätherbst bis zum Ende des Winters angeboten. Erdbeeren, Stachelbeeren, Johannisbeeren, Himbeeren und Kirschen hatten wir in eingemachter bzw. später auch eingefrorener Form (sowie außerdem als Marmelade) ebenfalls aus dem eigenen Garten. 

Natürlich gibt es heutzutage aber auch eine Menge Obst und Gemüse in unseren Läden, die immer importiert werden müssen, weil bei uns einfach nicht das richtige Klima für ihren Anbau ist. Avocados etwa, oder Kiwis. Ich erinnere mich noch, wie teuer die früher waren, als sie noch aus Australien oder so kamen. Heutzutage sind sie in der Regel aus Italien und kosten teilweise keine 20 Cent pro Stück.

Daß fast dreißig Prozent der Eier importiert werden, finde ich ebenfalls bemerkenswert. Bei Eiern aus dem Ausland gelten wohl unsere Haltungsvorschriften nicht. Ich nehme an, die landen als Billigzutaten hauptsächlich in Industrieprodukten, obwohl ich jetzt nicht nachgeschlagen habe, wie hoch der Eierbedarf bei Fertigprodukten ist. Sicher bin ich mir aber, daß die keinen Wert auf Freilandeier legen.

Ich bin mir einigermaßen sicher, daß wir im Bedarfsfall imstande wären, uns selbst zu versorgen, denn Erdbeeren im Winter braucht man ja eigentlich nicht wirklich. Aber wer der Sache nicht traut, dürfte wohl mit einem Gemüsegarten mit außerdem noch zwei, drei Obstbäumen sowie einer Kühltruhe und Einmachgläsern auf der sicheren Seite sein, falls er Angst davor hat, die globalen Verhältnisse könnten die Versorgung auch in Deutschland verschlechtern. Oder wenn ein Garten nicht vorhanden ist, kann man ja wenigstens noch Balkongemüse ziehen. Ich bin wirklich gespannt, wie das mit den Gurken und Zucchini bei mir klappen wird, denn nach den Ergebnissen vom letzten Jahr, als ich freilich viel zu später begonnen hatte, träume ich tatsächlich von einer kontinuierlichen Gurken- und Zucchiniversorgung über den ganzen Sommer hinweg bis zum Herbst. Meine letzte Gurke habe ich letztes Jahr, glaube ich, im Oktober geernet.

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Es mehren sich meiner Meinung nach die Anzeichen dafür, daß der Peak bei den Immobilienpreisen mittlerweile überschritten ist und es nun bis auf weiteres mit den Preisen abwärtsgehen wird, worüber aber bislang noch nirgends in den einschlägigen Medien berichtet wird - diese Info also exklusiv als Erstes bei mir. Wer seinen Immobilienverkauf bislang immer wieder aufgeschoben hat, um den Moment mit den günstigsten Preisen abzuwarten, hat ihn wahrscheinlich bereits verpaßt, sollte aber immer noch einen guten Preis bekommen, wenn er JETZT verkauft. 

Was mir zuerst auffiel: Bei mir in der Stadt steigt die Zahl der angebotenen Eigentumswohnungen ungefähr seit kurz vor Weihnachten stetig weiter an, sie liegt gerade sicherlich 20 % höher als vor einem Jahr. Immer noch zu wahnsinnigen Preisen natürlich, aber offenbar werden die nicht mehr ohne weiteres bezahlt. Daraufhin warf ich mal einen Blick auf die Hypothekenzinsen bei meiner Hausbank und stellte fest, daß sie um ca. einen Prozentpunkt gestiegen sind. Das erklärt natürlich einiges. Dieser eine Prozentpunkt hin oder her erhöht die Finanzierungskosten nämlich ganz gewaltig. 

Wenn ich von meinen eigenen beiden Wohnungsfinanzierungen aus dem Jahr 2019 ausgehe, dann würde ich jetzt für dieselben Darlehen rund 300 Euro mehr im Monat bezahlen. Allerdings bekäme ich die beiden Wohnungen für den damals vereinbarten Preis gar nicht mehr, denn die Marktpreise für Objekte dieser Lage, Größe und Ausstattung sind in den knapp drei Jahren, seit der Kauf vereinbart wurde, um sage und schreibe 40 Prozent gestiegen. 

Tatsächlich lägen meine Mehrkosten pro Monat für den Kauf derselben Wohnungen also eher zwischen 400 und 500 Euro. 

Das ist schon irre. Nie im Leben hätte ich erwartet, daß sich meine Wohnungskäufe von 2019, die ich unter Renditegesichtspunkten nicht für allzu vorteilhaft gehalten habe (ich hatte andere Gründe, sie zu tätigen), nach so kurzer Zeit fast schon als Schnäppchen erweisen würden. Ich fand die Kaufpreise nämlich schon damals ziemlich überteuert und rechnete nicht damit, daß es noch allzu viel weiter nach oben gehen würde. Jetzt könnte es sich eventuell aber sogar erweisen, daß die Preise nach einem Platzen der Immobilienblase immer noch über dem liegen werden, was ich damals bezahlt habe. Und dazu noch die guten Darlehenskonditionen ... am Ende habe ich offenbar doch mit diesem Wahnsinnskauf ein richtig gutes Geschäft gemacht.

Weil ich mir ziemlich sicher war, daß dieser Zinsanstieg noch letzten November/Dezember nicht eingesetzt hatte, habe ich mal recherchiert, und wahrhaftig: Erst nach dem Jahreswechsel bouncte der Zinssatz deutlich nach oben. Mal sehen, ob sich die Zinsen auf jetzigem Niveau einpendeln oder weiter nach oben gehen. (Daß sie wieder sinken, bezweifle ich.) Sollten sie gar zu eilig nach oben schnellen, kann es sein, daß die Immobilienblase mit einem gewissen Knalleffekt platzt und eine Flucht aus der Immobilie den Abwärtstrend in einen Absturz verwandelt. Jeder Prozentpunkt mehr an Zinsen bedeutet ja, daß Käufer sich entsprechend noch weniger Wohnfläche leisten können (die Grenzen setzt für gewöhnlich die Hausbank, auch wenn der Käufer eigentlich die höheren Kosten zu stemmen bereit wäre), aber ebenso, daß für einen immer größeren Anteil Wohnungssuchender der Wohnungskauf im Vergleich zu Mietwohnungen zu aktuell üblichen Mieten sich einfach nicht mehr lohnt. 

Am Mietwohnungsmarkt, auch das haben viele noch nicht mitgekriegt, hat ja seit Corona eine gewisse Erholung stattgefunden, die vor allem deshalb bislang unbemerkt geblieben ist, weil der Rückstau an Wohnungssuchenden so gewaltig war. Alles, was der Markt zu halbwegs akzeptablen Konditionen anbot, wurde in irrsinnigem Tempo aufgesaugt. Inzwischen sollte es langsam sichtbar geworden sein; mein Mann hat zum Beispiel neulich erzählt, in seinem Kollegenkreis seien gerade fast alle am Umziehen. Plötzlich finden die Leute also wieder Mietwohnungen.

In meiner Stadt werden bei Immoscout aktuell weniger Mietwohnungen als letztes Jahr, aber immer noch dreimal so viele angeboten wie vor Corona - und neuerdings ist der Anteil der mietspiegelgerechten Angebot auf ca. ein Drittel aller Angebote angewachsen. Das gab es hier schon seit Jahren nicht mehr. Ebenso habe ich einen so niedrigen Anteil an möbliertem Wohnraum lange nicht mehr gesehen. Das waren eigentlich immer so um die 30 %, in den schlimmsten Zeiten auch noch mehr. Jetzt sind es noch 15. 

Dieses Geschäftsmodell lohnt sich wohl nicht mehr so richtig. Ich kann nicht behaupten, daß mir das leid täte. Diese Abzocker haben in den letzten Jahren das Bild der Branche geprägt und allen anständigen Vermieter auch einen schlechten Ruf verschafft. Gut, daß sich die Verhältnisse gerade etwas zu normalisieren scheinen. Auch deshalb, weil in genügend anderen Bereichen die Preise steigen. Ziehen dann die Löhne auch noch nach, sollten die aktuell so exorbitant wirkenden Miethöhen - sofern sie jetzt wirklich eine Stabilitätsphase erreicht haben sollten - sich im Lauf der nächsten Jahre wieder relativieren und wieder im bezahlbaren Rahmen sein. Das habe ich ja schon einmal erlebt, nachdem sich die Wohnungsnot der frühen Neunziger allmählich wieder entspannte. 

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So, aber einen hab ich noch: Ich habe heute zum ersten Mal Low-Carb-Eis gemacht und muß jetzt erst mal testen, bevor ich morgen meinen Mann damit überrasche!