Freitag, 25. Oktober 2019

Visionäres Fasten

Aktuelles Gewicht von heute früh, dem dritten Fastentag der Woche: 103,6 Kilogramm. Mit anderen Worten: Nix ist es einstweilen mit 99,9. Im Gegenteil bin ich in meine übliche "Herbst-Zunahme" hineingerutscht, das heißt, ich habe meine Fastenwoche mit ungefähr einem Kilo mehr angefangen, als ich vor einem Monat schon hatte, und für morgen früh rechne ich wieder mit 101,x Kilogramm, also ungefähr Stillstand im Vergleich zur Zeit vor einem Monat. Die gute Nachricht lautet: Wenn es so läuft wie in den letzten beiden Jahren, dann geht die Abnahme von dem neuen höheren Gewicht aus normal weiter. Ich hätte so gerne die 100 Kilo vor dieser Zunahme noch unterschritten, aber da es nun einmal nicht hatte sein sollen, füge ich mich halt ins Unvermeidliche.

Vorgestern beim EMS-Training bekam ich dafür ein nettes Kompliment von einer Bekannten, die ich ca. drei, vier Wochen nicht gesehen hatte: Ich hätte mich verändert und sähe toll aus, fand sie. Sie zeichnete mit den Händen eine Sanduhrform in die Luft, um zu illustrieren, was sie meinte. Das war zwar ein bißchen übertrieben, Marilyn-Monroe-Maße habe ich noch lange nicht. Aber in der Tat, obwohl meine Waage behauptet, ich hätte nicht etwa ab-, sondern im Gegenteil sogar zugenommen, sehe ich ganz besonders an meinem geringelten superbequemen Schlauchkleid, daß mein Bauch sich in den wenigen Wochen seit dem Kauf total verändert hat. Als das Kleid neu war, habe ich es nur daheim angezogen, weil man an ihm deutlich sah, an welchen Stellen meine Körperform noch erheblich zu wünschen übrig ließ (aber dafür ist es halt superbequem). Inzwischen kann ich mich darin unbesorgt auch vor anderen Leuten blicken lassen.

Vielleicht bewirkt ja der endlich wieder etwas nachlassende Streß, daß ich die 100 unterschreite. Das Projekt, das mich in den letzten Wochen zunehmend nervös gemacht hat, weil ich befürchtete, die Deadline zu reißen, ist rechtzeitig abgeschlossen worden, meine Wohnungskäufe sind unter Dach und Fach, der Kaufpreis wird am Montag an die Verkäuferseite überwiesen und zum 1.11. erwarte ich die ersten Mietzahlungen. Seit heute sieht es außerdem so aus, als wäre auch der Wohnungsverkauf, der mein Eigenkapital beim Kauf darstellt, unter Dach und Fach. Ich wurde jedenfalls von den Interessenten, die besichtigt haben, gebeten, gleich am Montag einen Notartermin auszumachen. Bis zum 1.12., nehme ich an, komme ich endlich wieder, vor allem finanziell, aber auch zeitlich in normales Fahrwasser. Seit Ostern mache ich mit dieser Wohnungssache jetzt schon herum, und ich bin heilfroh, daß die Übergangsphase, in der die Normalität von vorher schon vorbei, aber noch keine neue entstanden ist, jetzt nicht mehr allzu lange dauern wird.

Die Begeisterung darüber hat mich buchstäblich zum ersten Mal in zwei Jahren in Versuchung gebracht, meinen Fastentag vorzeitig abzubrechen, denn das ist ja ein guter Grund zum Feiern. Aber feiern kann ich auch noch morgen, also habe ich der Versuchung tugendhaft widerstanden. Trotzdem, ich glaube, ich verziehe mich jetzt mit einem Schmöker ins Bett und lasse den Tag ausklingen.

Den morgigen Tag werde ich dann damit beginnen, ein Fladenbrot zu machen. Unglaublich, daß ich erst jetzt dahintergekommen bin, wie einfach das ist und wie wenig Zeit es kostet. Zu meiner Verteidigung kann ich nur vorbringen, daß ich in den letzten Jahren mit einem Backofen zu tun hatte, bei dem die Temperatur nicht reguliert werden konnte, und deshalb nicht besonders experimentierfreudig war. Den entscheidenden Anstoß hat mir aber der Kauf eines Backbretts vor ein paar Wochen gegeben.

Seit drei Wochen gibt es nun bei uns jedes Wochenende frisch gebackenes Fladenbrot zum Frühstück, und ein so gutes Fladenbrot habe ich nicht mehr gegessen, seit vor über zehn Jahren der kleine türkische Lebensmittelladen zugemacht hat, in dem die Chefin selbst am Backofen stand. Irgendwann will ich auch mal wieder ein "richtiges" Brot machen, und diesmal nicht aus einer Backmischung, sondern "zu Fuß", mit Sauerteig und so, aber diesen Teig müßte ich länger gehen lassen und das Backen dauert auch länger, da ist das Fladenbrot die bequemere Variante, wenn man es erst morgens machen will und es zum Frühstück fertig und abgekühlt sein soll.

Wir frühstücken am Wochenende immer spät - zwischen 12 und 13 Uhr, morgens nach dem Aufstehen mag ich noch nichts essen, und mein Mann will unbedingt vor dem Frühstück noch einkaufen und trödelt dabei ziemlich herum -, aber dafür opulent und schließen die Sache normalerweise mit einem selbstgebackenen Kuchen ab (aber ja, natürlich mit Sahne, mein Mann findet, Kuchen ohne Sahne sei gar kein richtiger Kuchen). Den backe ich, während der Teig für das Fladenbrot geht. Ich weiß bloß noch nicht, was für einen ich diesmal machen soll. Marmorkuchen oder doch einen Apfelkuchen, in den dann meine letzten Boskop-Äpfel reinkommen? Wir hatten schon letzte Woche einen, das spräche eigentlich gegen Apfelkuchen, aber andererseits schmeckt er mit genau diesen Äpfeln besonders gut. Ich entscheide das morgen früh am besten live.

Einer der Gründe, warum mein Mann überhaupt kein Problem mit meinen Fastentagen hat, liegt darin, daß ich an manchen Fastentagen "Visionen" bekomme, nämlich vor irgendetwas Leckerem zum Essen, das mir nicht mehr aus dem Kopf geht. Das führt mich keineswegs in quälende Versuchungen, sondern zu Plänen für den nächsten Tag. Da man meinen Mann mit gutem Essen richtig glücklich machen kann, schätzt er meine Visionen sehr. Heute hatte ich aber keine Vision, deshalb fällt mir die Entscheidung mit dem Kuchen so schwer.


Donnerstag, 3. Oktober 2019

Mit den Worten "Fakt ist ..." wird meistens eine glatte Lüge eingeleitet.

Erst einmal das Persönliche: Gestern wog ich nach meinem ersten Fastentag der Woche sehr erfreuliche 101,6 Kilogramm (minus 2,8 Kilogramm nach dem Fastentag!). Heute morgen waren es weniger erfreuliche 103,2 (plus 1,6 Kilogramm). Aber vielleicht werde ich ja mit einer 2,3-Kilogramm-plus-x-Abnahme überrascht und lande morgen doch endlich mal unter 101? (Ich glaub's aber erst, wenn ich es sehe ...)

Natürlich enthalten die "abgenommenen" 2,8 Kilo zwischen 2,6 und 2,7 Kilo Wasser. Aber so viel Wasser auf einmal habe ich schon lange nicht mehr verloren, obwohl das bis ca. Februar dieses Jahres für den ersten Fastentag der Woche im ganz normalen Bereich gewesen ist. Und: Am zweiten Fastentag der Woche verlor ich in dieser Zeit selten weniger als mindestens 2 Kilogramm. Sollte sich also mein Stoffwechsel aus irgendeinem Grund verändert haben und höhere Flüssigkeitsschwankungen verursachen, könnte es vielleicht sogar klappen mit den 2,3 Kilo.

Wer hier regelmäßig mitliest, hat es vielleicht schon bemerkt: Ich reagiere auf manche Begriffe und Redewendungen, die typisch für unsere mediale Wissenschaftskommunikation sind, ziemlich gereizt. Eine dieser Redewendungen lautet "Fakt ist ...". Gelesen habe ich sie im vorliegenden Fall hier
 Fakt ist, dass die Ernährung kausal mit dem Erkrankungsrisiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus Typ 2 sowie weiteren Erkrankungen verbunden ist.
Das ist, mit Verlaub, Dummfug. Um eine kausale Verbindung nachweisen zu können, müßten die Ursachen und Wirkungen durchschaut werden, und das ist in Sachen Ernährung und Krankheiten schlicht nicht der Fall, auch wenn viele Mutmaßungen über kausale Zusammenhänge existieren.
Was hingegen bekannt ist, sind sogenannte "Korrelationen", ermittelt auf statistischem Wege: Es wurde festgestellt, daß Studienteilnehmer, die Lebensmittel x konsumieren, häufiger an Krankheit y leiden als andere, die auf es verzichten.

Auf dieser Basis sind praktisch alle Ernährungsempfehlungen der letzten Jahrzehnte erfolgt, und auf den ersten Blick leuchtet diese Vorgehensweise auch ein. Denn manche Zusammenhänge scheinen tatsächlich so überdeutlich zu sein, daß es nicht riskant, aber dafür gesundheitlich sehr erfolgversprechend erscheint, sich an ihnen zu orientieren. Was für ein grober Kunstfehler es ist, solche Korrelationen mit Kausalität zu verwechseln und dabei gar zu forsch vorzugehen, beweisen aber die unzähligen Fälle, in denen man sich nach vielen Jahren oder gar Jahrzehnten korrigieren und wieder zurückrudern mußte, weil sich die "wissenschaftlich bewiesenen" Empfehlungen als falsch herausgestellt haben. Das liegt daran, daß der menschliche Stoffwechsel komplex ist und immer viel zu viele Faktoren zusammenwirken, als daß wirklich eingeschätzt werden könnte, welche kumulierte Wirkung aus diesem komplizierten Wechselspiel der Verzicht auf einen einzelnen für gefährlich gehaltenen Faktor in Wirklichkeit haben wird.

Wegen des Cholesterins auf Eier verzichten, was jahrzehntelang empfohlen wurde, gilt heute als unnötig, und vor Margarine statt Butter wird mittlerweile sogar gewarnt. Daß Salzmangel lebensgefährlich sein kann, hindert bis heute viele Ärzte nicht daran, salzarme Kost für gesünder zu halten. Skurril, aber eher traurig und empörend als zum Lachen fand ich eine kurze Zeitungsnotiz aus einer US-Zeitung der achtziger Jahre, in der über den Erfolg einer Gesundheitskampagne gejubelt wurde, nachdem US-Fastfoodketten als Reaktion auf den mit der Kampagne verbundenen Druck den "ungesunden" Rindertalg zum Braten und Frittieren durch nach damaliger Meinung "gesunde" Transfette ersetzten. (Leider habe ich dazu keinen Link, denn es war ein Zufallsfund vor etlichen Jahren - just zu der Zeit, als die Gefährlichkeit der Transfette einschließlich der Empörung über die böse Fastfoodindustie, die sie verwendet, gerade in allen Medien war -, den ich nicht wiedergefunden habe.)
Fakt ist auch, dass es keinen einzelnen Ernährungsfaktor gibt, der für sich alleine kausal mit dem Erkrankungsrisiko verbunden ist. Entscheidend für die gesundheitliche Wirkung ist die Zusammensetzung der gesamten Ernährung.
heißt es dann weiter. Das klingt vage und ein bißchen defensiv, und dafür hatten die Autoren auch einen triftigen Grund: Ihr Anliegen bestand darin, eine wissenschaftliche Studie mit mißliebigem Inhalt zu kritisieren; dabei ging es um die Frage, ob Fleisch womöglich doch nicht so krankmachend sei, wie das in den letzten Jahren als "ernährungsmedizinischer Fakt" gehandelt wurde. "Fakten" einer ganz ähnlichen Kategorie wie die einstige Warnung vor Eiern und Butter.

Ganz ehrlich: In diesen Teilbereich der Ernährungsthematik habe ich mich nie eingefuchst, also kann ich weder die Qualität der kritisierten Studie noch die Einwände ihrer Kritiker inhaltlich beurteilen. Was ich aber beurteilen kann, ist, daß die Kritiker den Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität entweder nicht kennen oder es für ratsam gehalten haben, in einer Frage, in der sie mit Widerspruch kaum zu rechnen haben, weil die meisten Leute den Fehler gar nicht erkennen würden, "alternative Fakten" zu verbreiten.

Wenn ich also in einem Bereich, den ich beurteilen kann, erkennbar angelogen wurde, warum sollte ich denselben Leuten dann in einem Bereich vertrauen, den ich nicht beurteilen kann?

Ach ja, noch was: "Fakten" sind nicht dasselbe wie "die Wahrheit", das ist den meisten Leuten nicht klar. Man kann auch mit Fakten lügen, und das sogar, ohne sie mit einer einzigen nachweisbaren Unwahrheit zu mischen. Die Kunst des Lügens mit Fakten besteht darin, falsche Assoziationen zu wecken, also durch Aufbau der Argumentation, Wortwahl und ggf. Weglassen unpassender Details dafür zu sorgen, daß die Lüge nirgends ausgesprochen werden muß, sondern erst im Kopf des Lesers/Zuhörers entsteht.

Aber das ist eine Variante für Fortgeschrittene, die hier nicht vorliegt. Im Grunde bin ich übrigens sogar ganz froh darum, daß ich auf den ersten Blick sehen konnte, daß mir hier einer vom Pferd erzählt wird.