Montag, 30. Dezember 2019

Borstentiere und Fäkalorkane (Vorsicht, Text hat Überlänge!)

Mein Gewicht heute morgen am ersten Fastentag nach den Feiertagen: 104,6 Kilogramm ... mehr als ich erwartet, aber weniger, als ich schlimmstenfalls befürchtet hatte. Ich denke gar nicht daran, mich darüber zu ärgern. Nach dem letzten Weihnachten hatte ich in KW 2, als ich meinen gewohnten Fastenrhythmus wieder aufnahm, 1,3 Kilogramm mehr als am Wochenbeginn von KW 51 vor Weihnachten. Es wäre schön gewesen, wenn ich diesmal nicht zugenommen hätte, aber zum Teufel damit. Falls der geplante zusätzliche Fastentag in KW 3 genauso wirken sollte wie der vor Weihnachten, sollte ich Mitte Januar bereits unter meinem Gewicht von KW 51 liegen.

Aber eigentlich schreibe ich diesen Beitrag aus einem ganz anderen Grund, und der ist ein bißchen off topic. Ich glaube aber, ich muß das jetzt unbedingt loswerden, damit es aufhört, mir um Kopf herumzugehen. Ich meine die ausgesprochen unkomische Satire um "meine Oma, die alte Umweltsau", über die der WDR einen Kinderchor nach der Melodie von "Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad" singen ließ.

Mittlerweile hat bereits jeder Hund sein Bein an diesem Baum gehoben. Der Antrieb, mich auch noch schriftlich dazu zu äußern (noch dazu in ziemlich ausgeuferter Langform), sind Semiprominente wie der durch eine (ebenfalls ziemlich schlechte) Satire und die daraus resultierenden politischen Verwerfungen, die er geschickt für maximale Medienaufmerksamkeit zu nutzen verstand, populär gewordene Jan Böhmermann, der mit folgender Einlassung




den Eindruck erweckt - den aber auch schon andere vor ihm zu vermitteln versucht hatten -, man könne als normaler, nicht fremdgesteuerter Mensch ohne ideologische Indoktrinierung gar nichts gegen eine Satire haben, in der unschuldige Enkelstimmen im Chor "Meine Oma ist eine alte Umweltsau" singen.

Dem möchte ich widersprechen. Ob ich normal bin, darf gerne jeder selbst entscheiden, aber fremdgesteuert bin ich nicht, und Ideologien habe ich in meinem Leben schon so viele geglaubt und später als falsch erkannt und wieder verworfen, daß ich eine solidere Immunität vorweisen kann, als wäre ich dagegen schon als Kleinkind geimpft worden. Ich genieße gelungene Satiren schon seit anno Ephraim Kishon, und ich lache gerne und viel, auch und sogar mit besonderer Vorliebe über mich selbst. Aber: Ich fand das Umweltsau-Lied keine gelungene Satire. Es war nichts weiter als plump bösartig und ein bißchen dümmlich. Außerdem hat mein Ideologie-Warnmelder zu piepsen begonnen: Zwischen den Zeilen transportierte das Lied eine zeitgeistige Ideologie, die durchaus hinterfragbar ist: Koteletts essen ist böse, nur als Beispiel. Im Discounter kaufen ist böse. 

Das trifft perfekt die Vorstellungen einer ganz bestimmten Zielgruppe: den typischen gutsituierten Ökospießer von heute, der sich einbildet, wenn er im Biosupermarkt nach veganen Kriterien (womöglich in Form von Alnatura-Fertiggerichten) einkauft, lebt er trotz täglichem Elterntaxi zur Schule für die Kinderlein und mindestens zwei Fernreisen pro Jahr - gerne in Gegenden, die der neue Lonely Planet als "noch unverdorben" anpreist ... was bedeutet: er leistet einen aktiven Einsatz, um sie schnellstmöglich zu verderben - viel umweltfreundlicher als seine Oma, die bei Lidl Kartoffeln, Milch und Butter statt Tütenkartoffelbrei einkauft,  nur weil sie zusätzlich ein Schnitzel oder, wie im Lied, Kotelett miterwirbt. In Wirklichkeit ist die Bio-Avocado, von der der gemeine Veganer so schwärmt, umwelttechnisch mindestens genauso bedenklich. Der größte Unterschied besteht unter dem Strich darin, daß der eine einkauft, um mit dem, was er ißt, ein politisch korrektes Statement über seine Lebensphilosophie abzugeben, während die andere bloß einen Haushalt zu führen versucht.

Kochen ist für viele Frauen meiner Altersgruppe keine Kunstform, die mit möglichst teuren gerade angesagten Zutaten in ebenfalls superteuren Gerätschaften zelebriert werden muß, wie sich das besagte Zielgruppe gerne einbildet - und die Ökobilanz des elitären Equipments wird selten mit einbezogen -, sondern eine täglich wiederholte Alltagsverrichtung, bei der jeder Kochlöffel, jeder Topf, jeder Kartoffelschäler durchschnittlich zwanzig bis dreißig Jahre lang in regelmäßiger Benutzung ist. Das dabei hergestellte Essen soll satt machen und gut schmecken, keine Ideologie erfüllen. Aber genau deshalb behaupte ich: Die Oma hat unter dem Strich fast immer die bessere Ökobilanz, und zwar auch dann, wenn sie, wie im Lied, täglich Kotelettes bei Lidl einkaufen sollte, was allerdings keine Hausfrau mit einem Funken Verstand tun würde, denn spätestens nach einer Woche schmeckt es auch dem größten Kotelett-Fan nicht mehr und er fängt bei Tisch an, von Pastagerichten oder überbackenem Blumenkohl zu phantasieren. 

Ich habe noch keine Enkelkinder, aber mir ist klar, daß ich in dem Lied generationentechnisch mitgemeint bin. Kritiker des Lieds, in der Regel Leute meines Alters, suggerieren fälschlicherweise etwas Unrichtiges, indem sie ihre Empörung daran festmachen, daß die Generation ihrer eigenen Großeltern - als gesamte Generation gesehen -  umweltunschädlicher gelebt habe als die singenden Kinderlein und deren Eltern. Das ist auch unzweifelhaft wahr. Nur: Die Rede ist von uns, den heute Fünfzig- bis Sechzigjährigen, nicht von unseren Eltern oder Großeltern. Meine Eltern und Großeltern sind nie in Urlaub geflogen, meine Großeltern noch nicht einmal mit Bus oder Bahn in Urlaub gefahren. Sie besaßen nur wenige elektrische Geräte und verzehrten Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten (und haben es auch uns in unserer Kindheit aufgetischt). Damit sind sie durchaus repräsentativ für ihre Generation, denn das war seinerzeit ganz normal.

Von uns heutigen Mittfünfzigern - wieder als Generation betrachtet - kann man dasselbe aber kaum guten Gewissens behaupten, auch wenn ich persönlich keinen Grund habe, mich als "alte Umweltsau" zu betrachten: Ich habe nie ein Auto besessen, in meinem ganzen Leben nur ein halbes Dutzend Flugreisen hinter mich gebracht, darunter kein einziger Langstreckenflug, ich bin kein Konsumjunkie und kaufe Alltagsgegenstände gerne auf Flohmärkten (nicht aus ideologischer Überzeugung, sondern weil mir das bunte und oft überraschende Durcheinander dort besser gefällt als das weitgehend uniforme Styling der gerade in Mode befindlichen Designs). Ich kaufe viel auf dem Wochenmarkt ein, habe mit aller Selbstverständlichkeit, und zwar schon seit Jahrzehnten, immer zwei Stofftaschen für Einkäufe im Rucksack, koche selbst und backe sogar mein Brot lieber im eigenen Backofen, als abgepackte Ware zu kaufen. Einen Grund, mir persönlich diesen Schuh anzuziehen, habe ich weiß Gott nicht. Trotzdem, für das Konsumverhalten meiner Generation fühle ich mich auch nicht repräsentativ.

Was mich an dem Lied stört, ist, daß darin gar nicht von einer Generation die Rede ist, sondern - und zwar gesungen von Kindern, die alle auch Großeltern haben - von "Meine Oma". Das ist etwas ganz anderes, wenn man sich vergegenwärtigt, was wir selbst denken und empfinden, wenn wir "Meine Oma" sagen ... und noch mehr, wenn wir uns noch daran erinnern können, was wir als Kinder dachten und empfanden. Es ist nämlich in den meisten Fällen keine bewußte Heuchelei, wenn die Empörung der eigentlich mit dem Lied angesprochenen Generation sich darauf begründet, daß sie dabei an ihre eigenen Großeltern oder, sofern man selbst Kinder hat, vielleicht auch die Generation der Großeltern der Kinder, also die eigenen Eltern denken. Derselbe Lapsus ist genauso zahlreich auch unter den Wohlwollenden geschehen, ich denke da etwa an die Grünen-Politikerin Simone Peter, die sich öffentlich für das Recht von "Fridays for Future" verkämpfte, den Großeltern ihren (hoffentlich?) baldigen Tod aufs Butterbrot zu schmieren und dies Satire zu nennen und dabei mit ihrem kürzlich verstorbenen 92jährigen Vater argumentierte, der, so war sie sich ganz sicher, gar nichts dagegen gehabt hätte. Nur war ihr Vater gar nicht gemeint. In Wirklichkeit hätte sie selbst sich angesprochen fühlen müssen; sie ist derselbe Jahrgang wie ich.

Aus Perspektive von Kindern ist ihre Oma alt. Auch wenn die Omas von heute (oder die Nicht- bzw. Noch-nicht-Omas gleichen Alters wie etwa Simone Peter) sich oft einbilden, man könne sie immer noch mit Mittzwanzigern verwechseln, könnten sie sich mit den Augen ihrer Kinder und Enkel sehen, wüßten sie genau, daß sie es nicht mehr sind. Als ich zehn, fünfzehn, zwanzig Jahre alt war, das weiß ich noch ganz genau, war für mich alles, was jenseits der vierzig war, in gleicher Weise "alt". Die Erfahrung, daß ein Dreißig-, Vierzig- Fünfzigjähriger sich selbst keineswegs alt fühlt und für sich den Begriff "alt" immer wieder neu definiert hat, stand mir da noch bevor.

Wer alt ist, das weiß auch jedes Kind, wird irgendwann sterben, weil das mit alten Leuten nun einmal passiert.

Mich störte an dem Lied nicht einmal so sehr der Begriff "Umweltsau", obwohl er Gossensprache ist und aus dieser Eigenschaft heraus für sich alleine noch lange keine satirischen Qualitäten hat, und ein gelungener Kontext ist ebenfalls nicht gegeben. Vielleicht fügt das Wort sich dafür ja ganz gut in die Alltagssprache heutiger Kinder? In diesem Bereich bin ich mangels Enkelkindern nicht ganz auf dem laufenden, also geben wir diesem Aspekt "the benefit of the doubt". Was mich aber eigentlich stört, ist die Kombination "alte Umweltsau", denn damit wird - ob wissentlich oder unwissentlich - ausgedrückt, die Oma sei zwar eine Umweltsau, aber (glücklicherweise?) ja alt, also gewissermaßen fast schon scheintot. Etwas ähnliches hatte ja erst vor wenigen Tagen auch der offizielle Twitter-Account der deutschen Fridays for Future-Bewegung sogar ganz ausdrücklich geschrieben, also ist das auch kein weit hergeholter, sondern ein ziemlich naheliegender Gedanke.



Was ich mich deshalb außerdem frage: Wie groß ist eigentlich der gedankliche Schritt zwischen der Überlegung, daß wir "Omas und Opas qua Generation", erstens, alle Umweltsäue sind und zweitens sowieso schon mit einem Bein im Grab, zu der Frage, ob man bei dem anderen Bein da vielleicht ein bißchen nachhelfen könne, zum Wohle der Umwelt und so, der die Oma in dem Fall dann wenigstens nicht weiter all die gräßlichen Dingen antun könne, die sie andernfalls vielleicht noch jahrelang machen wird.

Wie es von den Autoren des Lieds gemeint war, ist mir in diesem Zusammenhang piepegal. Was ich mich nämlich frage, ist, was es mit den singenden Kindern gemacht hat, daß ihnen von den Autoren des Texts, dem Chorleiter sowie ihren eigenen Eltern - den Kindern der Großeltern - implizit, also zwischen den Zeilen, vermittelt wurde, es sei völlig okay, in solchen Kategorien über ihre Großeltern zu denken. Dazu muß keiner von denen irgendwelche bösen Absichten gehabt haben, und solche Gedankenverbindungen müssen den Kindern selbst gar nicht bewußt sein; es reicht, daß sie eventuell tatsächlich entstanden sein und irgendwann einmal an irgendeiner unerwarteten Stelle eine Wirkung erzielen könnten. Das muß ja nicht gleich eine neue Euthanasiebewegung oder die Todesstrafe für "Umweltsäue" werden, aber die Richtung ist in jedem Fall eine, die in zwanzig, dreißig Jahren höchstwahrscheinlich mit demselben zornigen Unverständnis betrachtet werden wird wie heute andere zeitgeistgetriebene pädagogische Verirrungen früherer Zeiten wie etwa die Bemühungen durchaus gutmeinender Alternativer in den Achtzigern um eine befreite Sexualität von Kindern, die ihnen heute erkennbar ganz schön peinlich geworden ist, und zwar mit guten Gründen. Man möchte den heutigen Speerspitzen des Zeitgeists einen besseren Instinkt wünschen.

Was ich mich außerdem frage: Wer zum Teufel hat eigentlich wirklich über dieses Lied laut auflachen können? Was war komisch an den Bildern im Kopf, die es erzeugen wollte? Gibt es irgendwen, der ernsthaft für eine gelungene Satire hält, wenn die Oma in dem Lied mit dem SUV zum Arzt fährt und unterwegs zwei Rentner mit Rollator überfährt, aus welchem Grund auch immer das sein mag (Augenprobleme? Schlechte Autofahrerin?)?

Falls das wirklich als Satire durchgehen kann, steht es um diese Kunstform schlechter, als ich bislang geglaubt habe. Und das, obwohl ich die Witze in der "Anstalt" schon vor zehn Jahren nicht mehr genießen konnte und schließlich ganz aufhörte, solche Sendungen anzuschauen, weil ich geistig in die Knie gehen oder mich sinnlos hätte besaufen müssen, um mich auf ein intellektuelles Niveau hinunterzudenken, dessen Vorstellung von Satire sich größtenteils darauf beschränkt, die hängenden Mundwinkel der Bundeskanzlerin nachzumachen.

Es sind aber tatsächlich und unabhängig davon harte Zeiten für Satiriker geworden, wenn man ständig damit rechnen muß, daß alles, worüber man vor wenigen Jahren noch lachen konnte, schon morgen in vollem Ernst umgesetzt werden könnte, wie das etwa mit dem dritten Geschlecht "divers" für alle diejenigen, die sich weder als Männlein noch als Weiblein identifzieren wollen, bereits geschehen ist. Aber das ändert nichts daran, daß das oberste Gebot für eine gelungene Satire darin besteht, daß sie treffend sein muß. Bitte mal alle die Hand heben, die finden, eine Oma, die zehnmal im Jahr eine Kreuzfahrt macht, die tatsächlichen Verhältnisse in der Gesellschaft auf treffende Weise karikiert.

Satire darf daneben aus Perspektive der Machtlosen die Mächtigen auch mit groberen Geschützen aufs Korn nehmen ... und dann kann auch mit allem Grund von den letzteren verlangt werden, daß sie gute Miene zum fiesen Spiel machen, auch wenn es bei ihnen "autsch" gemacht hat. Überhaupt nicht komisch ist es dagegen, sich als Stärkerer über Schwächere lustig zu machen. Das gilt auch dann, wenn die Wortwahl vergleichbar sein sollte. Wer glaubt, meine Generation sei mit "alte Umweltsau" gut karikiert worden, der wird sich zum Beispiel wohlweislich hüten, jemanden als "schwule Sau" zu bezeichnen, auch und vermutlich sogar ganz besonders nicht in einer Satire. Mit der Oma ist also irgendetwas anders als mit dem Schwulen. Womöglich hält man ihn für schutzbedürftig, aber sie für besonders stark und mächtig?

Eine ganze Generation mit "Macht" gleichzusetzen, kann aber eigentlich nur der Generation der Kinder dieser Generation eingefallen sein, die sie in ihrer Kindheit in genau dieser Rolle erlebt haben, Altersgruppe so Mitte 20 bis Mitte 30, und ich würde deshalb mein letztes Hemd darauf verwetten, daß der Text von einer Person aus dieser Altersgruppe stammt.
 
Um eine Redewendung eures Idols Greta aufzugreifen: How dare you?

Mögen eure eigenen Kinder euch gegenüber in 10 bis 15 Jahren genausowenig Gnade walten lassen wie ihr uns gegenüber. Sowohl konsum- als auch mobilitätstechnisch schlagt ihr uns nämlich um Längen, und bei den CO2-Fußabdrücken seid ihr uns um mehrere Schuhgrößen voraus.

Eine ganze Menge Umweltschweinereien meiner Generation habt außerdem in Wirklichkeit doch auch ihr euch zunutze gemacht. Weil ich mein Kind aus Geldmangel den größten Teil seiner Kindheit nicht verwöhnen konnte, weiß ich nämlich ganz genau, WIE verwöhnt ihr - als Generation betrachtet - während der Neunziger gewesen seid. Ich hatte meinem Kind damals nämlich zu erklären, warum es diese oder jene Selbstverständlichkeit anderer Kinder, vom Gameboy über die Markenjeans bis zum Urlaub auf Kreta oder in der Dominikanischen Republik, für ihn nicht gegeben hat. Nach genau solchen Kriterien habt ihr, wieder als Generation betrachtet, andere Kinder be- und verurteilt und gerne auch mal nach allen Regeln der Kunst gemobbt. Habt ihr womöglich sogar daraus gelernt, daß es okay ist, Omas zu mobben?

Was ich euch aber übler nehme als alles andere, ist, daß mir nun unweigerlich, wenn ich das Original des Lieds "Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad" höre, euer dumpfbackig-moralinsaurer neuer Text einfallen wird. Ich mochte dieses Lied nämlich immer sehr gerne. Es ist lustig, ohne sich dabei über die besungene Oma lustig zu machen, statt dessen wird sie als eine Frau ohne Angst vor, sondern mit verblüffenden und skurrilen Ideen zur Verwendung der modernen technischen Errungenschaften von vor hundert Jahren beschrieben. Welcher Enkel wäre auf so eine selbstbewußte und originelle Oma nicht stolz, auch heute noch? Mit so einer Oma kann man außerdem eine Menge Spaß haben und immer wieder etwas erleben.

Zum Glück kann ich selbst wählen, was für eine Art von Oma ich einmal sein will. Meine Enkel werden mit mir immer etwas erleben und viel zu lachen haben, auch wenn ich weder Hühnerstall noch Motorrad besitze. Und da ich ebenso immer noch kein Auto habe, weiß ich auch genau, wie man das anstellt, ohne dafür vorher erst mal hundert Kilometer durch die Gegend fahren, einen Haufen Geld ausgeben und sich durch die von derselben Fernsehwerbung angefixten Menschenmassen zu quälen, die unbedingt alle zur selben Zeit dieselbe angeblich supertolle Attraktion für Kinder heimsuchen müssen.

Moralpredigten werden meine Enkel von mir keine zu hören bekommen; alles, was ich ihnen vermitteln möchte, kann ich ihnen ja einfach vorleben. Das kann aber durchaus auch quer stehen zu dem, was diejenigen, die immer mit hängender Zunge dem Zeitgeist hinterherhecheln, anderen am liebsten per Gesetz vorschreiben würden (und das ist alle zwei, drei Jahre natürlich irgendetwas anderes, und wenn man nur lange genug wartet, das Gegenteil dessen, was sie zuvor verlangt haben).

Meine Enkel werden von mir zum Beispiel definitiv keine vegane Kost vorgesetzt bekommen, aber genausowenig "Bärchenwurst", geschweige denn Dosenfraß und Fertigpizza. Nicht aus moralischen Gründen, sondern weil ich kochen kann und das, was ich koche, viel besser schmeckt als das, was Dr. Oetker und Konsorten in ihren Laboratorien zusammenmixen. Zuckerfrei gibt es bei mir auch nicht, aber sie werden den Geschmack von selbstgebackenem Kuchen und natürlich meines legendären Tiramisu kennen- und lieben lernen und die Plastikware einfach deshalb nicht kaufen, weil sie ihnen dann nicht mehr schmecken wird. Und weil sie von mir alle Geheimnisse des Kochens und Backens erfahren werden, für die sie sich interessieren, wird ihnen damit auch gar nichts fehlen.

Aber eines habe ich mir schon jetzt fest vorgenommen: Sollten meine Enkel irgendwann einmal fragen: "Oma, weißt du, wer Jan Böhmermann war? Der muß irgendwann früher einmal berühmt gewesen sein", dann werde ich die Achseln zucken und sagen: "So berühmt war er auch wieder nicht, daß ich mein Gedächtnis mit ihm belastet hätte. Wenn ich mich richtig erinnere, fand er Schweinereien mit Ziegen witzig. Keine Ahnung, warum. Damals lachten die Leute aber oft über Sachen, die eigentlich gar nicht komisch sind."