Freitag, 26. November 2021

Was Adipositas mit dem Neoliberalismus zu tun hat

Mein Gewicht heute früh nach vier Fastentagen: 86,5 Kilogramm. Damit kann ich nach dem letzten langen Fastenintervall während der Low-Carb-Phase zufrieden sein. Es war ja auch ein bißchen vermessen, darauf zu spekulieren, daß der dramatische Gewichtssturz bis zum 1.12. ungebremst weitergehen würde, also bin ich mit diesem neuen Tiefstgewicht von minus 400 Gramm zufrieden und schon jetzt gespannt, ob sich das Auslaufen des Low-Carb-Experiments beim nächsten langen Fastenintervall schon irgendwie bemerkbar machen wird. Gut möglich ist es nämlich, daß es nach vier Fastentagen dann kein neues Tiefstgewicht mehr geben wird. Aber da ich nächstes Mal fünf Tage lang fasten werde, sollte am Ende eigentlich trotzdem noch ein neuer Tiefstwert für mich herausspringen. 

Danach kommen erst einmal fünf lange Wochen, in denen ich keine langen Fastenintervalle haben werde - aber: Am vierten Januar (ein Dienstag) starte ich mit dem EMS-Training, das ich von da an acht Wochen lang jeweils einmal die Woche machen werde, und ich bin schon sehr gespannt, ob dieses Experiment dann auch zu einer nicht jahreszeitgemäßen Abnahme führen wird.

Bei dem aktuellen Fastenintervall fiel mir auf, daß ich drei Fastentage lang relativ wenige körperliche Veränderungen gespürt habe. Aber dafür hatte ich nach dem vierten, also heute morgen, als ich aufwachte, das Gefühl, als hätte mein Bauch sich nahezu halbiert. Meine Rippen standen, wenn ich auf dem Rücken lag und sie ertastete, so weit heraus, daß man sich an ihnen blaue Flecken hätte holen können. Bei einem spontanen Vermessen später vor dem Anziehen war folgerichtigerweise die Unterbrustweite mehr oder weniger unverändert, das ändert sich wahrscheinlich aber, wenn die Rippen wieder auf meinen Innereien ordentlich aufliegen, was sie nämlich nicht tun, wenn sie sich so deutlich und dermaßen spitz ertasten lassen. Das fühlt sich dann ein oder zwei Tage lang merkwürdig an, bis es sich wieder an den Inhalt angepaßt hat. Brustumfang und Hüfte sind mit 105 bzw. 106 cm im Vergleich zum letzten Mal ein wenig geringer geworden. Enorm geschrumpft ist im Vergleich zu meiner letzten Vermessung Mitte September aber mein Bauch: von 100 auf 95. Wow. Beim nächsten langen Fastenintervall dürfen es sehr gerne noch einmal ein oder zwei Zentimeter weniger werden.

Nächsten Mittwoch ist der 1. Dezember und der erste Tag, an dem ich wieder "normal" essen werde. Ich werde mich bemühen, dann auch relativ zeitnahe eine Bilanz meines Experiments zu publizieren. Aber vielleicht warte ich dafür auch noch das "Vorher"-Gewicht meines nächsten langen Fastenintervalls ab, also den Montag, 6.12., denn das ist letztlich ja auch noch ein Ergebnis des gerade abgeschlossenen Fastenintervalls. Und natürlich vermesse ich mich dann auch noch ein weiteres Mal, denn direkt nach dem langen Fastenintervall ist es eigentlich noch viel zu früh für einen realistischen neuen Wert, speziell was die Unterbrustweite und die Brustweite betrifft.

Neulich habe ich mich dazu hinreißen lassen, bei eBay ein figurbetontes Gerry-Weber-Kleid zu kaufen, und zwar in Größe 46, weil Gerry Weber immer deutlich kleiner ausfällt und die angegebenen Maße passend waren. Anlaß war dieses Firmenjubliäum, zu dem ich eingeladen war. Die Feier wurde dann leider coronabedingt auf das nächste Frühjahr verschoben. Mittlerweile ist das Kleid mir aber schon ein wenig zu groß, also habe ich es jetzt eine Nummer kleiner noch einmal erworben, denn daß ich die 46 nächstes Frühjahr nicht mehr tragen kann, ist jetzt schon sicher. 

Neues aus der Wissenschaft: Kevin Hall

Bei Twitter fand ich auch wieder einmal Neuigkeiten: Der Autor der "Biggest Loser"-Studie, Kevin Hall, hat eine Teilrevision seiner damaligen Schlußfolgerungen aus den Ergebnissen seiner Studie vorgenommen und darüber nicht nur in derselben Fachzeitschrift publiziert, sondern dankenswerterweise - da seine Publikation sich hinter einer Paywall befindet - eine ganze Serie von erklärenden Tweets publiziert, nachdem er seine damaligen Ergebnisse unter dem Licht der Erkenntnisse von Herman Pontzer noch einmal betrachtet hat. Dabei stellte er nämlich nicht nur fest, daß die Teilnehmer mit dem niedrigsten Energie-Grundumsatz diejenigen waren, die auch sechs Jahre nach der Reality-TV-Show den meisten Sport trieben, sondern ebenso, daß sie dennoch weniger stark zugenommen hatten als ihre weniger aktiven Mitstreiter.

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Das liest sich erst einmal sehr wissenschaftlich wertneutral, enthält aber einen Subtext, den ich bedenklich finde: Hall suggeriert damit, wer viel Gewicht verlieren und möglichst wenig wieder zunehmen möchte, der tue gut daran, im Anschluß an seine Abnahme möglichst viel Sport zu treiben. Das wäre eine gewagte Interpretation. Was Hall nämlich nicht erwähnt, ist, daß auch diese besonders aktiven Sportler fast alle verdammt viel zugenommen haben. Siehe Grafik oben - mit nur zwei Ausnahmen dürften das durchweg mindestens 25 Kilogramm sein, und ungefähr die Hälfte hat sogar mehr als 50 Kilogramm zugenommen -, sowie außerdem noch einmal hier: 

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Tatsächlich gab es nur eine einzige Teilnehmerin, die freilich in einigen Punkten aus dem Rahmen fiel (Näheres zu ihr hier und hier), bei der nach sechs Jahren keine Zunahme zustande gekommen war. Sie fällt noch mehr aus dem Rahmen, weil sie sogar weiter abgenommen hat. Zunächst hatte sie (siehe Grafik oben, linkes Bild, der einzige Pfeil, bei dem es nach unten statt nach oben geht), aber offenbar am wenigsten von allen abgenommen. - Da könnte man fast vermuten, daß sie es schlauer als die anderen angefangen hatte, indem sie langsamer abgenommen hat. 

Es gibt ja auch tatsächlich Leute, wenn sie auch eine winzige Minderheit unter den Abnehmenden darstellen, die mit einer gemächlichen kalorienbasierten Herangehensweise tatsächlich erfolgreich beim Abnehmen und Gewichthalten sind. Dummerweise läßt sich das aber nicht verallgemeinern. Bei mir sind jedenfalls alle auf demselben Prinzip beruhenden Versuche kläglich gescheitert, und damit scheine ich auch keine Ausnahme zu sein. Und außerdem erfordert das Gewichthalten in diesem Fall mit ganz wenigen Ausnahmen, sich für den Rest seines Lebens ständig mit seinem Gewicht zu befassen, und bei nicht ganz wenigen unter den auf diese Weise Erfolgreichen funktioniert das zwar wirklich über Jahre hinweg, aber dennoch nicht dauerhaft, falls die Konzentrationsleistung und die Disziplinierung sich in bestimmten Lebenssituationen nicht durchhalten lassen.

Alle anderen Teilnehmer, wie gesagt, hatten mit Zunahmen im mindestens kleinen, überwiegend aber großen zweistelligen Kilobereich hohe, überwiegend sogar sehr hohe Wiederzunahmen zu verzeichnen. Das ist ein deprimierendes Ergebnis. Noch deprimierender finde ich das Wissen, daß sich nach wie vor Leute finden, die sich vor laufender Kamera für "Biggest Loser" entwürdigen zu lassen bereit sind in der Hoffnung, danach schlank zu bleiben - eine Hoffnung, die sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllen wird. Vollends an der Menschheit verzweifeln könnte man darüber, daß diese abstoßende Art von Fernsehunterhaltung ein so großes Publikum hat, daß sich ihre Produktion nach wie vor rechnet. Wie weit sind wir damit eigentlich noch von der "Unterhaltungsindustrie" der alten Römer entfernt? Christen und Löwen und so ...

Halls Neubewertung seiner zehn Jahre alten Studie ist tatsächlich wichtig, zumal als eines von neuerdings immer mehr aufpoppenden Indizien dafür, daß Herman Pontzer tatsächlich goldrichtig liegt, was die metabolische Wirkung von Sport betrifft. Sie gehört aber meiner Meinung nach unbedingt in den richtigen Kontext gestellt, denn auch wenn man annimmt, daß seine Bewertung korrekt ist, erklärt sie ja offenbar nur einen Teil der Wirkung, und zwar sowohl auf den Grundumsatz als auch auf die Wiederzunahmen. Was mir insbesondere auch ein dringendes persönliches Anliegen wäre: Daß jetzt nicht die relativ am wenigsten schlimm vom Jojo Gebeutelten wieder einmal zum Maßstab für einen angeblichen Erfolg erklärt werden, wie das ja schon bei der unsäglichen National Weight Control Registry gemacht wurde und wird. Denn auch die Sporttreibenden waren ja in Wirklichkeit nicht erfolgreich, wenn man die nicht ganz unrealistische Annahme zugrunde legt, daß sie ihr nach der TV-Show erreichtes Gewicht eigentlich dauerhaft halten wollten.

Erfolgreich war also eine von 16 - und nach eigenem Bekunden ist es für sie ein täglicher Kampf, ihr in den Jahren nach der Show aus eigener Kraft erreichtes Gewicht zu halten. Mit diesen Zahlen sind wir  schon ziemlich nahe dran an dem sprichwörtlichen "95 % aller Diäten scheitern", das so viele Abnehmende - vor allem, wenn sie Nadja Hermann gelesen haben - nicht wahrhaben wollen. 

Handlungsempfehlungen, die man aus Halls neuen Erkenntnissen für Abnehmende ableitet - was ganz bestimmt geschehen wird -, sollten diesen Faktor also keinesfalls verschweigen. Das gilt nicht nur deshalb, weil diese ja doch eher klägliche Notlösung denen, die sie anwenden, ja eine lebenslange Disziplinierung im Sport abverlangt, und weil sich das umgehend durch Gewichtszunahme rächen wird, sobald sie in ihrem Eifer für mehr als wenige Tage nachlassen, egal ob nun aus "Faulheit" oder nach einem Beinbruch. Es gilt aber auch deshalb, weil es bislang noch keine ausreichende Antwort auf die Frage gibt, welche Funktionen des Grundumsatzes in solchen Fällen eigentlich heruntergefahren werden und welche gesundheitlichen Nebenwirkungen dadurch zu erwarten sind.

Der Grundumsatz lag außerdem aber auch bei den Nichtsportlern nach sechs Jahren immer noch deutlich unter dem zu Beginn der TV-Show, das heißt Pontzers Erkenntnisse erklären sowieso nur einen Teil des von Hall entdeckten Phänomens.

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Aus diesen Daten läßt sich außerdem als Vermutung ableiten, daß die Sportler sich wahrscheinlich auch beim Essen stärker als ihre weniger sportlichen Mitstreiter diszipliniert haben, da sie ja trotz ihres stärker gesunkenen Grundumsatzes weniger stark zugenommen hatten. Interessant an der Grafik oben finde ich auch, daß der Grundumsatz bei einem Teil der Teilnehmer weiter gesunken, bei anderen aber wieder gestiegen ist. Wie erklärt sich das wohl? Wüßte man Näheres dazu, könnte das sicherlich wichtige Aufschlüsse geben, aber natürlich ist es unmöglich, es im Nachhinein noch herauszufinden. Schade.

Hall schreibt in einem seiner Tweets, die Teilnehmer seien im Durchschnitt auch nach sechs Jahren immer noch um ca. 80 Prozent aktiver gewesen als vor Beginn der TV-Show. Dazu fand ich in der Originalstudie leider nichts, aber es wird sich wohl aus seinem Datenmaterial so ergeben haben - und es wirft ein bezeichnendes Schlaglicht auf den üblichen Vorwurf, wenn jemand nach einer Abnahme wieder zugenommen hat: Diese Leute waren offenbar mehrheitlich erheblich disziplinierter jedenfalls im Bereich Bewegung, als es das übliche Vorurteil so gerne annimmt. (Und warum sollte man ihnen dann eigentlich ungeprüft unterstellen dürfen, sie hätten aus reiner Verfressenheit wieder so stark zugenommen?)

Es bleibt festzuhalten: Auch den Disziplinierten hat der Sport nicht dabei geholfen, ihr Gewicht dauerhaft zu halten, das sie direkt nach dem Ende der TV-Show hatten. Daß die Entwicklung bei ihnen tatsächlich weniger ungünstig ausgefallen ist als bei den weniger Disziplinierten, ist auch deshalb nur ein schwacher Trost, weil sie, um wenigstens dieses enttäuschende Ergebnis halten zu können, anstatt wieder bei Ihrem Ausgangsgewicht - oder Schlimmerem - zu landen, lebenslänglich einen ständigen Kampf gegen ihren eigenen Körper ausfechten müssen, bei dem sie für jeden Moment der Schwäche umgehend bestraft werden. 

Neoliberale Dogmatik: Das Leben als immerwährendes Hamsterrad

Lebenslänglich jeden Tag kämpfen müssen? Das erinnert mich an das neoliberale Weltbild, in dem genau dies implizit für jeden von uns vorgesehen ist. Adipositas und sowohl deren Prävention als auch Therapieansätze (ganz zu schweigen von Reality-Shows im Fernsehen) lassen sich, näher betrachtet, in gewisser Weise als Sinnbild für all das lesen, was mit der neoliberalen Ideologie auch in sämtlichen anderen Bereichen, auf die sie angewandt wird, nicht in Ordnung ist. 

Kämpfen können, wenn man einmal kämpfen muß, ist natürlich gut. Und um das gelernt zu haben, ist es zweifellos ein schützender Faktor, wenn man in seinem Leben auch schon in die eine oder andere Zwickmühle geraten war und sich aus ihr wieder herausgekämpft hat. Ich muß in diesem Zusammenhang gestehen, daß ich mit dem Anspruch, diese oder jene Minderheit möglichst dick in Watte einzupacken, um sie nicht nur vor echten Gefahren für Leib und Seele, sondern möglichst auch noch vor jedem versehentlichen Rippenstoß zu bewahren, ziemlich fremdle. Aber nicht, weil ich etwas gegen diese Minderheiten habe, sondern weil ich glaube, daß dies ein Danaergeschenk ist, eines, das sie zu anderen Zeiten und an anderen Orten schutzloser macht, und das wünsche ich niemandem, weil ich es mir selbst auch nicht wünschen würde.

Aber in eine Lage gebracht zu werden, in der man ständig kämpfen muß - etwa gegen sein Gewicht -, ist zweifellos schlecht. Es ist demoralisierend und persönlichkeitsdeformierend, sogar dann, wenn man zu der Minderheit gehört, die die Belastung auch langfristig bewältigt. Es ist, nebenbei bemerkt, auch ganz bestimmt nicht körperlich gesund. Genau dieses tägliche Strampeln in einem kafkaesken Hamsterrad wird aber in allen möglichen Lebensbereichen von uns erwartet, im Beruf sowieso, aber ein fast schon wahnwitziges Streben nach Perfektion durchseucht ja mittlerweile unsere gesamte Gesellschaft. Die Forderung, sich ständig selbst zu kasteien, seine Freizeit auch noch nach dem Leistungsprinzip durchzutakten und sich alles, das im Leben Spaß macht, nur in homöopathischer Dosierung zu gönnen, weil mehr als dies ungesund (lies: unmoralisch) sei, ist durch und durch neoliberal. Diese verbotenen Vergnügungen dann durch den Erwerb der neuesten angesagten Konsumgüter zu ersetzen, von denen die meisten ja vor allem deshalb gekauft werden, um mit anderen mithalten zu können, ist umso perverser, als der Spaß an diesen Erwerben viel geringer ist, als man es uns einzureden versucht. 

Daß ein Teil derjenigen, die all diese Vorgaben besonders akribisch befolgen, sich ständig selbst einzureden versuchen, so zu leben mache ihnen wirklich Spaß, macht diese Sache eher noch gruseliger. 

Das sind aber auch die Momente, in denen ich mich besonders privilegiert fühle, weil ich mich dem in viel mehr Lebensbereichen entziehen kann als andere Leute. Im Beruf, weil ich mich als Freiberuflerin bewußt für Aufträge entscheiden oder sie ablehnen kann und die Regeln und Rahmenbedingungen meiner Selbständigkeit alleine bestimmen kann. In der Freizeit, weil ich die überbordende "Zeittotschlag"-Freizeitmaschinerie glücklicherweise nicht benötige, um eine innere Leere zu übertönen, und beim Einkaufen schlage ich auch größtenteils auch andere Wege ein als üblich, Stichwort nicht nur Wochenmarkt, sondern auch Flohmärkte. Dabei zügle ich mich beim Shoppen dann überhaupt nicht und schleppe den unglaublichsten Kram nach Hause, manchmal einfach nur, weil er mich neugierig macht und ich herausfinden will, wozu er gut ist. Und womit ich dann doch nichts anfangen kann, das verkaufe ich entweder im Folgejahr selbst auf dem Flohmarkt oder ich stelle es einfach in einem Karton vors Haus mit einem Schild "Zu verschenken". Das machen mittlerweile so viele Laute, daß unser Wohnviertel eine einzige große Tauschbörse ist, und das gefällt mir. Es steht ja so viel ungenutztes Zeug in unseren Wohnungen herum, warum sollte man es nicht ein bißchen in anderen Wohnungen zirkulieren lassen?

Mein Zielgewicht werde ich natürlich ebenfalls sowohl erreichen als es anschließend auch ohne größere Anstrengung dauerhaft halten können, ohne mich dafür regelmäßig auf Kosten angenehmerer Freizeitnutzungen mit öden Leibesübungen abschinden zu müssen, wie das die neoliberale Dogmatik vorsieht (und leider auch Kevin Hall, den ich ansonsten durchaus schätze, zu glauben scheint). Und dieses Privileg ist meiner Meinung nach sogar das größte von allen, weil ich es einer Verkettung unwahrscheinlicher Glücksfälle verdanke. Mein unabhängiges Denken alleine hätte mir ohne einen Glückstreffer mit dem Intervallfasten nämlich gar nichts geholfen, weil es nach wie vor eine Außenseitermethode ist und die Gründe, warum es oft so gut funktioniert, weder unter den Anwendern noch unter ihren Propagandisten überhaupt nicht verstanden werden. Deshalb war es auch nicht selbstverständlich, daß ich nach dem ersten halben Jahr die Klippe überwinden konnte, an der eine Menge Fastende aufgeben, und der zweite Glücksfall bestand darin, daß ich auf Jason Fung stieß, der aber zu jener Zeit ja erst wenige Jahre in diesem Bereich öffentlich präsent war! Es hilft mir aber natürlich, seit das mit dem Abnehmen nicht mehr von alleine weitergeht. Den Treffer mit dem Low Carb habe ich, glaube ich, dann aber durchaus mir selbst zu verdanken, weil ich nicht aufgehört habe, darüber nachzudenken, auf welche Weise ich meinen Stoffwechsel nun dazu bringen kann, das zu tun, was ich will, anstatt entweder ganz aufzugeben oder eben zähneknirschend doch zum Kalorienzählen überzugehen ... wie das meinem Eindruck nach viele machen, sobald sie an diesem Punkt sind. 

*Echtes* Querdenken für Anfänger

Unabhängiges Denken ist mein nächstes Stichwort. Jetzt begebe ich mich nämlich mal auf eine Metaebene, zu der Frage, was mich eigentlich dazu legitimiert, als - wenn auch gebildeter - Laie mir anzumaßen, über wissenschaftliche Ergebnisse zu urteilen. Mir geht dazu nämlich seit zwei Tagen eine neue Studie der Uni Basel durch den Kopf, die sich mit den "Querdenkern" befaßt hat und dieses Phänomen gedanklich irgendwie zu fassen zu bekommen versucht. Ich las diese Studie aus echtem Interesse, aber mich begann ziemlich schnell die - nirgends ausdrücklich ausgesprochene, aber dennoch wahrnehmbare - Prämisse zu stören, daß es wegen ihres Laienstatus eine Anmaßung dieser Leute sei, über Dinge urteilen zu wollen, von denen sie doch (im Gegensatz zu den Autoren der Studie, die ja auch wissenschaftlich arbeiteten) gar nichts verstünden. 

Das ist natürlich blühender Blödsinn. Wissenschaftler schon aus angrenzenden Bereichen sind in einem Spezialgebiet immer in etwa die gleichen Laien wir wir armen nichtakademischen Sterblichen, also sind es die Autoren der Studie, bei denen es sich um Soziologen, also ein völlig anderes Fachgebiet, handelt, ebenfalls. Bezogen auf das Coronavirus sehe ich mich selbst durchaus auf Augenhöhe mit den Autoren dieser Studie. Letztlich finde ich mich sogar ein wenig besser informiert, weil ich immer bereit bin, Dinge zu hinterfragen, was in dieser Studie eindeutig nicht geschieht. Denn da wird immer ein "Wissenschaft richtig - "Querdenker" falsch" vorausgesetzt. Herausfinden wollten die Autoren nur, was Menschen dazu bringt, so falsch zu urteilen. Die Richtigkeit der Verlautbarungen ihrer Standesgenossen ziehen sie von vornherein gar nicht in Zweifel.

Hätten sie nicht über die "Querdenker" geschrieben, sondern über - sagen wir - "Modediäten", wäre nach dieser Prämisse natürlich ich diejenige, die sich aus ihrer Sicht anmaßend verhält. Es hat mich überhaupt unangenehm berührt, an wie vielen Stellen Argumente und Begründungen, die man in meinem Blog vielfach ebenfalls und manchmal sogar nahezu wortgleich finden kann, als Beweis für den Realitätsverlust der "Querdenker" angeführt werden. Sie hätten mich also wohl auch als eine bekloppte Verschwörungstheoretikerin betrachtet. Was sie aus den Stand heute immerhin 60,5 Kilogramm Gewichtsabnahme mit einer "Modediät"-Methode gemacht hätten, die - noch dazu in meiner persönlichen Modifikation der weitestmöglichen Vermeidung eines Kaloriendefizits - eigentlich gar nicht funktionieren können dürfte, kann ich nur raten. Die wahrscheinlichste Antwort lautet wohl, sie hätten mir vermutlich einfach nicht geglaubt, weil es halt auf Basis der wissenschaftlichen Grundannahmen zum Abnehmen einfach nicht sein kann. 

Zum Glück muß ich der Wissenschaft gar nichts beweisen. Alles, was ich vorhabe, ist, öffentlich zu dokumentieren, was mit mir passiert, während ich auf dem Weg zu meinem Zielgewicht bin. Dieses Blog entspricht in gewisser Weise einer Kiste mit der Aufschrift "Zu verschenken" vor meinem Haus. Jeder, der sich traut, ist herzlich eingeladen, auszuprobieren, was bei ihm selbst passiert, wenn er es ebenfalls auf diese oder eine daran angelehnte, an die persönlichen Präferenzen angepaßte Weise ausprobiert. Und vielleicht erspart mein Blog dem einen oder anderen ein paar frustrierende Irrwege, wenn er nachgelesen hat, wie es mir so ergangen ist. Ich bin kein Weltverbesserer, aber wenn meine Abenteuer auf dem Weg, 73,5 Kilogramm Gewicht zu verlieren, auch nur einem einzigen Menschen dabei helfen sollten, sein eigenes Gewichtsproblem zu lösen, habe ich vermutlich schon mehr für die Menschheit getan als die meisten professionellen Ernährungsberater. Und wer glaubt, daß ich bloß Wahnvorstellungen oder Lügen verbreite, der braucht gar nichts weiter zu tun, als mein Blog wieder zu verlassen.

Ich bin bekanntlich kein sonderlicher Freund der "Querdenker". Trotzdem finde ich die Grundannahmen dieser Studie ein starkes Stück. Das gesamte Gedankengebäude dieser Publikation - das ansonsten weitestgehend in sich stimmig ist - bricht nämlich zusammen, sobald man diese Prämisse in Frage stellt, und ich wurde während des Lesens immer mißgelaunter wegen des Hochmuts und der Selbstgefälligkeit innerhalb der wissenschaftlichen Echokammern. Gleichzeitig ist mir klar, daß ich in den behandelten Fragen zwischen allen Stühlen sitze, weil ich in einer Kürzestfassung ja doch nur sagen könnte, daß beide Seiten, die Sozialwissenschaftler wie die "Querdenker", ungefähr gleich falsch liegen, nur auf unterschiedliche Art.

Die Wissenschaft - ihr System und ihre systembedingten Schwächen und Mängel - ist allerdings meiner Überzeugung nach außerdem Teil des Problems, auch was das Aufkommen der "Querdenker" betrifft. Und ich fürchte, solange sie das nicht begreift, wird sie kein wirklicher Teil der Lösung werden können. Wie ich der Studie entnehme, ist sie leider nach wie vor von diesem Punkt ziemlich weit entfernt.

 

Dienstag, 23. November 2021

Vorfreude auf 2022

Mein Gewicht gestern früh zu Beginn des nächsten langen Fastenintervalls: 91,3 Kilogramm, 700 Gramm weniger als am Vergleichstag vor zwei Wochen. Heute morgen zeigte die Waage 89,6 Kilogramm an, und am Freitag früh kann ich mit einem Gewicht zwischen 86 und 86,5 Kilogramm rechnen, was zwar wieder ein neues Niedrigstgewicht wäre, aber nicht mehr so weit unter dem alten Niedrigstgewicht liegt, wie ich es in den letzten Wochen jedes Mal erlebt habe.

Ein bißchen hatte ich mich mental dafür gewappnet, nach mehr als sieben Wochen Low Carb vielleicht doch allmählich mal mit einer Verlangsamung der damit verbundenen Abnahme rechnen zu müssen - denn daß es irgendwann unter Garantie zu dieser Verlangsamung kommen würde, davon war ich überzeugt. Ob "nur" 700 Gramm minus im Vergleich zu vor zwei Wochen wirklich schon so zu werten sind, weiß ich nicht so genau, denn Schwankungen um ein paar hundert Gramm aus anderer Ursache sind ja immer möglich. Aber immerhin, jetzt befinde ich mich schon in Woche acht von achteinhalb, ausschließen kann ich es also nicht. Wenn ich mir vor Augen halte, wie dieser Monat in den letzten Jahren typischerweise für mich abgelaufen ist, habe ich aber dennoch gar keinen Grund zu meckern, auch wenn ich, ehrlich gesagt, noch vorgestern auf eine Differenz von mehr als einem Kilogramm spekuliert hatte, die es nun leider nicht geworden ist. 

Mein Mann hat mich heute mit der Nachricht überrascht, daß sein Weihnachtsurlaub volle vier Wochen lang dauern wird, beginnend mit dem Wochenende ab Samstag, dem 11.12. Da ich während seines Urlaubs keine langen Fastenintervalle machen möchte, habe ich nun entschieden, mich in der aktuellen Woche doch auf vier Fastentage zu beschränken, aber in der zweiten Dezemberwoche - direkt vor seinem Urlaub - ein fünftägiges langes Fastenintervall einzulegen. Das scheint mir vernünftiger, als diese Woche fünf Tage zu fasten, nachdem schon jetzt absehbar ist, daß mir nach vier Tagen zwar ein neues Niedrigstgewicht schon sicher ist, ich aber auch mit fünf Tagen die 85 Kilogramm ohnehin nicht erreichen werde. 

Anschließend an diese fünf Tage - vermutlich dank des fünften Tags noch einmal mit einem neuen Gewichtstiefststand - gibt es einen außerplanmäßigen Low-Carb-Samstag, um meinen Elektrolythaushalt sich nach fünfmal Fasten einen Tag lang in Ruhe regenerieren zu lassen, und danach bis zur dritten Januarwoche nur zwei Fastentage pro Woche. Mal sehen, ob mein Gewicht dabei stabil bleibt oder vielleicht doch nach oben geht. Aber mehr als ein, zwei Kilo sind auch in diesem Fall ja glücklicherweise nicht zu befürchten, und damit stünde ich immer noch besser da, als ich es vor Beginn meines Experiments erwartet hatte.

Flüchtig hatte ich ja darüber nachgedacht, ob ich nicht vielleicht doch noch ein bißchen mit Low Carb weitermachen sollte - sagen wir, eine Woche oder zwei. Aber das habe ich sofort wieder verworfen. Das von vornherein definierte Ende des Experiments Low Carb war ja Bestandteil seines Reizes. Außerdem will ich Schlag 1.12. mit dem Weihnachtsgebäck beginnen, und zwar, wie es sich gehört, mit Weißmehl und Zucker. Und daß die Wirkung jetzt ohnehin offenbar nachzulassen beginnt, betrachte ich als sehr vernünftigen Grund, jetzt langsam mal wieder aufzuhören.

Der nächste März kommt bestimmt, und mit ihm eine neue, hoffentlich wieder richtig schwungvolle Vier-Wochen-Serie mit Low Carb, und auf die kann ich mich dann wieder drei Monate lang freuen und neue Rezepte sammeln. Und ich nehme an, damit erzeuge ich einen viel besseren Effekt, als er durch eine Verlängerung erzielbar wäre.

Zu den Freuden von Low Carb:

Diese fruchtige Torte hier war am Wochenende Ergebnis des "alten" Rezeptesammelns: 

 


Und so sah das Brot aus, das ich gebacken habe:

Beides hatte gemahlene Mandeln als Basis, jeweils hundert Gramm davon, und bei beidem habe ich erstmals Chia-Samen mitverwendet. Das Brot - das außerdem u. a. auch noch Leinsamen und Olivenöl enthielt - hat sich als ausgezeichnet herausgestellt. Daß es auf dem Foto am Anschnitt ein bißchen fleckig aussieht, täuscht nicht, es sieht leider auch in echt so aus. Vermutlich hätte ich doch noch ein bißchen länger mischen sollen, aber am Samstag lief mir beim Backen die Zeit davon, weil ich länger als sonst geschlafen hatte, und ich war deshalb etwas ungeduldig. 

Dem Geschmack tat es glücklicherweise keinen Abbruch - das Brot war wieder mal eine echte Entdeckung. Dabei hatte ich mir von dem gar nicht so wahnsinnig viel versprochen, ich hatte das Rezept speziell wegen der Chiasamen und der Leinsamen ausgesucht, die ich beide unbedingt wenigstens einmal verwendet haben wollte. "Leinsamen", damit assoziierte ich eigentlich immer freudlose Gesundköstlerei, und ich kann mir eigentlich nicht so recht erklären, wie sie dann überhaupt in meinem Einkaufswagen gelandet sind. Aber offenbar haben sie zu dem guten Geschmack mit beigetragen, also revidiere ich hiermit mein Vorurteil und freue mich, die Leinsamen in meinen Haushalt aufgenommen zu haben.

Die Torte hatten wir erst nach dem Abendessen angeschnitten, weil mein Mann wegen einer Magenverstimmung nicht gefrühstückt hatte. Das hätte er mir früher sagen sollen, daß er gar nichts essen will, dann hätte ich beim Backen keine derartige Eile gehabt! Die Torte schmeckte wirklich umwerfend, noch besser, als ich das erwartet hatte. Diesmal hatte ich nämlich eigentlich "auf Optik" gebacken, weil ich den Guß aus einem roten Smoothie auf einem Foto einer ähnlichen Torte, das ich im Web gesehen hatte, so schön fand, daß ich so etwas auch einmal machen wollte, zumal es ja auch kein Hexenwerk ist, einfach zusätzlich einen schönen roten Guß auf dem Kuchen zu verteilen. Aber gerade den Boden, ausgesucht, um ebenfalls Chiasamen mitverwenden zu können, fand ich dann sowohl vom Geschmack als auch von der Konsistenz her dermaßen gut gelungen, daß ich speziell ihn sehr zum Nachbacken empfehlen kann - obendrauf sollte eigentlich Obst jeder Art gut passen, eventuell auch kombiniert mit einer Creme. Deshalb hier mal das Rezept:

Boden (für eine kleine Springform, also halbe Menge des Normalrezepts):

  • 100 Gramm gemahlene Mandeln
  • ca. 60 Gramm Xylit/Erythrit/Stevia (ich mische alle drei)
  • 30 Gramm Backmohn
  • 20 Gramm Chiasamen, ca. eine Stunde gewässert (bekommt dann eine geleeartige Konsistenz)
  •  1 Tl Backpulver
  • Vanilleextrakt 
  • 3 Eier

Backofen auf 170 Grad vorheizen. Backform einfetten. Eier trennen, Eiweiß zu Schnee schlagen. Eigelb mit dem Vanilleextrakt und Zucker schaumig schlagen, dann die restlichen Zutaten zufügen, zum Schluß den Eischnee vorsichtig unterheben. 

Auf der 2. Schiene von unten ca. 45 Minuten backen (Umluft), ggf. auch noch etwas länger (Stäbchenprobe).

Herausnehmen und abkühlen lassen. Vorsichtig aus der Form lösen, dann die Form aber wieder anbringen.

Belag:

  • 1 großer Apfel (ich nahm Boskoop) 
  • 200 ml Apfelsaft
  • 1 Packung Vanillepuddingpulver, nicht gesüßt
  • (Auf ein Süßungsmittel kann man problemlos verzichten)

Puddingpulver in Apfelsaft einrühren und aufkochen lassen. Apfel kleinschneiden, hinzufügen und wenige Minuten in der Apfelsaft-Pudding-Mischung etwas weich (aber nicht SEHR weich) werden lassen - je nachdem, wie hart der Apfel ursprünglich war, etwas länger oder kürzer. Diese Mischung auf den Kuchen geben. 

Guß: 

  • 1 Packung Tortenguß ohne Zucker
  • 1 Smoothie aus dem Supermarkt-Kühlregal in einer schönen, auffälligen Farbe (ich nahm Rot, aber kurz brachte mich auch der knallgrüne Kiwi-Smoothie in Versuchung)
  • (Auf ein Süßungsmittel kann man problemlos verzichten)

Smoothie erhitzen, Tortenguß einrühren.  Den Guß auf der Apfelmischung verteilen, im Kühlschrank abkühlen lassen. Ich habe den Rand mit einer Mischung aus Schlagsahne und gehackten Mandeln sowie aus einer spontanen Regung heraus mit eindeutig nicht Low-Carb-konformen Zuckerstreuseln optisch aufgemotzt.

Bekanntlich bin ich ja eher lässig im Umgang mit Kohlehydraten. Die Torte hatte als Ganzes ca. 150 Gramm KH, aufgeteilt in vier Viertel also pro Stück ca. 37 Gramm KH. Für jemanden, der unter 50 Gramm KH bleiben möchte, wäre das also nix. Man könnte aber nicht nur die Zuckerstreusel weglassen, sondern auch den Apfelsaft und den Smoothie mit Wasser verdünnen und Protein-Puddingpulver nehmen. Das müßte ca. ein Drittel der KH weniger bedeuten, würde aber vermutlich dazu führen, daß man Apfelmasse und Guß noch etwas nachsüßen müßte. 

Für die "Andersdenkenden": Kalorientechnisch ist das Teil natürlich nicht ohne, ich kam für den gesamten Kuchen auf ca. 2900 Kalorien, und wir haben ihn geviertelt, ich habe somit in zwei Tagen die Hälfte davon verspeist. Aber meine Gesamt-Energiebilanz hat das nicht weiter beeinflußt, da ich sowieso immer hochkalorisch esse. An Eßtagen liege ich im Durchschnitt bei knapp 2900 Kalorien am Tag; die Fastentage mitberücksichtigt waren es Stand Montag ca. 1950 Kalorien. 

Irgendwie entziehen die 2000 Kalorien als Durchschnittswert, die ich angestrebt hatte, sich mir weiter hartnäckig, und da ich jetzt erst mal vier Tage faste, werde ich dieses Ziel wahrscheinlich auch nicht mehr erreichen. Am Freitagmorgen werde ich nämlich wieder bei knapp 1800 liegen und habe dann das Luxusproblem, mich bis zum Monatsende wieder "hochfressen" zu müssen. Immerhin, nach Ende dieses langen Fastenintervalls habe ich jetzt nur noch vier Low-Carb-Tage vor mir, bevor ich den November am Dienstag noch einmal mit einem Fastentag abschließen und mich am Mittwoch mit Hurrageschrei in die Weihnachtsbäckerei stürzen werde.

Seit etwa einem Monat bin ich auch zu Wochenbeginn stabil weniger als zwanzig Kilogramm von meinem Zielgewicht entfernt und das Ziel ist merklich nähergerückt: Montag vor vier Wochen waren es noch 19,9 Kilogramm, diesen Montag waren es nur noch 17,8. Vielleicht noch ein Kilo weniger übernächsten Montag? Und das dann bis Januar halten können? 

Gedanklich plane ich bereits ständig am Verlauf des nächsten Jahres herum. Wenn das nächste Experiment auch nur halb so erfolgreich wie das derzeit laufende sein sollte, ist es nämlich neuerdings im Bereich des Vorstellbaren, das Ziel schon im Lauf des nächsten Jahres erreichen zu können, vorausgesetzt, daß ich für die letzten sechs Kilogramm einen entsprechend nachdrücklichen Endspurt einlege. Das beflügelt meine Phantasie ganz gewaltig. Keine Ahnung, ob die Wunderwaffe Low Carb wirklich noch ein zweites Mal so gut wirken wird, aber einsetzen werde ich sie, und zwar nicht nach dem Prinzip "Viel hilft viel", sondern gut dosiert und gut getimt. Und dann schauen wir mal. 

Ich glaube, 2022 wird ein gutes Jahr für mich. Ich freue mich schon darauf. :-)


 

Samstag, 13. November 2021

60!!!

Mein Gewicht heute früh nach vier aufeinanderfolgenden Fastentagen: 86,9 Kilogramm (mit nur einem winzigen bißchen Schummeln: nur eine statt zwei Tassen Kaffee vorhin, andernfalls wäre es wohl die erwartete Punktlandung auf der 87 geworden). Damit habe ich also erstmals mehr als 60 Kilogramm Abnahme zu verzeichnen. Wow. Das wird heute aber mal richtig gefeiert! Die Low-Carb-Biskuit-Basis für eine leckeren Apfel-Mascarpone-Torte (abgeleitet von einer "normalen" Apfel-Schmand-Torte, deren Rezept von meiner Schwester war) ist schon im Backofen. :-)

Zum Frühstück gibt es außerdem zwei verschiedene Sorten Low-Carb-Fladenbrot, die ich im Web fand. Eine mit Joghurt und Mandelmehl, die andere mit Cheddar-Käse und Kokosmehl. Auf beide bin ich schon gespannt. 

Jetzt geht es bei mir los, worüber von Nadja Hermann aufwärts schon viele Abnehmende berichtet haben: Auf einmal werden die Reaktionen auf meine Abnahme kritischer. Meine Mutter macht sich Sorgen, ich könnte magersüchtig geworden sein, und findet, ich könne jetzt langsam mal aufhören.

So war sie schon immer, meine Mama. Ich erinnere mich noch, als ich mich mit 13 zu meiner allerersten Diät entschlossen hatte und mich daraufhin in meinem Zimmer einschloß und das Essen komplett verweigerte, weil ich mir - ziemlich hellsichtig für eine Pubertierende - nur so vorstellen konnte, die Sache jedenfalls am Anfang durchzuhalten, stand sie nach gerade mal zwei Stunden mit Karotten vor der Tür, die ich jetzt gefälligst auf der STelle essen sollte, weil gar nichts zu essen ja ungesund wäre. Damals nahm ich ihr das bitter übel, ich faßte das als Sabotage meiner guten Absichten auf, deren Umsetzung mich doch so große Überwindung kostete. Heute habe ich dieses Problem zum Glück nicht mehr, also muß ich auch niemandem etwas übelnehmen. Sie ist halt so, sage ich mir.

Aber reingelassen habe ich sie schon damals nicht. Sie ist samt ihren Karotten irgendwann wieder weggegangen.

Was mich an den jetzigen Sorgen meiner Mutter erheitert: Als ich das letzte Mal ungefähr mein heutiges Gewicht gehabt habe, das muß Ende der Achtziger gewesen sein, hat meine Mutter mich, wenn ich bei ihr zu Besuch war, mehr oder weniger taktvoll daran zu hindern versucht, so viel Butter aufs Brot zu streichen, wie ich es haben wollte, weil sie damals über meine Schwangerschafts-Zunahme wohl ähnlich erschrocken war wie über meine jetzige Abnahme. Und auch das habe ich mir dann höflich, aber bestimmt verbeten. Gewurmt hat es mich mindestens genausosehr wie die "Sabotage" viele Jahre früher. 

Damals war mein Entschluß, mich um mein Gewicht nicht mehr zu kümmern, noch ziemlich neu, also fehlte mir da noch die spätere Gelassenheit, über die ich - gewisse neuralgische Punkte ausgenommen - in der Frage meines Körpergewichts ab einem gewissen Punkt verfügt habe. Ich kann wirklich froh sein, daß ich weder Zuspruch benötige, um meine Sache durchziehen zu können, noch Sabotage mich davon abbringen kann, mit dem, was ich mache, weiterzumachen - was vor allem daran liegt, daß das, was ich mache, funktioniert. Und seit ich mein Experiment begonnen habe, besser denn je. 

Ein kleiner Rückblick auf die fünf Herbstphasen, die ich hinter mir habe

Hier noch einmal mein Gewichtsverlauf vom aktuellen Jahr, 2021, seit Ende September mit einer Lücke des Zeitraums bis Ende November, der noch bevorsteht: 

Was mich daran so beeindruckt, ist, daß die drei Wochen ohne langes Fastenintervall letztlich keinerlei Zunahmewirkung hatten. Damit hatte ich eigentlich nach den Erfahrungen der letzten Jahre rechnen müssen. 

Derselbe Zeitraum letztes Jahr. Mein Tiefstgewicht von 94,3 Kilogramm ist da gar nicht enthalten, das war schon etwas früher im September und ich erreichte es erst im darauffolgenden Frühjahr wieder. Ich hatte wie im laufenden Jahr ebenfalls einmal drei Wochen ohne langes Fastenintervall, nur etwas früher: 

Derselbe Zeitraum 2019, damals noch mit meinem alten Fastenrhythmus 2-3-2-3 Fastentage die Woche, jeweils nicht direkt aufeinanderfolgend: 

Der Verlauf 2018 weicht davon etwas ab: 

Hier sieht man, daß der Zunahmeschub nur im Oktober stattgefunden hat und das Gewicht im November wieder runterging, und am Ende sieht es eigentlich wieder ganz vielversprechend aus, oder? Im weiteren Verlauf ging es dann aber doch wieder rauf, dann wieder runter, ein richtiger Fortschritt fand auch in diesem Jahr bis zum März des Folgejahres nicht mehr statt. 

2017 ist die Grafik leider nicht so aussagekräftig, weil ich da erst Mitte November damit begonnen habe, mein Gewicht täglich zu erfassen, bis dahin habe ich nur nach Fastentagen mein Gewicht vermerkt. Außerdem fing ich Ende November erstmals mit den 36-stündigen Fastenintervallen an (davor fastete ich dreimal die Woche bis 15 Uhr bzw. 18 Uhr im wöchentlichen Wechsel), und deshalb wird der damit verbundene Gewichtsrutsch in der Grafik überbetont.  


Ich war damals Anfang Dezember eigentlich sehr zuversichtlich, daß die Abnahme nun weiter flutschen würde, aber das passierte dann nicht. Es ging rauf und runter, es gab zwar unter dem Strich ein kleines Minus, aber viel weniger, als ich erwartet hatte. Erst im März gab es wieder eine richtige und deutliche Abwärtsbewegung. 

Neues aus der Wissenschaft

Vor ca. zwei Monaten erschien eine wissenschaftliche Arbeit im "American Journal of Clinical Nutrition", federführend unter den Autoren Dr. David Ludwig, der schon seit Jahren zu den Verfechtern der Insulin-Theorie zählt und auch schon als Buchautor im populärwissenschaftlichen Bereich mit seinen Thesen in Erscheinung getreten war.

Sehr grob zusammengefaßt, lautet die von Dr. Ludwig vertretene These, daß das Calories in/Calories out-Modell Ursache und Wirkung verwechselt: Adipositas entstehe nicht deshalb, weil zu viele Kalorien konsumiert werden, sondern umgekehrt löse Adipositas durch die damit verbundenen hormonellen Fehlfunktionen übermäßiges Essen erst aus. Die Adipositaswelle in den USA sei vor allem auf die seit den achtziger Jahren immer hysterischer betriebene Fettreduktion in der Nahrung zurückzuführen, denn der geringere Fettanteil sei durch mehr Kohlenhydrate einfachster Art ersetzt worden, insbesondere Zucker, die hormonell die Fettspeicherung statt Fettverbrennung auslösen. Angedeutet wird außerdem, daß die abnehmenden Anteile von Fett und vor allem Protein ebenfalls einen negativen Einfluß gehabt haben könnten.

Die nachstehende Grafik aus der Studie beschreibt die verschiedenen Wirkfaktoren und ihr Zusammenspiel in dem von Ludwig vorgeschlagenen Carbohydrate-Insulin-Modell, abgekürzt CIM (im Unterschied zum Energy-Balance-Modell, abgekürzt EBM - diese beiden Abkürzungen wird man sich wohl merken müssen) 

Diese Studie erweckte erfreulich viel öffentliche Aufmerksamkeit und scheint auch nach etlichen Wochen weiterhin in der öffentlichen Debatte zu stehen. Ich hörte heute einen Podcast-Auftritt von Dr. Ludwig, den ich jedem empfehlen kann, der etwas detaillierter wissen möchte, was genau seine Thesen sind, ohne sich dafür durch staubtrockene und mit Fachvokabular durchsetzte wissenschaftliche Texte durchquälen zu müssen. Auf Englisch, aber ich fand es erstens gut verständlich und zweitens auch klar und auf den Punkt argumentiert. Man kann ihm auch mit nur mittelprächtigen Englischkenntnissen wohl mühelos folgen, und seine Argumentation ist ausgesprochen stringent und leuchtet spontan ein.

Inhaltlich völlig einverstanden bin ich mit dem, was Ludwig sagte, freilich mal wieder nicht, weil das eine oder andere im Widerspruch zu dem steht, was ich am eigenen Leib erfahren habe.

Nicht in Zweifel ziehe ich natürlich, daß ein niedrigerer Kohlehydratkonsum beim Abnehmen eine positive Wirkung haben kann, wie ich es gerade ja selbst erlebe. Nur: Bei bei meiner Zunahme war dies mindestens in der entscheidenden Phase, als es ganz schlimm wurde, erkennbar kein Faktor (mehr?), der irgendeine Rolle gespielt hat. 

Zur Erinnerung: Zwischen August 2015 und März 2017 habe ich 22 Kilogramm zugenommen und anschließend mit Intervallfasten bis Anfang Oktober 2017 20 Kilogramm abgenommen. Dabei habe ich in der gesamten Zeit ungefähr gleich gegessen - mit einer Ausnahme: Ab ca. Juli 2017 fing ich an,  wieder Süßigkeiten zu essen (was ich davor jahrelang nicht gewagt hatte), sprich: mehr von genau den Kohlehydraten, die andererseits aber an meiner Zunahme schuld gewesen sein sollen. Das paßt einfach nicht zusammen. 

Klar ist, daß Kohlehydrate irgendeine Rolle spielen müssen, andernfalls hätte mein Low-Carb-Experiment jetzt nicht so wirken können, wie es augenscheinlich gewirkt hat. Ich gehe außerdem davon aus, daß Low Carb statt Intervallfasten 2017 ebenfalls eine durchschlagende Wirkung gehabt hätte. Aber beim besten Willen kann ich keinen Zusammenhang zwischen der damaligen Art meiner Ernährung und meiner damaligen Gewichtszu- und -abnahme erkennen. Mein Stoffwechsel hat auf genau dieselbe Ernährung völlig anders reagiert, als ich damit anfing, dreimal die Woche nach einer 18stündigen Eßpause erst um 15 Uhr meine erste Mahlzeit einzunehmen. Schlimmer noch, er hat bei einer Veränderung (Süßigkeiten), die eigentlich eine ungünstige Wirkung hätte haben müssen, nicht damit aufgehört, so zu reagieren.

Der Verzicht auf möglichst viel der sonst gegessenen Kohlehydrate ist also einer von mindestens zwei möglichen Wegen, um als schwer Übergewichtiger rapide Gewicht zu verlieren. Und der zweite, Intervallfasten, kann auch dann funktionieren, wenn der Kohlehydratanteil in der Ernährung nicht sinkt, sondern steigt. Bei mir war das so, also ist das zwar vielleicht nicht bei jedem anderen ebenso, aber es wäre doch sehr erstaunlich, wenn ich die einzige Person auf der Welt sein sollte, die mit meiner Vorgehensweise abnehmen kann.

Aber auch Ludwigs Annahme, daß die Wirkung der Kohlenhydrate unter anderem in einer Tendenz, sich zu überfressen, besteht, also dafür verantwortlich ist, daß eine positive Energiebilanz entsteht und der Körper anfängt, den Überschuß als Fett zu speichern, steht im Widerspruch zu dem, was ich selbst erlebt habe. Ich habe ausgerechnet, daß ich in diesem halben Jahr zwischen März und Oktober 2017 gerade mal ca. 100 Mahlzeiten ausgelassen habe. Gleichzeitig habe ich nicht nur in der restlichen Zeit normal gegessen, ich habe bestimmt auch bei meiner jeweils ersten Mahlzeit an Fastentagen mehr als sonst gegessen. 

Angenommen, jede der ausgelassenen Mahlzeiten hätte 1000 Kalorien umfaßt (was als Durchschnittswert für eine Mahlzeit, wie ich dank meiner Kalorienzählaktion der letzten Wochen weiß, halbwegs realistisch ist): 

  • 100.000 Kalorien entsprechen nach konventioneller Rechenweise knapp über 14 Kilogramm Fett. Abgenommen habe ich aber zwanzig. 
  • Von diesen 100.000 "eingesparten" Kalorien muß aber noch das abgezogen werden, das ich in den anderen Mahlzeiten mehr verspeist habe. Sagen wir, es handelt sich um ein Viertel, was eine konservative Schätzung ist. Dann blieben auf einmal nämlich nur noch 75.000 eingesparte Kalorien übrig, und wir wären rechnerisch nur noch bei knapp 11 Kilogramm Abnahme. 
  • Daneben müssen diese 75.000 Kalorien in sechs Monaten, also ca. 12.500 pro Monat, aber auch von einer Ernährung abgezogen werden, mit der ich vor Beginn des Intervallfastens noch zugenommen hatte, die also nach Kalorienlogik einen Kalorienüberschuß enthalten haben müßte - und zwar einen gewaltigen, denn zum Schluß nahm ich in drei Monaten fast zehn Kilogramm zu. Nach Kalorienlogik hätte ich also in dieser Zeit pro Monat ca. 20.000 Kalorien über meinem Bedarf konsumiert haben müssen. Damit hätte ich aber auch während des Intervallfastens noch einen Kalorienüberschuß haben müssen (20.000 Kalorien minus 12.500 Kalorien = 7.500 Kalorien). Ich hätte folglich auch während des Intervallfastens weiter zunehmen müssen, und zwar ungefähr ein Kilogramm im Monat.

Kurz, die Rechnung geht nicht auf, egal aus welcher Richtung man sie anzugehen versucht. Es bleibt die höchst reale Entwicklung auf der Waage, und die ergab ein Minus von 20 Kilogramm in sechs Monaten. Angesichts dessen blieb mir natürlich gar nichts anderes mehr übrig, als vom Glauben an die Kalorien abzufallen. Und damit muß auch Dr. Ludwigs These an der Stelle fehlerhaft sein, an der die Kalorien ins Spiel kommen. Die Wirkung Gewichtsabnahme wurde offensichtlich alleine durch die Ursache einer anderen zeitlichen Verteilung meiner Mahlzeiten verursacht. Das zu verdeutlichen, halte ich für wichtig, denn nach Dr. Ludwigs These hätte dies nicht passieren dürfen. Ich hätte vielmehr erst - wissentlich oder spontan - Kohlenhydrate reduzieren müssen, und dadurch hätte sich mein Hunger verringert, also hätte ich anschließend weniger gegessen, und dadurch hätte ich abgenommen.  

So war das bei mir aber nicht. Ich habe gegessen, was ich wollte, und so viel davon, wie ich wollte.

Aber, und auch das halte ich für wichtig: Es klappte auf diese Art nur vorübergehend. Nach ca. einem halben Jahr ließ die Wirkung nach und meine Abnahme setzte sich über mehrere Wochen nicht weiter fort. Durch eine Verlängerung meiner Fastenintervalle auf nunmehr 36 Stunden anstelle von 18 bzw. 21 (im wöchentlichen Wechsel) konnte ich mit gutem Erfolg gegensteuern und nahm wieder weiter ab. Doch auch dabei ließ die Wirkung im Lauf der Zeit nach. (Hinzu kam außerdem dieses ärgerliche Herbstphänomen immer im Oktober und November, aber das klammere ich an dieser Stelle einmal aus. Es bedeutet aber m. E. noch einen weiteren unbekannten Wirkfaktor.) Mit den mehrtägigen Fastenintervallen konnte ich noch einmal erfolgreich nachjustieren, aber auch dabei stieß ich an meine Grenzen: Ein zu hoher Anteil an Fastenphasen, wie ich ihn im Frühjahr 2020 zeitweise gehabt haben muß, bewirkte bei mir keine höhere Abnahme mehr, sondern führte lediglich zu unkontrollierbaren Freßanfällen außerhalb meiner Fastentage. Sobald ich das korrigiert hatte, funktionierte alles wieder: Ich nahm ab, wenn auch langsamer, als erhofft, und ich hörte auf zu essen, wenn mein Magen mir sagte: Mehr nicht.

Dieses Phänomen der nachlassenden Wirkung betrifft vermutlich nicht nur mich, sondern höchstwahrscheinlich die Mehrheit derjenigen, die von einem hohen BMI aus mit einer insulinbasierten Methode abzunehmen versuchen, auch wenn das nur selten an die große Glocke gehängt wird. 

Egal welche dieser Methoden es ist und ungeachtet der Intensität: Für die mühelose und rasche (oft unerwartet rasche) Abnahme gibt es augenscheinlich ein relativ eng bemessenes Zeitfenster. Dieses Zeitfenster umfaßt sechs bis zwölf Monate und enthält offenbar irgendeinen Wirkmechanismus, der wahrscheinlich irgendwie mit Kohlehydraten in Zusammenhang steht, aber selbst doch irgendetwas anderes sein muß und auch nicht zwingend eine Reduktion der Kohlenhydrate benötigt.

Unabhängig von den Kohlehydraten muß es aber auch einen Faktor geben, der diese Verlangsamung der Abnahme auslöst. Ich kenne ich ihn nicht, ich habe nur seine Wirkung mehrmals erfahren. Aufgrund diverser Erfahrungsberichte anderer nehme ich außerdem an, daß Low Carb ebenfalls in seiner Abnahmewirkung nachlassen würde, falls ich es dauerhaft betreiben würde. Also ist es jedenfalls gut, daß ich mein Experiment ohnehin nicht verlängern wollte. 

Aber auch mit den Kalorien, wie das nach Dr. Ludwigs Annahme der Fall sein müßte, kann das alles nichts zu tun haben, denn bei mir ist zwischen beidem keinerlei Zusammenhang zu erkennen.  Daß ich den Glauben an die Rolle der Kalorien damals im ersten halben Jahr Intervallfasten, als die Kalorienrechnung ums Verrecken nicht aufgehen konnte, völlig zu Recht verloren habe, bestätigt mir auch meine aktuelle Erfahrung mit der Abnahmewirkung meines Low-Carb-Experiments in Kombination mit Intervallfasten, da ich einen Monat vor Beginn des Experiments begonnen habe, auch meine Kalorienzufuhr - relativ grob - zu erfassen. Meine doppelt so hohe Abnahme im Oktober (Low Carb + Intervallfasten) im Vergleich zum September (normale Ernährung + Intervallfasten) ergibt überhaupt keinen Sinn, wenn man versucht, sie ausgerechnet auf meine Energiezufuhr zurückzuführen. Neben dem Verzicht auf ca. 50 % der im Vormonat genossenen Kohlenhydrate bestand der einzige erkennbare Unterschied zwischen meiner Ernährung beider Monate in einer um durchschnittlich knapp 200 Kalorien höheren Energiezufuhr (Fastentage mit einkalkuliert). 

Ob eine Kalorienzufuhr von durchschnittlich 1900 Kalorien pro Tag - einschließlich der Fastentage, an denen ich null Kalorien zu mir nehme - ein Kaloriendefizit darstellen würde, lasse ich mal dahingestellt. Aber im Abnehmforum würde ich wohl niemanden finden, der daran glauben würde, daß man mit einer solchen durchschnittlichen Energiezufuhr 60 Kilogramm abnehmen kann. Und schon gar nicht als notorischer Sportverweigerer.

Ungeachtet dessen bin ich sehr wohl davon überzeugt, daß Ludwig mit seiner Insulin/Kohlenhydrate-These im Prinzip richtig liegt, minus die Kalorienlogik und plus einige noch unerkannte Wirkfaktoren im Zusammenspiel mit den maßgeblichen Hormonen, vor allem Insulin. 

Was bedeutet das aber alles?

Ich freue mich ja wirklich (genaugenommen bin ich sogar geradezu närrisch vor Begeisterung) über meinen spektakulären Erfolg mit Low Carb. Schon jetzt, zweieinhalb Wochen vor seinem Ende und sogar dann, falls ich von heute an kein Gramm mehr abnehmen oder sogar wie in früheren Jahren um diese Jahreszeit wieder zunehmen würde, kann ich guten Gewissens sagen, daß mein Low-Carb-Experiment meine kühnsten Erwartungen übertroffen hat. Ich hätte mich vor Beginn des Experiments, noch im September, ja auch schon über schlichtes Gewichthalten gefreut, und über ein oder zwei Kilogramm Gesamtabnahme in beiden Monaten, Oktober und November, wäre ich vor Freude bis an die Decke gesprungen. Aber ca.1,5 Kilogramm Abnahme nach jedem viertägigen Fastenintervall sind echt der Hammer. 

Wieso eigentlich verstärkt eine so moderate Variante von Low Carb die Wirkung einer mittlerweile durchaus ambitionierten Form des Intervallfastens so sehr? Weder nach meiner Logik noch nach der von Dr. Ludwig ergibt das einen Sinn.

Hier nochmal ein paar Gedanken dazu:

  • Ich bin immer davon ausgegangen, daß Intervallfasten und Low Carb aus demselben Grund wirken. Aber wenn das so wäre, warum habe ich dann gerade eine klassische rasante "Anfangsabnahme", wie ich sie ganz am Anfang beim Intervallfasten auch hatte und wie sie im Prinzip ja auch bei jeder jojoträchtigen Feld-Wald-Wiesen-Diät erlebt wird? Als ich meine Fastenintervalle verlängerte, weil die Wirkung beim alten Modell ausblieb, war ich damit zwar wieder erfolgreich und habe weiter abgenommen, aber doch vergleichsweise langsam. Im zweiten Jahr waren es durchschnittlich 1,5 Kilogramm pro Monat. Im Moment liege ich, sofern ich zwei viertägige Fastenintervalle in einem Monat mache, beim Doppelten! Eigentlich spräche dies dafür, daß der Wirkmechanismus diesmal ein anderer ist und nicht ein "Mehr vom Gleichen", also demselben Wirkmechanismus, dem ich die 52 Kilogramm Abnahme davor auch schon zu verdanken hatte.
  • Noch dazu erfolgt diese rasante Abnahme ausgerechnet in den beiden Monaten, in denen ich vier beschissene Jahre lang schier daran verzweifelt bin, daß ich immer ein wenig zugenommen habe, statt weiter abzunehmen.
  • Außerdem war meine Low-Carb-Variante mit durchschnittlich 75 Gramm Kohlehydraten pro Tag (inklusive Fastentage) bzw. 100 Gramm Kohlehydraten pro Tag (Fastentage nicht mit einbezogen) nun wirklich keine sonderlich ehrgeizige Low-Carb-Version. Es gibt ja Leute, die bestehen darauf, daß mehr als 50 Gramm Kohlehydrate kein echtes Low Carb seien. Ob es vielleicht hormonell gesehen einen Schwellenwert gibt, den man zwar unterschreiten muß, um eine Abnahmewirkung auszulösen, bei dem es aber egal ist, wie weit er unterschritten wird, solange er nur unterschritten wird? Die Verlangsamung der Abnahme im Lauf der Zeit bei fortgesetzter Anwendung der betreffenden Methode müßte in diesem Fall bedeuten, daß sich dieser Schwellenwert schleichend verschiebt und der Stoffwechsel ihn somit an die aktuellen Gewohnheiten anzupassen versucht.
  • Falls ja, müßte mein Schwellenwert nach viereinhalb Jahren Intervallfasten mittlerweile ziemlich hoch liegen. Meine Abnahme betrifft ja auch nur die Kombination von langen Fastenintervallen und Low Carb. In den letzten 24 Tagen ohne langes Fastenintervall habe ich mein Gewicht nur ungefähr gehalten, aber keines verloren. Eine Abnahme in den drei dazwischenliegenden Wochen mit jeweils zwei Fastentagen ist mir aber nicht aufgefallen ...
  • ... allerdings auch keine Zunahme, wie sie für mich eigentlich jahreszeittypisch wäre. Vielleicht ist die ausbleibende Zunahme also doch eine lediglich nicht mit bloßem Auge erkennbare und entsprechend den kürzeren Fastenintervallen geringere Abnahmewirkung? 
  • Es könnte aber auch sein, daß die Kombi Fasten in mehrtägigen Intervallen plus Low Carb irgendetwas anderes Hormonelles noch zusätzlich auslöst, das mir nicht bekannt ist und das ich nicht erkennen kann, weil es dabei um irgendeinen anderen Faktor geht als den, den ich bislang für entscheidend gehalten habe. Also um eines dieser "unknown unknowns".

Fragen über Fragen, eine spannender als die andere, und Dr. Ludwigs Arbeit gibt auf nichts davon eine Antwort. Womöglich hat ausgerechnet mein Mann, der mitnichten ein Wissenschaftler, sondern Techniker ist, mal wieder die beste Analyse zu bieten mit seiner Vermutung, daß man seinen Stoffwechsel immer mal wieder mit veränderten Herangehensweisen überraschen müsse, weil er sich an alles, was man tut, in überschaubaren Zeiträumen anzupassen versucht - wie das ja auch neulich das von mir verlinkte Video mit einem Bericht über eine Studie nahezulegen scheint. 

In diesem Fall müßte wohl eine Art "metabolisches Zirkeltraining" die beste Wirkung beim Abnehmen bieten: ein paar Wochen Methode 1, anschließend ein paar Wochen Methode 2 und so weiter. Dabei könnte dann m. E. auch Kalorienreduktion eine der Methoden sein, denn vier bis sechs Wochen sollten noch keinen Jojo auslösen können (ich bin aber nicht in Versuchung, das auszuprobieren, in der Kalorienfrage geht es mir mittlerweile viel zu sehr ums Prinzip, um das in meine eigene Abnahme hineinzuschummeln). In Frage käme neben - natürlich - Intervallfasten und Low Carb (alternativ Zuckerfrei/Glykämischer Index und alle anderen kohlehydratreduzierenden Diäten, allerdings ohne die dabei übliche Kalorienreduktion) außerdem Sport. Damit stünden vier verschiedene Herangehensweisen zur Verfügung, die man immer dann gegen eine andere Methoden auswechseln könnte, wenn die Abnahmewirkung erkennbar nachzulassen beginnt, was voraussichtlich nach einigen Wochen passieren sollte.

Je mehr ich über die durchschlagende Wirkung meines Low-Carb-Experiments nachdenke, desto neugieriger werde ich, welche Wirkung wohl ein solches "metabolisches Zirkeltraining" auf einen Anfänger hätte, also jemand, der gerade erst anfängt mit dem Abnehmen. Falls also so ein Anfänger hier mitlesen und das mal ausprobieren sollte: Ich würde mich brennend dafür interessieren, ob das tatsächlich besser wirkt, als dauerhaft bei einer Methode zu bleiben.

Wenn ich gerade ganz neu anfangen würde, würde ich das vielleicht selbst mal ausprobieren. Aber das Fasten bin ich jetzt seit viereinhalb Jahren gewöhnt, es fällt mir leicht und unterbrechen möchte ich gerade um diese Jahreszeit nicht, also mache ich stur damit weiter. Ich bin aber schon unheimlich gespannt darauf, was im Dezember passieren wird, wenn ich wieder "normal" esse. Mein Mann meint, vielleicht setzt sich meine Abnahme im Dezember gerade deshalb weiter fort, weil dann meine neue Ernährung wieder eine Überraschung für meinen Stoffwechsel ist, auf die er sich erst mal wieder einstellen muß. Ich habe ihn spontan erst einmal für verrückt erklärt. Aber beschweren würde ich mich darüber natürlich nicht, falls er auch diesmal recht behalten sollte. Und tatsächlich gibt es ja Berichte von Leuten, die ein Plateau mit Low Carb überwunden haben, indem sie wieder mehr Kohlenhydrate gegessen haben. Lassen wir uns also überraschen.

Ich bin zwar ein großer Rechthaber vor dem Herrn, aber wenn ich schon einmal nicht selbst recht haben sollte, finde ich es übrigens ganz prima, wenn es stattdessen mein Mann ist. 💏

Ansonsten könnte ich - zusätzlich zum Intervallfasten - im nächsten Jahr vielleicht abwechselnd EMS-Training und Low Carb einbauen, sofern auch das EMS-Training eine überzeugende Wirkung mit sich bringen sollte, und damit die Abnahme vielleicht kontinuierlich höher als bislang erwartet halten.

Sobald ich aber ein Vorher-Gewicht erreicht habe, das niedriger als 80 Kilogramm liegt, werde ich für meinen Schlußspurt alle Instrumente, die mir zur Verfügung stehen, auf einmal in die Waagschale werfen und möglicherweise auch die Zahl meiner Fastenintervalle noch auf das mir für einen begrenzten Zeitraum vertretbar erscheinende Maximum erhöhen, um die letzten 6 Kilogramm dann möglichst schnell auch noch erschlagen zu können. Vielleicht gehe ich, bevor ich damit anfange, sogar noch zu meinem Hausarzt und lasse mich von ihm beraten, was längere Fastenintervalle als vier Tage und eventuelle dabei nötige Supplementierungen betrifft. Vielleicht habe ich Glück, und er findet die Sache interessant genug, um sie etwas engmaschiger begleiten zu wollen. Immerhin war es ja mein Hausarzt, der mir sagte, Leute wie er und ich könnten nicht damit rechnen, jemals wieder normalgewichtig zu werden.

Steht also nächstes Jahr, spätestens im Herbst, vielleicht schon der Endspurt an? Noch vor zwei Monaten hätte ich angenommen, daß es noch ewig dauern wird, bis ich diesen Punkt erreicht habe. Im Moment bin ich aber - gerechnet von meinem Gewicht zu Beginn des langen Fastenintervalls diese Woche, also 92 Kilogramm - von diesem Punkt nur noch ca. 12,1 Kilogramm entfernt. Vielleicht sind es aber Ende dieses Monats sogar schon weniger als 10. In den letzten Wochen habe ich nämlich nach jedem langen Fastenintervall, das ich neu begonnen hatte, ungefähr 1,5 Kilogramm weniger als beim vorhergehenden auf die Waage gebracht. Das würde bedeuten, daß ich das nächste lange Fastenintervall bei ungefähr 90,5 Kilogramm beginnen sollte, und das übernächste - das dann schon Anfang Dezember sein wird - bei 89 Kilogramm.

Und das in meinen Horrormonaten Oktober und November! Wie mag die Wirkung dann wohl im März aussehen, in dem ich ja immer überdurchschnittlich abgenommen hatte? - Ich glaube, das muß ich dann doch dringender erfahren, als eine Antwort auf die Frage zu bekommen, ob die "normale" Frühjahrsabnahme wieder normal stattfindet oder nicht.