Samstag, 31. Oktober 2020

Das Ganze, das mehr ist als die Summe seiner Teile

Mein Gewicht heute früh: 99,9 Kilogramm. Vorgestern nachmittag, nachdem ich vom Besuch bei meiner Mutter heimgekommen war waren es 99,2 Kilogramm, zweihundert Gramm weniger als am Tag meiner Abreise, dem Sonntag. Das passiert jedes Mal, wenn ich bei meiner Mutter bin, weil ich dort immer viel weniger trinke als zu Hause. So kommt auch das amüsante Phänomen zustande, daß ich unweigerlich nach Weihnachten weniger wiege als vor den Feiertagen, worum mich sicherlich der eine oder andere ein bißchen beneidet. 😇

Die Stunde der Wahrheit schlägt aber erst morgen oder übermorgen: Werde ich bis zum Montag, wenn ich das nächste lange Fastenintervall beginne, unter 100 bleiben oder nicht? Im Moment pendle ich zwischen 99 und 100 herum. Es ging in den letzten zwei Wochen nicht linear nach oben, sondern mein Gewicht hielt sich (außer nach Fastentagen) ziemlich stabil bei 99,5 plusminus ein bißchen was. Also kann es durchaus sein, daß ich morgen wieder bei 99,6 oder so stehe. Aber natürlich ist die 100 auch nur noch schlappe hundert Gramm entfernt.

Eigentlich würde ich innerhalb so weniger Tage nicht mit einem plötzlichen Ausreißer nach oben rechnen ... wenn, ja wenn es nicht Oktober wäre und ich solche Ausreißer nicht gerade in diesem Monat noch jedes Jahr erlebt hätte, und zwar auch dann, wenn ich meinen normalen Fastenrhythmus einhalte. Diesmal habe ich aber seit mittlerweile acht Tagen gar nicht mehr gefastet und bis zum nächsten Fastentag sind es noch weitere zwei Tage. So merkwürdig das klingen mag: Ich bin langsam wirklich froh, wenn ich die hinter mir habe, und noch froher wäre ich, wenn der häßliche Ühu mir bis dahin weiter fernbleiben sollte.

Zwei lange Fastenintervalle im November werden die Ühu-Frage dann aber hoffentlich endgültig zu einer Frage aus der Vergangenheit machen. Immerhin, in den letzten sechs Wochen bin ich ja nur noch an einem einzigen Tag ganz knapp über 100 gelandet, ansonsten zeigte sich mein Uhu erfreulich handzahm. 

Angesichts des "Teil-Lockdowns", der noch dazu einen ganzen Monat lang gelten soll, bin ich froh, daß ich den Besuch bei meiner Mutter gemacht habe, der für uns alle - meine Mutter, meine Schwester, ihren Mann und mich - eine erfreuliche Sache war. Im Moment kann ja niemand seriös voraussagen, ob wir an Weihnachten nicht immer noch im Lockdown sitzen werden oder nicht oder sogar eine echte Ausgangssperre verhängt wird. Ich bin im Großen und Ganzen zuversichtlich, daß ich mit meinem Besuch weder jemanden gefährdet noch mich selbst in größere Ansteckungsgefahr gebracht habe, und nachdem wir gestern noch einmal nett essen waren, sehe ich dem kommenden Monat gelassen entgegen und habe kein Problem damit, einen ganzen Monat lang brav zu bleiben.

Es wird ja viel über den Sinn und Unsinn der einzelnen Maßnahmen dieses "Lockdowns light" diskutiert, aber diese Debatten gehen am Kern der Sache vorbei. Mir leuchten die Maßnahmen als Gesamtpaket ein, das als Ganzes mehr ist als die Summe seiner Teile. 

 

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Unter anderem auch wegen dieser Statistik:

Die gelb markierten Zahlen sind der tagesaktuelle R-Wert (in den beiden Spalten rechts daneben sind zwei andere R-Wert-Berechnungsweisen enthalten, in denen die Schwankungen im Wochenrhythmus ausgeglichen werden). Sehr auffallend ist dabei, daß immer die Werte am Freitag und Samstag höher ausfallen als an anderen Wochentagen. Das deutet darauf hin, daß besonders viele Neuinfektionen in der Freizeit stattfinden, während die Arbeitswoche im Vergleich dazu ein geringeres Ansteckungsrisiko birgt. 

Es hat deshalb einen Sinn, alles dafür zu tun, daß diese Freizeit - egal ob unter der Woche oder am Wochenende - in den eigenen vier Wänden oder kontaktlos im Freien stattfindet, denn es ist anzunehmen, daß ein Lockdown, der Freizeitbeschäftigungen betrifft, besonders effektiv sein wird. Ehrlich gesagt, bin ich auch ein bißchen erstaunt, daß meines Wissens noch niemand von unseren obersten Corona-Erklärern das auch so begründet hat, denn es macht genau die beschlossene Art von Lockdown sehr plausibel. 

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Update 1.11.: 

Hiermit rudere ich mit Nachdruck zurück, was meine gestrige Interpretation dieser statistischen Werte betrifft, da mir nach einmal Drüberschlafen klargeworden ist, daß sie völlig falsch ist. Die Werte beschreiben ja nicht den Zeitpunkt der Infektion, sondern den Zeitpunkt der Diagnose, und der kann unterschiedlich lange nach dem Zeitpunkt der Infektion liegen. Der Wochenrhythmus muß irgendwie mit der Arbeitsweise der Labore zusammenhängen.

Ich nehme also hiermit alles innerhalb des mit Sternchen markierten Absatz zurück und behaupte das Gegenteil. Aber mal schauen, ob der Lockdown trotzdem so wirkt, wie von mir erhofft. Vielleicht ist es ja wirklich so, wie ich annahm, daß mehr Infektionen im Freizeitbereich stattfinden - nur kann ich es im Moment nicht beweisen (was eigentlich schade ist). 


Ein paar Rätsel verbergen sich in den Lockdown-Details natürlich schon, so läßt sich etwa aus Blickwinkel der Gefährdungsrisiken überhaupt nicht nachvollziehen, warum Friseure öffnen dürfen, aber Fitnessstudios nicht. Einen Sinn ergibt es aber dann, wenn man annimmt, daß die Logik einer knochentrocken pragmatischen Einschätzung der Praktikabilität eines mehrwöchigen Lockdowns folgte. Ich bin ein eher seltener Friseurbesucher, aber für manche Haarschnitte sind vier Wochen doch eindeutig zu lang, und im Frühjahr wurden zum Ende des Lockdowns viele Witze über die außer Form geratene Haarpracht gerissen. Wer weiß, vielleicht spielte ja bei dieser Entscheidung insgeheim auch eine Rolle, daß gerade Frau Merkel sich wahrscheinlich vor jedem öffentlichen Auftritt erst noch ihre Haare richten lassen muß ...? Es ist mir nicht entgangen, daß sie sich im Frühjahr offenbar sehr wohl ihren Friseur gegönnt hat, obwohl es uns armen Sterblichen doch verboten worden war.

Das Ziel bei der auf den ersten Blick etwas wahllos wirkenden Auswahl der Schließungen lag offenbar darin, die Zahl der Ziele außerhalb von Wohnung, Arbeitsplatz und Schule, die man zum Zweck irgendeiner Form von Freizeitgestaltung ansteuern könnte, möglichst klein zu halten, und das halte ich für sinnvoll. Ich nehme an, die Entwicklung des R-Werts ab nächster Woche wird mir da recht geben, und ganz besonders neugierig bin ich dabei auf den R-Wert vom nächsten Samstag.

Ich muß gestehen, ich kann die Proteste der betroffenen Einrichtungen diesmal auch nicht ganz nachvollziehen, da die Ausgleichzahlungen (75 % der Einnahmen vom November 2019) wahrscheinlich meistens höher liegen als die zu erwartenden Einnahmen im November 2020 unter den derzeit, also vor dem Lockdown, gegebenen Einschränkungen. Diese Regelung ist definitiv fair für die Mehrheit der Betroffenen und in manchen Fällen wohl sogar geradezu großzügig. Für Gruppen, die dabei durch den Rost fallen - spontan denke ich dabei an Betriebsgründungen, die erst  nach dem November 2019 stattgefunden haben, aber bestimmt gibt es noch weitere -, müssen aber natürlich ggf. eigene Lösungen gefunden werden.

Alles in allem finde ich, verglichen mit einigen unserer Nachbarländer sind die Maßnahmen bei uns noch moderat, und bedenke ich, wie sehr schon vorher, praktisch von dem Moment an, als der erste Lockdown aufgehoben worden war, über Umsatzeinbußen gejammert wurde, finde ich es auch ein wenig sonderbar, daß nun auf einmal von so vielen Betroffenen so getan wird, als wäre die geschäftliche Lage ohne den neuen Lockdown geradezu paradiesisch. Sollte das mit den Ausgleichszahlungen auf vernünftige Weise und in einem vernünftigen Zeitrahmen umgesetzt werden, ist ein geschlossener Monat für die meisten Betroffenen eher einfacher zu bewältigen als im Frühjahr. Wo ich aber einsehe, daß die Leute sich zu Recht ärgern: Wenn - vor allem in der Gastronomie - Investitionen getätigt wurden, um Außenbereiche über möglichst lange Zeiträume nutzbar zu machen. Denn natürlich ist die Wahrscheinlichkeit, sie nutzen zu können, im November höher als im Januar, also macht der Lockdown den Sinn kostspieliger Umbauten fraglicher. Da bleibt mir nur, diesen Betrieben fest die Daumen zu drücken, daß der Klimawandel ab Dezember für einen möglichst außengastronomiefreundlichen Winter sorgt.

Aber auch die Maßnahmen in den Nachbarländern sind nicht unverhältnismäßig. Europa hat in den letzten Tagen jeden Tag über 200.000 bestätigte Neuinfektionen verzeichnet, und steuert gerade auf 300.000 Infektionsfälle täglich zu. Wenn ich mir einen der europäischen "Vorreiter" bei der zweiten Corona-Welle anschaue, Spanien nämlich, stelle ich fest, daß die dortige zweite Welle schon länger als drei Monate rollt und die Infiziertenzahlen immer noch ansteigen, auch in Madrid, wo schon vor vier Wochen ein Teil-Lockdown verhängt wurde. Ich hoffe, das ist kein unheilverkündender Vorbote dessen, was uns ebenfalls bevorsteht. Ich möchte nämlich eigentlich gerne auch an Weihnachten wieder meine Mutter besuchen können.

Der einzige Trost wäre dann die nach wie vor deutlich niedrigere Zahl von Todesfällen pro Tag im Vergleich zum Frühjahr, die Spanien ebenfalls weiterhin verzeichnet, aber auch die hat einen Haken: Man sollte sich da nichts vormachen, wenn sechs Monate lang im Durchschnitt 200 Tote zu beklagen sind, ist das unter dem Strich genausoviel, wie wenn zwei Monate lang jeden Tag im Durchschnitt 600 Menschen an Corona sterben. Dennoch, daß in den meisten Ländern die Todesfälle nicht so hoch steigen wie im Frühjahr, ist eine gewisse Beruhigung.

Bislang fiel mir in Europa nur ein Land auf, in dem erst die zweite Welle einen so extremen Anstieg der Todesfälle aufwies wie anderswo in der ersten, und das ist ausgerechnet Tschechien, der europäische Musterknabe während der ersten Welle. Wer unseren Lockdown schlimm findet, dem empfehle ich, mal nachzuschauen, was den Tschechen gerade abverlangt wird. Ich erinnere mich noch, daß sie die Allerersten in Europa waren, die eine Maskenpflicht im Freien einführten. Ab Ende Mai wurde sie Schritt für Schritt (erst im Freien, dann sukzessive auch in geschlossenen Räumen) wieder abgeschafft und - das hat mich ehrlich erstaunt - erst vor ca. einer Woche in der Version vom März wieder eingeführt. 

Das hätte bei unseren tschechischen Nachbarn offenbar keinen so dramatischen Verlauf nehmen müssen, sie hätten nur noch einmal dasselbe genauso schnell tun müssen wie schon einmal. Auch andere Länder haben langsamer reagiert, als man es aufgrund der Erfahrungen vom Frühjahr hätte erwarten sollen. Ich habe insgesamt den Eindruck, überall in Europa saß den Regierungen die Angst vor dem Zorn der Bevölkerung im Nacken und ließ sie zögern, wo eine schnelle Reaktion wichtig gewesen wäre. Im Prinzip gilt das auch für Deutschland, wo aber die Proteste eine gar zu schnelle Reaktion auch kaum zugelassen hätten. Aber ich habe das Bauchgefühl, daß genau wie im Frühjahr der letztmögliche Moment, um einen völligen Kontrollverlust zu vermeiden, noch nicht verpaßt worden ist und die Lage bei uns beherrschbar bleiben wird. Ob ich damit richtig liege, wird die Entwicklung im November zeigen.

Wenn man in Europa jetzt nach Ländern sucht, in denen die Entwicklung weniger beunruhigend ist, gehörte bis vor einigen Tagen Schweden noch zu den Ländern, die gerne genannt wurden. So hörte ich beispielsweise, daß in irgendeinem unserer Fernsehsender der Buchautor Jonas Jonasson sich lobend über den angeblich so erfolgreichen schwedischen Weg äußerte. Aber noch vor drei Wochen hätte man im gleichen Atemzug auch Deutschland nennen können, und seither haben sich die Ereignisse ja mehr oder weniger von einem Tag auf den nächsten wieder zu überschlagen begonnen. Längst zeichnet sich auch für Schweden ab, daß dort  um zwei bis drei Wochen zeitverzögert genau dasselbe passiert wie bei uns. Gestern hörte man von einer Rekordzahl an Neuinfektionen, und auch die Zahl der Corona-Fälle, die in den Intensivstationen landen, nimmt bereits wieder zu, noch vergleichsweise langsam, aber ich nehme an, das wird sich genauso rasch wie bei uns beschleunigen. 

 

Zu denken geben sollte dabei auch, daß es keineswegs die besonders Alten sind, die die meisten Intensivpatienten ausmachen, sondern die beiden hauptbetroffenen Altersgruppen die der Fünfzig- bis unter Siebzigjährigen sind. Der Altersdurchschnitt liegt bei knapp unter 60 Jahren.

 

Die auffallend wenigen über Achtzigjährigen unter den Intensivpatienten führten zu mittlerweile auch vom Spiegel aufgegriffenen Gerüchten, in Schweden habe man diesen Altersgruppen bei Coronainfektion gezielt eine Krankenhausbehandlung verweigert, um die Krankenhäuser zu entlasten. Ich bin mir nicht sicher, ob diese Vorwürfe gerechtfertigt sind, denn für Deutschland fiel mir ebenfalls etwas Merkwürdiges auf: Die Todesfälle unter den Intensivpatienten laut DIVI-Tagesreport machen nur knapp die Hälfte aller Corona-Todesfälle aus. Mehr als die Hälfte der Verstorbenen war also unmittelbar vor dem Tod nicht in Intensivbehandlung. Ich nahm immer an, daß es sich bei dieser zweiten Hälfte um Hochbetagte handelte, bei denen der Krankheitsverlauf so rasant war, daß jeder Versuch, gegenzusteuern, von vornherein als sinnlos erkannt wurde. Wenn ja, wüßte ich keinen Grund, warum es nicht in Schweden ebenso sein sollte. Umgekehrt wäre es mir aber auch wohler, wenn unserer ach so kritischen Presse diese Sache überhaupt erst einmal auffallen und sie den Zuständigen entsprechende Fragen stellen würde. Ich fühle mich wieder einmal schlecht informiert, und das in einer Teilfrage, die schon von Bedeutung ist.

Das schwedische Modell unterscheidet sich in seinen Ergebnissen aber erheblich vom deutschen: Es führte schon im Frühjahr zu besonders hohen Todesfallzahlen. Gemessen als Anteil an der Gesamtbevölkerung sind dort fünfmal so viele Menschen gestorben wie bei uns. Das kann im Winter leicht noch einmal passieren, und ich vermute, es wird auch passieren, falls die schwedische Regierung ihren Kurs vom Frühjahr beibehält.

Trotzdem sollte man anerkennen, daß das schwedische Experiment zumindest während des Sommers erfolgreicher gewesen ist, als ich das erwartet hatte. Es ist schade, daß die "großen Debatten" um die richtige Corona-Strategie meistens nur ums Rechtbehalten gehen, nicht um Problemlösungen. Warum es im Sommer fast überall in Europa so viel weniger Infektionen gab, aber nun fast alle europäischen Länder, egal wie ihre Strategie ausah, wieder Infektionsrekorde erreicht haben oder mutmaßlich in den nächsten Wochen erreichen werden, ist eine Frage, die viel ausführlicher diskutiert werden sollte, denn aus ihr ließen sich wahrscheinlich unterschiedlichste Ansätze entwickeln, um die höhere Infektionsgefahr im Winter abzumildern. 

Ich las zum Beispiel irgendwo (leider fand ich die Quelle nicht mehr) die Vermutung, der Zusammenhang bestünde mit dem Beginn der Heizperiode, weil die trockene Heizungsluft die Verbreitung der Viren begünstige. Falls das stimmen sollte, wäre Luftbefeuchtung eine einfache und wirkungsvolle Möglichkeit, diese Gefahr wenigstens ein bißchen zu reduzieren, und es spräche wohl - genau wie im Frühjahr bei den Masken - auch nichts dagegen, das einfach zu machen, auch ohne darauf zu warten, daß die Wissenschaft einen Wirkungsnachweis liefert. Denn schaden kann es ganz bestimmt nichts, und es ist sicherlich auch unabhängig von Corona eine Verbesserung.

Ich selbst vertrage die trockene Luft in geheizten Räumen zum Beispiel so schlecht, daß bei mir während der gesamten Heizperiode immer ein Luftwäscher läuft, und weil das nicht ausreicht, hänge ich zusätzlich jeden Morgen, den Gott werden läßt, ein nasses Handtuch über die Heizung. Ich merke es spätestens nach ein bis zwei Stunden, wenn eines von beidem fehlt, weil mir die Nasenschleimhaut austrocknet und ich Probleme mit den Nebenhöhlen - einschließlich Kopfschmerzen und Zahnschmerzen - bekomme. Sobald ich für die Luftbefeuchtung sorge, verschwinden die Symptome innerhalb von Minuten, aber das habe ich natürlich nur selbst in der Hand, wenn ich mich in meiner Wohnung befinde. In Bus oder Straßenbahn oder in anderen Räumlichkeiten leide ich dann eben vor mich hin, und das eigentlich schon immer, auch wenn ich den Zusammenhang lange nicht erkannt habe. Für mich wäre es in jedem Fall ein Gewinn an Lebensqualität, falls Luftbefeuchtung im Zusammenhang mit Corona auf einmal allgemein üblich werden und vielleicht auch über Corona hinaus bleiben würde. Ich wünsche mir, daß Corona, da es nun einmal in der Welt ist, vielleicht neben allem, was daran schlimm und schädlich ist, auch ein paar Weichen in die richtige Richtung stellen kann, vielleicht nur kleine und bescheidene wie die Luftbefeuchtung, aber mit ein bißchen Glück passiert das ja auch in der einen oder anderen größeren Sache.

Mir geht an diesen Quertreibern (Querdenker sind sie dem Augenschein nach trotz ihrer Selbstbezeichnung keine - zum Denken gehört Hirn, und diese Leute sind eindeutig bauch- und nicht kopfgesteuert) vor allem eines auf die Nerven, nämlich diese Unfähigkeit und/oder Unwilligkeit, eine von außen kommende, unerwartete und nicht verhinderbare neue Situation, auf die niemand vorbereitet war, dafür zu nutzen, sein eigenes Lebens- bzw. Geschäftsmodell einmal auf den Prüfstand zu stellen, anstatt nur den Vorher-Zustand zurückhaben zu wollen. Man könnte ja auch den Ehrgeiz entwickeln, hinterher besser dastehen zu wollen als vorher, und dafür entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Mein Stammlokal hat das während des Frühjahrs-Lockdowns offenbar getan; es gibt jetzt eine Online-Bestellmöglichkeit auf der Website und offenbar haben sie auch nach der Wiederöffnung weiterhin Essen to go angeboten, was es zuvor nicht gegeben hatte. Ich nehme an, es gab auch nach der Schließzeit entsprechend hohe Nachfrage danach. Beruhigend, daß ich deshalb annehmen kann, dieses Lokal, das schon über hundert Jahre alt ist und alle möglichen Veränderungen gesehen, unter manchen bestimmt gelitten, aber manche anderen auch zu ihrem Vorteil genutzt hat, weiter Bestand haben wird.