Mittwoch, 25. November 2020

Finde den Fehler

Mein Gewicht heute früh: 97,3 Kilogramm - ein bißchen mehr als ich mir für den heutigen Tag erhofft hatte. Eigentlich hatte ich mit einem Gewicht unter 97 Kilogramm gerechnet. Aber das kommt vermutlich von den Blähungen, die mich schon seit Montag geplagt, nachts am Schlafen gehindert und meinen Bauch in eine ausgeprägt gewölbte Tonne verwandelt haben. Keine Ahnung, womit ich mir das eingefangen habe, etwas Blähungsverdächtiges hatten wir nicht gegessen. Aber auch Luft hat jedenfalls ein Gewicht, wenn sie sich im Magen-Darm-Trakt befindet.

Die DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) hat gestern den 14. DGE-Ernährungsbericht publiziert, gegen den ich - wie zu erwarten - allerhand Einwände vorzubringen habe.  Leider werde ich mich bei meiner "Rezension" aber auf die Pressemappe beschränken müssen, da der Volltext 37 Euro kostet, und bei aller Neugier auf dessen Inhalt: So dringend ist es mir dann doch wieder nicht. Da gebe ich lieber 37 Euro für unsere nächste Bestellung in unserem Lieblingslokal aus, die können das Geld gut gebrauchen.

Das gilt auch deshalb, weil die Pressemappe auch für sich genommen schon einen deutlichen Fingerzeig gibt, daß die Lektüre mich bloß wieder verärgern würde. Ich setze zur Verdeutlichung mal die betreffenden Ausschnitte hier rein. 

 Ergänzend hierzu auch noch: 

 

  Aber dann:

 

Halten wir also fest, daß die angebliche Verbesserung der Ernährungssituation nicht zu einem Rückgang oder wenigstens einer Plateaubildung oder allermindestens einem Trend der Verlangsamung beim stetigen Anstieg des Übergewichts geführt hat, sondern der Trend weiterhin in die falsche Richtung geht. Läge es da nicht nahe, das Lösungskonzept einmal kritisch zu hinterfragen, anstatt die eingeschlagene Marschrichtung stur weiterzuverfolgen? Die DGE denkt freilich gar nicht daran:

Das Klima ist hier nicht mein Thema, aber wenn die Ernährung umso gesundheitsfördernder (also auch weniger dickmachend) wäre, je pflanzenbetonter sie ist, dann müßte man davon eigentlich etwas bemerken, da die Ernährung ja im Vergleich zu vor vier Jahren mehr und nicht weniger Gemüse enthält. Stattdessen gibt es aber auch mehr Übergewichtige als vor vier Jahren. 

Wie paßt das zusammen? Und warum fällt den "Experten" darauf schon wieder nichts anderes ein, als "Mehr vom Gleichen" für die Lösung zu halten, anstatt sich zu fragen, ob man stattdessen irgendetwas anders machen müßte? 

 

Ich rüge an dieser Stelle mit Nachdruck die Formulierung "weltweite Epidemie". Auch wenn die WHO sich auf diese unpassende Begrifflichkeit festgelegt hat, gibt es überhaupt keinen Grund, sie wie ein Papagei nachzuplappern, da sie doch eindeutig nichts weiter als eine Propagandavokabel ist, die eine unpassende Analogie herstellt in der Absicht, damit eine besondere Dringlichkeit zu signalisieren. Corona, nicht Übergewicht, ist eine weltweite Epidemie, und man sollte doch meinen, jetzt, wo wir tatsächlich eine Pandemie live und in Farbe miterleben können und auch sehen, in welchem Tempo sich dabei die Dinge entwickeln, müßte der Unterschied, und zwar auch der in der Dringlichkeit der Maßnahmen, deutlich erkennbar sein. Auch wenn wir das Glück hatten, daß wir für diesmal noch keine Pandemie haben, die die Hälfte der Infizierten umbringt: Bei der nächsten Pandemie kann das anders sein, also ist Corona im Grunde ein Glückfall, denn das sollte dann besser funktionieren. 

Wollen wir also hoffen, daß die Infektiologen ein bißchen schneller lernen als die Ernährungswissenschaftler, denn die laborieren ja immer noch mit den Rezepten von vor fünfzig Jahren herum, obwohl sie, und das nachweislich, seit fünfzig Jahren nicht funktioniert haben. 

Was hindert diese Leute eigentlich daran, ihr Problem endlich einmal von der anderen Seite her anzugehen, nämlich sich mit dem zu befassen, was die Erfolgreichen tun? Also diejenigen, die ein Gewichtsproblem hatten, es aber lösen konnten und danach dauerhaft (mindestens fünf Jahre lang) im Normalgewichtsbereich geblieben sind. Gerade einer Antwort auf die Frage, welche Art von Lebensmitteln bei ihnen häufiger und welche seltener gegessen werden als beim durchschnittlichen Übergewichtigen, würde ich mit Interesse entgegensehen. Zumal vor dem Hintergrund einer wachsenden und überdurchschnittlich häufig erfolgreichen Low-Carb-Anhängerschaft, unter denen der Fleischkonsum ja entgegen des Professors Annahme überdurchschnittlich ausfällt. 

 ***

Eine interessante Teilauswertung betrifft schwangere Frauen. Auch bei denen nimmt der Anteil der Übergewichtigen nämlich zu. 

Der alljährliche Anstieg ist in seiner Konstanz wirklich frappierend. Aber die Erklärung findet sich gleich im nächsten Satz nach der Grafik:

Die Antwort auf die nun logisch erscheinende Folgefrage gab die DGE nicht, aber sie ließ sich leicht ergoogeln:

Das Durchschnittsalter steigt also ebenso konstant wie der Anteil der übergewichtigen Mütter. Ich habe eine Markierung im Jahr 2007 angebracht; dummerweise wurden aber erst ab 2009 die Mütter ehelicher und unehelicher Kinder zusammengezählt, bis 2008 betraf das Durchschnittsalter der Grafik nur die Mütter ehelich geborener Kinder. Der Trend ab 2009 bestand sicherlich schon vorher. 

Wenn wir jetzt einfach mal als Arbeitshypothese davon ausgehen, daß das durchschnittliche Gewicht - jedenfalls bei Frauen - zwischen dem Alter von 18 und, sagen wir, 58 jedes Jahr geringfügig, aber konstant ansteigt, macht das den Trend zu immer späteren Geburten natürlich problematischer - und zwar zusätzlich zu den anderen Problemen, die mit späten Schwangerschaften verbunden sind. Das sind nicht nur medizinische höhere Risiken, sondern auch die Tatsache, daß es umso kniffeliger wird, Kind und beruflichen Aufstieg zu verbinden, je weiter man beruflich bereits vorher aufgestiegen war. Und am Ende zetern dann die Gleichstellungspolitiker wieder darüber, daß so wenig Frauen es in Vorstände schaffen. Wie denn, wenn sie zwischen Mitte 30 und Mitte 40 (letzteres ist typisches Alter für neu berufene Vorstände) neben der Arbeit mit Windeln, Windpocken und Elterntaxi beschäftigt sind und sich beim besten Willen nicht so ausschließlich auf die Karriere konzentrieren können, wie das für die Spitzenpositionen nun einmal nach derzeitiger Vorstellung nötig ist?

Als ich Mitte 30 war, habe ich einen beruflichen Neustart hingelegt, der mich in meinen heutigen Beruf geführt hat, mit dem ich nun seit bald zwanzig Jahren glücklich bin. Das war möglich, weil mein Sohn damals schon pubertierte. Das brachte mich zwar auch an den Rand des Wahnsinns, aber meine Verantwortung für die Entwicklung meines zeitweise doch mißratend erscheinenden Kinds lag auf einer ganz anderen Ebene als in der Zeit, als er noch im Kindergartenalter war. Arbeiten konnte ich auch damals, sogar in Vollzeit, obwohl das in den Neunzigern bei Müttern noch keineswegs üblich war und man in Kauf nehmen mußte, daß einen eine Menge Leute dafür schief angesehen haben. Aber es gab klare Grenzen bei dem, was ich leisten konnte und was nicht, vor allem zeitlich, solange das Kind von mir in die Tagesstätte gebracht und wieder von dort abgeholt werden mußte. 

Ich hatte damals keinen karriereträchtigen Posten auszufüllen, sondern lediglich einen, der mir zu meinem Lebensunterhalt verhalf (und das noch nicht einmal besonders gut), aber wenn es einer gewesen wäre, dann hätte ich das trotzdem nicht für eine Karriere nutzen können. Wenn ich Prioritäten setzen und wählen mußte, dann war es schlechterdings unmöglich, der Arbeit Vorrang vor meinen Aufgaben als Mutter zu geben, allenfalls hätte ich manche der mütterlichen Pflichten delegieren können, sofern das Geld dafür reichte (und das tat es in jener Zeit nie) oder hilfsbereite Freunde da waren (die hatte ich, aber überstrapazieren konnte und wollte ich deren Gutmütigkeit auch nicht).

Ich kann es heutigen Müttern rückblickend auch immer noch nicht empfehlen, bei kleineren Kindern andersherum zu priorisieren.

Es wäre also eine in mehrfacher Hinsicht vorteilhafte Entwicklung, wenn dieser Trend zu immer späteren Geburten wieder zum Kippen gebracht werden könnte. Ich glaube aber nicht, daß das durch die Politik wirklich gezielt gesteuert werden kann. Es müßte gewissermaßen in Mode kommen, schon während des Studiums sein erstes Kind in die Welt zu setzen; wenn das der Fall ist, machen es auf einmal alle. An den Hochschulen mehr als nur die allernötigste, sondern eine besonders gute und wenn möglich kostenlose oder sehr günstige Infrastruktur für Kinderbetreuung bereitzustellen, wird das natürlich nicht alleine bewirken, wäre aber jedenfalls kein Fehler.

***

Ganz anderes Thema: Im Oktober schrieb ich über eine bis dahin weitgehend übersehene Entwicklung am Wohnungsmarkt, nämlich daß die Zeiten der immer weiter steigenden Mieten vorbei seien. Sie haben das zum meines Wissens ersten Mal also bei mir lesen können, und zwar - fürs Protokoll - am 14.10.2020. Jetzt sind offenbar die "Experten" endlich auch dahintergekommen. Was ihnen allerdings immer noch nicht klar zu sein scheint, ist, daß sich dies auch auf den Immobilienmarkt auswirken wird, nur eben nicht auf der Stelle. 

Die Zeitverzögerung hat mehrere Gründe, einer davon wird in dem verlinkten FAZ-Bericht erwähnt, nämlich der Drang in die eigenen vier Wände gerade in diesen beängstigenden Zeiten. Sofern die Banken ihnen dafür Geld geben, werden Mieter in Corona-Zeiten natürlich noch dringlichere Sehnsucht nach Wohneigentum haben, also läßt die Nachfrage nach Wohneigentum jetzt noch nicht nach. 

Dadurch werden aber erstens - in einem Markt, in dem das Angebot schon jetzt erheblich zugenommen hat- noch weitere Mietwohnungen frei, in die andere Mieter nachrücken können, und zweitens ist angesichts des knappen Angebots an Kaufimmobilien damit zu rechnen, daß ein beträchtlicher Teil der jetzigen Käufer aus überlaufenen Innenstädten in die Außenbezirke und ins Umland abwandern. Also trägt dieses Phänomen ebenfalls zur Beseitigung des Rückstaus auf dem Wohnungsmarkt bei und verschlechtert die Geschäfte der Anbieter von sogenannten "WG-Zimmern" weiter. Sobald die wegen sich verschlechternder Rendite ihre Investitionen in weitere Immobilien einstellen, stehen diese interessierten Käufern mit eigenem Wohnwunsch zusätzlich zur Verfügung. Genau das wird aber den Markt für Möbliert-Vermieter, die in den letzten Jahren immer mehr genutzt wurden, weil es kaum noch Alternativen mehr dazu gab, noch weiter verschlechtern. Fangen sie sogar an, Immobilien aus ihrem Bestand zu verkaufen, dürfte der Weg in die Entspannung auch des Kauf-Wohnungsmarkts frei sein.

Die spannende Frage, die ich mir stelle, lautet: Wie lange dauert es wohl noch, bis diese Entwicklung auch den Kaufmarkt zum Kippen bringt? Ich tippe auf nächstes Jahr irgendwann im späten Frühjahr. Wetten auf andere Zeitpunkte werden gerne angenommen.