Dienstag, 19. Oktober 2021

Das Ende nahet. Vielleicht jedenfalls.

Mein Gewicht heute früh: 91,6 Kilogramm, ungefähr wie erwartet. Falls ich heute gefastet hätte, wäre ich unter Umständen wieder bei einem Gewicht unter 90 Kilogramm gelandet - das ist schon bemerkenswert, da ich ja noch vor zwei Wochen nicht ausgeschlossen hatte, daß es bis März dauern könnte, bis mir das wieder gelingt. Aber aus strategischen Gründen - siehe mein gestriger Beitrag - faste ich heute ja nicht, und morgen dürfte mein Gewicht die 92 Kilogramm wohl überschreiten. 

In diesem Fall ist ein Wert unter 90 natürlich für übermorgen unerreichbar, denn mehr als zwei Kilogramm minus an einem Fastentag passieren mir in der Woche nach einem langen Fastenintervall nur in Ausnahmefällen, weil sich mein Wasserhaushalt da noch nicht ganz regeneriert hat.

Aber darauf kommt es mir ja im Moment gar nicht an. Vor allem möchte ich die nächsten drei Wochen ohne eine Wiederzunahme überstehen, wie sie für mich eigentlich jahreszeittypisch ist, und ich hoffe, das, was sich in den letzten drei Wochen angedeutet hat, bestätigt sich nach Ablauf dieses Zeitraums, nämlich daß Low Carb das richtige Mittel ist, um dies tatsächlich zu verhindern. Etwaige Gewichtsabnahmen anstelle der bekämpften Zunahme oder der erhofften Stagnation nehme ich natürlich gerne und mit Dank mit, falls sie sich einstellen sollten.

Gestern habe ich außerdem ein kleine Zwischenauswertung meiner Kalorienbilanz der letzten sechs Wochen vorgenommen und dabei festgestellt, daß ich in den 18 Tagen, seit ich mit Low Carb begonnen habe, zu meinem Erstaunen tatsächlich unter dem Strich ein Kaloriendefizit zu verzeichnen hatte. Das traf etwas unglücklich mit einem aktuellen Video zusammen, unter dessen Eindruck ich mir jetzt vorgenommen habe, meinen Kalorienverbrauch an Eßtagen gezielt so weit zu erhöhen, daß ich künftig kein Defizit mehr haben werde. Bis Ende November strebe ich ein Ergebnis an, mit dem ich, Eß- und Fastentage zusammengerechnet, einen Kaloriendurchschnitt von mindestens 2000 zu verzeichnen habe. Ich glaube zwar nicht, daß ein vergleichsweise geringfügiges Defizit wie das von mir kalkulierte (ca. 1800 Kalorien/Tag) über einen überschaubaren Zwei-Monats-Zeitraum sich bereits ungünstig auswirken würde, aber daß irgendwelche Schlauberger mir am Ende doch noch ein kalorisches Defizit als Grund für meine Abnahme unterschieben, muß ich nicht unbedingt haben.

Gestern habe ich gleich mit einem 4360-Kalorien-Tag begonnen. 

Die erstaunliche Wiederauferstehung des kalorischen Defizits bei Jason Fung

Das Video, das ich erwähnt habe, stammt von Dr. Jason Fung. Vermutlich war es nur eine Frage der Zeit, daß ich mich über eines der Videos auf seinem YouTube-Kanal entsetzen würde. Der Hauptgrund, warum es erst jetzt geschieht, besteht höchstwahrscheinlich darin, daß ich kaum einen der neuerdings regelmäßig von Jason Fung auf seinem YouTube-Kanal publizierten Filme gesehen habe. Das liegt daran, daß ich die Aufmachung dieser Videos so abschreckend finde. Wie müßte man aber auch gestrickt sein, um ernsthaft in einem so unseriös wirkenden Ernährungsvideo nach seriösen Informationen zu suchen?

Geradezu physische Schmerzen bekam ich ebenso beim Anblick des Shops.

Schon seit geraumer Zeit habe ich auf Twitter das blöde Gefühl bekommen, daß Fung und sein Team entweder die Bodenhaftung verloren haben oder vielleicht auch schlecht beraten werden, seit sie erfolgreich genug sind, um Berater dieser Art anzuziehen. Möglicherweise versuchte man auch, neue Interessentenschichten zu erschließen, die man an der Stelle abholen wollte, an der sie sich nun einmal befinden. Ein oder zwei dieser Videos, die ich trotzdem schon gesehen habe, waren dann weitaus besser, als die primitive Aufmachung des Startbilds erwarten ließ, wenn auch weniger gut als viele der älteren Videos, die ich von Fung gesehen hatte. Es ist wohl kein Zufall, daß Jason Fung bei Twitter ca. 150.000 Follower hat, aber auf YouTube über 600.000. 

Aber geschenkt. Daß Fung nicht plötzlich verblödet ist, konnte ich ja seinem brillanten Buch über Krebs entnehmen. (Freilich, ein Weilchen ist es schon her, daß er es geschrieben hat. Ich glaube, die ersten Texte, die später im Buch landeten, las ich schon 2018 in seinem damaligen Blog. Sollte er im Anschluß an diese Leistung vielleicht doch noch verblödet sein, hätte das aber frühestens erst ab letztes Jahr beginnen können.) 

Daß Jason Fung in dem oben verlinkten Video nun auf einmal behauptet, der Erfolg des Fastens sei zwingend von einem damit verbundenen Energiedefizit abhängig - etwas, was er meines Wissens seit seiner unmittelbaren Anfangszeit mit dem Intervallfasten nicht mehr vertreten hatte - macht mich aber eingestandenermaßen ein bißchen ratlos. 

Was ist da nur passiert? Wurde er einer Gehirnwäsche unterzogen?

Mein erster Gedanke nach der ersten Irritation war der vorübergehende Hype um die sogenannte LCLF-Ernährung ("Low Carb Low Fat") unter Low-Carb-Anhängern, deren Ernährung bis dahin dem Prinzip LCHF ("Low Carb High Fat") folgte. Wie lange ist das mittlerweile eigentlich her? Ich werde jetzt nicht nachschauen, aber meiner Erinnerung nach muß es ungefähr Anfang dieses Jahres gewesen sein. Inzwischen ist zumindest in dem von mir gefolgten Twitter-Biotop nicht mehr viel die Rede davon. Den Grund dafür kenne ich nicht, aber eine Vorstellung davon, was er sein könnte, habe ich schon: Bei dieser Art von Ernährung ist ein Kaloriendefizit, glaube ich, fast unvermeidlich, das ergibt sich klar aus dem enormen Kalorienanteil, den das Fett beisteuert - wirklich plastisch ist mir das tatsächlich erst geworden, seit ich Anfang September vorübergehend mit dem Zählen begonnen habe. 

Aber genau deshalb halte ich sie auch für hochgradig Jojo-verdächtig. Dasselbe würde dann aber natürlich auch für Intervallfasten mit Kaloriendefizit gelten. 

Sowohl der LCLF-Hype als auch Fungs Konversion zu den Kalorien haben natürlich einen Auslöser, und der dürfte darin bestehen, daß Intervallfasten und Low Carb zwar für viele eine Art Wunderkur geworden sind - wie ein Wunder muß oft die anfängliche Wirkung erscheinen, die so spektakulär ausfällt, daß sie auch mir wie ein Wunder erschienen ist -, und das höchstwahrscheinlich umso mehr, je höher das damit bekämpfte Übergewicht ausfiel. Aber gleichzeitig halte ich es für unwahrscheinlich, daß jemand mit BMI 40 oder mehr alleine durch das Beibehalten seiner gewählten Methode - in ihrer anfänglich gewählten Form und Intensität - eine reelle Chance hatte, in den Normalgewichtsbereich zu kommen. Ausnahmen gibt es bestimmt, und wenn ich einen Tipp abgeben darf: Vermutlich vor allem dann, wenn das Zielgewicht innerhalb eines Jahres erreicht werden konnte. 

Echte Verzweiflungstäter kombinieren ja gerne mehrere Methoden, und gerade dabei kommt dann gerne die Art von Abnahme zustande, für die man sich anschließend in Talkshows von Leuten ohne viel Ahnung ehrfürchtig bestaunen lassen darf. Intervallfasten nach der 10in2-Methode PLUS Low Carb PLUS Sport mit zunehmender Intensität (den sich verbessernden physischen Möglichkeiten folgend) ist sicherlich nicht weniger häufig als die Methode "sehr niedrigkalorische Diät PLUS Sport mit zunehmender Intensität". Beides kann jedenfalls innerhalb kurzer Zeit zum Ziel führen, Nadja Hermann zählt zu den Zeuginnen. 

Das Problem dabei sind vor allem die längerfristigen Aussichten, also auf das dauerhafte Halten des Gewichts. Dabei müßten eigentlich die Methoden, die insulinbasiert sind und auf ein Kaloriendefizit verzichten, die besseren Chancen bieten. Ein Fragezeichen wäre in diesem Bereich aber die wahrscheinliche Wirkung einer nachlassenden sportlichen Intensität, die ja sogar ich ansatzweise zu spüren bekam, als ich letztes Jahr das EMS-Training aufgab. Aber spontan fallen mir mehr Low-Carb-Verfechter als Diäthalter ein, die von sich auch nach Jahren behaupten, ihr Gewicht gehalten zu ahben.

Schade, daß man darüber, wie sich Langzeit-Low-Carb- und -Intervallfasten typischerweise auswirken, so wenig weiß. Möglicherweise hat es etwas damit zu tun, daß die Glückspilze, die ihr Ziel erreichen und damit zur Tagesordnung übergehen können, einen zu geringen Anteil an allen Patienten ausmachen, um mit ihm hausieren gehen zu wollen. 

Das finstere Geheimnis

Das finstere Geheimnis der insulinbasierten Methode besteht darin, daß die deutliche Mehrheit derjenigen, bei denen die Wirkung anfangs so durchschlagend ist, vermutlich den Normalgewichtsbereich nicht erreicht, jedenfalls nicht, ohne an ihrer Herangehensweise etwas zu verändern. Das Zeitfenster mit der höchsten Wirksamkeit liegt innerhalb des ersten Jahres, vielfach auch nur innerhalb der ersten sechs Monate. Danach fängt die Sache an, um einiges zäher zu werden. Aber dann bröckelt vermutlich bei vielen zunächst begeisterten Teilnehmern auch die Disziplin. Das gilt vor allem den Teil der Teilnehmer, denen diese Disziplin von Anfang an schwergefallen ist. Tatsächlich kann ich auch von mir nicht sicher sagen, ob ich in so einem Fall irgendwann aufgegeben hätte.

Intervallfasten wirkt, und Low Carb wirkt, aber eines von beidem irgendwann einmal gemacht zu haben, verhindert natürlich eine Wiederzunahme nicht, wenn es nicht mehr aufrechterhalten wird.  Motivationserhaltende Maßnahmen mit Wirkung auf der Waage sind dringend nötig, um die Patienten weiter bei der Stange zu halten, wenn jemand das Ziel verfolgt, ihnen ihre bereits erreichte Gewichtsabnahme weiter zu erhalten und sie im Idealfall noch weiter zu verbessern. Das könnte die Motivation hinter Dr. Fungs plötzlichem Schwenk zum Kaloriensparen als Grund für den Erfolg von Intervallfasten sein.

Das Gemeine daran ist, daß die Kaloriensparmethode, egal in welcher Verpackung, tatsächlich wirkt, jedenfalls eine gewisse Zeit lang. Aber gerade Dr. Fung sollte genau wissen, daß auf diese Weise erzielte Erfolge nur selten nachhaltig sind und daß ihm die anvisierte Zielgruppe, die gerade enttäuscht abzuspringen droht, dann eben ein paar Monate später enttäuscht abspringen wird.

Das gefällt mir nicht, und zwar deshalb, weil ich die Riesengefahr sehe, daß die insulinbasierte Methode der Gewichtsreduktion wieder in Vergessenheit sinkt, obwohl genau bei ihr der richtige Ausgangspunkt für die Suche nach dem Schlüssel zum Adipositasproblem zu finden wäre. 

Mein Ein-Mann-Protestmarsch, im Idealfall gleichzeitig mein Endspurt

Und genau deshalb werde ich jetzt das Gegenteil dessen tun, was Dr. Fung empfiehlt, erstens, weil ich davon überzeugt bin, daß ich damit besser fahren werde, als wenn ich seinen Empfehlunen folge, aber ebenso gewissermaßen als ein Ein-Mann-Protestmarsch gegen Empfehlungen, die sich meiner Meinung nach als schädlich erweisen werden, und zwar sowohl für Dr. Fungs eigene Sache als auch für die Gesundheit seiner Patienten. Dabei habe ich den Vorteil, daß ich jetzt schon lange genug erfolgreich genug mit hochkalorischer Ernährung gewesen bin, um die Gründe für nachlassende Wirkung an anderer Stelle zu suchen. 

Gestern sah ich in diesem Zusammenhang auch noch ein anderes Video, nicht von Dr. Fung sondern von Bret Scher, der über eine hochinteressante Studie berichtete, in der "sequentielle Diäten" untersucht wurden. Konkret unterzogen sich die Teilnehmer mehreren unterschiedlichen Gewichtsreduktionsmethoden - Kalorienreduktion, Low Carb und Intervallfasten -, aber nicht gleichzeitig, sondern aufeinanderfolgend, und das mit deutlich besserem Erfolg als erwartet. Jede neue Methode brachte eine Abnahme mit sich, die in etwa dem typischen anfänglichen Schwung entsprach, und so gab es eine eindrucksvolle Abnahme von durchschnittlich 11 Kilogramm. Die Studie dauerte nur ein paar Wochen, also lassen sich etwaige Jojo-Wirkungen der Kalorienrestriktion nicht feststellen. 

Das Prinzip sollte eigentlich auch bei meinem "Alles außer Kalorien"-Ansatz wirken, und vielleicht bilde ich es mir ja nur ein, aber mir deucht, ich kann es schon jetzt in meiner Excel-Tabelle ablesen.

Im Idealfall verschafft mir diese beschriebene Wirkung in den nächsten fünf Wochen noch eine weitere Gewichtsabnahme (schon ein bis zwei Kilogramm zusätzlich würden ja meine kühnsten Erwartungen aus der Phase vor dem Start übertreffen). Ebenso müßten dann im Januar/Februar aber auch die acht Wochen EMS-Training einen kleinen zusätzlichen Abnahmeschub außer der Reihe bewirken können. 

Falls dies aber wirklich geschehen sollte, könnte ich wohl, gemessen an meinem derzeitigen Gewicht von 92 Kilogramm (vor dem Fasten)/88,5 Kilogramm (nach dem Fasten), damit rechnen, bis zum nächsten Sommer erstmals die 80 Kilogramm zu unterschreiten. 

Daraus habe ich erstmals eine Endspurt-Strategie entwickelt: Sobald ich nur noch sechs Kilogramm vom Zielgewicht entfernt bin, werde ich Intervallfasten, Low Carb und EMS-Training für zwei bis drei Monate miteinander sowie mit im vierzehntägigen Wechsel fünftägigen Fastenintervallen kombinieren mit dem Ziel, diese letzten sechs Kilogramm bis zum Zielgewicht in Form eines Zielsprints möglichst rasch loszuwerden.

Vielleicht stecke ich nächstes Jahr um diese Zeit mittendrin in diesem Endspurt. Falls ich noch mehr Glück habe, steht er sogar schon kurz vor seinem Abschluß.

Aber auch wenn die in der Studie beschriebene Turbo-Wirkung bei mir schwächer ausfällt oder ganz ausbleibt und alles doch noch länger dauert, ist es jedenfalls nicht verkehrt, daß ich jetzt eine konkrete Vorstellung habe, wie ich die Schlußphase meiner Abnahme gestalten möchte.

Und was kommt danach? Keine Sorge, darüber mache ich mir noch früh genug konkrete Gedanken. Bislang habe ich eine eher vage Vorstellung, aber so ähnlich ging es mir mit dem Endspurt ja bislang auch. :-)







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