Mein Gewicht heute früh zu Beginn des Fastentags: 90,2 Kilogramm. Eine echte Überraschung, denn das bedeutet, morgen werde ich mich wohl bei einem Gewicht von 88,xy wiederfinden, wahrscheinlich in Rufweite zu meinem Tiefstgewicht von 88,4 Kilogramm. Damit war nun wirklich nicht zu rechnen, und ich bin darüber ziemlich geplättet. Es könnte sogar bedeuten, daß ich, wenn ich am Mittwoch - nach zwei aufeinanderfolgenden Fastentagen - zu meiner Mutter fahre, dies mit einem neuen Tiefstgewicht tun werde, und das wäre sensationell.
Kann ich damit nun doch schon vorzeitig eine durchschlagende Low-Carb-Wirkung feststellen? Ganz sicher bin ich mir nicht. In den letzten ca. zehn Tagen war ich erkältet - schon wieder. Ich hatte das in meinem Beiträgen jener Zeit gar nicht erwähnt, weil es anfängt, mich zu langweilen. Ich vermute mittlerweile aber, das, womit mein Mann mich angesteckt hat, war diesmal nicht der übliche grippale Infekt, sondern eine echte Grippe. Erstens war der Verlauf langwieriger (ich huste immer noch), zweitens verzeichnete ich über den Tag hinweg andere "Hoch"- und "Tief"-Phasen als bei Erkältungen gewohnt, und drittens blieb die übliche Zunahme von ca. einem Kilogramm aus. Ich nehme an, das war etwas anderes als sonst (Corona? Unwahrscheinlich, denn bei meinem Mann im Betrieb wird laufend getestet).
Vielleicht ist das ja die Erklärung für diesen unerwarteten Schub nach unten. Aber mal schauen, wie es weitergeht, denn mittlerweile geht es mir wieder soweit gut, daß es keine Erklärung mehr für weitere Abnahmen sein könnte.
Was mich daran besonders verblüffen würde, wenn die rasante Abnahme eine Wirkung von Low Carb sein sollte, ist eine Parallele zu meinen allerersten Monaten Intervallfasten. Meine Low-Carb-Version ist nämlich wirklich sehr entspannt, genauso wie ich auch mit einer sehr lässigen Variante des Intervallfastens begonnen hatte. Von dem anfangs angepeilten Ziel, an Eßtagen unter 50 Gramm Kohlenhydraten zu essen, hatte ich mich ziemlich schnell wieder verabschiedet, nachdem ich merkte, daß das zu viele leckere Lebensmittel ausschließen würde. Zur Zeit liege ich bei einem Durchschnitt von über 90 Gramm KH und habe schon ein paarmal die 100-Gramm-Marke gerissen.
Jedes Mal ist der Übeltäter, der ein niedrigeres Ergebnis verhindert hat, dank meines Aufschriebs leicht zu identifizieren. Kürbis, stellte sich etwa heraus, ist eher Low-Carb-untauglich. Damit hatte ich einfach nicht gerechnet. An zwei anderen Tagen schlugen Brötchen zu Buche, bei denen ich es mit den Kartoffelfaser-Beigaben übertrieben hatte. Und gestern waren es die Weintrauben. Aber ich denke ja gar nicht daran, auf Weintrauben zu verzichten, wenn sie gerade Saison haben. Ich kaufe das ganze Jahr keine Weintrauben mehr, weil ich die vom Wochenmarkt um so viele Klassen besser finde, und die gibt es nur während zwei bis drei Monaten, und dann kaufe und esse ich sie auch, basta. Und ich denke gar nicht daran, deshalb ein schlechtes Gewissen zu bekommen.
Daß mein Gewicht nun unbeeindruckt von allen Low-Carb-Ernährungs-"Sünden" und noch dazu so rasant nach unten geht, ist mir ja schon eine kleine Genugtuung. Das muß man sich mal überlegen: Noch vor einem Monat hatte ich Bammel davor, daß ich im November vielleicht wieder in die Nähe der hundert Kilo kommen könnte. Statt dessen bin ich jetzt im Vorher-Gewichtsbereich so nahe an die Zahl 90 herangekommen, daß ich anfange, mich mit dem Gedanken anzufreunden, daß ich ihr vielleicht noch vor Jahresende aus dem Achtziger-Bereich heraus nur noch von Ferne zuwinken werde.
Na ja, wollen wir die Sache mal nicht verschreien! ;-)
Trotzdem, was ich gerade erlebe, könnte eine Variante der im vorletzten Blogbeitrag erwähnten Erfolge von mehrmaligem Wechseln der Abnahmemethode in einer Studie sein. Und falls das so sein sollte, wäre damit eine bemerkenswerte Erkenntnis verbunden: Maximale Ernährungsdisziplin ist für einen Erfolg gar nicht nötig, wenn man ab und zu die Methode wechselt.
Meine gestrigen Kalorien lagen mit knapp 2900 kcal ein wenig unter Plan, deshalb übersteigt meine durchschnittliche Kalorienzufuhr bislang die 1700-Kalorien-Marke noch nicht. Betrachte ich nur die letzten 22 Tage, meine Low-Carb-Phase, liege ich jetzt allerdings schon wieder bei 1800 Kalorien.
Gegessen habe ich aber so gut, daß ich gar nicht daran denke, es zu bereuen. Morgens gab es bei mir zum Frühstück beispielsweise Wolkeneier. Das Rezept sah ich in einem Video als eines in einer ganzen Reihe von Rezepten in einem Film, und in dieser Form fand ich es bei Google merkwürdigerweise gar nicht (nur ein paar gleichnamige Varianten, die ähnlich, aber nicht gleich waren), also hier die Kurzanleitung:
Im Prinzip handelt es sich um simple Spiegeleier, allerdings wird das Eiweiß (gesalzen und gepfeffert) zu Schnee geschlagen. Die Hälfte des Eischnees in so viele Häufchen verteilt in die Pfanne geben, wie man Eier verwendet hat, in die Mitte jedes Häufchens vorsichtig eine kleine Delle machen, Eigelb hineingeben und anschließend den Rest des Eischnees darüber verteilen. Auf diese Weise kann man die Eier problemlos wie Pfannkuchen wenden, und das Ergebnis ähnelt auch (ziemlich dicken) Pfannkuchen. Was es wirklich ist, bemerkt man erst, wenn beim Anschneiden auf einmal Eigelb herausläuft.
Das sieht richtig cool aus und schmeckt ausgezeichnet, und ich werde demnächst mal meinen Mann damit überraschen müssen.
Abends habe ich dann Eier in Senfsoße, Blumenkohlreis und - erstmals - Chips aus Harzer Käse gemacht. Zum Nachtisch gab es selbstgemachte zuckerfreie Joghurt Gums. Wir waren beide von allem angetan, aber ich war am meisten von den Chips begeistert, und er zunächst von der Senfsoße (er beschwerte sich, daß ich mehr davon hätte machen müssen, dabei habe ich all meinen Senf dafür verbraucht), und später absolut hingerissen von den Joghurt Gums. Die Silikonformen, die ich auf dem Flohmarkt gekauft habe, haben sich spätestens mit diesem Rezept dauerhaft ausgezahlt, denn nach demselben Prinzip lassen sich auch "normale" Fruchtgummis aus Fruchtsäften und dergleichen machen. Das werde ich bestimmt über meine Low-Carb-Phase hinaus beibehalten und mit verschiedenen Geschmacksrichtungen experimentieren.
Das Schöne an meinem Low-Carb-Experiment ist nicht nur, daß es - höchstwahrscheinlich - die erwünschte Wirkung zeigen oder sogar übertreffen wird, sondern auch, wie viel Spaß wir in den letzten Wochen beim Auswählen, Kochen und Essen hatten und wie viele Rezepte aus dieser Zeit wahrscheinlich dauerhaft mit in meinem Repertoire bleiben werden. Am Wochenende etwa bin ich mit ein paar Freundinnen verabredet und werde einen Low-Carb-Apfelkuchen mitbringen, eine Eigenkreation frei nach einem Rezept aus dem Internet, das ich aber stark abgewandelt habe. Statt Mehl werden hälftig Mandelmehl/geriebene Mandeln verwendet, und das schmeckte sehr gut. Mir war der Teig nur ein kleines bißchen zu fest (mein Mann fand das dagegen gar nicht störend, er war von dem Kuchen hell begeistert), deshalb werde ich nächstes Mal noch die Eier trennen und Eischnee herstellen, was ich mir letztes Mal gespart hatte. Mal schauen, ob das die Lockerheit bewirkt, die ich mir davon verspreche.
Wenn ich das mit der verbissenen und verbiesterten Trostlosigkeit vergleiche, mit der die üblichen Abnehmprogramme verbunden sind, wird mir erst so richtig klar, wie gut es mir geht.
Ja, mir ist dazu mal wieder ein Buch in die Hände geraten: "aha! macht schlank. 33 Einsichten, mit denen jeder abnimmt" von den Autorinnen Claudia Hautkappe und Susanne Wendel (die außerdem Autorin eines Buches mit dem Titel ist "Gesundgevögelt in 12 Wochen", was ich mal nicht kommentieren werde). Ich bekam es geschenkt beim Flohmarkt, von der Frau, die mir auch das Keto-Brötchen schenkte.
Abnehmbücher lassen sich ja - ungeachtet der jeweils angepriesenen Methode - grob in zwei Hauptrichtungen einteilen, die moralinsauren und die betont munter-mutmachend-optimistischen. Dieses Buch gehört in die Kategorie zwei, und ich habe es gestern abend kurz durchgeblättert, denn mehr schien mir nicht nötig, um es beurteilen zu können. Ich konnte mir dabei nicht helfen, ich fand die aufgesetzte Munterkeit sogar noch trostloser als pure Moralinsäure, denn näher betrachtet sind sie ja genauso moralinsauer, und die "Witzischkeit" geht in Wirklichkeit auf Kosten des Lesers.
Der Grundgedanke dieses Buches ist mal wieder die Annahme, daß irgendwelche psychologischen Barrieren zu überwinden sind, um abnehmen zu können, weil diese Barrieren dazu führen, daß man das Richtige unterläßt und das Falsche tut. (Wie man Richtig und Falsch unterscheidet, glauben die Autorinnen zu wissen und setzen dieses Wissen großteils auch bei ihren Lesern voraus.) Bei dieser Überwindung behauptet das Buch helfen zu können, und die Autorinnen hielten dabei offenbar Vergleiche zwischen Dickwerden/Dicksein/Dickbleiben und aktivem Selbstmord für eine unheimlich lustige Idee. "Dick sein heißt Selbstmord auf Raten" plärrt einen da eine magentafarbene Schlagzeile an, dazu neckische Cartoons von einem Dicken mit Harfe auf einer Wolke und einem Grab, auf dem der ungesunde Lebensstil des Verstorbenen als Dekoration vorzufinden war, vom Aschenbecher bis zu den Pantoffeln, und im - knapp gehaltenen - Fließtext heißt es am Ende: "Wollen Sie wirklich so weitermachen wie bisher?". Und anschließend in fett: "Nur Sie alleine können die Entscheidung treffen!"
Das ist ungefähr so hilfreich, als würde man von mir verlangen, auf dem Wasser zu wandeln, dafür bräuchte es nämlich nichts als Willenskraft, und sich für berechtigt zu halten, faule Witze über meinen zu erwartenden Tod durch Ertrinken bei Zuwiderhandeln zu reißen.
Ansonsten hat das Buch in fröhlicher, poppig-bunter Aufmachung vor allem denselben kalten Kaffee zu bieten wie andere Ratgeber dieser Art auch, eine eigene Variante der Pontzerschen "5 M&Ms" mit inbegriffen. An ein paar Stellen lagen die beiden Damen ganz knapp neben wichtigen wirklich hilfreichen Einsichten, etwa zum Thema Insulin, aber sie sind immer eisern in die falsche Richtung abgebogen.
Geschmacklose Witze auf Kosten der Leser bei ansonsten absolut konventionellen und unoriginellen Lösungsvorstellungen kamen offenbar auch in einer "Hach, was sind wir doch unkonventionell"-Verpackung weniger gut an als vom Verlag - der renommierte Ernährungsverlag Gräfe und Unzer - bei Erscheinen im Jahre 2007 gehofft wurde, denn dieses Machwerk ist mittlerweile vergriffen. Die mir vorliegende Ausgabe wurde irgendwann statt 12,90 für 2,99 Euro verramscht, also kann die Nachfrage nicht allzu hoch gewesen sein.
Und, ganz ehrlich: Genau dieses Ende hatte das Buch auch verdient. Es ist auf seine Weise noch trostloser als die offen verbiesterten und verbissenen Abnehmbücher, weil es seinen Lesern unterschwellig bestätigt, daß sie völlig recht damit haben, sich selbst zu verachten, indem es ihnen weismacht, ihr Übergewicht sei lächerlich, daß sie es bislang noch nicht losgeworden sind, sei noch lächerlicher, aber jeder halbwegs vernünftige Mensch könne nach Lektüre dieses Buches abgenommen haben. Wenn nicht, bist du halt auch lächerlich. Das sagt keiner dazu, aber genau darauf läuft es hinaus.
Selbstverachtung mutwillig zu erzeugen oder bereits vorhandene Selbstverachtung - bei Übergewichtigen keine Seltenheit - weiter anzufachen, hat mit Sicherheit keinerlei positive Wirkung, und insbesondere auf bereits psychisch angeknackste Leser kann es verheerend wirken. Da unter den Lesern dieses Buches absehbarerweise bestenfalls die üblichen 5 Prozent nennenswerte Erfolge vorzuweisen haben, müssen sich die 95 Prozent Gescheiterten auch noch von den Autorinnen auslachen lassen. Ist das lustig? Nein, ist es nicht. Es ist grausam, nicht mehr und nicht weniger.
In einer Gesellschaft, in der sich benachteiligt fühlende Gruppierungen immer dünnhäutiger werden und immer geringfügigere Verletzungen als angeblich unerträglich brandmarken und darin auch quer durch alle Medien und in der Politik Unterstützung finden - neuerdings liest man etwa immer häufiger die Schreibweise "Schwarze Frau", nachdem irgendeine der davon betroffenen Damen von der Kleinschreibung des Adjektivs "schwarz" ihre Menschenwürde beeinträchtigt sah, worauf gefühlt die Hälfte der Medien umgehend ihre Schreibweise änderte -, finde ich diese bewußte und gewollte und noch dazu so sinnlose unverhohlene Grausamkeit gegenüber Übergewichtigen, wie sie sich auch in diesem Buch niederschlägt, schon bemerkenswert.
Die Frage sei erlaubt, ob wir in Zeiten peinlichster politischer Korrektheit gegenüber allen früher zur Diskriminierung freigegebenen Minderheiten vielleicht - zusammen mit den Rauchern, bei denen es ja ganz ähnlich ist - eine Art Blitzableiterfunktion erfüllen, eine Gruppe, auf die alle negativen Gefühle ungestraft projiziert werden dürfen, ja, sogar werden sollen.
Geradezu erschütternd finde ich es in diesem Lichte betrachtet, daß ausgerechnet eine Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie das Vorwort zu diesem Buch geschrieben hat.
Meine Fresse, bin ich froh, daß ich die Hilfe solcher Leute nicht brauche. Wer solche Freunde hat, braucht echt keine Feinde mehr.
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In aktuelleren Nachrichten ist in Großbritannien einem gewissen Lord Robathan nichts Intelligenteres zu dem Corona-Anstieg bei Adipositas eingefallen, als zu fordern, starkes Übergewicht müsse gesellschaftlich inakzeptabel gemacht werden. Was für eine brillante Idee, Leute, die neben ihren überschüssigen Kilos sowie häufig Folgeerkrankungen sowieso schon mehr als genug Scham-, Schuld- und Minderwertigkeitsgefühle mit sich herumschleppen und sich wegen ständigen Versagens hilflos und ohnmächtig fühlen, auch noch zusätzlich durch Ausgrenzung bestrafen zu wollen. Warum nicht gleich ein "Euthanasieprogramm"? Was für Hobbys pflegt dieser Mensch eigentlich in seiner Freizeit? Neugeborene Kätzchen ersäufen?
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