Donnerstag, 9. September 2021

"Du hast ja toll abgenommen": Kompliment oder Beleidigung?

Mein Gewicht heute früh: 95,4 Kilogramm - alles wie erwartet, was ja fast schon ein bißchen unerwartet ist, da ja Überraschungen eher die Regel als die Ausnahme sind. Nächsten Montag rechne ich mit einem Startgewicht ungefähr ein Kilogramm höher als heute (aber ich lasse mich gerne angenehm überraschen), wenn ich wieder in ein langes - diesmal definitiv aber nur viertägiges - Fastenintervall starte.

Ein ganz kurzes Update zu meinen Blessuren vom Wochenende: Inzwischen ist alles wieder gut, ich humple nicht mehr und es tut fast nichts mehr weh. Mein Zehennagel ist ein bißchen blau geworden, der Zeh läßt sich aber mühelos bewegen. Auch das linke Handgelenk ist fast vollständig schmerzfrei. Die Schürfwunde am Knie ist noch bepflastert, aber ebenfalls kaum noch zu spüren. Außerdem ein Update zum Apfel: Er erwies sich als noch verflixt sauer, aber dennoch hatte er etwas Aromatisches, das für das Reifestadium viel verspricht. Also werde ich einen Monat abwarten, bevor ich den Baum noch einmal besichtige. Den sauren Apfel habe ich in Scheiben geschnitten und Apfelküchle daraus gemacht.

Eigentlich habe ich gerade gar keine Zeit, aber ich mußte schnell mal was loswerden, deshalb dieser Beitrag: Gestern las ich einen Tweet, in dem sich einer der aktiveren Low-Carb-Protagonisten über eine Fat-Acceptance-Dame erzürnte, die Anstoß an den üblichen Lobsprüchen nahm, mit denen Leute, die wie ich eine wahrnehmbare Gewichtsabnahme erzielt hatten, von allen Seiten zugepflastert werden. 

Ich muß zugeben, ich bin in dieser Sache erheblich näher daran an der Fat-Acceptance-Position, und möchte das mal begründen.

Solches Lob empfinde ich fast immer (ein bißchen kommt es natürlich schon auf die Formulierung an) als einen "vergifteten Apfel", auch wenn ich merke, daß es aufrichtig nett gemeint ist. Denn "verbal belohnt" wird hier ja nicht meine Mühe, sondern mein Erfolg, der ja in sich selbst eigentlich schon Lohn genug wäre, weshalb ich gar keine zusätzliche Belohnung brauche. Außerdem muß niemand mich für etwas loben, das mich ja gar keine Mühe kostet. Zum dritten ist implizit ein versteckter Tadel für die vorherigen Mißerfolge mit enthalten, und das ärgert mich, weil die allesamt mit mehr Anstrengung und Selbstüberwindung verbunden waren. Hinzu kam der Frust über den Mißerfolg. Ich möchte nicht, daß so getan wird, als hätte ich mir diesmal endlich richtig Mühe gegeben, während ich früher zu faul und undiszipliniert gewesen wäre und deshalb auch meinen Mißerfolg verdient hatte. Erstens war das so nicht, und zweitens steht niemandem ein solches Urteil über mich zu. Ich möchte außerdem nicht für etwas gelobt werden, was mir mühelos gelingt, weil das andere Erfolge entwertet, in die ich echte Anstrengungen gesteckt habe.

Fragen wie "Hast du abgenommen?" von Bekannten, die man nicht gar so oft sieht, zählen zum Bereich "soziale Rituale", man will damit vermitteln: "Gut siehst du aus" oder ähnliches. Das lasse ich an mir runterlaufen, weil es in die Rubrik "Merkwürdige zwischenmenschliche Gepflogenheiten" gehört, und die werde ich kaum abschaffen können, auch wenn mir manche von ihnen eingestandenermaßen gewaltig auf den Senkel gehen. (Witzigerweise könnte Corona dem von mir ebenfalls gehaßten Händeschütteln jetzt wahrhaftig den Garaus gemacht haben.) Das beantworte ich mit unverbindlichen freundlichen Antwortphrasen aus derselben Kiste und denke nicht weiter darüber nach.

Die Leute, mit denen ich nach einem unbedachten Lob anfange, darüber anstrengende Grundsatzdiskussionen zu führen, dürfen dies als Kompliment betrachten. Das mache ich nur, wenn mir jemand wichtig ist und ich deshalb auch nicht von ihm falsch gesehen werden möchte. 

Ich lasse mich aber gerne und jederzeit dafür loben, daß ich herausgefunden habe, wie ich die Sache mit dem Abnehmen anfangen mußte. Darauf bin ich nämlich wirklich stolz, weil ich so viele selbstverständliche Annahmen dafür über Bord werfen mußte, und über diese Klippe kommen so viele nicht hinüber. Die Sache umsetzen ist im Vergleich dazu kaum der Rede wert.




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen