Mein Gewicht heute früh am ersten von drei aufeinanderfolgenden Fastentagen diese Woche: 80,5 Kilogramm. Damit bin ich - leider - wieder da, wo ich vor den drei LC-Wochen ab Ende November war, und bin weiterhin sieben Kilogramm vom Zielgewicht entfernt. Immerhin wiege ich aber ziemlich genau zwei Kilogramm weniger als vor einem Jahr, und ich bewege mich schon seit August kontinuierlich im gleichen Gewichtsbereich, obwohl ich vom November an nur einen Bruchteil meiner gewohnten Fastentage hatte (November und Dezember zusammen nur zwölf Fastentage). Da der Spätherbst bei mir ja immer mit einer Zunahme verbunden war, bevor ich Low Carb entdeckte, und da sechs Tage auch im Frühjahr/Sommer letztes Jahr zu wenig waren, um eine schleichende Zunahme zu verhindern, ist das absolut okay. Trotzdem wäre es mir natürlich viel lieber gewesen, endlich mal unter der 80 geblieben zu sein. Aber die runden Zahlen haben sich ja schon seit der 100 jedes Mal am längsten gewehrt, bis ich sie loswar.
Dieses Jahr will ich es noch einmal wissen mit dem Zielgewicht von 73,5 Kilogramm, und wie ich vorgehe, um es zu erreichen, mache ich vor allem davon abhängig, wo ich nach sechs Low-Carb-Wochen gewichtsmäßig stehen werde. Die zwei Kilogramm, die ich nach den drei LC-Wochen Ende November bis Mitte Dezember runter hatte, werde ich in jedem Fall diesmal nach drei Wochen locker überbieten, denn diesmal kombiniere ich ja mit dreitägigen Fastenintervallen jede zweite Woche. Aber ich bin skeptisch, ob sechs Wochen wirklich für sieben Kilo ausreichen können. Also werde ich im Anschluß an Low Carb ab März wohl bis zum Erreichen des Zielgewichts auf viertägige Fastenintervalle wechseln und im Monat eine Gesamtzahl von zwölf Fastentagen einhalten müssen, damit ich damit endlich zu Potte komme.
Letztes Jahr hatte ich ja das Problem, daß ich nach dem Endspurt, den iich leider zwei Kilo oberhalb des Zielgewichts beenden mußte, weil die Wirkung nachließ, nichts mehr draufsetzen konnte. Dieses Jahr wird das anders sein, aber auch deshalb will ich die Zahl der Fastentage während Low Carb lieber nicht übertreiben.
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Direkt nacheinander habe ich - nach längerer Zeit - mal wieder zwei grundverschiedene und schon etwas ältere Diätbücher gelesen. Bevor sie zurück ins Tauschregal wandern, wo ich sie auch hergehabt hatte, will ich aber auch ein paar Worte über sie verlieren.
Das erste Buch war eines der ersten Bücher von Dr. Nicolai Worm zu seiner bis heute bestens vermarkteten LOGI-Methode. Das zweite war Susanne Fröhlichs "Moppel-Ich", das gemäß Rückentext "lustigste Abenehmbuch der Welt". Beide Bücher sind um die zwanzig Jahre alt. Ich erinnere mich noch daran, daß ich damals, als "Moppel-Ich" neu war, den Gesichtsaudruck der Autorin auf dem Cover wie auch den Titel abschreckend fand. Beides signalisierte: "Ich stelle mich wegen meines Gewichts oft ein bißchen lächerlich an, genau wie Sie auch." Na prima, und wem hilft das dann? Niemand braucht "lustige" Abnehmbücher. Wer so was kauft, hat in Wirklichkeit doch schon lange aufgegeben und sucht bloß noch die Bestätigung dafür, daß es das Vernünftigste ist, was man in dieser Frage tun konnte. Diese Sorte Bestätigung durch Dritte zwischen Buchdeckeln für das, was ich sowieso schon für richtig hielt, hatte ich mir allerdings schon in den neunziger Jahren abgewöhnt, nachdem mir klar wurde, daß ich damit nur meine Zeit verschwende. Außerdem brauche ich von niemandem eine Absolution für das, was ich aus eigener Entscheidung beschließe. Ich hatte deshalb weder das Bedürfnis, über die komischen Mißgeschicke der Autorin noch noch mit ihr über die Mißgeschicke anderer Abnehmender zu lachen, aber auch, weil ich das ständige erfolglose Abgestrampel beim Abnehmen eher tragisch finde.
Worms Buch las ich aber zuerst. Um ehrlich zu sein, ich habe allerdings nur die ersten ca. zwanzig Seiten wirklich gelesen, danach wurde es immer mehr zum Querlesen und manchmal auch Überblättern ganzer Kapitel, bei denen schon die Überschrift bei mir Gähnkrämpfe auslöste, etwa das Kapitel über die Unverzichtbarkeit des Sports. Bei Fröhlichs Buch ging mir das übrigens im selben Kapitel ganz genauso. Den Namen Dr. Worm hatte ich bereits gehört, meist in Kombination mit dem Begriff "Leberfasten", der allerdings in dem Buch nicht vorkam. Ich habe den Worm nur flüchtig recherchiert, aber ich glaube, dieses Leberfasten hat er erst irgendwann später erfunden. Es hätte mir freilich einen Fingerzeig geben können, daß Worms Verfahren eine der vielen Varianten irgendwo zwischen GLYX, Paläo und Keto ist, also nicht grundsätzlich ungeeignet zur Gewichtsabnahme. Jemand, der zum ersten Mal eine Diät halten will, fährt damit also bestimmt besser als mit der Brigitte-Diät.
Worin sich Dr. Worms Buch von ähnlichen Ansätzen angenehm unterscheidet, ist, daß seine Methode dem üblichen Optimierungswahn - etwa dem von Klement - nicht huldigt, sondern ein Versuch ist, eine Lebens- und Ernährungsweise zu verbreiten, die gerade, weil sie nicht so detailverliebt und wahnsinnig rigoros ist, auch langfristig umsetzbar sein soll. Worm zieht dabei das Kaloriendogma nicht in Zweifel und führt den Erfolg, den man mit seiner Diät vermutlich wirklich - jedenfalls vorübergehend - erzielen kann, darauf zurück, daß man mit seiner Diät mit weniger Kalorien mehr Sättigung bei höherer subjektiver Zufriedenheit und mit weniger Stress erzielen kann, also ähnlich wie der "Satiety per Calorie"-Ansatz von Dr. Eenfeldt. Und natürlich rät er mit verschärfter Dringlichkeit dazu, zusätzlich Sport zu treiben. Zugutehalten kann man ihm dabei immerhin, daß Herman Pontzers Erkenntnisse über die Wirkungslosigkeit von Sport zur Gewichtskontrolle damals noch ausstanden.
Worm hat auf den zweiten Blick trotzdem auch einiges mit Leuten wie Bas Kast, aber erstaunlicherweise auch mit Susanne Fröhlich gemeinsam. Bei beiden war - jedenfalls angeblich - der Anstoß die eigene Erfahrung. In seinem Buch schrieb Worm von seiner eigenen Gewichtsabnahme dank dieser Ernährung. Zuvor war er eher mit Bereich Anti-Diät-Bücher schriftstellerisch tätig geworden, aber der eigene Erfolg und damit das Erlebnis, daß er mit der damaligen "Eh alles sinnlos"-Haltung falsch gelegen war, zeigten ihm dann seine neue Mission, die er sich bis heute auf seine Fahnen geschrieben hat.
Interessanterweise war die Inspiration für Worms nahezu auf dem Kopf stehende Ernährungspyramide damals eine Studie von Dr. David Ludwig, der Wissenschaftler, den ich gerade erst für seinen Selbstversuch mit mehrtägigem Fasten so gelobt habe. Also, wer sich an Ludwig orientiert, der kann eigentlich so weit neben der Wahrheit nicht gelandet sein. Trotzdem stört mich neben der Art, wie er seine Methode vermarktet, auch die Begründung, warum seiner Meinung nach das funktioniert, was er empfiehlt. Worm vertritt in seinem Buch nämlich dieselbe Auffassung wie Rainer Klement und (leider) auch Thomas Seyfried, unsere Ernährung müsse der unserer Vorfahren aus Jäger-und-Sammler-Zeiten möglichst ähnlich sein. Was ich davon halte, habe ich ja an anderer Stelle bereits beschrieben. Speziell bei einem Ernährungswissenschaftler stört mich daran auch die Naivität der Annahme, daß jedermanns Stoffwechsel auf dieselbe Art funktioniert, wogegen für einen Wissenschaftler aus seinem Bereich ja das eine oder andere sprechen sollte. Wikipedia behauptete, Worm habe sich vor einigen Jahren von dieser Steinzeit-These abgekehrt. Auf die Schnelle fand ich dafür online keine nähere Erläuterung, und so wichtig ist der Mann mir nicht, um nun seine neueren Bücher auch zu lesen. Also dieses Detail nur fürs Protokoll.
Was den Worm betrifft, Abnehmkonzepten, denen man nicht schon an ihrem
Namen ablesen kann, worauf ihre Methode abzielt, traue ich noch viel
weniger als dem Rest. Niemand, der nicht von irgendwelchen PR-Fritzen
beraten wurde, verschwendet doch Zeit darauf, sich idiotische Akronyme
auszudenken. Also waren da irgendwelche bezahlten Werbestrategen mit im
Spiel, und deren Hauptaufgabe besteht immer darin, uns zu manipulieren. Das mag sich zwar pekuniär für Worm ausgezahlt haben, aber bei mir hat es seine Glaubwürdigkeit untergraben, und gerade wenn die Methode eigentlich zu denen zählt, die ich für die besseren im Wust der Angebote halte, bin ich da lieber ein bißchen rigoroser in der Wertung. Schlimm genug, daß die "Feind"-Seite auf Kosten der ihnen vertrauenden Patienten zu häufig ein wenig schummelt und trickst, weil sie so gerne recht behalten möchte, aber auf meiner Seite möchte ich so jemanden dann noch viel weniger haben.
Daß der Ernährungswissenschaftler Dr. Worm auch einen Psiram-Eintrag hat, ist sicherlich vor allem der Tatsache geschuldet, daß er mit seiner LOGI-Methode, darauf basierenden Kursangeboten und möglicherweise auch mit diversen unterstützenden Produkten, etwa Shakes, die im Bodymed-Shop angeboten werden, wo er selbst wissenschaftlicher Beirat ist, wohl ganz gutes Geld verdient. Sonderlich beeindruckt war ich von dem gesammelten Beweismaterial bei Psiram dafür, daß er daneben auch der Scharlatanerie bezichtigt werden könne, aber eigentlich nicht - zumal die Einwände gegen Low Carb, die dort vorgebracht wurden, dieselben sind, deren Fehlerhaftigkeit ich schon in anderen Zusammenhängen kritisiert habe.
Gutes Geld mit ihrem 2004 erschienenen Bestseller "Moppel-Ich" hat mit Sicherheit auch Susanne Fröhlich verdient, aber ganz ohne Guru-Ambitionen. Frau Fröhlich schreibt von Berufs wegen Bücher und hat seit 2001 nahezu jedes Jahr mindestens ein Buch der Kategorie "Heiterer Roman" oder "Heiteres aus dem richtigen Leben" produziert, in einigen Jahren sogar zwei. Moppel-Ich zählt zur zweiten Kategorie. Zielgruppe sind Frauen ihrer eigenen Altersgruppe, der auch ich angehöre (ich bin drei Jahre jünger als sie). Der Humor dieses Buches wird wohl dem ihrer anderen entsprechen, und ich würde ihn als "routiniert" bezeichnen. Für diese Sorte Bücher bin ich literarisch wohl zu geschmäcklerisch geworden. Aber damit hätte ich vermutlich weniger Probleme, wenn ich nicht mit dem, was sie über Übergewicht und dessen Bekämpfung schreibt, so viele inhaltliche Probleme hätte.
Was Susanne Fröhlich mit Nadja Hermann gemeinsam hat, ist, daß gemäß beider literatischer Aufarbeitung ihrer Erfahrungen der Kampf gegen ihr Körpergewicht ein roter Faden in ihrem Leben ist, und zwar meiner Meinung nach bis heute. Nadja Hermann ist ja dank ihres Pseudonyms erfolgreich abgetaucht und niemand weiß, wie ihr Gewicht heute ist, etwa zehn Jahre nach der Abnahmeleistung, aus der heraus ihr Buch "Fettlogik überwinden" entstanden ist. Daß Susanne Fröhlich die 2004 erreichten 65 Kilogramm Körpergewicht nicht halten konnte, ergibt sich aber schon daraus, daß ihr Moppel-Ich-Buch 2010 eine Fortsetzung bekam. Eine kurze Recherche brachte außerdem an den Tag, daß sie schon 2007 ihr altes Gewicht sehr wahrscheinlich wieder erreicht hatte, 2011 mit Yoga ein weiteres Mal 25 Kilo abgenommen hat und 2018 auf das (Heil-)Fasten gekommen ist. Mit nichts davon konnte sie aber ihr immer wieder neu erreichtes Gewicht auf Dauer halten, wie ein kurzer Blick auf ihr doch recht ausgeprägtes Bäuchlein in einem Video von 2024 zeigt. Susanne Fröhlich jedenfalls ist nie wirklich aus der Jojo-Falle herausgekommen.
Eigentlich hat es mich aber sogar überrascht, daß Susanne Fröhlich auf Seite 211 ihres Buches damit herausrückte, daß es ihr gelungen sei, von "mehr als 90 Kilo" (die exakte Zahl blieb ihr Geheimnis) auf 65 zu kommen, denn auf den 210 Seiten davor hatte sie erfolgreich den Eindruck erweckt, abnehmen zu wollen sei aus ihrer Sicht ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen. Da sie eine exakte Abnahmezahl nannte, nämlich 25 Kilo, hätten es freilich mehr als 90 Kilo eigentlich nicht gewesen sein dürfen ... aber nun gut, geschenkt. Großzüiges Auf- und Abrunden finde ich in so einem Fall vertretbar, es ist allerdings ein bißchen leichtsinnig, denn es findet sich ja immer irgendwer, der sieht, daß die Zahlen nicht zusammenpassen. Wie auch immer, von außen sieht man es dem Buch nicht an, daß es ein abnehmtechnisches "Happy End" haben wird. Auf Basis des Rückentexts hatte ich eigentlich eher mit einem dieser Anti-Diät-Bücher vom Schlage "Ich bin rund, na und?" gerechnet, und, wie gesagt, 210 Seiten lag wurde ich in dieser Annahme auch voll und ganz bestätigt, und dann kam erstens die Vollzugsmeldung und zweitens eine Beschreibung, was genau sie getan hatte, das diesen Erfolg möglich gemacht hatte.
Gegenüber Dr. Worm zeichnet Susanne Fröhlich wohltuend aus, daß sie ihrer sebstgestrickten Methode (ein bißchen von allen möglichen Herangehens-Varianten) keine alberne Bezeichnung gegeben und mit ihr Geld zu verdienen versucht hat. Was die beiden noch unterscheidet: Worm kam aus derselben Richtung wie ich, er hatte den Kampf gegen das Körpergewicht eigentlich schon abgehakt - aber auch dies hat er wenigstens zu Geld zu machen versucht. Denn vor der Erfindung der LOGI-Methode trat Dr. Worm als Autor von Anti-Diätbüchern in Erscheinung. Susanne Fröhlich dagegen macht in ihrem Buch gar kein Geheimnis daraus, daß sie immer wieder mit denselben überschüssigen Pfunden gekämpft hat, wieder und wieder aufs Neue, mit allen Diäten, die man sich vorstellen kann. Was das Gewichthalten betrifft, war sie in ihrem Buch auch nur vorsichtig optimistisch und schrieb davon, es sehe so aus, als habe sie ihr Gewicht diesmal halten können, auch wenn es natürlich schwer sei, nicht immer wieder in die berühmten alten Verhaltensmuster zurückzufallen.
Noch schwerer ist es wohl, bei diesem Thema die üblichen Bullshit-Bingo-Phrasen zu vermeiden.
In Wirklichkeit machte Susanne Fröhlich das Gewichthalten vor allem schwer, daß zum Zeitpunkt, als sie die abschließenden Absätze schrieb, ungefähr ein Jahr seit Beginn ihrer Diät vergangen gewesen sein muß, und zu diesem Zeitpunkt spätestens schlägt nun einmal für nahezu jeden kleinen oder größeren Abnehmerfolg die Stunde der Wahrheit, und dies, obwohl Fachleute an diesem Elefanten im Raum so hartnäckig vorbeisehen. Ein halbes Jahr lang funktioniert ja praktisch jede Diät, wenn man sie halbwegs diszipliniert umsetzt, und ein weiteres halbes Jahr kann man sich notfalls noch mit Willenskraft weiterdisziplinieren, obwohl es da schon gar nicht mehr oder nur noch im Schneckentempo weitergeht. Aber der Stoffwechsel weiß leider zu genau, was er will, und er hat Mittel und Wege, einem das Leben zur Hölle zu machen, wenn man es ihm dann nicht gibt.
Ich kann nicht empfehlen, einen Abnehmbuch zu trauen, das nicht eine Verlaufskurve des Körpergewichts zu bieten hat, das für mindestens drei Jahre eine Abnahme ... oder wenigstens keine deutlichere Wiederzunahme anzubieten hat. Der wichtigste Trick für eine dauerhaft erfolgreiche Abnahme besteht ja darin, daß man sich den dauerhaften Erfolg nicht pausenlos unter Einsatz aller verfügbaren Heldenhaftigkeit erkämpfen muß. Es ist nämlich ein Märchen, daß dies besonders tugendhaft ist und deshalb durch Gewichthalten belohnt wird. Gewichthalten klappt sogar dann, wenn man eine Methode gefunden hat, die man wirklich drei Jahre lang nach oben definierter Art von Erfolg eingesetzt hat, meistens nur dann, wenn man sich dafür nicht permanent selbst quälen muß.
Und was die restlichen fünf Prozent betrifft, denen es doch gelingt: Im Grunde ist es eher ein Zeichen für eine Zwangsstörung, wenn man unter dieser Dauerbelastung nicht irgendwann doch noch zusammenbricht. Klar ist aber natürlich, daß jemand, der - vorübergehend oder dauerhaft - diesen fünf Prozent angehört und stolz darauf ist, natürlich niemand anderem einen einfacheren Weg zur Gewichtsabnahme gönnen wird. Das liegt nun einmal in der menschlichen Natur. Warum soll es anderen Leuten besser gehen als einem selbst?
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Unsere Mäusejagd scheint abgeschlossen zu sein, obwohl ich die Mausefallen sicherheitshalber noch mindestens zwei Wochen stehenlassen werde. Unser Bilanz sind zehn gefangene Waldmäuse in zehn Tagen. Die letzten beiden habe ich am 2. Januar am Feigenbaum freigelassen, in den darauffolgenden fünf Tagen blieben aber alle nunmehr sechs Fallen leer, und mein Mann hat es auch kein einziges Mal mehr in der Wand rascheln gehört. Es wird ja immer gewarnt, man solle die gefangenen Mäuse weit genug wegtragen, bevor man sie freiläßt, aber ich glaube, bei uns war es ausreichend, ihnen mit dem Gartenhaus eine aus Mäusesicht bequeme Alternative anzubieten. Aber falls sie wieder irgendwo in einem Haus einwandern wollen, sollten sie das lieber bei uns als bei den Nachbarn machen - die verwenden nämlich Schlagfallen, wenn sie im Dachboden Mäuse entdecken, was wohl jeden Winter vorkommt. Dabei haben die doch Kinder, zwei Mädchen im Grundschulalter. Daß Kinder, die doch sicherlich auch Tom und Jerry, Micky Maus und die Sendung mit der Maus lieben, solche Brutalitäten gegen niedliche braune Pelzkugeln mit Knopfaugen und einem rosa Schnäuzchen akzeptieren, finde ich schon erstaunlich. Und wenn ich wählen müßte, würde ich unsere zehn Freigelassenen lieber selbst wieder in meinen Haushalt aufnehmen als ihnen so ein Ende zuzumuten.
Falls ich mal wieder eine Maus fangen sollte, muß ich unbedingt dafür sorgen, daß die Nachbarsmädchen sie auch zu sehen bekommen. Dann werden sie von ihren Eltern hoffentlich auch solche Fallen verlangen, wie ich sie verwende - und ich leihe sie ihnen dann gerne aus. Heißt es nicht immer, auf dem Dorf gäbe es noch mehr soziale Kontrolle? Das kann ich dann ja ausprobieren, ob so was auch "über die Bande" funktioniert.
Mir leuchtet es nämlich überhaupt nicht ein, Mäuse zu töten. Wir wohnen schließlich auf dem Land. Es ist doch ein hoffnungsloses Unterfangen, Mäuse auf dem Land ausrotten zu wollen, sogar wenn man das wünschenswert finden sollte - was ich aber sowieso nicht tue. Es reicht völlig, wenn man sein Haus halbwegs mäusesicher machen kann - was diesen Punkt betrifft, werden wir zwar noch einiges zu tun haben, aber bis dahin haben wir ja unsere Lebendfallen.
Die von meinem Mann bestellten preisgünstigen asiatischen Lebendfallen aus Kunststoff mit ihrem simplen, aber effektiven Mechanismus kann ich nicht nur aus Überzeugung als hervorragende Alternative zu Schlagfallen empfehlen, sonderen ebenso die Lektüre der Rezensionen dieser Mausefallen bei Amazon. Geschichten, die das Leben schrieb! Eine unglaublich vielfältige Menge an Schilderungen, was alles dazu führen kann, daß man eine Mausefalle benötigt. Und die meisten Einsätze waren sehr schnell erfolgreich, genau wie bei uns.
Hier noch der holprig, aber charmant übersetzte Text des Unternehmens im Amazon-Angebot, getextet aus Sicht der Maus:
Lieber Menschenfreund:Da steckt ziemlich viel asiatisches kulturelles Dingsbums drin, und das gefällt mir. So was wäre einem deutschen Werbetexter sicherlich nicht zu einer Mausefalle eingefallen, und auch wenn ich mir ziemlich sicher bin, daß unsere zehn Mäuschen nach ihrer Freilassung keinen Gedanken an meine Gesundheit und mein Glück verschwendet haben, freue doch jedenfalls ich mich an der Vorstellung, daß es ihnen bei uns im Garten gut geht.
Ich bin ein glückliches Tier, dass ich dank Ihrer Güte meine Freiheit in einer Welt voller Gefahren und Herausforderungen wiedererlangt habe.
Danke, dass du mir eine zweite Chance gegeben hast, weiterhin in der Natur zu laufen und die Sonne, den Regen und die frische Luft zu genießen. Ich bin überwältigt und dankbar für Ihre Großzügigkeit und Liebe.
Ich werde diese Freundlichkeit in Ehren halten und mein Leben noch mehr schätzen. Ich werde mich bemühen, in diesem schönen Land zu überleben und zu gedeihen und eure Liebe und Fürsorge für mich auf meine eigene Weise zurückzuzahlen.
Nochmals vielen Dank, liebe Menschenfreunde, und möge euch Gesundheit und Glück beschieden sein. Mögen wir gemeinsam daran arbeiten, diese schöne Erde zu schützen und eine harmonische Art des Zusammenlebens zu schaffen.
Kunststofffallen sind hygienischer als die klassischen Lebendfallen mit Drahtgitter, die ich vermutlich erworben hätte, wenn mein Mann nicht glücklicherweise schneller als ich mit dem Bestellen gewesen wäre. Manche Leute, das entnahm ich den Amazon-Rezensionen, machen sich den Umgang mit diesen simplen Mausefallen ziemlich kompliziert. Ich fand die Falle etwa sehr leicht zu reinigen, aber wer sie mit Nutella oder Erdnußbutter vollschmiert, bei dem kann das natürlich mühseliger als nötig werden. Ich habe unterschiedliche Köder genutzt, Wurst, Käse und Bruchstücke von Weihnachtsplätzchen. Sie waren alle erfolgreich, wobei ich meine, die Plätzchen kamen noch einen Tick besser als der Rest bei den Mäusen an. Der Kot läßt sich kinderleicht unter fließendem heißem Wasser aus den Fallen herausspülen. Ich habe zur Mäusefreilassung und zur Reinigung auch keine Einmal-Handschuhe angezogen, das hätte ich nur dann gemacht, wenn ich eine Maus direkt hätte anfassen wollen. Maßlos übertrieben fand ich es auch, daß ein Rezensent wahrhaftig die Falle nach Verwendung aus hygienischen Gründen weggeworfen hat. Ich habe nach Hautkontakt mit der Falle halt gründlich die Hände gewaschen, das sollte eigentlich auch dann ausreichen, falls doch mal eine Maus irgendeinen Virus zu verschenken hat. Der berüchtigte Hantavirus wird von Waldmäusen übrigens nicht übertragen, wenn ich nach dem RKI-Paper zu diesem Thema gehe.
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