Mittwoch, 15. Januar 2025

Was haben Thomas Seyfried und Mel Gibson gemeinsam? (Spoiler: Die Antwort lautet NICHT: "Beide sind Vollpfosten.")

Mein Gewicht heute früh nach dem ersten Fastentag von zwei nicht zusammenhängenden in dieser Woche: 76,3 Kilogramm.

Die GKI-optimierte Ernährung, mit der ich vorgestern begonnen habe, fiel mir am ersten Tag leichter als erwartet, hat allerdings den Nachteil, daß ich mit dem Keto Mojo-Gerät solche Anlaufschwierigkeiten habe, daß ich es bislang nicht benutzen konnte. Welche Wirkung ich erzielt habe, weiß ich also noch nicht, denn meine Kundschaft hielt mich ziemlich auf Trab und ich konnte nicht nach der Bedienungsanleitung suchen.

An meinem ersten Keto-Tag ist es mir zu meiner angenehmen Überraschung tatsächlich schon gelungen, mich auf 27 Gramm Kohlenhydrate zu beschränken. Daß ich bei ca. 2300 Kalorien herausgekommen bin, war eher ein Zufall, ich konnte nämlich streßbedingt erst am frühen Nachmittag frühstücken und es mußte möglichst schnell gehen mit der Zubereitung der Mahlzeiten, andernfalls wäre es vermutlich mehr geworden. Die Energiemenge bewußt reduzieren werde ich erst und nur dann, falls sich herausstellen sollte, daß mein GKI mit meiner üblichen Nahungsmenge nicht so weit runter möchte, wie ich ihn haben will. Aber erst mal muß ich den GKI natürlich herausfinden. Dafür brauche ich die Bedienungsanleitung für mein Keto-Mojo-Gerät.

Das Gewicht macht jedenfalls brav das, was es soll, nämlich runtergehen, auch wenn es diese Woche vor allem um Wasser durch die sich leerenen Glykogenspeicher geht. Interessanter wird die nächste Woche mit einem langen Fastenintervall von Montag bis Mittwoch.

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Und nun zur Antwort auf meine Frage im Titel: Die Antwort lautet natürlich, beide glauben, daß das veterinärmedizinische Entwurmungsmittel Ivermectin erfolgreich in der Krebstherapie eingesetzt werden kann. Und daß Seyfried plötzlich dasselbe meint wie jemand, der als Vollpfosten gilt wie Mel Gibson, bedeutet nun nicht, daß Seyfried Unrecht haben müsse.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich das überhaupt schon einmal erwähnt hatte, daß der in Ivermectin enthaltene Wirkstoff namens Fenbendazol als legal erhältlicher Ersatz für das nicht zugelassene DON in der Press-Pulse-Therapie nach Prof. Seyfried Einzug gehalten hat. Fenbendazol ist dabei für den "Pulse"-Teil vorgesehen, also für die Unterbindung der Verstoffwechslung von Glutamin, des zweiten bedeutenden Treibstoffs für Tumore, der aber - anders als Glukose - nicht einfach dauerhaft vermieden werden kann und darf, weil auch die gesunden Zellen in brauchen. Ich wollte mich schon länger näher damit befassen, aber das war zu kurz vor unserem Umzug, also habe ich es seitdem vor mir hergeschoben. Inzwischen waren aber andere Leute schneller und mein Twitter-Feed summt gerade vor lauter Hohngelächter über Mel Gibson, der das Präparat Ivermectin als wirksames Mittel bei Krebs im metastasierten Stadium angepriesen hat. 

Keinem der Hohnlachenden fällt allerdings etwas Besseres ein, als nach den zugehörigen Studien zu fragen. Dabei ist die Eignung von Fenbendazol anstelle von DON noch eine ziemlich neue Errungenschaft. Es ist sicherlich noch kein halbes Jahr her, daß ich in einem Podcast mit Prof Seyfried das erste Mal davon hörte - sorry, daß ich jetzt nicht nach dem Video gesucht habe, es war aber jedenfalls eines der damals neuesten auf diesem Kanal. Es gibt dieses Paper mit drei klinischen Fallstudien von 2020, in dem die möglichen Gründe für die beschriebene Wirkung von Ivermectin nicht angesprochen werden. Aber Seyfried selbst hat Fenbendazol wie gesagt bis vor wenigen Monaten selbst nie erwähnt, also ist es bei seinem Press-Pulse-Verfahren wohl noch nicht gar zu lange zu einem Baustein der Wahl geworden. 

Man muß den Leuten, die sich über Mel Gibson lustig machen, freilich zugutehalten, daß Ivermectin wohl schon während der Coronapandemie als Wundermittel in die Schlagzeilen zu gekommen sein scheint. Ob es in dieser Rolle wirklich so grandios gescheitert ist, wie das behauptet wird, dessen habe ich mich nicht vergewissert, aber das wird jedenfalls allgemein für wahr gehalten. Damit geht natürlich bei den Leuten die Klappe noch schneller als in anderen Fällen runter, da nun behauptet wird, daß dasselbe Mittel, das bei Corona trotz aller Lobpreisungen offenbar nicht wirkte, neuerdings gegen Krebs helfen soll. Genau solche Dinge machen es leider unnötigerweise noch schwieriger, sich ein Urteil zu bilden. Wer noch nie vom Press-Pulse-Verfahren gehört hat, der muß die Sache auf Basis dieser Quelle fast zwangsläufig für totalen Quatsch halten, obwohl sie das definitiv nicht ist. 

Ich habe mir den Abschnitt des Podcasts mal angesehen. Von einer Heilung sprach Gibson dabei nicht, ebensowenig davon, wie lange seine drei Freunde damit krebsfrei geblieben sind. Er sprach von drei krebskranken Freunden, die trotz fortgeschrittener Krebsstadien (Stadium 4 ist immer metastasierter Krebs) mit Hilfe von Ivermectin im Moment krebsfrei seien.Was immer das in den drei jeweiligen Einzelfällen für einen Zeitraum bedeuten mag, es scheint von vornherein niemanden zu interessieren - sind ja nur Anekdoten, gell? -, obwohl es bestimmt möglich wäre, der Sache auf den Grund zu gehen, indem man Mel Gibson einfach mal direkt danach fragt, denn vielleicht hätten die Freunde ja selbst ein Interesse daran, über ihre Ivermectin-Erfahrungen zu sprechen. Journalisten werden ja sonst bei Berühmtheiten wegen geringerer Dinge neugierig, und man kann gegen Mel Gibson sagen, was man will, berühmt ist er ja schon. 

Gibsons Behauptung, drei Freunde zu haben, die dank Ivermectin gerade im Moment wieder krebsfrei sind, macht offenbar niemanden außer mir neugierig. Bemerkenswert finde ich außerdem, daß Fenbendazol bereits solche Kreise gezogen hat, daß jemand nicht etwa eine Person, sondern gleich drei Leute persönlich kennt, die damit behandelt worden sind. Anscheinend kursieren die Informationen und zugehörige Gerüchte schon länger, als ich das vermutet hätte. 

Ivermectin ist ein veterinärmedizinisches Entwurmungsmittel, das nicht  nur legal erhältlich ist, sondern auch sehr preisgünstig, kombiniert mit einem anscheinend erfreulich geringen Nebenwirkungsrisiko. Die Wirkung auf die Glutaminverstoffwechselung scheint eher zufällig entdeckt worden zu sein, Seyfried erwähnte das nebenbei in irgendeinem Podcast. Der Hauptnachteil von Ivermectin besteht darin, daß es in der glutaminhemmenden Wirkung DON wohl deutlich unterlegen ist - aber es ist offenbar besser als die meisten anderen Ersatzstoffe, mit denen sich die Anwender des Press-Pulse-Verfahrens sonst zu behelfen versuchen, da DON nun einmal nicht zugelassen ist und nicht verwendet werden kann, solange sich daran nichts ändert. Ivermectin ist aber verfügbar, und das ist sein Hauptvorteil. Da es die weniger wirksame Wahl ist, muß man außerdem annehmen, daß es weniger häufig erfolgreich eingesetzt wird, als wenn man DON verwenden könnte. 

Definitiv ist Fenbendazol aber kein Wundermittel, egal wieviele Leute diese Hoffnung haben. Wie alle anderen Medikamente auch funktioniert es nach dem Prinzip von Ursache unde Wirkung. Diese Wirkung bezieht sich auf eine Hemmung der Glutaminverstoffwechslung, die für sich alleine genommen Krebs genausowenig beseitigen kann wie eine ketogene Ernährung mit dem Ziel einer Hemmung der Glukoseverstoffwechslung. Und beides zusammen wirkt offenbar auch nicht gut genug, um nicht Maßnahmen zur Eliminierung von Krebszellen zu einer immer sinnvollen und manchmal unverzichtbaren Ergänzung zu machen, etwa die hyperbare Sauerstofftherapie ... aber sicherlich würden auch Chemotherapeutika und/oder Antikörperbehandlungen mit durch diese beiden Bestandteile geschwächten Krebszellen leichter fertigwerden können. 

In den Kreisen derer, die aus aktuellem und dringendem persönlichen Anlaß gerade auf der Suche nach etwas Vielversprechenderem als der Leitlinienbehandlung sind - und machen wir uns nichts vor, je nach Krebsart und Stadium ist diese Behandlung häufig kein bißchen vielversprechend -, führt Wunschdenken in Tateinheit mit einer Art "Stille Post"-Effekt aber doch dazu, daß Fenbendazol für ein Wundermittel gehalten wird. Da es frei verkäuflich ist, muß man deshalb annehmen, daß eine Menge Krebspatienten oder Menschen, die Krebspatienten nahestehen, von diesem Wundermittel gehört haben, es kaufen und einzusetzen versuchen, ohne dabei ausreichend fachlichen Rat zu haben. Daß so etwas zwar gutgehen, aber häufiger vermutlich richtig böse in die Hose gehen kann, versteht sich fast schon von selbst. 

Ich kann mir schon vorstellen, daß Onkologen dann nicht gerade selten dies hier mit ihren Patienten passieren kann. Die Frustration des Autors dieses Tweets kann man deshalb durchaus verstehen. Aber mir fehlt hier dennoch der Kontext - er hatte beispielsweise nicht erwähnt, wie er selbst auf das Ansinnen seiner Patienten reagiert hatte, und alleine schon, daß er das nicht einmal einer Erwähnung für wert hält, berührt bei mir einen neuralgischen Punkt. Ich stelle mir dann nämlich vor, daß er seine Patienten mit vehementer Ablehnung selbst in die Flucht geschlagen hat, weil es ihm über den Horizont ging, es für angemessen zu halten, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, was genau ihre Patienten sich vorstellen und wie man dies vielleicht in eine Therapie mit einbauen könnte. 

Vielleicht tue ich dem Mann ja Unrecht, aber mir steckt halt immer noch in den Knochen, wie mehr als ablehnend, sondern geradezu sauer mein Onkologe damals auf die Sache mit dem Fasten reagiert hat, und zwar ganz besonders, als ich ihm vermittelte, daß ich fasten würde, egal, welche Meinung er dazu hat. Ich hätte mich damit bereitwillig abgefunden, daß er mich für eine blöde Kuh hält, die auf irgendwelche Quacksalbersprüche reingefallen sei, aber wirklich geärgert hat mich, daß er so fest entschlossen war, mich mit allem, was ich gegen seinen Rat mache, einfach alleine zu lassen. Meiner Meinung nach hätte ich einen moralischen Anspruch darauf gehabt, erstens gegen seinen Rat zu handeln, aber zweitens auch ein kritisches Auge auf alle etwaigen Verdachtsmomente haben, daß wegen meiner Eigenmächtigkeit gerade doch etwas schiefgeht, das sich vielleicht dann noch rechtzeitig hätte hinbiegen lassen. 

Aber Eigenmächtigkeiten muß man als Krebspatient offenbar grundsätzlich alleine machen. Onkologen betrachten das viel zu sehr als Majestätsbeleidigung, um sich mit diesen Dingen dann auch nur am Rande noch abgeben zu wollen.

Ich kann ja verstehen, daß kein Onkologe seine Zulassung riskieren wird, indem er nicht leitliniengerechte Therapien aktiv anwendet. Auf mich wirkte die Sache aus dem verlinkten Tweet aber so, als hätte auch dieser Arzt seinee drei Patienten vor die Wahl gestellt, entweder die Leitlinientherapie mit ihm oder irgendwas anderes alleine zu machen und als hätte er sie erst wieder in Gnaden aufgenommen, nachdem der Alleingang komplett schiefgegangen und die Wahrscheinlichkeit, ihnen mit Leitlinienmitteln helfen zu können, noch viel schlechter geworden war - mehr oder weniger aus schierer Rechthaberei, unterstelle ich. Sein Tweet ist ja eine Entsprechung eines "Ich habs ja gleich gesagt". Und das, finde ich, steht ihm nicht zu. Nicht, wenn er diesen Patienten eine kritische Begleitung ihrer Eigenmächtigkeiten verweigert und dadurch den völligen Alleingang erst selbst ausgelöst hat.

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Seit Maus Nr. 12, also immerhin seit fünf Tagen, haben wir keinen Mäusebesuch mehr in der Küche gehabt. Ob das diesmal nun wirklich so bleiben wird? Ich sollte wohl erleichtert aufatmen. Aber irgendwie fehlen sie mir doch, meine Mäuschen.


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