Mein Gewicht heute früh: 73,2 Kilogramm. :-))))) Auf so was habe ich natürlich gehofft, es aber, bis die Waage es mir anzeigte, nicht zu glauben gewagt. 1,4 Kilo weniger als vor zwei Wochen, das ist schon spektakulär. Gleichzeitig ist natürlich damit klar, daß das, was die Waage vor zwei Wochen anzeigte, das Minus in meinen Fettspeichern nicht ganz korrekt wiedergegeben haben kann, denn eine solche Abnahme in nur zwei Wochen kann eigentlich gar nicht sein.
Insgesamt habe ich seit Beginn von Low Carb, das Gewicht nach dem Fasten betrachtet, 3,3 Kilogramm Minus, und beim Gewicht vor dem Fasten 5,1 Kilogramm ... die Differenz sollte sich mindestens zur Hälfte durch die leeren Glykogenspeicher in Leber und Muskulatur wegen Low Carb beim Vorher-Wert erklären lassen, während nach vier Tagen Fasten die Glykogenspeicher natürlich bei jeder Art von Ernährung leer wären.
So, und jetzt wird es endlich wahr. Hier kommt meine Rezension von Dr. Rainer Klements Buch "Krebs. Weckruf des Körpers". Bitte anschnallen und sich ein bis zwei Stunden Zeit nehmen, denn die Überlänge dieses Blogbeitrags ist enorm.
***
Erwachet!
Daß mich das Buch nicht überzeugen würde, hatte sich ja bereits abgezeichnet. Schon der Titel gab mir zu denken. Wieso eigentlich sollte erst der bereits entstandene Krebs ein Weckruf des Körpers sein? Ist der Wecker da nicht ein bißchen arg spät dran? Mir drängte sich außerdem "Erwachet!" als Bild auf, diese Zeitschrift der Zeugen Jehovas. Der gesetzte Ton war falsch, er enthielt einen Mißklang, der auf Sektierertum hindeutete. Und dazu noch das ebenfalls in diese Richtung deutende merkwürdige Verhalten des Autors im Zusammenhang mit seiner Buchveröffentlichung, das ich bereits in einem früheren Blogbeitrag beschrieben hatte. Das Buch, stellte sich nun heraus, paßt zu beidem.
Dabei war mir Klement zuvor als Autor einer Reihe von Studien zum Einsatz von Ketose begleitend zu einer Krebsbehandlung so angenehm aufgefallen. Studien in diesem Bereich sind ja knapp genug gesät. Rainer Klement übertreibt vemutlich nicht, wenn er sich rühmt, (Mit-)Autor der meistzitierten Studien zu diesem Thema zu sein, denn zum Einsatz von Ketose während einer Radiotherapie hätte ich ohne seine Arbeit wohl kaum besonders viel Erhellendes gefunden.
Ketose in der Krebsbehandlung und sogar die Krebstherapie überhaupt spielen in diesem Buch aber nur eine ziemlich überschaubare Nebenrolle. Das ist um so bedauerlicher, als Klement mit beidem beruflich zu tun und mit der Ketose außerdem persönliche Erfahrung hat, was ihm in dieser Kombination unter den Autoren einschlägiger Publikationen eine Ausnahmestellung verliehen hätte. Statt dessen wurde die Krebsprävention zum Dreh- und Angelpunkt seines Buches gemacht, wenn auch mit einem Ansatz, der mehr für sich hat als die meisten anderen Ratgeber zu diesem Thema - jedenfalls, sofern man das Sektierertum zuvor noch abzieht, was ich in meiner Rezension auch zu tun gedenke. Schade fand ich es aber auch, daß dieses Buch ernährungstechnisch einen Rückschritt zu den Studien darstellt. Ich war doch so begeistert von seinem Ansatz in einer seiner Studien, den man so zusammenfassen könnte: "Ziel: Ketose. Mittel: egal, Hauptsache, das Ziel wird erreicht". Davon ist in diesem Buch aber keine Rede mehr, obwohl so etwas auch in einem Präventionskonzept, sofern in ihm die Ketose als erstrebenswert gilt, viel Sinn ergeben, Spielräume eröffnen und die Anwendung erleichtern würde.
Trotzdem würde ich nicht behaupten, der Autor hätte sich seit den Studien nicht weiterentwickelt, allerdings scheint ihm das passiert zu sein, was mir beim Wandern regelmäßig auch widerfährt: Er ist auf einen Holzweg geraten. Hoffentlich sieht er das schneller ein als ich, wenn ich im Wald stehe und mir zu dämmern beginnt, daß ich auf diesem Weg, der immer deutlicher doch keiner ist, nicht mehr weiterkommen werde. Dann neige ich nämlich zu Folgefehlern, die alles nur noch schlimmer machen ... obwohl ich doch weiß, daß es viel klüger wäre, einfach den Weg wieder zurückzulaufen und um Gottes willen bloß nicht zu versuchen, mich in der Hoffnung auf eine Abkürzung jetzt auch noch durch das Unterholz zu kämpfen ...
Was ich zu diesem Buch meine, sollte ich gut begründen, und der Teufel steckt ja immer in den Details, also muß ich entsprechend weit ausholen. Aber außerdem ist es mir auch aus psychohygienischen Gründen ein Bedürfnis, mir einerseits meinen Frust über dieses Buch von der Seele zu schreiben, aber dabei andererseits auch das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten. Denn eigentlich würde ich mir vom Christkind dieses Jahr wünschen, daß der Autor diesem mißratenen Buch baldmöglichst ein besseres nachfolgen läßt, denn warum auch immer das Buch nun so ausgefallen ist, wie es ausfiel, ich bin überzeugt davon, eigentlich hätte er das Zeug dazu, es zu schreiben.
Als Krebspatientin bin ich außerdem davon überzeugt, daß wir, die sechsstellige Zahl von Menschen, die pro Jahr eine Krebsdiagnose bekommen, dieses bislang ungeschriebene Buch auch dringend brauchen. Und zwar in einer Form, die kritischen Blicken besser standhält als das Buch, das ich las. Nicht zuletzt auch deshalb, weil nicht jeder Kritiker diesen kritischen Blick mit so viel grundsätzlichem Wohlwollen verbinden würde wie ich.
Das leidige XY-Dingsbums
Der interessanteste Teil des Buches ist der die Ernährung betreffende des ca. 150 (von insgesamt 280) Seiten umfassende "Hauptteils", in dem es um präventionsrelevante Lebensstilfaktoren geht, darunter dominierend der zur Ernährung. Ursachen und Wirkungen werden beschrieben, belegt und dazu Empfehlungen gegeben. Aber auch der Ernährungs-Teil ließ mich unbefriedigt zurück, und das, obwohl alle vorgestellten Ernährungsvarianten (von Paläo über Keto bis Carnivore/Hypercarnivore) mit Sicherheit eine Verbesserung zu dem darstellen, was ich mir im Discounter für Ernährungsweisen aus dem Inhalt des Einkaufswagens der Leute vor mir in der Schlange meistens zusammenreimen kann. Für die praktische Anwendung halte ich diesen Teil von Klements Buch aber für ähnlich untauglich wie den "Ernährungskompaß" von Bas Kast.
Generell störte mich, daß mit ermüdender Regelmäßigkeit von "optimaler" Versorgung mit
diesem oder jenem Nährstoff die Rede war, und weil das bei einer Unzahl von Nährstoffen
wiederkehrt und bei den verschiedenen Ernährungsvarianten unterschiedliche Stellschrauben zu drehen sind, hilft es auch nicht, daß der Autor an einigen Stellen nebenbei darauf aufmerksam macht, daß man die Sache gar zu perfektionistisch auch wieder nicht anfangen sollte.
Wenn dauernd das Optimum so sehr hervorgehoben wird, schreit das nun einmal ungeachtet dessen danach, auch optimal umgesetzt zu
werden, und erzeugt einen Subtext, der im Widerspruch zu gelegentlichen Anfällen von Einsicht des Autors steht, daß man sich eigentlich ja auch mit einer "ausreichenden"
Versorgung zufriedengeben können sollte. Wie eine ausreichende im Vergleich zur "optimalen"
aussehen könnte, erfährt man vom Autor in der Regel sowieso nicht. Wer weniger ehrgeizig herangehen will, muß das alleine auspendeln.
Diese Fixiertheit auf das Optimum halte ich für ein klassisches XY-Dingsbums, will heißen: typisch Mann. Genau die bringt eine Sache, die "ausreichend" wahrscheinlich funktionieren würde, aber in der Praxis immer wieder zum Scheitern. Mein Mann kapiert das in Heimwerkerbelangen, in denen er fachlich viel mehr draufhat als ich, auch nicht, daß mir meine eigene, sehr viel unvollkommenere, aber funktionierende Lösung lieber ist als seine perfekte, die er wegen des damit verbundenen Aufwands schon mehrmals verschoben hat oder, wenn er endlich mal damit angefangen hat, meistens mindestens einmal, zuweilen auch mehrmals, unterbrechen muß, weil sich auf einmal herausstellt, daß ein Teil nicht paßt und das richtige erst aus dem Baumarkt geholt oder bei Amazon bestellt werden muß.
Außerdem ist das Austarieren der optimalen Herangehensweise bei Klement auch viel zu kleinteilig und kompliziert, um sie in einen normalen Durchschnittsalltag ohne weiteres integrieren zu können, und das bedeutet, daß die Umsetzung von dem beschriebenen Optimum, auf das man zwischen den Zeilen dauernd gebrieft wurde, trotz allem unweigerlich ein gutes Stück entfernt bleiben wird und im Lauf der Zeit wahrscheinlich einiges auch wegen Unpraktikabilität oder wachsender Unlust stillschweigend wieder aufgegeben wird. Das ist ja eigentlich noch kein Beinbruch, da würde mir bestimmt auch Rainer Klement zustimmen. Aber es ist auch eine gar zu einleuchtende Erklärung, falls die Wirkung der Ernährungsumstellung anders als erhofft ausfällt bzw. im schlimmsten Fall gerade das, wovor man sich vor allem schützen wollte, nämlich eine Krebserkrankung, doch auftritt. Schließlich hast du ja nicht optimal dagegen vorgesorgt! Bist doch selber schuld, du Pfeife - gewußt hast du es doch, wie du es hättest machen müssen!
Eigenverantwortung muß mir, glaube ich, niemand mehr beibringen, aber den Begriff kann ich eigentlich nicht ausstehen, weil mit diesem Schlagwort so viel Schindluder getrieben wird. Wenn ich mal wieder höre, daß jemand, der übergewichtig ist und abnehmen möchte, erst einmal sich selbst der Alleinschuld daran bezichtigt und seine Eigenverantwortung betont, daß er alleinverantwortlich dafür sei, wieder normalgewichtig zu werden, möchte ich jedesmal über meine Tastatur reihern, weil es mich so empört, wie viele Leute auf diesen Betrug mit der Eigenverantwortung hereinfallen. Das, was so jemand sagt, wird uns ja von Medien und Experten pausenlos so eingehämmert. Aber in diesem Fall ist es fast schon eine Garantie, zu scheitern. Eigenverantwortung übernehmen ist gut, richtig und wichtig, wenn man grundsätzlich wirksame und daneben auch halbwegs alltagstauglich anwendbare Instrumente zur Verfügung hat, aber von der Apotheken-Umschau über Ernährungsberater und Hausarzt (von Onkologen ganz zu schweigen) bis zum Adipositaszentrum wird fast ausnahmslos eine Herangehensweise empfohlen, mit der nachweislich 95 Prozent der Anwender scheitern. Man übernimmt in diesem Fall also die Verantwortung für einen von vornherein mit 95 Prozent Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Mißerfolg, mit allen daraus resultierenden Konsequenzen, von den gesundheitlichen (bis hin zum erhöhten Krebsrisiko) über die sozialen bis zu den psychischen.
Eine von vornherein unlösbare Aufgabe zu stellen und jemanden einzureden, er müsse sie nun gefälligst eigenverantwortlich lösen, gehört meiner Meinung nach im Bereich Körperverletzung ins Strafgesetzbuch aufgenommen.
Rainer Klement müßte der Name Sarah Hallberg eigentlich ein Begriff sein, eine Ärztin, die innerhalb der Keto-Szene jedem bekannt sein sollte. Sie arbeitete für Virta, wo Diabetes-Patienten auf Basis einer solchen Ernährung behandelt werden, ich habe die zugehörigen Studien (und die eine, auf die ich vergeblich warte) schon wiederholt erwähnt. Sarah Hallberg starb im Frühjahr 2022 an Lungenkrebs - als sportliche Nichtraucherin im Alter von nur 50 Jahren, nachdem sie mehrere Jahre lang energisch und unter Zuhilfenahme all ihres eigenen Fachwissens sowie des spezialisierteren Fachwissens, zu dem sie dank ihrer Verbindungen in der medizinischen Welt Zugang hatte, dagegen angekämpft hatte. In Peter Attias Podcast beschrieb sie ihre Erfahrungen in einer Folge. Merkwürdigerweise kam in dem Podcast gar nicht zur Sprache, wie Hallbergs eigene Ernährung aussah, aber die Erfahrung mit dem, was ihre Patienten mit einer Ernährungsumstellung erlebten, hat ihre eigene Ernährung mit Sicherheit in irgendeiner Form beeinflußt.
Von außen betrachtet, war Sarah Hallberg ein Mensch, der alles richtig machte, um Krebs vermeiden zu können. Sie bekam ihn aber trotzdem.
Krebs vermeiden durch eine bestimmte Ernährungs- und Lebensweise ist ein
verzwickterer Fall als der mit der Gewichtsabnahme, die bei den meisten Leuten an den fehlerhaften Handlungsempfehlungen der Experten scheitert, was jeweils beweisbar ist, indem dieselben Leute mit anderen Methoden tatsächlich Gewicht verlieren und die Abnahme auch halten können. Aber wenn eine bestimmte Ernährung (genau dieselbe nämlich, die sich in voriger Frage oft als besonders wirksam erwiesen hat) auch vor Krebs schützen soll, aber ein Teil der Anwender dennoch an Krebs erkrankt, was bedeutet das dann? Bei jemandem, der sich ernsthaft darum bemüht hat, so zu
leben, daß eine Krebserkrankung möglichst nicht eintritt, ist damit zu rechnen, daß er sich dann selbst
beschuldigen wird, diesen oder jenen Faktor, der zum Optimum des
theoretisch Möglichen gefehlt hat, nicht oder zu wenig beachtet oder
nicht konsequent genug umgesetzt zu haben. Genau dasselbe ist für Leute, die mit dem Abnehmen gescheitert sind, eine sehr typische Reaktion.
"Konsequent" ist übrigens eine weitere dieser Bullshit-Bingo-Phrasen aus dem Präventionsbereich, die bei mir, in den falschen Zusammenhängen geäußert, auch mal richtige Wutausbrüche auslösen können. Aber dazu hole ich jetzt lieber nicht auch noch aus. ;-)
Was mich an diesem Hauptteil außerdem noch gestört hat, ist die dick aufgetragene Gewißheit des Autors, in jedem Detail mit den Empfehlungen und deren wissenschaftlicher Herleitung richtig zu liegen. Das hat bei diesem Thema, in dem man sich bei Ursachen und deren Wirkungen ziemlich leicht verhauen kann, weil so viele unterschiedliche Faktoren zusammenwirken und sich wechselseitig dynamisch beeinflussen, schon etwas von Hybris. Hier fehlte mir ein gewisser Mut zur Lücke und ein bißchen "Einerseits-andererseits", "Sowohl-als-auch" oder "Kann schon sein, vielleicht aber auch nicht".
Anmerken möchte ich außerdem, daß ich im Ernährungsteil die Quellen nicht nachverfolgt habe, weil meine Einwände grundsätzlicher Art sind, die Herangehensweisen mir aber aus eigener Erfahrung heraus im Großen und Ganzen schon sinnvoll vorkommen. Ich kann deshalb nicht ausschließen, daß ich auch bei ihnen das eine oder andere vielleicht doch kritisch gesehen hätte.
Zuviel und gleichzeitig zu wenig
Das also sind meine Einwände gegen das Konzept, das dem Ernährungsteil des Buches zugrundeliegt, und das, was unterschwellig an Ungutem dabei herüberkommt - was bestimmt nicht absichtlich geschehen ist. Inhaltlich bin ich von dem, was Klement darin empfiehlt, aber eigentlich gar nicht so weit weg. Auf den Rest des Buches trifft das nur mit erheblichen Einschränkungen zu, wobei kurioserweise der spirituelle Teil zwar wieder von Bullshit-Bingo-Phrasen wimmelt, bei denen sich ständig mein wiedergewachsenes Haupthaar sträubt, aber auch hier mache ich de facto eigentlich das meiste schon immer ungefähr so, wie der Autor das einem nahelegt, nur eben, ohne dafür, es zu lernen, einen Haufen Geld für die Unterstützung durch einen Guru ausgegeben zu haben - und natürlich auch ohne die Bullshit-Terminologie. Vielleicht liegt das ja daran, daß es sich, obwohl es wahr ist, daß man lange suchen muß, um jemanden zu finden, der nicht in den meisten Bereichen das Gegenteil macht, um ziemliche Binsenweisheiten handelt. Es hat mich außerdem auch nicht davor bewahrt, Krebs zu bekommen, aber dafür macht es mein Leben schon seit vielen Jahren sehr lebenswert. Und genau dafür, nämlich um ein lebenswertes Leben zu führen, mache ich das auch, was mich nebenbei auch noch davor bewahrt, mich selbst sinnloserweise irgendwelcher Krebsvermeidungsfehler zu bezichtigen, weil dieser Aspekt für mich dabei nie eine Rolle gespielt hat.
Daß ich so wenig aus diesem Buch für mich selbst mitnehmen konnte und der Autor das, was ich angesichts seines Backgrounds besonders interessant zu erfahren gefunden hätte, offenbar selbst für unwichtig hält, hätte ich eigentlich nicht erwartet und ich habe mir Gedanken darüber gemacht, warum das so ist. Dafür kommen mehrere Gründe in Frage, inhaltliche und zweckbezogene. Hier die Gründe inhaltlicher Art, falls also der Autor sich einfach nur verzettelt haben sollte:
Meiner Meinung nach wollte der Autor mit diesem Buch auf der einen Seite zuviel, auf der anderen aber wieder zu wenig. Vieles erscheint mir im jeweiligen Detail zwar nicht per se falsch, aber als Gesamtkonzept doch irgendwie unausgegoren und vor allem vom theoretischen Überbau her so hastig zusammengenagelt, daß die Zugluft nur so durch die Ritzen pfeift. Mehr Reifezeit hätte diesem Buchprojekt wohl besser getan.
Zuviel wollte Rainer Klement mit dem Ansatz, eine Anleitung für einen gesunden Lebensstil sowohl für Krebsprävention als auch als Bestandteil bzw. im Nachgang zu einer Krebstherapie geben zu wollen, was aus seiner Sicht ebenfalls als Prävention - nur von einem ungünstigeren Ausgangspunkt aus - aufgefaßt ist. Der Nutzen, den er damit zusätzlich zu anderen ernährungsbasierten Präventionsmodellen stiften kann, ist vergleichsweise gering, weil die Überschneidungen zu anderen Präventionskonzepten erheblich sind und den Zusatznutzen verringern. Der potentielle Nutzen eines Buchs zum therapiebegleitenden Einsatz der jeweiligen ernährungsbasierten Ansätze ist im Vergleich dazu sehr viel größer, nicht zuletzt, weil er dabei auch seine Studien zugrunde legen kann, aber vor allem, weil es ein Buch dieses Inhalts jedenfalls von jemandem mit seinen Fachkenntnissen und seiner persönlichen Erfahrung bislang noch nicht gibt. Onkologen sind mit spirituellen Argumenten kaum zu überzeugen, aber mit Studien schon eher. Als Patient hätte ich meinem ersten Onkologen gerne ein solches Buch um die Ohren gehauen, nur gab es das nicht, und deshalb ärgert es mich, daß es das immer noch nicht gibt, obwohl genau die richtige Person dafür ein Buch über Krebs geschrieben hat.
Wenn der Autor aber schon die Ketose in der Krebstherapie alleine nicht für buchfüllend gehalten hat, hätte er das Buch anders strukturieren sollen, um es für die praktische Umsetzung besser anwendbar zu machen. Ich hätte die Handlungsempfehlungen in einem solchen Buch aus der Beschreibung der jeweiligen biologischen Mechanismen ganz herausgehalten und sie in einem getrennten Teil, von Krankheitsbildern ausgehend, vom harmlosen Zipperlein aufwärts bis zum Krebs, mit ihnen verknüpft. Aber das nicht nur mit Fokus auf Krebs.
Zu wenig hat der Autor nämlich versucht, indem er sich, wenn er schon den Präventionsaspekt für so vordringlich hält, so ausschließlich auf Krebs fokussierte, der ja in der Reihe umfallender Dominosteine bei stoffwechselbedingten Erkrankungen selten an erster Stelle steht. Hier fehlt mir, und ich gestehe, mir fließt das Wort, weil es auch eine dieser Bullshit-Bingo-Phrasen ist, schwer aus der Tastatur, die Ganzheitlichkeit. Aus Präventionsgesichtspunkten ergibt es meines Erachtens wenig Sinn, seine Ernährung bzw. seinen Lebensstil speziell auf Verringerung des Krebsrisikos optimieren zu wollen, obwohl alle der beschriebenen Maßnahmen und deren physiologische Wirkung auch ganz andere Krankheiten verhindern oder heilen bzw. lindern können - und das verringerte Krebsrisiko gibt es fast immer als Bonus dazu ja noch obendrauf.
Nun könnte man einwenden, daß diese Wirkung auf andere Krankheiten ja auch dann zu erwarten ist, wenn man die Sache wegen Krebs umsetzt - aber dieses Buch wird ja voraussichtlich nur von Leuten gekauft, die wissen wollen, wie sie keinen Krebs bekommen, nicht von denen, die einen Horror davor haben, vielleicht mal Diabetiker zu werden, also bleibt es, was die angestrebte Wirksamkeit betrifft, auch unter seinen Möglichkeiten.
Man möchte dem Autor wünschen, daß er in den nächsten Jahren zunimmt nicht nur an Alter, sondern auch an Weisheit, und irgendwann den Ehrgeiz entwickelt, eine Version 2.0 seines Buches zu schreiben, in das nicht nur neue wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern auch solche Erwägungen mit einfließen ... und bei dem auch die anderen Teile großzügig überarbeitet und manche davon vielleicht auch ganz weggelassen werden. ;-)
Getrocknete Froschpillen
Die Stärke jedenfalls des Ernährungsteils sehe ich trotzdem vor allem dann, wenn jemand nach etwaigen ernährungsbedingten Gründen für bereits bestehende gesundheitliche Beschwerden sucht, auch wenn einem das schwerer als nötig gemacht wird. Zum Nachschlagen in diesem derzeit bei mir nicht anliegenden Fall werde ich das Buch jedenfalls aufheben, um diesen oder jenen verdächtigen Faktor - selbstredend aber erst nach zusätzlichen eigenen Recherchen - probehalber mal aufs Korn zu nehmen. Was ich möglicherweise auch aufgreifen werde, ist die Empfehlung, sich ein- bis zweimal im Jahr auch ohne konkreten Anlaß darüber zu vergewissern, ob ich mit diesem oder jenem Mikronährstoff vielleicht doch unterversorgt bin. Da ich das nächstes Jahr sowieso mit dem Vitamin D vorhabe, wäre es ja naheliegend, das für alles andere auch gleich machen zu lassen, und zum Teufel damit, daß ich das dann privat bezahlen muß. Was ich aber bestimmt nicht machen werde, ist, ohne konkreten Anlaß irgendwas von dem, was der Autor empfiehlt, zu supplementieren, das mache ich nur, wenn ein Mangel feststellbar ist oder sonstige konkrete Gründe einen Versuch damit vielversprechend erscheinen lassen. Mir würde es einfach nicht einleuchten, nach dem Gießkannenprinzip zu supplementieren, unter anderem deshalb, weil niemand so genau sagen kann, wie sich die Wirkung eines einzelnen isolierten Wirkstoffs von der Wirkung unterscheidet, wenn man ihn sich auf natürliche Weise zufügt. Getrocknete Froschpillen, äh, Innereien in Kapselform, für die Klement in seinem Buch fleißig Werbung macht, brauche ich von vornherein nicht, denn anders als offenbar der Autor essen wir beide Innereien sehr gern und die kommen bei uns regelmäßig genug auf den Tisch, um nicht zu bezweifeln, daß das allemal mehr bringt als Supplemente.
Die Frage ist außerdem, wie gut Klements Ratschläge den angestrebten Zweck in Wirklichkeit erfüllen, nämlich Krebs zu verhindern. Abgesehen von der Unmöglichkeit, eine solche Wirkung im jeweiligen Einzelfall festzustellen: Klement hat ja Erfahrung in einer Reihe von Bereichen, beruflich etwa in der Wirkung von Strahlentherapie auf seine Patienten mit oder ohne begleitende ketogene Ernährung, und im persönlichen Bereich auch in der Beobachtung der eigenen physischen Reaktion auf bestimmte Ernährungsveränderungen, sei es bei bestimmten selbst erlebten Krankheitsbildern, sei es beim Sport. Aber ein Experte im "Nicht-Krebs-Bekommen" ist er dann doch nicht. Seine Patienten hatten ja alle schon Krebs, wenn er mit ihnen in Berührung kam, und er selbst hatte ihn noch nie, was aber erst mal vor allem auf sein Alter zurückzuführen ist, er ist ja erst Mitte vierzig. Insgesamt verweist das alles den interessierten Leser mehr oder weniger in den Bereich der Glaubensfragen. Man kann also glauben, daß man vor Krebs sicher - oder wenigstens einigermaßen sicher - ist, wenn man sich an das hält, was der Autor empfiehlt, und es deshalb tun. Aber nach derselben Logik wurden ja in der Vergangenheit (und teils bis heute) beispielsweise auch schon salzarme Kost oder der Verzicht auf Eier begründet und umgesetzt, und wie man annehmen darf, nicht immer zum gesundheitlichen Nutzen der Anwender, obwohl man dabei bestimmt auch Texte mit vielen in Fußnoten aufgezählten Studien vorzuweisen hatte, die die Richtigkeit beweisen sollten. Andererseits sind aber die meisten Eierverzichter deswegen nicht einfach tot umgefallen und glauben vielleicht manchmal bis heute, genau dieser Verzicht sei es gewesen, der sie vor schlimmen Krankheiten bewahrt hat.
Daß es mit den eindeutig zuordenbaren Ursachen und Wirkungen nicht so weit her ist, war wohl auch der Grund, warum der Autor sich um einen evolutionsbiologischen theoretischen Überbau bemüht hat und den Nutzen seiner Empfehlungen nicht nur einzeln zu erklären und zu belegen versucht hat, sondern ihn auch aus diesem Bereich herleitet. Leider war es aber gerade dieser Bereich, den ich in vielen Teilbereichen gar nicht überzeugend fand. Meines Erachtens ist Klements Herangehensweise auch keine wirklich wissenschaftliche, sondern primär von persönlicher Erfahrung motivierte gewesen. Das schließe ich aus einigen Auffälligkeiten seiner Herangehensweise an die Thematik, und ich habe im Grunde eigentlich auch gar nichts dagegen einzuwenden, nur mache ich das (neben dem Fehlen eines motivierten Fachlektorats) dafür hauptverantwortlich, daß das Buch dem Mitteilungsbedürfnis des Autors deutlich mehr entspricht als den Informationsbedürfnissen der Leser.
1) Manche Dinge muß man einfach glauben?
Klement hat sich mit voller Überzeugung der Mitochondrien-Theorie Professor Seyfrieds angeschlossen, die er in großen Teilen deckungsgleich als Tatsache wiedergibt. Dies aber auch zu begründen, obwohl es doch im Widerspruch zur aktuell vom wissenschaftlichen Mainstream für wahr gehaltenen Auffassung von Krebs steht, hielt er nicht für erforderlich. Wir sollen ihm das einfach mal glauben. Aber warum glaubt er das eigentlich? Genau an dieser Stelle hätte ich erwartet, auch zu erfahren, wie er dazu gekommen ist, all das für falsch zu halten, was über die Entstehung von Krebs heute in Wissenschaft und Medizin weiterhin als richtig gilt und er selbst bestimmt auch einmal für wahr gehalten hat. So ungemein interessant ich Seyfrieds Annahmen auch finde und so gut ich mir vorstellen kann, daß er mit ihnen wirklich richtig liegt, aber auch von ihm wollte ich diese Dinge wissen - und von ihm erfuhr man das auch, in aller Ausführlichkeit, wie er zu seiner heutigen Auffassung gekommen ist.
Hätte Klement es wirklich für verzichtbar gehalten, seine Leser an seinen,
sei es im Studium oder in seiner Arbeit mit Patienten erlangten
Aha-Erlebnissen teilhaben zu lassen, wenn sie einen Einfluß auf seine
Überzeugungen gehabt hätten? Offenbar gab es da - anders als bei Seyfried - nichts, das ihm bedeutungsvoll erschienen ist. Was es indes gab und ihm eine ausführliche Beschreibung wert war: eine chronische
Darmerkrankung, mit der er selbst als sportlicher und vermeintlich gesund lebender junger
Mann über Jahre hinweg erfolglos herumlaborierte, und seine Entdeckung, daß eine fleischbetonte Kost und der
Verzicht u. a. auf Zucker und Getreide sie geheilt hat. Was es außerdem gab, war die
Erinnerung an den vorzeitigen Tod seines Vaters an Darmkrebs und die Vermutung, daß eine ketogene Ernährung ihn weiter verzögern oder vielleicht ganz hätte verhindern können. Persönlicher geht es ja kaum.
2) Was nicht paßt, spielt keine Rolle?
Andererseits erklärt der Autor eine auffällige Abweichung seiner eigenen Meinung zu der Thomas Seyfrieds dann wieder nicht. Seyfried nämlich ist ein Gegner der Radiotherapie, die wiederum Klements tägliches Brot ist bzw. jedenfalls bis vor kurzem war. Radiotherapie, so Seyfried, erhöhe Glukose und Glutamin und könne den Tumor dadurch sogar begünstigen. Nun ist es ja völlig in Ordnung, mit jemandem in bestimmten Teilbereichen nicht einer Meinung zu sein, auch wenn man ihm in fast allem anderen zustimmt. Aber warum wird dieser ja für die Thematik hochrelevante Teilbereich einfach totgeschwiegen, anstatt zu begründen, warum Klement speziell diese Sache anders sieht als der Mann, dessen Mitochondrien-Modell zentraler Bestandteil seines Buches ist? Und wie sieht es dann außerdem mit all den anderen Wahrheiten aus, bei denen sich Klement nicht nur im Text, sondern auch in den immerhin 725 Fußnoten (die 35 Seiten im Anhang füllen) auf andere Fachleute beruft? Hat er da auch kurzerhand auf eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Abweichungen zu seiner eigenen Meinung verzichtet, die es ja bestimmt vielfach gibt? Es ist menschlich, sich so zu verhalten, aber wissenschaftlich ist es nicht. Wissenschaftlich wäre es, solchen Dingen auf den Grund gehen zu wollen und damit, egal zu welchem Ergebnis man kommt, auch seinen eigenen Wissensstand auf eine höhere Stufe zu heben.
Was mich auch sehr interessiert hätte, ist Klements Meinung zu Seyfrieds Annahme, Metastasen entstünden nicht aus den Krebszellen des Ursprungstumors, sondern aus Überläufern aus der körpereigenen Security in den Lymphknoten, den sogenannten Makrophagen. Dazu schrieb er aber überhaupt nichts, und das deute ich so, daß er es für unwichtig gehalten hat. Ich erlaube mir, das völlig anders zu sehen. Denn falls Seyfried damit recht haben sollte, würde das erstens nicht nur den Ablauf der Metastasenbildung transparenter machen, sondern auch einiges an der besonderen Lebensgefahr bei Metastasierung erklären und zweifellos auch neue Forschungs- und hoffentlich als Folge davon auch Behandlungsansätze ermöglichen, die beispielsweise darauf abzielen könnten, speziell diese Makrophagen an ihren finsteren Machenschaften zu hindern, um die Krebserkrankung lokal begrenzt zu halten, damit besser behandelbar zu machen und die Überlebensaussichten der Patienten zu verbessern.
Vor meiner eigenen Krebsdiagnose wäre ich vermutlich selbst nicht auf den Gedanken gekommen, zwischen lokal begrenzten und metastasierten Krebserkrankungen zu unterscheiden, für mich war Krebs halt Krebs, wie das wohl den meisten Leuten so geht. Aber die Metastasierung soll immerhin für 90 Prozent der Krebstode verantwortlich sein, und man möchte doch annehmen, daß das jemandem wie Klement in Ausübung seiner Dienstpflichten kaum entgangen sein kann. Merkwürdigerweise hinterließ dieses Buch aber bei mir den Eindruck, daß für Klement, wie für mich früher, Krebs halt einfach Krebs ist, egal welcher Krebs in welchem Stadium, obwohl doch die Prognosen wie auch die Behandlungsansätze sehr unterschiedlich ausfallen. Das spricht neben anderem auch nicht dafür, daß er in Sachen Metastasierung Seyfrieds Meinung ist, und das wirft meines Erachtens auch Fragen darüber auf, warum er kein Wort über seine eigene Auffassung und deren Gründe verliert.
3) Was machen die Mitochondrien, wenn man "nur" Diabetes bekommt?
Auch Seyfried fokussiert sich ausschließlich auf Krebs und beachtet die Krebs häufig vorausgehenden Erkrankungen nicht weiter, aber da sein zentrales Thema die Krebsbehandlung, nicht die Prävention ist, ergibt das in seinem Fall auch viel mehr Sinn als bei Klement. Eigentlich hätte ich es bei Klement außerdem aber auch noch naheliegend gefunden, gerade zur Mitochondrien-Frage auch mal in bereits existierenden Studien nach Anhaltspunkten dafür zu suchen, welche Rolle sie bei den anderen sogenannten nicht übertragbaren Krankheiten spielen, die das Krebsrisiko erhöhen, weil sie ja irgendeine Rolle spielen müssen, falls Seyfrieds Annahmen stimmen. Das wären nicht nur wichtige Indizien dafür, daß Seyfried ihre Bedeutung bei Krebserkrankungen tatsächlich richtig sieht, es würde auch die Wirkung von ernährungs- und lebensstilbasierten Behandlungen dieser anderen Krankheiten für Außenstehende einleuchtender machen.
Vielleicht bin ich in diesem speziellen Punkt ja doch zu anspruchsvoll. Aber das völlige Desinteresse des Autors an dieser Frage, das darin zum Ausdruck kommt, daß dieser eigentlich gerade aus Präventionsblickwinkel hochinteressante Aspekt nicht einmal beiläufig erwähnt wird, irritiert mich doch sehr.
4) In der chemotherapeutischen Steinzeit steckengeblieben?
Irritierend fand ich auch an einer Stelle Klements abfälliges Urteil über die konventionelle Herangehensweise bei der Krebstherapie, wobei Chemotherapien als "maximale systemische Zerstörung von Tumorzellen unter Inkaufnahme schlimmer Nebenwirkungen" bezeichnet werden. An anderer Stelle werden sie dann aber dennoch für unverzichtbar erklärt, wenn auch nur für den Zeitgewinn. Denkt man sich diese Sache logisch bis zu ihrem Ende weiter, bekommt man den Eindruck, daß der Autor glaubt, ohne diesen Zeitdruck wäre eine rein auf Ernährungs- und Lebensstil- sowie vermutlich spirituellen Aspekten basierende Krebsbehandlung erfolgversprechend. Ich will so etwas auch nicht in Bausch und Bogen für unmöglich erklären, aber ich halte es in jedem Fall für ausgeschlossen, solange das jeweils individuelle komplexe Geschehen im Körper eines an Krebs Erkrankten nicht lückenlos oder wenigstens zum größten Teil nachvollzogen werden kann, denn sonst schießt man ja doch nur auf gut Glück ins Dunkle. Ich bezweifle, daß so etwa zu meinen Lebzeiten noch erreicht werden kann. Die Vision, mit einer Krebserkrankung auch dauerhaft - als nicht tödliche chronische Erkrankung - koexistieren zu können, wie sie auch Klement vorbringt, las ich erstmals bei Jason Fung und fand sie auch faszinierend. Realistischerweise ist das für den Moment aber noch Science-Fiction.
Was mich daran so unangenehm berührte: Science-Fiction hilft niemandem, der gerade vor der Frage steht, was er selbst dazu beitragen kann, um mit einer Krebserkrankung mit ungünstiger Prognose trotzdem in zehn Jahren noch am Leben zu sein. Daß er in diesem Bereich erfährt, daß die konventionelle Krebsbehandlung sowieso nur Mist ist und völlig falsch an die Behandlung herangeht, trägt kaum dazu bei, den behandelnden Ärzten und ihrem Fachwissen das Minimum an Vertrauen entgegenzubringen, das für eine Behandlung nötig wäre. Solange es kein ausreichend wirksames Behandlungskonzept gibt, daß auf die systemische Zerstörung von Tumorzellen verzichten kann, sollte das auch klar und deutlich so ausgesprochen werden. Was ich viel hilfreicher gefunden hätte, wären Handlungsoptionen, die begleitend möglich sind, welchen Sinn und Nutzen sie haben können, woran man einen Nutzen erkennt (etwa welche Blutwerte das objektiv anzeigen), worauf in der Anwendung zu achten ist, aber ebenso, denn daran scheitert es bei den meisten Patienten, wie man das seinem Onkologen verklickert, wenn der dem ablehnend gegenübersteht, oder vielleicht auch, wo und wie man Onkologen auftreiben kann, die da aufgeschlossener sind. Gerade für den Teil der Leser, die bereits Krebs haben, fehlt in diesem Buch all das, was sie am dringendsten benötigen würden, und das kommt mir absurd vor.
Kann es außerdem sein, daß die rasante Entwicklung in der Krebstherapie während der letzten Jahre vollständig an Rainer Klement vorbeigegangen ist? Es ist noch keine fünfzehn Monate her, daß ich meine Krebsdiagnose bekommen habe, und Patientinnen mit der Diagnose Brustkrebs haben mittlerweile schon leitlinienmäßige Therapieoptionen, die ich noch nicht gehabt hätte, so die Antikörpertherapie mit Pembrolizumab bei triple-negativem Brustkrebs. In absehbarer Zeit werden höchstwahrscheinlich auch reine Antikörpertherapien in einem Teil der Fälle von HER2-positiv die Zellgift-Chemo ganz ersetzen.
Keine Frage, Chemotherapie ist nach wie vor nicht vergnügungssteuerpflichtig und wahrscheinlich zudem häufig nicht nur unangenehmer, sondern auch riskanter als nötig (nicht zuletzt auch deshalb, weil der begleitende Einsatz von zellschützenden Ernährungsvarianten durch die einschlägigen Fachgesellschaften aktiv sabotiert wird), aber glücklicherweise verändert sich trotzdem andauernd irgendetwas in der Krebstherapie, das entweder die Erfolgsaussichten der Behandlung verbessert oder die Belastung verringert. Mit der Behandlung von metastasiertem Krebs kenne ich mich zugegebenermaßen schlechter aus als mit meinem eigenen im lokalen Stadium. Aber so viel habe ich trotzdem schon mitbekommen, daß die chemotherapeutische Steinzeit mit ihrem "So viel Gift, daß es den Patienten gerade noch NICHT umbringt", die er zu beschreiben scheint, doch schon ein Weilchen vorbei ist.
Richtig ist freilich, daß bei den meisten Krebsarten die Aussichten im metastasierten Fall immer noch ziemlich bescheiden sind. Trotzdem darf man ja mal erwähnen, daß 39 Prozent der an Krebs erkrankten Männer und 47 Prozent der Frauen mittlerweile auch zehn Jahre nach der Diagnose noch am Leben sind. Bei der sogenannten "relativen Überlebensrate" - bei der mitberücksichtigt wird, wie viele nicht an Krebs Erkrankte mit ansonsten identischen Eckdaten rechnerisch diese zehn Jahre überlebt hätten - liegen beide Geschlechter sogar knapp unter bzw. über 60 Prozent. Zehn Jahre, das ist schon was anderes als ein paar Monate hin oder her, und man darf der Chemotherapie, so, wie sie sich verändert hat, schon auch einen gewissen Anteil daran zubilligen.
Daß der Autor dann aber wieder beklagt, das therapeutische Potential von spontanen Tumorrückbildungen werde verschenkt, finde ich eher ein bißchen skurril, denn solche unerwarteten Heilungen, die nur ganz selten vorkommen, erwecken ja immer viel Aufmerksamkeit und werden mit Sicherheit akribisch nach möglicherweise therapeutisch nutzbaren Hinweisen auf die Ursachen durchforscht. Wenn man aber keine Ursache der Spontanremission findet, kann man sie klarerweise auch nicht nutzen.
Schon die Bäume waren ein Irrtum?
Ich habe nur eine Auswahl der Quellenverweise nachverfolgt; die meisten davon betrafen die evolutionsbiologischen Grundlagen. Und zwar deshalb, weil ich da einige Dinge spontan für falsch hielt, aber durchaus bereit war, mich ggf. eines Besseren belehren zu lassen. Am Ende habe ich einige Detailfragen wider Erwarten für richtig befunden, fand aber dennoch keinen Grund, meine Meinung für das Gesamtbild zu ändern.
Disclaimer: Ich bin kein Evolutionsbiologe. Aber Klement ist ja auch keiner. Ich fühle mich in diesem Teilbereich mit ihm durchaus auf Augenhöhe, denn er argumentiert als interessierter Laie, bei dem der Ausgangspunkt seiner Ernährungstheorie meines Erachtens eine persönlich gemachte Erfahrung mit einer hartnäckigen Krankheit und deren Heilung war, der er einen wissenschaftlichen Überbau zu geben versucht. Daran ist übrigens gar nichts verwerflich, ich mache das ja auch, ich reagiere bloß immer ein bißchen allergisch, wenn die Zahl der Fußnoten die Wissenschaftlichkeit beweisen soll, obwohl es die fehlenden oder nicht passenden Zusammenhänge sind, an denen man erkennt, daß es eben doch nie darum ging, unvoreingenommen die Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer Annahme zu überprüfen, wie das in Wirklichkeit die Wissenschaftlichkeit der Herangehensweise beweisen würde.
Klement ist der Meinung, daß Krebs eine vermeidbare Folge unserer nicht "artgerechten" Lebensweise ist und durch eine entsprechende Änderung der Lebensweise vermieden werden kann. Evolutionsbiologisch seien wir sowohl in der Ernährungsweise wie auch im Alltagsverhalten und in den sozialen Strukturen für ein Leben als Jäger und Sammler optimiert, wie das die Menschheit ja die längste Zeit gewesen ist. Der Übergang zum Ackerbau erfolgte ungefähr ab 12.000 vor Christus, eine kurze Zeitspanne im Vergleich zu den Millionen Jahren, in denen es die Gattung "Homo" und ihre Vorfahren und die vorherige Lebensweise gegeben hat. Nach seiner Meinung waren diese 14.000 Jahre zu kurz, um an den biologischen Mechanismen viel verändert zu haben, die nach dem Übergang zum Ackerbau und der damit verbundenen Lebensstilveränderung bis dahin nicht gekannte (oder jedenfalls seltene) Krankheiten auslösten. Krank gemacht haben dabei einerseits die veränderte, nicht mehr "artgerechte" Ernährung (der Faktor Bewegung kann aber eigentlich in dieser Zeit noch keine Rolle gespielt haben, da sich vorzeitliche Ackerbauern bestimmt auch viel bewegen mußten), andererseits die Veränderungen der sozialen Strukturen (Hierarchien, Besitz etc.), und als deren Folge seelische Faktoren, denen Klement sogar eine Schlüsselrolle bescheinigt.
An diesem zusammengefaßten Gesamtbild halte ich gleich mehrere Punkte für schlecht durchdacht. Krebs gibt es nämlich höchstwahrscheinlich schon, seit es mehrzellige Lebewesen gibt. Der älteste dokumentierte Fall einer Krebserkrankung betrifft eine Schildkröte, die vor 240 Millionen Jahren gelebt hat. Neben Tieren bekommen außerdem auch Pflanzen Krebs. Die seelischen Ursachen zugeschriebene Rolle bei der Entstehung von Krebs liegt deshalb nicht wirklich nahe.
"Nichts in der Biologie macht Sinn außer im Lichte der Evolution" zitiert der Autor in seinem Buch den Biologen Theodosius Dobzhansky, noch dazu mehrmals, als wäre es ein Mantra. Ich habe den Artikel verlinkt, aus dessen Überschrift das Zitat stammt, weil Dobzhansky, anders als mit diesem Zitat suggeriert, in Wirklichkeit gar kein Zeuge ist, der Klement in seiner Auffassung bestätigt. Ihm ging es um eine ganz andere Frage, nämlich darum, warum seiner Ansicht nach die Evolution nicht im Widerspruch zum Glauben an Gott steht und Kreationisten mit ihrer wortwörtlichen Auslegung ihrer jeweiligen heiligen Schriften komplett im Irrtum seien.
Trotzdem, gerade im Lichte der Evolution betrachtet ergeben Klements Ausführungen außerdem weniger Sinn, als er behauptet.
evolution@work
Ob es wahr ist, daß, wie Klement behauptet, der Übergang zum Ackerbau die Menschen kranker als vorher gemacht hat, kann nämlich eigentlich dahingestellt bleiben. Gerade evolutionsbiologisch war die seßhafte Lebensweise der Ackerbauern nachweislich viel erfolgreicher als die Jäger und Sammler, denen doch angeblich, so der Autor, die Natur alles im Überfluß geliefert habe, was sie zum Leben gebraucht hätten (in der Eiszeit etwa auch?). Die evolutionsbiologische Überlegenheit der Ackerbauern ist beweisbar, weil sie die Jäger und Sammler nach und nach verdrängen konnten. Evolutionsbiologisch ist es nämlich keineswegs von Bedeutung, ob ein Individuum einer bestimmten Art ein möglichst hohes Alter erreicht. Erfolgreich in diesem Sinne ist eine Art, bei der mindestens so viele Individuen wie in der vorherigen Generation das fortpflanzungsfähige Alter erreichen und sich dann tatsächlich fortpflanzen. Übersteigt die Zahl der überlebenden Individuen die der vorherigen Generation, breitet sich die Art weiter aus - je mehr, desto erfolgreicher ist die Art in evolutionsbiologischer Hinsicht.
In der Übergangsphase aus der Jäger- und Sammler-Zeit zu Ackerbauern-Zeit, also um 12.000 vor Christus herum, wird die Zahl (1) (Quelle für die Zahlen im Link S. 6, Fußnote 3) der auf der ganzen Erde lebenden Menschen auf 4,5 Millionen geschätzt, damit hatte sie sich innerhalb von knappen 300.000 Jahren vervier- bis verfünffacht - durchaus ein Zeichen für evolutionsbiologischen Erfolg. Zum Zeitpunkt, als der Wandel zum Ackerbau weitgehend abgeschlossen war, also Jäger und Sammler nur noch unbedeutende Randgruppen waren, etwa zur Zeit des Römischen Reiches, lebten aber bereits 170 Millionen Menschen. Maßgeblich für die Bevölkerungsexplosion durch die sogenannte neolithische Revolution war: Von den Kindern der Ackerbauern überlebten erheblich mehr als von den Jägern und Sammlern.
Genau das ist evolution@work.
Krebs spielte bei dieser Entwicklung aber überhaupt keine Rolle, denn er tritt - und das ja bis heute - fast immer in einem Alter auf, in dem der Erkrankte aus evolutionsbiologischer Sicht längst verzichtbar geworden ist. Die Natur ist nämlich nicht unbedingt "nett" zu einzelnen Individuen auch einer eigentlich erfolgreichen Art - wer jemals im Mai die Webcams der BBC-Sendung "Springwatch" verfolgt hat, weiß das ganz genau. In Vogelnestern spielen sich nämlich für den Nachwuchs oft die entsetzlichsten Tragödien ab, ausgelöst von so unterschiedlichen Dingen wie zu viel Kälte, zu viel Hitze, zu viel Regen, Raubtieren vom Specht bis zum Marder, Aus-dem-Nest-Fallen ungeschickter Jungvögel oder umgekehrt dem Ungeschick unerfahrener Altvögel, oder ein Elternvogel stirbt, unzuträgliche oder vergiftete Nahrung oder, oder, oder ... und sind die Überlebenden ausgeflogen, bleiben sie noch geraume Zeit für alle Freßfeinde weiterhin eine leichte Beute, auch wenn man das dann nicht mehr in der Webcam beobachten kann und an ein Happy End für die ausgeflogenen Jungvögel glaubt. Am Ende zählt aber nur, daß pro Elternpaar mindestens zwei ihrer Jungtiere sich im Durchschnitt wieder fortpflanzen können. Alle anderen wurden "auf Überschuß" produziert.
Genau das ist aber Bestandteil einer "artgerechten" Lebensweise: viele tote Kinder und ein im Durchschnitt geringeres Lebensalter.
Eine "artgerechte" Lebensweise im natürlichen Habitat bedeutet bei den meisten Tierarten eine niedrigere Lebenserwartung als in einem Zoo. Dem gleicht die Tatsache, daß auch die menschliche Lebenserwartung im Lauf des letzten Jahrhunderts, ausgerechnet, als das Leben besonders rasant unnatürlicher wurde, so schnell und stark gestiegen ist wie nie zuvor. Klements wortwörtlich an
einer Stelle so gemachte Forderung "Zurück zur Natur" kann deshalb kaum die Antwort auf
die Frage bieten, wie man bei guter Gesundheit ein hohes Alter
erreicht. Qua natürlicher Auslese sind wir vor allem darauf optimiert, unsere Arterhaltungspflichten erfüllen zu können. Wenn wir im Anschluß an die Erfüllung unseres evolutionsbiologischen Jobs außerdem noch so alt wie Methusalem werden wollen, müssen wir folglich nicht ein möglichst naturnahes Leben führen, sondern die Natur austricksen. Die hat uns nämlich mit diversen Verschleißteilen ausgestattet, bei denen in einem Alter zwischen 40 und 50, mit Glück ein paar Jahre später, gewissermaßen die Garantie ausläuft, und dann fängt man an, merkwürdige Zipperlein zu entwickeln, die man vorher nie gekannt hatte ... auch Rainer Klement steht schon an der Schwelle des Ablaufs seiner Garantiezeit. Ob es dann aber ein lebenswichtiges Teil ist, das auf einmal nicht mehr so richtig funktionieren will (etwa die Pumpe) oder eines, mit dem man problemlos auch noch hundert Jahre alt werden könnte (etwa Altersweitsichtigkeit), ist trotz aller Prävention, die mit Glück das eine oder andere vielleicht ein Weilchen hinauszögern kann, bis zu einem gewissen Grad einfach Glückssache. Also drücke ich ihm hiermit diesbezüglich die Daumen.
In diesen Bereich gehört natürlich auch Krebs, und es ist dem Autor nicht gelungen, mich davon zu überzeugen, daß er - anders als alle anderen Alterskrankheiten - gar nicht entstehen würde, falls wir nur evolutionsbiologisch alles "richtig" machen würden. Das ergibt nämlich nicht viel Sinn. Täten wir das, käme es auf diesen Faktor außerdem gar nicht an, da wir uns andersartigen Krankheitsrisiken aussetzen müßten, die durch unsere unnatürliche Lebensweise verhindert werden.
Was wir also tun sollten - und im Prinzip ist es wohl auch das, was der Autor eigentlich meint, aber die Kurve hat er nicht gekriegt, seine Beweisführung daran anzupassen -, ist: die Natur austricksen. Wir müssen nicht unseren Vorfahren ältester Zeiten, die Jäger und Sammler waren, so viel wie möglich nachmachen, um "artgerecht" zu leben, sondern uns bestmöglich an die aktuell bestehenden Rahmenbedingungen anpassen. Was dabei viele von uns krank macht, ist eine Stellschraube, an der man dabei drehen kann, um herauszufinden, ob es einen selbst gesünder macht, dies zu vermeiden oder zu modifizieren. Dabei spielt es im Prinzip keine Rolle, ob wir dafür einen Aspekt des vorzeitlichen Lebensstils aufgreifen, der sich leicht in den heutigen einfügen läßt, oder etwas Neues erfinden, das besser zu unseren heutigen Gegebenheiten paßt, oder beides miteinander kombinieren. Helmut Kohl hätte dazu gesagt "Wichtig ist, was hinten rauskommt", und dem habe ich nichts hinzuzufügen.
Neolithische Parallelgesellschaften
Klements vermeintlicher Beweis dafür, wieviel ungesünder die Ackerbauern im Vergleich zu den Jägern und Sammlern gewesen seien, beruhend vor allem darauf, daß deren Körpergröße nach dem Zeitpunkt 12.000 v. Chr. geringer gewesen sein soll, ist alleine deshalb schon fragwürdig, weil beide Lebensweisen in Europa auch nach dem fraglichen Zeitpunkt noch jahrtausendelang parallel existierten, bis sich schließlich der Ackerbau endgültig durchsetzte - wobei man wohl die Lebensweise von oft nomadisch lebenden viehzüchtenden Hirten, Ernährung und Alltagsverhalten betreffend, als eine Art Mittelding betrachten sollte. Die kleine dreistellige Zahl von Skelettresten aus der Zeit vor und nach 12.000 vor Christus, die in der vom Autor angegeben Quelle untersucht wurden, sind zwar bestimmten Zeiträumen vor und nach diesem Zeitpunkt zugeordnet, aber das heißt noch lange nicht, daß die späteren alle aus Ackerbau-Gesellschaften stammten. In den Daten der Quelle, die ich flüchtig überflogen habe, waren vier explizit als Angehörige von Jäger- und Sammlervölkern bezeichnet. Ob sich bei genauerer Sichtung noch mehr gefunden hätten und inwieweit sich Ackerbauern und Hirten auf Basis der Skelettfunde bzw. anderer Merkmale unterscheiden ließen und wie das die Ergebnisse verändert hätte, habe ich nicht überprüft. Die Angaben zu den Menschen, die vor 12.000 gelebt hatten, umfaßten aber ohnehin nur sage und schreibe neun Individuen, also ist es schon ziemlich waghalsig, daraus so weitreichende Schlüsse wie Klement zu ziehen.
Eine interessante Quelle zu dieser Übergangszeit im Nahen Osten ist das Alte Testament. Man könnte, so betrachtet, die Geschichte von Kain, dem Ackerbauern, und Abel, dem Hirten, nämlich auch als Konflikt zwischen den zwei zugehörigen Lebens- und Ernährungsweisen verstehen. (Einen Konflikt zwischen Jägern und Sammlern einerseits und Hirten andererseits erzählt dann wohl die Geschichte von Jakob und Esau.) Gott, wie die Bibel ihn beschreibt, nahm dabei Partei für die Hirten, und für vegane Ernährung hatte er offensichtlich gar nichts übrig: Das Opfer des Ackerbauern Kain fand von seinen Augen keine Gnade, das des Hirten Abel nahm er an. Am Ende liegt Abel bekanntlich in seinem Blut und Kain muß als Strafe für den Mord an ihm seine Seßhaftigkeit und damit natürlich auch den Ackerbau aufgeben. Aber Gott ließ ihn am Leben ... was ich ihm freilich auch geraten haben möchte. Denn er war ja mit seiner kropfunnötigen Gemeinheit Kain gegenüber eigentlich schuld an dessen Neid auf seinen Bruder und hat damit auch den Mord überhaupt erst ausgelöst.
Die Schroffheit der Zurückweisung von Kains respektvoll gemeinter Gabe hat mir noch nie so richtig eingeleuchtet. Liest man diese Geschichte aber als Beschreibung eines gesellschaftlichen Konflikts zwischen zwei Lebensstilen, legt sie nahe, daß der Ackerbau es nicht ganz einfach hatte, sich durchzusetzen, denn wer auch immer sie in dieser Form der Nachwelt überliefert hat, fand wohl tatsächlich nicht viel Geschmack an Getreideprodukten. Die Gegenfraktion war aber überlieferungsgeschichtlich auch nicht faul, denn es gibt auch die Lesart, daß Gott den Fleischgenuß erst abgesegnet habe, als Noah seine Arche verließ, und die Menschheit also zuvor vegetarisch gelebt haben müßte. Vielleicht sollte ich meine Bibel mal unter ernährungstechnischem Blickwinkel wiederlesen?
Eine weitere Frage, die relevant ist, lautet: Wie weit haben wir uns seit der neolithischen Revolution biologisch von unseren Jäger-und-Sammler-Ahnen schon entfernt? Oder jedenfalls manche von uns, da ja genetische Unterschiede bei der Verträglichkeit von Nahrungsmitteln eine Rolle spielen. Bei einem relativ kleinen, aber andererseits auch nicht ganz unbedeutenden Teil der Anwender wirkt eine ketogene Ernährung schlicht nicht so, wie sie es der Theorie nach sollte, also müßte man bei deren Gesundheitsproblemen auf anderen Ernährungstheorien basierende Herangehensweisen zugrunde legen. Daß es in den letzten 14.000 Jahren sehr wohl genetische Veränderungen in Anpassung an die neue Lebensweise gegeben hat, ergibt sich aus den Erkenntnissen der Paläogenetik. Und das leuchtet mir auch ein, denn auch wenn die Kindersterblichkeit der Ackerbauern wesentlich geringer als die der Jäger und Sammler gewesen sein muß, um die beschriebene Bevölkerungsexplosion der vorgeschichtlichen Zeit hervorgerufen zu haben, sind dennoch auch von ihren Kindern viele gestorben, ohne ihre Gene weitergegeben zu haben. Es bedarf nicht vieler Phantasie, um anzunehmen, daß die Überlebenschancen der Kinder um so höher waren, je weniger gesundheitliche Probleme ihnen die neue Ernährungsweise machte, also eine Anpassung an eine Ernährung mit hohem Getreideanteil stattgefunden haben muß, ebenso, wie das in der verlinkten Quelle auch für Milchprodukte gegolten hat. Im Grunde läuft es auch aus dieser Richtung betrachtet wohl darauf hinaus, daß die richtige Ernährungsweise eben für zehn verschiedene Menschen zehn im Detail und sicherlich manchmal auch erheblich voneinander abweichende Nahrungszusammenstellungen sein können, je nachdem, wie der individuelle Genmix die Verträglichkeit bestimmter Nahrungsmittel beeinflußt. Solange man das nicht via Genanalyse sicher bestimmen kann, sind wir damit mal wieder an dem Punkt, an dem man halt experimentieren muß.
Übrigens scheint es mir evolutionsbiologisch gesehen auch fragwürdig, in ein einziges Leben gleich zwei hineinzwängen zu wollen - und das tut man, wenn man mit einem der typischen heutigen Schreibtischjobs satt zu werden versucht, aber in seiner Freizeit zusätzlich, quasi als Zweitjob, noch mit vergleichbarem Aufwand alles nachmachen soll, was in grauer Vorzeit die Jäger und Sammler taten. Und zwar nicht deshalb, weil sie so große Lust darauf hatten, sondern weil sie es tun mußten, um satt zu werden. Wäre es da nicht klüger, herausfinden zu wollen, auf welche Weise wir uns bestmöglich den heutigen Rahmenbedingungen anpassen können, ohne daran krank zu werden?
Winnetou meets Herman Pontzer
Im Zusammenhang mit dem "Sport-Teil" von Klements Beweisführung wird dann auch das Volk der Hadza erwähnt, das mir wegen Herman Pontzer bereits ein Begriff gewesen ist. Deshalb fiel mir auch auf, daß Klement sich mit den Hadza kaum über das erwähnte Detail hinaus befaßt haben kann und sie nur deshalb die Ehre hatten, in seinem Buch vorzukommen, weil sie in dem erwähnten Detail, nämlich daß sie sich im Alltag viel bewegen (müssen), als Bestätigung dessen taugen, was Klement von vornherein für wahr gehalten hat. Eine beweisbare Tatsache ist aber auch, daß die Lebenserwartung der Hadza extrem niedrig ist. Außerdem essen sie nicht unbedingt kohlenhydratarm. Beides steht im Widerspruch zu dem, wofür im "Ernährungs-Teil" des Buches wiederum andere Naturvölker als Beweis vorgeführt werden: die nordamerikanischen Indianer beispielsweise sollen sehr langlebig gewesen sein. Die zugehörige Quelle aus dem Jahr 1908 bestätigt dies im Vergleich zu den damaligen US-Weißen in der Tat, allerdings ist da mit Klement wohl sein Sinn für Winnetou-Romantik durchgegangen, denn bei einem Teil der untersuchten Stämme handelte es sich nicht um büffeljagende nomadisch lebende Tipibewohner, sondern um solche, die seßhaft waren, traditionell Ackerbau betrieben und deren Hauptnahrungsmittel Mais war. (Und, nur am Rande erwähnt: Geraucht haben sie außerdem auch noch, diese Schlingel.) Die Eskimos wiederum aßen traditionell fast ausschließlich Fleisch und Fisch, hatten aber wie die Hadza eine ziemlich geringe Lebenserwartung.
Richtig ist in der Tat, daß Krebs bei allen erwähnten Völkern selten auftritt bzw. aufgetreten sein soll, solange sie traditionell lebten. Es wäre wohl vorschnell, dies alleine darauf zurückzuführen, daß die meisten Angehörigen dieser Völker vor dem Alter sterben, in dem Krebserkrankungen sich in heutigen Gesellschaften zu häufen beginnen. Die Frage ist dennoch, was alle diese Völker miteinander gemeinsam haben, das die Erklärung dafür sein könnte, denn eine im Rahmen von Klements Empfehlungen sich bewegende Ernährungsweise ist es nicht. Womöglich gilt dasselbe ja auch für die Jäger und Sammler der Vorzeit. Nüchtern betrachtet, werden diese Kulturen wohl immer das gegessen haben, was am einfachsten ihren Bauch füllte, und das muß nicht in allen Weltregionen unbedingt überwiegend Fleisch gewesen sein.
Wenn das aber so gewesen sein sollte, was bedeutet das dann die evolutionsbiologisch richtige Ernährungsweise betreffend?
Nicht machen, was er sagt, sondern was er tut
Ich halte den evolutionsbiologischen Überbau zu Klements erfahrungsbasiert praktiziertem Lebensstil in Teilen für Rationalisierungen dessen, was ihn seiner Beobachtung nach von einer chronischen Darmerkrankung geheilt und anschließend weiter gesund erhalten hat - und was ihm selbst außerdem, ganz simpel, angenehm zu tun ist. Alles, was ich weiter oben über die zu komplizierte Umsetzung seiner Empfehlungen in die Praxis geschrieben habe, trifft deshalb auf ihn selbst vermutlich nicht zu, weil er sich das wahrscheinlich gar nicht auf Basis einer Theorie "am Stück" angeeignet, sondern es sich nach und nach im Alltag zusammengefügt hat - was ich wieder ganz vernünftig finde. Wahrscheinlich kommt vielen auch meine eigene Ernährungsweise ziemlich kompliziert vor, obwohl sie es für mich nicht ist, weil sie ebenfalls das Ergebnis einer jahrelangen Entwicklung ist. Angesichts meiner eigenen guten Erfahrungen mit Intervallfasten, auch in Kombination mit Low Carb, in genau der Form, wie ich das praktiziere, meine ich, empfehlen kann ich vielleicht nicht Klements Buch, aber sehr wohl seine Herangehensweise in der Ernährung, also sich aus den möglichen Elementen einfach diejenigen auszusuchen, die einem spontan sympathisch vorkommen, ggf. auch weiteres einfach mal auszuprobieren und dabei bleiben, falls es zusagt und wirkt, bei Nichtgefallen oder ausbleibender Wirkung eben wieder bleibenzulassen, eigene Variationen zu entwickeln, wenn die aus der Vorlage irgendwie nicht ganz paßt, und auf diesen ganzen Optimierungsquatsch dabei zu pfeifen, denn erst der macht die ganze Sache zu einer unangenehmen Pflichtübung - und ob eine solche für einen einzelnen Anwender das Krebsrisiko wirklich verringert hat, wird man sowieso nie herausfinden können, egal, ob man bis zum hundertelften Geburtstag von Krebs verschont bleibt oder er einen doch irgendwann am Wickel haben wird. Denn ein geringes Risiko ist ja kein Nullrisiko.
Dazu fällt mir noch eine andere grundsätzlichere Frage ein: Was eigentlich versteht der Autor unter einem "natürlichen Tod"? Bis zu dem, schreibt er nämlich im Vorwort, solle die Krebsprävention im Nachgang einer Krebserkrankung idealerweise anhalten, aber wie man sich den vorstellen soll, blieb mir unklar. Was genau wäre an, sagen wir, Herz-Kreislauf-Erkrankungen natürlicher als an Krebs, da deren Risiko ja durch genau dieselben Risikofaktoren erhöht wird und durch dieselben Lebensstilveränderung sinken soll? Oder soll man das an einem bestimmten Lebensalter festmachen? Oder an einer Kombination aus beidem? Vor einiger Zeit hatte ich ja die Kuriosität erwähnt, daß in der Krebsstatistik mittlerweile auch Neuerkrankungen in der Altersgruppe ab hundert Jahren gesondert ausgewiesen werden, und so, wie es bei Klement dasteht, wäre ein Krebstod in diesem Alter seiner Meinung nach wohl auch ein unnatürlicher Tod.
Die Frage danach, was das eigentlich ist, ein "natürlicher Tod", finde ich deshalb nicht ganz unbedeutend, weil ja niemand gesund stirbt und alles, woran man sterben kann, jedenfalls in der Theorie als vermeidbar gilt, aber andererseits die Welt nach wie vor auf den ersten Fall eines Menschen wartet, der gar nicht gestorben ist. (Obwohl ich nicht ausschließe, daß für Keith Richards auch diese Regel vielleicht nicht gelten könnte ...) Wenn ich mir die Sache nachträglich so durch den Kopf gehen lasse: Für ein Buch, bei dem es um Krebs geht, kam der Tod darin auffallend wenig zur Sprache. Noch merkwürdiger finde ich diesen Umstand in dem spirituellen Teil, in dem es ja auch darum geht, bestimmte Dinge anzunehmen. Die eigene Sterblichkeit scheint Klement aber nicht dazu zu zählen, obwohl sie doch ein unvermeidbarer Bestandteil des Lebens ist.
Stichwort "Unangenehme Pflichtübung": Auch die Überbetonung der Rolle des Sports erklärt sich wohl aus Klements persönlichen Vorlieben (obwohl sie gleichzeitig auch so ein Zeitgeist-Dingens ist), denn der Autor hat von jungen Jahren an Sport getrieben mit im Lauf der Zeit zunehmender Tendenz zum Extremsport (Triathlon), und das wohl gerade nicht, um gesund zu bleiben (alles, was extrem ist, ist per se ja nicht so wahnsinnig gesund), sondern weil er Spaß daran hat, es zu tun - wogegen überhaupt nichts einzuwenden ist, weil Spaß haben ein Wert an sich ist. Aber niemand, der Sport treibt, um seinem Bewegungsdrang nachzugeben, oder etwas anderes daran unwiderstehlich findet, muß erst noch davon überzeugt werden, Sport zu treiben, also sind diejenigen, an die sich das zugehörige Kapitel seines Buches richtet, wohl eher diejenigen, die diesen Drang nicht aus sich selbst heraus haben. Daß Sport aber auch für diejenigen gesundheitlich unverzichtbar ist, die sich lustlos aus Pflichtgefühl und aus Sorge vor Krankheiten damit herumquälen, bezweifle ich. Dazu habe ich mich bei früheren Gelegenheiten schon ausführlich geäußert, also bremse ich mich an dieser Stelle mal, damit mir dieser Beitrag nicht noch mehr ausufert.
Paulus schrieb an die Apatschen ...
Und nun gelangen wir allmählich an den Rand des Pferdekopfnebel-Bereichs von Rainer Klements Buch. Das beginnt schon vor dem "spirituellen" Teil, in dem es um die Rolle der Seele bei der Krebsentstehung geht, denn auch unter den Lebensstilempfehlungen waren einige, über die ich halb amüsiert, halb peinlich berührt den Kopf geschüttelt habe, weil sie mir sonderbar bis fragwürdig vorkamen. Unbelehrbar aus schierem Widerspruchsgeist bin ich allerdings auch wieder nicht. Daß es so etwas wie "Antinährstoffe" tatsächlich gibt, habe ich beispielsweise erst nach einer Recherche geglaubt. Die akute Bedrohung, die der Begriff suggeriert, ist allerdings nicht weiter erwähnenswert: Antinährstoffe schränken die Verwertbarkeit der Nährstoffe in einem Lebensmittel ein, sind also allenfalls ein weiterer Grund, sich mit der Berechnung optimaler Nährstoffversorgung nicht gar zu lange aufzuhalten, zumal ja auch noch andere Faktoren die Aufnahme der Nährstoffe beeinflussen und alle aktiven optimierenden Steuerungsmaßnahmen sabotieren können. Was diesen Punkt betrifft, gehe ich einfach davon aus, daß mit meiner Ernährung alles in Ordnung ist, solange ich mich gesund fühle und im Blutbild - das gelegentlich kontrollieren zu lassen, bestimmt nicht schaden kann - auch nichts Alarmierendes zu finden ist.
Daß wir eine körpereigene Entgiftung haben, darf man wohl als den meisten bereits bekannt voraussetzen, sie findet vor allem in der Leber statt, und auch dieser Vorgang wird ausführlich beschrieben. In einem Teilkapitel geht es dann um die Frage, welche Giftquellen man tunlichst vermeiden sollte, um unsere Entgiftungsmechanismen nicht überzustrapazieren. Neben dem altbekannten üblichen Verdächtigen Tabakrauch (obwohl der die Apatschen anscheinend nicht daran gehindert hat, steinalt zu werden), Schwermetallen wie Cadmium, Blei oder Quecksilber sowie die auch häufiger durch die Medien geisternden polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen lösten die beiden weiteren Punkte "Fluoride" und "Elektromagnetische Strahlung" bei mir eher ein Stirnrunzeln aus. In Sachen Fluoride ist die Hauptzeugin der Anklage eine Zahnärztin, die nebenbei ein Schülerin Rüdiger Dahlkes gewesen ist (was ich keineswegs für eine Empfehlung halte) und in einem mindestens ebenso obskuren Verlag wie Klement selbst ein Buch mit dem ungeheuer wissenschaftlichen Titel "Raus aus der Fluorid-Falle!: So schützen Sie sich vor Herzinfarkt, Schlaganfall, Krebs, Alzheimer, ALS, Knochenbrüchen und vielem mehr" veröffentlicht hat. Ich lasse die Frage trotzdem mal offen, denn daß es innerhalb der Wissenschaft dazu eine Debatte zu geben scheint, konnte ich recherchieren. Aber mir scheint, dem etwaigen langfristigen Gesundheitsrisiko stünde in jedem Fall das langfristige Gesundheitsrisiko, das durch Zahnschäden entsteht, gegenüber. Die dauerhafte Wirkung eines Fluoridlacküberzugs auf die Zahngesundheit meines Sohnes im Vergleich zu meiner eigenen hat mich nämlich schon beeindruckt. Wahrscheinlich ginge es dabei auch im ungünstigsten Fall, wenn also die Esoteriker-Fraktion recht haben sollte, allenfalls um ein Nullsummenspiel.
Zur Frage der Strahlung habe ich auf weitere Recherchen verzichtet, nachdem ich las, daß Klement etwas verschwurbelt, aber dennoch keineswegs subtil andeutet, daß Mobilfunkstrahlung und ähnliches (von wem auch immer) auch zur geistigen Manipulation von uns allen genutzt würde. Aufgrund von eigenen Beobachtungen habe ich zwar selbst den Verdacht, daß mindestens die Computer-Monitore, die bis zur Jahrtausendwende üblich waren, bezüglich der Gesundheitsrisiken nicht ganz ohne gewesen sind, aber zu der generellen Frage habe ich mir einstweilen keine abschließende Meinung gebildet, egal wie einig sich die Wissenschaft in dieser Frage ist (denn das ist sie bei den Kalorien ja auch ...). Klements verschwörungstheoretisches Geraune macht mir freilich wenig Lust, mich zum Zweck der Klärung dieser Frage in die Nähe der Verbreiter solcher Theorien begeben zu müssen. Bestimmt ergibt sich irgendwann eine Gelegenheit, einen Ausgangspunkt zu finden, bei dem ich den festen Boden unter meinen Füßen nicht vorher verlassen muß.
Unter den Lebensstilfaktoren, die nicht die Ernährung betreffen, sind einige, die man machen kann, falls man darauf steht, von Sport oder Waldspaziergängen über Yoga und Meditationen bis, meinetwegen, Eisbaden und sonstige Kältereize, aber meines Erachtens nicht unbedingt machen muß, wenn sie einen aus welchem Grund auch immer nicht besonders verlocken. Einige andere halte ich aber auch für glatten Humbug, etwa die "Erdung", um den Kontakt zur Mutter Erde herzustellen, zumal dann, wenn das dann absurderweise in Form eines "Erdungs-Mousepads" empfohlen wird. Die Wirkung dessen soll auf der Wirkung elektromagnetischer Felder beruhen. Da es keine Möglichkeit zu geben scheint, eine Ursache-Wirkungs-Beziehung aus der Anwendung einer "Erdung" dieser Art am eigene Leibe zu erfahren, kann man das wohl in den Bereich der Glaubensfragen verweisen und entsprechende Utensilien kaufen, falls diese spezielle Glaubensfrage einem das Geld wert ist, oder es bleiben lassen, wie ich das mache. Offen lasse ich bis auf weiteres auch noch, was ich von der hyperbaren Sauerstofftherapie halte, bei der es immerhin endlich einmal um eine krebstherapiebegleitende Anwendung ging. Aber das spare ich mir noch auf, bis ich die Version Seyfried kenne, auf die vermutlich doch ein bißchen mehr Verlaß ist.
Schraubenschlüssel in Spiritus
Und jetzt tauchen wir endgültig in den Pferdekopfnebel ab, in dem es um den Zusammenhang zwischen Krebs und den Dingen geht, die die Wissenschaft nicht erfassen kann, weil ihr Werkzeugkasten für Spirituelles nun mal keine passenden Schraubenschlüssel enthält. Sicherlich ist niemand darüber erstaunt, daß ich auch diesen Begriff normalerweise vermeide. Dafür, daß bei mir bei diesem Begriff, "spirituell", sofort die Alarmglocken angehen, kann er im Grunde aber nichts, daran sind nur die Leute schuld, die ihn hauptsächlich verwenden, weil denen, die sich dieser Begrifflichkeit besonders gerne und großzügig bedienen, meiner Erfahrung nach genausowenig zu trauen ist wie Experten, die Einwände von Nichtfachleuten gerne weniger mit Argumenten als mit wissenschaftlichen Einschüchterungsvokabeln wie "signifikant" erschlagen, die sie manchmal, habe ich gehört, nicht einmal selbst richtig verstanden haben.
Aber das, was mit dem Spirituellen gemeint ist oder jedenfalls gemeint sein sollte, zweifle ich nicht an, und auch ich habe ein Problem mit einer Wissenschaft, für die nur existiert, was man messen und zählen kann, und mit Ärzten, deren Kunst an der Grenze des Zähl- und Meßbaren endet. Und damit meine ich nicht nur den Bereich dessen, das zwar nach derzeitigem Stand nicht zähl- und meßbar ist, das aber grundsätzlich gezählt und gemessen werden könnte, wenn man nur dahinterkäme, wie man dabei vorgehen muß (etwa die wegen ihrer schieren Menge und ihren gegenseitigen Beeinflussungen unberechenbar erscheinenden Einflußfaktoren in komplexen Systemen), sondern auch das, was sich dem von vornherein entzieht, weil es nicht dem kognitiven, sondern dem emotionalen Bereich und dem der Sinne angehört, von den biblischen Klassikern "Glaube, Liebe, Hoffnung" über das, was ein Sonnenaufgang in einem auslösen kann, bis hin zur persönlichen Abwägung, welche Lebensrisiken man einzugehen bereit ist und welche nicht, die nie wirklich rational begründet werden kann, sondern darauf beruht, was einem im Hier und Jetzt ein Genuß ist, auf den man objektiv verzichten könnte, aber subjektiv nicht verzichten möchte.
Für diesmal bleibe ich aber bei der Begrifflichkeit "Spiritualität", auch um mir selbst zu beweisen, daß mich nicht der Schlag trifft, wenn ich das mache. ;-)
Daß spirituelle Faktoren an der Entstehung von Krebs mitbeteiligt sind, ja, sogar eine Schlüsselrolle spielen, daran glaube ich erst dann, wenn die derzeit unmögliche exakte Messung aller Einflußfaktoren innerhalb eines komplexen Systems einmal möglich sein wird (mal sehen, ob uns künstliche Intelligenz vielleicht in diesem Punkt eines Tages doch noch weiterbringen wird), denn dieses Zusammenspiel ist es, das eine so bedeutende Rolle spielen muß, daß es leicht sein kann, daß darüber hinaus keine weiteren Erklärungen nötig wären. Beweisen kann ich das natürlich nicht, und überzeugen wird es mich, falls ich die Entschlüsselung zu meinen Lebzeiten noch mitbekommen sollte und dennoch ein unerklärlicher Rest an Krebsfällen übrigbleibt. Der Teil der Krebserkrankungen, der sich dann immer noch nicht erklären läßt, müßte dann wohl wirklich diesen spirituellen Faktoren zugeschrieben werden. Nur, ich sehe eigentlich keinen Grund, warum sie eine maßgebliche Rolle spielen sollten. Ich erinnere in diesem Zusammenhang noch einmal an die Schildkröte - soll sie von 240 Millionen Jahren etwa Krebs bekommen haben, weil sie verbittert war oder Angstzustände hatte?
Ebenso überzeugen mich umgekehrt die vom Autor zitierten Studien, nach denen Spontanheilungen von Krebs von denen, die sie erlebten, am häufigsten mit im weitesten Sinne spirituellen Faktoren in Verbindung gebracht wurden, nicht davon, daß spirituelle Faktoren Krebs heilen können. Spontanheilungen sind ja extrem selten, und selbstverständlich wird - nur geringfügig überspitzt gesagt - jemand, der am eigenen Leib eine rational nicht erklärbare Wunderheilung erfahren hat, von nun an wahrscheinlich an Wunder glauben und dies höheren Mächten zuschreiben. Das gilt sogar dann, wenn auch die Krankheit selbst bei ihm zuvor keinerlei spirtuelle Ambitionen ausgelöst haben sollte, wieviel mehr dann also bei denen, für die Krebs ein Grund war, ihr ganzes vorheriges Leben zu überdenken und vielleicht komplett umzukrempeln. Das geht ja unheimlich vielen so, und der Begriff "spirituell" poppt dabei regelmäßig auch mit auf. Ich komme mir immer vor wie ein Kalb mit zwei Köpfen, wenn ich mit anderen Krebspatienten rede und auf solche Schilderungen unter dem erwartungsvollen Blick meines Gegenübers dann nur sagen kann: "Also, ich muß in meinem Leben schon vorher einiges richtig gemacht haben, ich hatte nämlich nie ein anderes Bedürfnis, als so weiterzumachen wie bisher."
Nicht nur spontan vom Krebs Geheilte haben außerdem diese spirituellen Erweckungserlebnisse, sondern auch ein beträchtlicher Anteil der Krebspatienten, die an ihm sterben. Das hat vermutlich vor allem damit zu tun, daß man sich nach einer Krebsdiagnose der Endlichkeit des eigenen Lebens bewußt wird. Ich halte es für einen Ausdruck der Anpassungsfähigkeit der menschlichen Psyche an diese veränderten Umstände - auch wenn die Sterblichkeit als solche ja eigentlich schon vorher die ganze Zeit bestanden hatte und man sich ihrer hätte bewußt sein können. Wer eine Spontanremission unter diesen Begleitumständen erlebt, dessen anschließendes Leben hat sicherlich eine Qualität, die es vor der Erkrankung nicht gehabt hat. Die am Krebs Verstorbenen müssen sich damit begnügen, daß dieselben Faktoren ihnen das näherrückende Lebensende erträglicher gemacht haben.
Ich sehe also wenig Grund, ausgerechnet nach seelischen Ursachen für Krebserkrankungen zu suchen, zumal eine Reihe von absolut nichtseelischen Risikofaktoren allgemein bekannt ist - darunter der schwerwiegendste mitnichten, wie viele das glauben, das Rauchen ... sondern das Altwerden.
Bei psychischen Erkrankungen sind aber gerade diese Altersgruppen seltener betroffen:
Zu bedenken ist dabei auch, daß mit zunehmenden Alter eine Reihe psychischer Belastungsfaktoren im Vergleich zu jüngeren Altersgruppen häufiger wird - zum Beispiel auch Krebserkrankungen, eigene oder in der Familie, Verlust der Eltern und des Partners und so weiter -, also eigentlich schon mehr äußere Auslöser für psychische Erkrankungen vorhanden wären, die aber seltener in eine solche Erkrankung münden. Indizien dafür, daß niedrigschwelligere psychische Knackse eine genau gegenläufige Altersverteilungen haben sollen, sehe ich auch keine. Für eine Schlüsselrolle seelischer Faktoren bietet das also keine Anhaltspunkte.
Kann man Krebs wirklich exorzieren?
Meiner Meinung nach wird sowieso genau umgekehrt ein Schuh daraus. Wie viele Jahre die seelischen Folgen einer Krebsdiagnose bei vielen geheilten Patienten anhalten, das ist doch das in Wirklichkeit zu lösende Problem. Und es wird meines Erachtens nur verschlimmert, wenn man einen neu Diagnostizierten, dem ja nun für die physische Therapie erst mal ein monatelanger kräftezehrender und weiß Gott nicht sonderlich angenehmer Behandlungsslalom bevorsteht, nebenbei mit seiner eigenen Todesangst und der von Familie und Freunden klarkommen muß, zusätzlich noch eine Art Exorzismus aufbürdet, weil ja irgendwas in seiner Seele insgeheim die Krankheit mitausgelöst haben müsse, nach dem nun gestochert wird. Irgendwelche Leichen im psychischen Keller hat natürlich jeder (ich auch - gelegentlich besichtige ich sie), wer nach ihnen sucht, wird sie dann natürlich finden. Einem nach der Schock-Diagnose Krebs ohnehin verstörten Menschen dann weiszumachen, dies sei der Krebsauslöser gewesen, stelle ich mir bei vielen Menschen ziemlich leicht vor. Mit solchen Unterstellungen kann man aber auch psychisch gefestigte Persönlichkeiten destabilisieren, jedenfalls dann, wenn man sie in einer akuten Krisensituation wie einer Krebsdiagnose in die Klauen bekommt, von den Verwüstungen, die man bei von vornherein instabileren seelischen Verfassungen anrichten kann, gar nicht erst anzufangen.
An dieser Stelle könnte ich jetzt eigentlich noch eine längere Abhandlung über die psychisch destabilisierenden Faktoren unserer Gesellschaft im allgemeinen sowie der Krebsbehandlung für die betroffenen Patienten im besondern starten, aber dann schläft mir womöglich auch der letzte Leser noch ein, der bis hierhin durchgehalten hat. ;-) Beschränken wir uns also auf die Frage: Ist es möglich, daß der Autor auch hier wieder sich selbst, also seine eigene seelische Verfassung, zum Ausgangspunkt seines theoretischen Überbaus gemacht hat?
Die berufliche Beschäftigung mit Krebspatienten ist seelisch nämlich bestimmt nicht ganz einfach zu bewältigen. Dazu habe ich einen kurzen Wortwechsel mit meinem Onkologen im Ohr, in der Zeit, als ich mein kahles Haupt noch unter einer Perücke verbarg. Ich hatte mich unklug angezogen, wie mir erst dämmerte, als ich für die Untersuchung den Oberkörper freimachen sollte, und nach einigen vergeblichen Versuchen, den Pullover runterzukriegen, während gleichzeitig die Haare oben blieben, sah ich ein, daß das keinen Sinn hatte, weil mein Skalp in jedem Fall verrutschen und ich damit unweigerlich noch skurriler aussehen würde als ganz ohne ihn. "Ach, was soll's", sagte ich zum Doc gewandt, der meine vergeblichen Bemühungen, glatzentechnische Peinlichkeiten zu vermeiden, gegen Ende hin noch mit angesehen hatte, während ich ich den Pulli ohne weiteres Theater samt Perücke über den Kopf zog. "Sie haben bestimmt schon mehr Frauen als nur mich doppelt oben ohne gesehen." - "Viel zu viele", sagte er lapidar. Da kam mir zum ersten Mal die Frage in den Sinn, was das eigentlich mit einem Arzt macht, genau zu wissen, daß ein beträchtlicher Teil seiner Patienten trotz aller Bemühungen ziemlich bald die Radieschen von unten anschauen wird. Wenn man sich das so überlegt, müßte das für einen beträchtlichen Teil der medizinischen und ebenso der zugehörigen Assistenzberufe gelten, aber für diejenigen, die vor allem mit Krebs-Spätstadien zu tun haben, stelle ich mir das besonders belastend vor, auch weil einem tagtäglich die Grenzen der eigenen Kunst und die Vergeblichkeit aller Bemühungen vor Augen geführt werden.
Da ich Dr. Klement nicht kenne, halte ich mich mit Spekulationen über seinen Gemütszustand und dessen etwaige Ursachen nicht weiter auf. Seine Reaktion auf die Corona-Maßnahmen fand ich aber ziemlich irrational, und das erinnert mich daran, daß eine Menge Leute, deren kritische Haltung zu diversen anderen gesundheitlichen und/oder gesellschaftlichen Fragen ich berechtigt fand und weiterhin teile, zu meinem Befremden wie an der Schnur gezogen in der Querdenker-Szene landeten. Ich habe den Verdacht, das hat etwas damit zu tun, daß die Corona-Maßnahmen von denselben Institutionen und ihrem Personal beschlossen und lautstark befürworten wurden, die zuvor in jenen anderen Fragen ihrer (und auch meiner) Meinung nach falsche Ziele oder auch richtige Ziele mit falschen Mitteln verfolgten oder sich mit besonderem Nachdruck für sie aussprachen. Das wirft für mich die Frage auf, was für Erfahrungen man eigentlich in unserem Gesundheitssystem macht, wenn man sich für eine Außenseitermethode wie ketogene Ernährung als begleitende Maßnahme in der Krebsbehandlung einsetzt. Vielleicht war es ja übel genug, um den Sinn der Corona-Maßnahmen alleine schon deshalb nicht einzusehen, weil sie von einem langjährigen Feindbild stammten und ein weiteres Mal die gleichen Leute dazu applaudierten, die schon zuvor immer falsch lagen.
Klements erster Kontakt zu dem obskuren Wunderheiler Viktor Philippi fiel jedenfalls ins zweite Corona-Jahr 2021. Diesen Mann kann er in seinem Buch gar nicht genug lobpreisen und die Herangehensweise der spirituellen Seite seines Buches ist stark von ihm beeinflußt, etwa was die spirituelle Rolle von Dankbarkeit und Vergebung betrifft. Was von diesem Mann zu halten ist, bringen, glaube ich, die kritischen unter den Amazon-Rezensionen seines Buches (denn natürlich hat auch er eines - genaugenommen sogar zwei - geschrieben) am besten zum Ausdruck. Er ist nach vermutlich eigenen Angaben gelernter Psychologe (Studium in Kasachstan, noch zu Sowjetzeiten) und betreibt mit der sogenannten "bioenergetischen Meditation" und die darum kreisenden weiteren Anwendungen und Produkte ein offenbar ganz einträgliches Geschäftsmodell, unter anderem auch mit teuren Ausbildungen zu Coaches, für die er sich den Titel "Bioenergetiker Extrasens", abgekürzt "Biosens", ausgedacht hat, den nur jemand erwerben kann, der die einschlägigen Lehrgänge in der Forschungs- und Lehrakademie für Bioenergetik und Bioinformatik absolviert. Nach Eigenangaben wurden seit den neunziger Jahren etwa 2000 "Biosense" ausgebildet; Anbieter mit diesem Titel finden sich aktuell im deutschsprachigen Raum 457.
Von Krebs versteht Philippi qua Ausbildung gar nichts, aber vermutlich viel von der Manipulation zum eigenen Vorteil von Menschen in psychisch instabilen Situationen.
Eines der zwölf Interviews, mit denen das Buch abschließt, hat Klement mit Philippi geführt, sonderlich interessant fand ich es aber nicht. Ein paar der anderen Interviews waren lesenswerter, etwa das mit dem Chefarzt der Strahlentherapie Schweinfurt Reinhart Sweeney, der neben Bestrahlungen auch die hyperbare Sauerstofftherapie anwendet. Kurioserweise folgt gleich im Anschluß an dieses Interview eines mit Thomas Seyfried, der ja gegen die Strahlentherapie handfeste Einwände hat, allerdings von Sauerstofftherapie auch einiges zu halten scheint. Von Seyfried beeinflußt ist auch Prof. Ulrike Kämmerer, Molekularbiologin in Würzburg und die dritte Interviewpartnerin, die dort bei Patienten ketogene Ernährung einsetzt, aber die möglicherweise auch Klements Haltung zu Corona beeinflußt hat, denn in diesem Bereich hat sie in Querdenker-Kreisen offenbar Furore gemacht. Ich spare mir eine komplette Aufzählung der weiteren Interviewpartner, sie fand ich weniger interessant. Der gemeinsame Nenner bei ihnen ist, daß sie in einem der von Klement beschriebenen Teilbereiche ärztlich/therapeutisch aktiv sind. Berührungspunkte zu esoterischem Schwurbel waren nicht bei allen, aber doch bei vielen erkennbar. Mehrere hatten eigene Einträge bei Psiram.
Nicht, daß ich dieses Portal unbedingt für das Maß aller Dinge halten würde (dies hier steht dort zur "ketogenen Diät" und dies zum "Heilfasten", beide Darstellungen haben ihre fragwürdigen Anteile), aber mit einem Eintrag dort verringert man natürlich seine Chancen, als seriös wahrgenommen zu werden, ganz beträchtlich. Rainer Klement hat bislang keinen (nur zwei Erwähnungen in Einträgen anderer), aber es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis sich das ändern wird - und leider halte ich das bei einem Philippi-Jünger und Autor eines solchen Buches auch für berechtigt. Damit dürfte er das Thema "Keto bei Krebs" natürlich erheblich mitbeschädigt haben. Als Krebspatientin bin ich darüber, sagen wir mal, "not amused", die Gründe habe ich weiter oben ja schon erklärt. Andererseits fühle ich mich aber auch nicht berechtigt, von jemandem zu verlangen, innerhalb des Wissenschaftssystems einen aussichtslos erscheinenden Kampf für die Interessen anderer weiterzukämpfen und sich dabei selbst an seine Belastungsgrenzen zu bringen - falls dieser Faktor bei Klements Kopfsprung ins Irrationale auch eine Rolle gespielt haben sollte, was mir durchaus nachvollziehbar erschiene. Umso größer wird dann aber meine Hochachtung vor Thomas Seyfried, der echt Nerven wie Drahtseile haben muß und jeglicher esoterischen Anwandlungen unverdächtig zu sein scheint. Und der ist es, mit dem ich mich nunmehr auch endlich gründlicher befassen muß, da er für den Moment wohl unsere einzige Hoffnung darauf repräsentiert, daß sich mit Keto bei Krebs doch noch zu unseren Lebzeiten etwas bewegt, da Klement seine Ambitionen in diesem Bereich aufgegeben zu haben scheint, oder falls nicht, im Begriff ist, sich dafür die Grundlagen zu zerschießen.
Wichtig ist, was hinten rauskommt
Klements Buch wird ihm nämlich nicht nur keine zusätzliche Anerkennung in Wissenschaftlerkreisen verschaffen, sondern eher das bislang vorhandene Interesse an seiner bisherigen Arbeit untergraben. Ich weiß nicht, ob Klement das bewußt ist, aber die Frage ist, ob es ihm darauf überhaupt ankommt. Falls dieses Buch vor allem seiner künftigen Tätigkeit als Heilpraktiker dienlich sein, also potentielle Patienten überzeugen soll, kann das nämlich durchaus so klappen, wenn ich mir vor Augen halte, wieviele Leser sich von Leuten wie Nadja Hermann oder Bas Kast mühelos überzeugen ließen. Daß sein Buch kaum deren Reichweite bekommen wird, spielt wohl nur eine untergeordnete Rolle, denn im Kreis der Keto-Community hat es gute Chancen, gelesen und geglaubt zu werden und per Mundpropaganda auch "ungläubige" Freunde und Verwandte der Leser zu erreichen, die dann vielleicht so viel Sinn für die spirituelle Seite der Sache haben mögen, daß auf diesem Umweg auch der Rest von ihnen als wahr akzeptiert wird. Das alles könnte eine ausreichende wirtschaftliche Grundlage für einen Heilpraktiker in spe sein, und vielleicht war es ja auch genau dies, was mit dieser Publikation erreicht werden sollte.
Daß Klement selbst glaubt, was er schreibt, also sein Buch tatsächlich aus einem Bedürfnis nach Verbreitung von für Patienten wichtige Erkenntnisse publiziert hat, setze ich dabei übrigens - anders als bei Viktor Philippi - bis zu Hinweisen für das Gegenteil voraus, aber das wäre ja kein Hindernis, das Buchkonzept so zu gestalten, daß es gerade diesem Zweck besonders nützlich wird. Dafür wäre eine wissenschaftliche Herangehensweise auch gerade nicht das richtige gewesen. Wer sich von einem Guru heilen lassen will, der bevorzugt ihn im Guru-Modus mit klaren Heilsbotschaften, nicht als Wissenschaftler mit erbsenzählerischen Abwägungen im Detail. Da ich mich nicht in Klements Kopf befinde, weiß ich aber natürlich nicht, ob diese Interpretation oder die weiter oben vorgenommene die richtige ist oder vielleicht auch doch etwas völlig anderes dahintersteckt.
Zurück zum Ergebnis, dem Buch: Meiner Meinung muß man den "Weckruf" nicht unbedingt gelesen haben, weil neben Gutem und Nützlichem zu viel Blech darinsteht und sogar der Ernährungsteil, der noch am meisten konkret nutzbare Information hergibt, nur dann nötig wäre, wenn man die kleinen und winzigen Stellschrauben und -schräubchen wirklich so exakt anziehen könnte und müßte, wie es darin beschrieben ist, was ich aus oben erwähnten Gründen bezweifle. Die Basics einer, sagen wir mal, in irgendeiner Form "fleischbetonten" Ernährung findet man ja auch kostenlos im Web, etwa bei Diet Doctor.
Ich stelle meine Ausgabe aber trotzdem ins Bücherregal, weil ich sie eines Tages mit der Version 2.0 vergleichen möchte. Die Hoffnung, daß die eines Tages kommt und mich mit dem Autor Rainer Klement vollständig versöhnen wird, gebe ich so schnell noch nicht auf.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen