Mein Gewicht heute früh nach dem zweiten von zwei nicht zusammenhängenden Fastentagen diese Woche: 76,7 Kilogramm, das sind 500 Gramm weniger als heute vor zwei Wochen. Die Richtung stimmt, aber das Tempo, in dem ich sich mein Gewicht abwärts bewegt, dürfte gerne ein bisschen höher sein. Aber zur Zeit finde ich meine Gewichtsausschläge in beide Richtungen sowieso schwer vorhersehbar und freue mich lieber daran, daß gerade vor allem der Bauch weniger und weniger wird. Noch im Sommer brachte mich der Gedanke ins Grübeln, was ich eigentlich tun werde, wenn ich mein Zielgewicht erreicht habe, falls der Bauch dann trotzdem immer noch da ist. Im Moment sind das aber schon nach jedem langen Fastenintervall sichtbare Veränderungen gerade dort, wo ich sie auch haben will, also hoffe ich doch mal, daß die letzten um die fünf Kilo, um die es jetzt noch geht, vor allem am Bauch verschwinden werden und ich dann keinen Handlungsbedarf mehr sehe.
Ich schiebe heute einen Blogbeitrag ein, damit ich vom vielen Kopfschütteln über die Nachrichten, die mir in meinen Twitter-Account gespült werden, keine Genickstarre bekomme, sondern die Sache hier abladen kann. Das fängt schon damit an, daß ich erhebliche Mühe habe, mir vorzustellen, daß die Argentinier tatsächlich eine Type zum Präsidenten gewählt haben, der aussieht wie einem Loriot-Sketch der siebziger Jahre entsprungen. Die passende Evelyn Hamann dazu wäre dann wohl diese BBC-Moderatorin, die zusätzlich zu ihrer unglaublich dummen Frage auf dem Standbild auch noch einen richtigen Evelyn-Hamann-Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte. Manchmal frage ich mich, ob es nicht vielleicht doch kürzlich einen Riß im Raum-Zeit-Kontinuum gegeben hat und ich mich nun in einem Paralleluniversum befinde, das von einem sehr schwarzhumorigen Satiriker entworfen wurde.
Daß an der Gesundheits- und Präventionsfront alle genauso dämlich zu sein scheinen wie immer, zeigt mir immerhin, daß es dieses Paralleluniversum nicht bräuchte, um mir meine tägliche Dosis Kopfschütteln zu verschaffen, die einzige Sportart, die ich offenbar nicht vermeiden kann. Meine spezielle Freundin, die Ernährungs-Umschau, schwafelte heute etwa - ausgerechnet an dem von ihr so betitelten "Fakten-Freitag" - davon, daß mehr als die Hälfte aller Krebspatienten heute "dauerhaft geheilt" werden könne, während noch 1980 mehr als zwei Drittel an ihrer Erkrankung starben.
Das halte ich im besten Fall für Selbstbetrug und im ungünstigsten für absichtliche Desinformation.
Erstens: Mit "dauerhaft" meinen die in Wirklichkeit gar nicht das, was Sprachlogik und gesunder Menschenverstand dem Leser zwangsläufig suggerieren. In der von der Ernährungs-Umschau verlinkten Quelle,
dem DKFZ, steht an einer Stelle: "Insgesamt lebt heute mehr als die Hälfte aller Krebspatienten noch fünf Jahre nach der Diagnosestellung." Da es sich um dieselbe Angabe des prozentualen Anteils wie bei dem der "dauerhaft Geheilten" handelt, wird somit behauptet, wer fünf Jahre nach seiner Krebsdiagnose noch lebt, sei dauerhaft geheilt. Das ist natürlich blühender Blödsinn, zumal im Vergleich zum Jahr 1980 dank Früherkennung etliche Krebsarten in einem viel früheren Stadium diagnostiziert werden. Wenn die Diagnose zeitlich um ein, zwei oder noch mehr Jahre früher als in den achtziger Jahren erfolgt - was vor allem bei den beiden allerhäufigsten Krebsarten, Brustkrebs und Prostatakrebs, heute die Regel ist -, sind diese fünf Jahre heute ganz eindeutig nicht mehr derselbe zeitliche Maßstab wie 1980, als sie im Durchschnitt in einem viel späteren Krankheitsstadium erfolgten. Hinzu kommt außerdem zweitens, daß die Differenz zwischen "weniger als die Hälfte" heute an ihrer Krankheit verstorbenen Krebspatienten - also 50 % minus ein bißchen was -, in Wirklichkeit keine so gewaltige Verbesserung zu den "mehr als zwei Dritteln", also 66 % plus ein bißchen was, darstellt. Wieviel von diesen zwischen 16 und maximal 20 Prozentpunkten hin oder her bleiben denn eigentlich noch übrig, wenn man den früheren durchschnittlichen Diagnosezeitpunkt in der heutigen Zeit in die Kalkulation mit einbezieht?
Müßte ich mich auf den "Fakten-Freitag" verlassen, um meine weiteren Überlebensaussichten einzuschätzen, würde ich mir wohl gleich heute noch einen Sarg bestellen, denn immerhin hatte ich ja mit den geschwollenen Lymphknoten ein Symptom, das auch schon 1980 zu einer Diagnose im selben Stadium wie heute geführt hätte, und eine erwähnenswerte statistische Verbesserung ergibt sich, näher betrachtet, auf Basis dieser Fakten in Wirklichkeit gar nicht. Erst in einer nach Krebsarten differenzierten Betrachtung hat mein Sargtischler dann doch noch Pech gehabt und muß weiter auf meine Bestellung warten.
Daß ich mich schon jetzt wieder so normal fühle und die letzten Nachwirkungen der Chemo fast verschwunden sind, daß ich besser dran bin als die Mehrheit der Fünf-Jahres-Überlebenden, ist ein zweiter Faktor fast schon unverschämten Glücks im Unglück, das eine Krebsdiagnose ist natürlich trotzdem immer ist. Wie lange viele dieser Überlebenden körperlich und/oder seelisch weiter leiden, darauf stoße ich in letzter Zeit immer öfter, und gestern wieder. Diesmal ging es um "Fatigue", chronische Erschöpfung mit Krankheitswert, also von solcher Intensität, daß sie eine normale Lebensführung beeinträchtigt. Daß chonische Erschöpfung auch viele Jahre nach erfolgreich abgeschlossener Krebsbehandlung noch für so viele Brustkrebspatientinnen ein Problem ist, war mir neu. Auch zehn Jahre danach betrifft das nämlich immer noch mindestens 20 % aller vom Krebs selbst geheilten Patientinnen. Die Gründe dafür sind noch unklar, eine Studie ergab nun über eine Depressions-Diagnose hinaus, bei der Fatigue ein typisches Begleitsymptom ist, zwei weitere Zielrichtungen für weitere Forschungen:
- hohe Werte entzündlicher Biomarker, hoher Body-Mass-Index, häufig Schmerzen. Die
Fatigue äußert sich dabei primär körperlich.
- hoher Spiegel des Hormons Leptin. Die Fatigue äußert sich primär kognitiv.
Alle drei Gruppen zusammen machen einen Großteil aller Fatigue-Patientinnen aus, allerdings gab es auch eine starke Minderheit, die in keine der drei Guppen paßt.
Ich glaube, ich würde es in allen Gruppen trotzdem als erstes mit Intervallfasten oder Low Carb (oder beidem) probieren, immerhin wirkt das ja nachweislich sowohl leptin- als auch entzündungshemmend, von der BMI-senkenden Wirkung gar nicht erst anzufangen. Und auch psychische Leiden wie Depressionen werden ja neuerdings zuweilen mit ketogener Ernährung behandelt, angeblich auch mit guten Erfolgen, aber weil ich nie depressionsgefährdet war und kaum bei meinen eigenen Interessengebieten bei den Neuigkeiten hinterherkomme, habe ich das nur am Rande mitbekommen, aus den Tweets einiger einschlägiger Therapeuten aus der Keto-Szene, die das jedenfalls behaupten.
Die Erfahrung meiner Liegennachbarin bei der Chemo sei mir natürlich eine Warnung: Daß Fasten bei jedem gleich gut wirkt, ist leider nicht zu erwarten. Aber ich bin mir ziemlich sicher, daß jedenfalls ein Teil der Patientinnen davon profitieren würde, und der ließe sich am einfachsten herausfiltern, indem man alle mal zwei, drei Wochen lang ausprobieren läßt, was geschieht, wenn sie das versuchen, bevor man andere Methoden einsetzt. Immerhin, das kostet das Gesundheitssystem gar nichts und kaputtmachen kann man damit eigentlich auch nichts, jedenfalls, wenn man ein paar wenige Basics vermittelt, die eingehalten werden sollten, darunter vor allem, viel zu trinken.
Ich finde es aber vor allem alarmierend, daß so viele geheilte Brustkrebspatientinnen sich offenbar psychisch nie so richtig von dem Krankheitsschock zu erholen scheinen. Das ist eine Sache, mit der sich die Wissenschaft eigentlich mal gründlicher befassen sollte, denn eigentlich sollte das Ziel einer erfolgreichen Krebsbehandlung ja nicht nur darin bestehen, daß ihre geheilten Patienten weiterleben, sondern sie sollten auch imstande sein, sich über ihre Heilung zu freuen. Wenn so viele das nicht können, sollte man herausfinden, warum das so ist und wie man es verhindern kann.
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Vielleicht sollte die Fasten/Keto-Community von der Anti-Zucker-Community zu lernen versuchen, wie man seine Forderungen wirksamer promotet, zumal es da ja gewisse inhaltliche Überschneidungen gibt, die sogar recht groß sind.
Einer meiner ganz speziellen Freunde, der Professor Hauner, weiß nämlich mal wieder auf Basis von Modellberechnungen Dinge, die sich, da bin ich mir nämlich ganz sicher, als falsch erweisen werden, falls wirklich durchgesetzt wird, was dazu gerade mal wieder als Forderung an die Adresse der Politik durch die Nachrichtenlandschaft rauscht. Konkret geht es um eine Studie, die dem Augenschein nach schlicht dazu gedacht ist, eine Zuckersteuer auch in Deutschland zu promoten, im Ärzteblatt wurden dabei mal wieder Mexiko und UK als große Vorbilder genannt. Wenig überraschend, kam bei dieser Modellberechnung heraus, daß eine Zuckersteuer hunderttausende von Erkrankungen verhindern und damit den Krankenversicherungen Milliarden einsparen würde. Dr. Hauner nun geht die Kalkulation der Studienautoren allerdings noch längst nicht weit genug, er monierte, daß die generell mehr Zucker konsumierenden unter 30jährigen in ihr gar nicht berücksichtigt worden seien, weshalb der Vorteil in Wirklichkeit noch viel größer ausfallen werde, als die Studienautoren angenommen hätten.
Das Problem dabei ist nur, daß UK (Zuckersteuer ab 2018) und Mexiko (ab 2014) zwar Erfolge insofern vorzuweisen hatten, als der Zuckergehalt in Süßgetränken tatsächlich zurückging. Nur auf die Erfolge bei der Adipositas warten wir bis heute in beiden Ländern leider vergeblich, und das haben die Studienautoren irgendwie zu erwähnen vergessen und der offenbar etwas zerstreute Professor Hauner ebenfalls. Deswegen wird es aber trotzdem nicht unwahr.
Das sind so die Momente, in denen ich immer wieder neu vom Glauben auch an den guten Willen der einschlägigen Akteure abfalle, überhaupt etwas für die Gesundheit der Menschen bewirken zu wollen, weil ich es für unmöglich halte, daß diese Fachleute, die sich hier in Szene gesetzt haben, das alle gar nicht mitbekommen haben könnten. Geht es ihnen also wirklich nur um symbolpolitischen Aktionismus und darum, ihre eigene Wichtigkeit unter Beweis zu stellen? Da bleibt wohl der einzige Trost, daß eine Zuckersteuer, falls sie denn durchgesetzt wird, umgekehrt wohl auch keinen größeren gesundheitlichen Schaden anrichten wird, auch wenn sie wie so viele andere sogenannte Präventionsmaßnahmen bloß ein weiteres gesundheitspolitisches Luftschloß sein wird, das im epidemiologischen Wolkenkuckucksheim gebaut wurde.
Sorgen machen kann einem aber der kropfunnötige zusätzliche gesellschaftliche Flurschaden. Die Leute nehmen Maßregelungen in ihren privaten Lebensgewohnheiten ja zunehmend immer ungnädiger auf - erkennbar daran, daß Leute, die einen offensichtlichen Sprung in der Schüssel haben (siehe den Loriot-Verschnitt, aber auch Typen wie Donald Trump oder Sahra Wagenknecht), nicht mehr von einer Mehrheit für von vornherein für unwählbar gehalten werden -, also wäre es wahrscheinlich besser, sie auf Dinge zu beschränken, die wirklich einen Sinn haben. Das ist die eine übersehene Sache, die man aus Corona eigentlich hätte lernen können, bei dem gesundheitspolitische staatliche Eingriffe ja einen echten Sinn hatten, der aber Teilen der Bevölkerung von vornherein mehr oder weniger unvermittelbar geworden war.
Nicht weniger problematisch finde ich einen weiteren Teil der Bevölkerung, und zwar einen mindestens ebenso großen, dem die Eingriffe gar nicht strikt genug sein konnten. Diese Leute reagierten dann nicht weniger wütend und im Lauf der Zeit geradezu verbittert bei jeder Lockerung, da ihnen aus ihrer Sicht damit ein ihnen doch eigentlich zustehender Schutz vor dem Krankwerden entzogen wurde. Das ist meiner Meinung nach ein Ausdruck dessen, das ich - frei nach Konrad Lorenz - in einem früheren Blogbeitrag als "Käfigverblödung" bezeichnet hatte, und auch an der hat die Politik der letzten Jahrzehnte eine gehörige Mitschuld. Je mehr Schutz man solchen Leuten verspricht, desto mehr weiteren Schutz glauben sie unbedingt zu benötigen. Und ihnen gegenüber stehen dann diejenigen, die sich schon halb zu Tode geschützt fühlen und lieber einem Randle McMurphy nachlaufen, als sich von Schwester Ratchett weiter schurigeln lassen zu wollen - was allerdings nicht zwangsläufig für sie irgendetwas besser machen wird, da "McMurphy first" dessen Grundprinzip ist.
Vor einiger Zeit habe ich "Einer flog über das Kuckucksnest" mal wieder angesehen und mir ging durch den Kopf, wie sehr dieser Film und seine Kernaussagen heute aus der Zeit gefallen wirken. Würde man ihn aus der Perspektive von Schwester Ratchett neu verfilmen, träfe man so exakt den heutigen gesundheitspolitischen Zeitgeist, daß ich jedem das Experiment empfehlen möchte, den Film mit diesem Gedanken im Hinterkopf noch einmal neu anzuschauen. Aus gewohnter heutiger Sicht ist nämlich schlichtweg alles an der Message dieses Films falsch, und wenn man sich trotzdem mit McMurphy identifiziert, sollte man sich mal ein paar Gedanken darüber machen, warum man das tut und was das über die heutige Präventionsphilosophie aussagt.
Hallo Perditax ,
AntwortenLöschensuper dass deine Abnahme voranschreitet und Danke auch weiterhin für das Teilen deiner Gedanken.
Habe dir unter dem älteren Blog Artikel wieder geantwortet ( zum Clip und zu den Ärzten).
Wünsche dir morgen ein erfolgreiches Arzt Gespräch.
Alles Liebe
Sandra