Mein Gewicht heute früh am Morgen des vierten von insgesamt vier Fastentagen: 95 Kilogramm. Das ist so lala. Gestern war ich richtig enttäuscht, weil ich mit 96,2 Kilogramm über 96 geblieben war, und so bin ich mit 95 sogar wieder ein kleines bißchen besser gestimmt, denn ab dem dritten Fastentag kann die Abnahme auch deutlich unter einem Kilogramm liegen, und das immerhin ist von gestern auf heute nicht passiert. Die gestrige Enttäuschung war übrigens noch gar nichts gegen die am Montag, als ich am allerletzten Tag nach drei ununterbrochenen Uhu-Wochen mit 100,1 doch wieder über 100 Kilogramm gelangte. Nur knapp, aber dennoch hat es mich wahnsinnig geärgert.
Ist sie das etwa schon, meine berüchtigte Herbst-Zunahme? Eigentlich hatte ich darauf gehofft, daß mir die erst nach dem aktuellen langen Fastenintervall zustößt, wenn ich mich schon in sicherem Abstand von der 100 befinde. :-(
Ich habe mal nachgesehen: 2017 und 2018 passierte es erst Mitte Oktober, aber letztes Jahr tatsächlich gleich Anfang des Monats ... am Montag, 7.10.2019, also genau heute vor einem Jahr, hatte ich ohne Vorwarnung auf einmal 1,8 Kilogramm mehr als am Dienstag davor und stand bei 106,2. Und dann geschah dasselbe in etwas abgeschwächter Form zu meinem Verdruß noch ein zweites Mal Mitte bis Ende November mit einem Gewichtsmaximum von 105,7. Das war dann der Auslöser dafür, mit mehrtägigen Fastenintervallen zu experimentieren, die im Sommer dann in mein neues Fastenmodell mündeten (und bis dahin mit zwei- und dreitägigen Intervallen leider weitaus weniger Wirkung gezeigt hatten, als ich mir von ihnen versprochen hatte).
Aber diesmal nicht mit mir. Auch wenn ich mir angesichts der unerwartet hohen Startnummer am Montag und der vergleichsweise schleppenden Abnahme noch nicht einmal völlig sicher bin, ob ich diese Woche die 94 Kilo oder wenigstens mein Tiefstgewicht vom letzten langen Fastenintervall (94,3 Kilogramm) unterbieten kann, diesen Mist zumindest habe ich hoffentlich wirkungsvoll ausgebremst. Die weitere Entwicklung in den nächsten drei Wochen zwischen den langen Fastenintervallen werde ich mit Argusaugen beobachten und, falls es mir erforderlich scheint, ein zweites langes Fastenintervall im November einschieben. Da ich entschieden habe, anläßlich eines mehrtägigen Aufenthalts bei meiner Mutter (der eigentlich schon im Frühjahr geplant war, aber dann kam bekanntlich Corona) eine Woche mit dem Fasten auszusetzen, muß ich damit rechnen, daß es tatsächlich nötig werden könnte. Ich werde den Hin- und den Rückweg dieses Besuchs wieder mit Wanderungen verknüpfen, sofern das Wetter mitspielt, und hoffe mal, daß ich außer dem Genuß der herbstlichen Landschaft durch die ungewohnt reichliche Bewegung auch meine Bärengene in Schach halten kann.
Die Rolle von Bewegung beim Abnehmen hat mich dieses Jahr schon ab und zu ein bißchen gedanklich beschäftigt. Daß ich mit dem EMS-Training aufgehört habe, hatte überhaupt keine meßbare Wirkung auf meine Gewichtsentwicklung. Nach dem Lockdown mit der sechswöchigen Pause hatte ich ja noch vier Trainings und habe deren Wirkung nach der langen Pause beobachtet, weil meine Zunahme zu Ostern ja theoretisch daran hätte liegen können, daß mir seit Ende März das Training fehlte. Aber die vorübergehende Wiederaufnahme des Trainings führte nicht zu einer befriedigenderen Abnahme, sehr wohl aber dann kurz danach der neu konzipierte Fastenrhythmus.
Abnehmen mit Sport ist sicherlich möglich, aber wie bei Diäten funktioniert das meistens nicht dauerhaft. Die Kombination von Sport plus Diät hat, glaube ich, zu den meisten erfolgreichen besonders hohen Abnahmen geführt. Das sind dann die Leute, die Medienschlagzeilen machen: 50, 60 oder gar 70 Kilogramm in nur einem Jahr! Was diesen Leuten danach passierte, erfährt man viel seltener.
Nur mit Sport alleine kann man aber auch einiges erreichen, jedenfalls im üblichen Vor-Jojo-Zeitraum. Vor einigen Jahren, beginnend im Jahre 2015, hypte der Spiegel einen Mann namens Micha Klotzbier, der Anfang 2015 mit einem Gewicht von 160 Kilogramm begonnen hatte und sich vorgenommen hatte, einen Marathon zu laufen und dafür abzunehmen, und wie ich liebäugelte er mit einer Halbierung seines Gewichts, also in seinem Fall auf ca. 80 Kilo. Dabei fokussierte er sich auf Sport, Diät im eigentlichen Sinne hielt er aber nicht, obwohl er sich schon auch bemühte, sich halbwegs "vernünftig" zu ernähren, also auf Süßes zu verzichten und all diesen üblichen Kram, den einem die Fachleute in solchen Fällen erzählen. Ganz konsequent war er dabei von Anfang an wohl nicht, aber bis Anfang September 2015 lief seine Abnahme reibungslos. Bis dahin hatte er in acht Monaten immerhin 50 Kilogramm abgenommen und wog nun 110.
Danach wurde es allerdings, und zwar ziemlich schlagartig, zäh, und er dümpelte plusminus ein bis zwei Kilogramm den ganzen Winter lang um diesen Wert von 110 Kilo herum, bis er in der Fastenzeit 2016 vorübergehend auf vegane Ernährung umstellte und nun doch wieder abnahm, allerdings vergleichsweise wenig. Im Juni 2016 hatte er sein später nie wieder erreichtes Niedrigstgewicht von 104,5 Kilogramm erreicht. Als er im September 2016 den ersehnten Marathon erfolgreich absolvierte, lag er schon wieder bei 110 Kilogramm, und von da an ging es kontinuierlich nur noch nach oben. Im Mai 2017 waren es 113 Kilogramm, im November 115, im Januar 2018 119. Alle erneuten Versuche, sein Ziel eines Gewichts unter 100 zu erreichen scheiterten, und es gelang ihm auch nicht, wenigstens sein Gewicht von 2018 zu halten. Anfang 2019 waren es schon wieder 135 Kilogramm, und auch ein erneuter auf einer neuen Website dokumentierter Versuch, sich von dort aus wieder herunterzukämpfen, blieb so erfolglos, daß er nach wenigen Wochen sang- und klanglos aufgegeben wurde.
Ich habe diese Sache verfolgt, seit der Spiegel 2015 regelmäßige Berichte über Michas Vorhaben publizierte, und ich werfe heute noch ab und zu einen Blick in seinen Facebook-Account, allerdings erfahre ich dort weniges, das aufschlußreich wäre, was die weitere Entwicklung bei ihm betrifft. Bedauerlicherweise sieht es so aus, als hätte er aufgegeben. Der Spiegel hatte ihn nach einem letzten Bericht im August 2017 fallen gelassen, nachdem klar geworden war, daß von dem "Ex-160-Kilo-Mann", wie er mit penentranter Regelmäßigkeit genannt wurde, keine Sensationsberichte mehr zu erwarten waren. Anfang 2019 wurden dann aber doch noch zwei weitere Artikel von Klotzbier veröffentlicht, aber die Leser reagierten im Kommentarbereich teils mit offener Feindseligkeit auf sein "Versagen", und so wurde das rasch wieder beendet. Zur "Akzeptanz für Dicke" aufzurufen, wie er das versuchte, war wohl aus Sicht des Magazins nicht das richtige Thema, um Leser zu fesseln. Niemand mag sich mit Losern identifizieren. Und wer mit seinem Abnahmeziel gescheitert ist, gilt als Loser.
Ein Denksanstoß aus einer ganz anderen Richtung dazu: Wäre er Teilnehmer an einer wissenschaftlichen Studie gewesen und es wären - wie bei vielen Studien üblich - nur sein Ausgangs- und sein (vorläufiges) Endgewicht genannt worden, dann hätte sein Ergebnis nach vier Jahren als Erfolg gegolten. 135 Kilogramm sind ja nach wie vor 25 Kilogramm weniger als die ursprünglichen 160. Aber weder der Spiegel noch dessen Leser noch Klotzbier selbst haben das so empfunden, und das mit Recht, denn betrachtete man anstelle des Gesamtzeitraums nur die letzten drei Jahre, hatte er 30 Kilogramm zugenommen (und niemand konnte voraussagen, ob und wie weit sich diese Zunahme noch weiter fortsetzen würde).
Deshalb machen mich Studien über Gewichtsabnahmen immer so mißtrauisch, wenn sie keinen Gewichtsverlauf abbilden, und ich betrachte es als vorsätzliche Täuschung, wenn behauptet wird, das Endgewicht sei ein Erfolg, nur weil es niedriger liegt als das Ausgangsgewicht, sofern dieses Gewicht höher liegt als das Gewicht zu einem früheren Zeitpunkt während der Studie. Denn auch in diesem Fall ist zu vermuten, daß sich die ungünstige Entwicklung weiter fortsetzen wird.
Ich muß gestehen, ich hatte von Beginn an kein gutes Gefühl bei dieser Artikelserie. Diese klischeehafte Triumph-des-Willens-Story, auf die der Spiegel-Bericht hinauslief, konnte meiner Meinung nach kein gutes Ende nehmen. Eine Wiederzunahme ist immerhin der typische Verlauf beim Abnehmen, und wie sollte das ins Konzept der Story passen? Wirklich enttäuschend wurde die Sache dann in der Tat, als Micha Klotzbier wieder zunahm und beim Spiegel niemand daran interessiert war, herauszufinden, warum das geschah, nachdem doch so lange Zeit alles wunderbar funktioniert hatte.
Verdammt nochmal, genau dies wäre doch die Chance gewesen, ein gesellschaftlich überaus relevantes gesundheitliches Problem am Beispiel eines Einzelfalls so gründlich kritisch unter die Lupe zu nehmen, daß man vielleicht gemerkt hätte: Diese Einzelfälle sind, näher betrachtet, gar keine Einzelfälle, sondern der Regelfall, weil fast jeder, der sich um Gewichtabnahme bemüht, genau dasselbe wie Micha Klotzbier erlebt. Und das wiederum bedeutet, der Fehler liegt nicht - wie viele uns das glauben machen wollen - in der jeweiligen Einzelperson, sondern steckt im System, also den angewandten Methoden. Ich finde das immer ganz schrecklich, wenn sich solche Leute bereitwillig den Schuh mit dem "Selbst schuld" anziehen, und ich habe mich auch beim Lesen von Micha Klotzbiers beiden letzten Spiegel-Berichten förmlich gekrümmt. Ich glaube nicht, daß er im Sinne von "selber schuld" irgendetwas falsch gemacht hat. Es ist außerdem eine geradezu beschämende Fehlleistung, wenn ein nach eigenem Selbstverständnis investigatives und kritisches Magazin sich nicht einmal fragt, warum es zu dem Scheitern ihres hochgejubelten Helden gekommen ist, sondern es anscheinend als gegeben voraussetzt, daß es ihm an der nötigen Willenskraft gefehlt habe.
Micha Klotzbier war bis Ende 2018 mein "heimlicher Sparringspartner" beim Abnehmen. Ich hatte mir nämlich seine Gewichtsentwicklung notiert - das muß Ende 2017 gewesen sein - und verglichen, zu welchem Zeitpunkt ich seine Abnahme selbst auch erreicht hatte, und diese Tabelle nach und nach mit immer mehr Zahlen füllen können. Anfangs war er mir sehr weit voraus, aber ich rückte ihm immer näher. Als er 2019 seine enorme Zunahme öffentlich machte, war ich auch meinetwegen ein bißchen geknickt, denn nun hatte ich auf einmal niemanden mehr, den ich überflügeln können wollte. Noch aber fehlt mir ein allerletzter Wert, den er mir im Juni 2016, wenn auch nur für kurze Zeit, voraushatte: eine Abnahme von 55,5 Kilogramm (auch wenn ich das zugehörige Gewicht, 104,5 Kilogramm, schon lange unterschritten habe).
Auch wenn das den Spiegel so demonstrativ überhaupt nicht interessiert: Die Sache mit dem Zu- und Abnehmen funktioniert nach Regeln, die bislang niemand so richtig durchschaut, auch Dr. Fung nicht, obwohl er mit dem Insulin einen besonders wichtigen Wirkungsmechanismus erkannt hat, mit dessen Hilfe man - nehme ich an - Gewichtsabnahmen unter 15 bis 20 Kilogramm ziemlich einfach bewerkstelligen können sollte. Bei schwereren Brocken wie mir, die mehr als 70 Kilogramm verlieren möchten, reicht das alleine aber nicht aus.
Ich bin der Meinung, daß die Lösung für jede einzelne betroffene Person individuell erarbeitet werden muß, weil es sich nicht um eine einzelne, sondern immer um ein Bündel mehrerer Ursachen handelt, das sich aber bei jedem irgendwie anders zusammensetzt.
- Die genetische Komponente: Ist nicht veränderbar, muß aber als Basis mit in Betracht gezogen werden. Zu denken gab mir dabei anfangs vor allem diese Genvariante, die die Kohlenhydratverstoffwechselung verbessert und die wohl nur ca. die Hälfte der Bevölkerung aufweist. (Ich finde den zugehörigen Bericht leider gerade nicht, deshalb kein Link.) Es liegt auf der Hand, daß dieser Unterschied auch einen Einfluß auf Gewichtszunahme haben muß, aber andererseits ist es noch keine Garantie für jemanden mit dieser Variante, NICHT zuzunehmen. Es bedeutet dann aber auch weniger Wirkung von kohleydratbasierten Ansätzen zur Gewichtsreduktion. Es gibt aber noch unzählige weitere ernährungsrelevante Genvarianten, von denen vermutlich bislang nur ein Bruchteil entdeckt worden ist.
- Die hormonelle Komponente: Der Insulinwert ist der wichtigste und auch am einfachsten zu beeinflussen, nämlich am stärksten durch Intervallfasten und Low Carb, in etwas geringerem Maße durch Zuckerverzicht oder den Verzicht auf Zwischenmahlzeiten und noch geringfügiger durch gezielte höhere Verwendung von Essig oder Grünem Tee. Aber, ganz wichtig: Die Vermutung, daß es NUR auf das Insulin ankommt, um beliebig lange beliebig viel abzunehmen, scheint nicht zu stimmen. Der Körper strebt offenbar immer eine Angleichung des Energieverbrauchs an die Energiezufuhr an, das kann auch beim Intervallfasten dazu führen, daß die Abnahme nach einiger Zeit stagniert oder manchmal sogar wieder ins Gegenteil umschlägt. Und: Weniger kann manchmal sogar mehr sein.
- Die energetische Komponente: Ich halte sie - also die Kalorien - in meinem eigenen Fall für irrelevant, aber ich will nicht ausschließen, daß das nicht auf jeden anderen ebenso zutreffen muß. Wobei ich die Ernährung hier aber generell für zweitrangig halte (die Probleme, die das Essen bereitet, gehören vermutlich fast immer in den hormonellen Bereich), aber Veränderungen in den Lebensgewohnheiten, die mit weniger Bewegung verbunden sind (etwas Eintritt in den Ruhestand und das Wegfallen des Wegs zur Arbeit), könnten tatsächlich zu einer Gewichtszunahme führen, genauso wie mehr Bewegung zur Abnahme führt. Wichtig dabei ist, zu bedenken, daß der Körper seinen Energieverbrauch nach einiger Zeit anpaßt, wenn man sich gezielt und regelmäßig mehr Bewegung verschafft, also die Wirkung von Sport - wie bei Micha Klotzbier - anfangs sensationell sein kann, aber dann immer stärker nachläßt und spätestens dann, wenn sie aus irgendeinem Grund wegfällt, zu extrem schneller Gewichtszunahme führen kann, bis der Körper sein selbstempfundenes Sollgewicht wieder erreicht hat. So ähnlich ging es auch meiner (nicht übergewichtigen) Schwester, als sie als Briefträgerin zu arbeiten begann: ein halbes Jahr Abnahme (mehr als 10 Kilogramm), anschließend eine schleichende Wiederzunahme bis auf ihr Ausgangsgewicht.
Was ich bei mir selbst ganz spannend fand, ist, daß meine Abnahme sich seit Juni wieder beschleunigt hat, obwohl ich nun unter dem Strich weniger Fastentage zu verbuchen habe als im ersten Halbjahr. Es ist wohl wirklich so, daß man seinem Stoffwechsel vor allem keine Chance geben darf, sich auf einen bestimmten immer wiederkehrenden Rhythmus einzustellen, sondern, was auch immer man tut, um abzunehmen, dies irgendwie variieren sollte, wenn die Abnahme anfängt, sich zu verlangsamen.
Weil ich, seit ich das EMS-Training aufgegeben habe, nun wirklich nur noch "Alltagsbewegung" habe und mir dabei dieses Jahr sogar meine ausgedehnten Flohmarkt-Bummel größtenteils fehlten, fallen ja vielleicht zwei mehrstündige Wanderungen gerade deshalb, weil sie Ausnahmen sind, doch ein bißchen stärker ins Gewicht. Ich bin ja bescheiden - es reicht mir vollauf, wenn ich nach dem Besuch bei meiner Mutter das gleiche Gewicht haben werde, das ich vorher gehabt hatte.
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