Mein Gewicht heute morgen nach drei aufeinanderfolgenden Fastentagen und zu Beginn des vierten: 95,4 Kilogramm. Ich hoffe, morgen früh kann ich ein neues All-time-Low melden, aber völlig sicher bin ich mir da noch nicht. Das alte All-time-Low lag bei 94,8, also 600 Gramm niedriger als mein heutiges Gewicht, und am vierten von vier aufeinanderfolgenden Fastentagen kann die Abnahme auch mal bei nur 600 Gramm liegen. Gehabt habe ich bei meinen drei früheren langen Fastenintervallen an Tag 4 aber auch schon mehr als ein Kilo minus.
Wenn ich Pech habe, gibt das also eine Punktlandung auf die alte Bestmarke, statt eine neue zu setzen. Wäre das nicht mal wieder typisch? Aber das eigentlich Wichtige ist es natürlich, daß das Gewicht nicht wieder auf über 100 zurückbounct. In diesem Punkt bin ich langsam wirklich einigermaßen zermürbt. Wie tief das Gewicht insgesamt runtergeht, ist ja vor allem eine Wasserfrage, und ich könnte mir vorstellen, daß eine einzige normale Fasten-Woche mit zwei Fastentagen zwischen zwei viertägigen Fastenintervallen einfach nicht ausreichend war, um meinen Wasserhaushalt vollständig zu regenerieren. Wenn von vornherein weniger Wasser da ist, verliert man natürlich auch weniger davon.
Mit den viertägigen Fastenintervallen werde ich in den nächsten Monaten noch weitere Erfahrungen sammeln können. Die drei vollständig durchgezogenen seit Juni hatten teils in etwa denselben Verlauf, teils gab es aber auch Unterschiede. Gemeinsam hatten sie aber, daß ich eine deutliche Wirkung bemerke, die stärker ist als bei meinen vorherigen Experimenten mit zwei- oder dreitägigen Fastenintervallen, auch dann, wenn dabei unter dem Strich mehr Fastentage als jetzt herauskamen. Aber an welchem Körperteil sich die Unterschiede vor allem bemerkbar machen, bleibt doch jedes Mal von Neuem eine Überraschung. Angenehm finde ich es, daß der sichtbare und spürbare Schrumpfungsprozeß sich diesmal vor allem auf den Bauch zu konzentrieren scheint, genau den Körperteil, an dem ich mir wirklich noch eine deutliche Veränderung wünsche.
Daß ich mich über meine körperliche Veränderung freue, ist wohl ein KO-Kriterium, um in gewissen Kreisen gut gelitten zu sein, mit denen ich mich eigentlich - bis zu einem gewissen Punkt - identifizieren kann. Es gibt ja neben den omnipräsenten Kalorienlogikern, mit denen ich nicht einverstanden bin, auch noch die Body-Positivity -Bewegung, mit der ich ebenfalls nicht einverstanden bin. Andererseits praktizieren die genau das, was ich zwanzig Jahre lang auch gemacht habe, und den Grundgedanken, daß es sinnlos ist, sich selbst für seine Figur zu verabscheuen, wenn man diese Figur offenbar bei aller Anstrengung nicht so weit verändern kann, daß man sich dem Mainstream zugehörig fühlen kann, finde ich im Prinzip immer noch vernünftig.
Die selbstgefällige Arroganz, die hinter der öfter gehörten Warnung von Gesundheitsbeflissenen, durch Body Positivity würden "falsche Rollenmodelle" verbreitet, erinnert mich ein bißchen an die unangenehmeren Spielarten des Pietismus, in denen jeder sich alleine dadurch schon verdächtig machte, daß er ein Leben führte, in dem er sich wohlzufühlen schien und nicht ständig in Zerknirschung Schuldbekenntnisse ablieferte. Glaubt etwa wirklich irgendwer ernsthaft, Body Positivity werde dazu führen, daß junge Mädchen absichtlich dick werden, weil ihnen das aufgrund solcher Einflüsse besser gefällt als eine normalgewichtige Figur? Obwohl den wenigen Vertretern dieses Konzepts wahre Heerscharen von dünnen bis untergewichtigen Models gegenüberstehen, deren Gewichtsklasse der größte Teil der Mode praktisch auf den Leib geschneidert ist? Von der lautstarken Abnehm-Lobby gar nicht erst anzufangen, deren destruktive Botschaften kaum so leicht abzuschütteln sind, wie sich das die Vertreter von Body Positivity wohl wünschen - sogar ich kann nicht verhindern, daß so etwas in meinem Hirn ab und zu bei Mißerfolgserlebnissen aufpoppt.
Body Positivity ist eine Krücke, die dabei helfen soll, sich mit dem auszusöhnen, was man nun einmal ist und glaubt, nicht ändern zu können, womit von vornherein gesagt ist, daß deren Vertreter auch Zeiten gekannt haben, in denen sie mit ihrem Körper auf Kriegsfuß standen. Es erscheint mir hochgradig irritierend, wenn die "Pietisten" kritisieren, daß dieser Krieg nicht bis zum Sieg, was in Sachen Körpergewicht leider bedeutet, ad infinitum weitergeführt wird (weil dieser Krieg mit den propagierten Mitteln von vornherein nicht zu gewinnen ist). Ich bin aber auch skeptisch, wenn gar zu laut behauptet wird, daß dieser Krieg mit einem aufrichtig gemeinten Friedensvertrag geendet hat. Warum? Weil darüber zu häufig zu viele Worte verschwendet werden. Wenn man seinen Frieden mit sich geschlossen hat, erkennt man das daran, daß die Sache plötzlich nicht mehr großartig erwähnenswert scheint.
Wie ich auf dieses Thema gekommen bin:
Die FAZ brachte gestern einen Bericht über die Entscheidung von H+M, seine Plus-Size-Kollektion nur noch im Onlineshop anzubieten, und interviewte darin auch eine Plus-Size-Bloggerin zu diesem Thema, die fand, dicke Frauen würden dadurch diskriminiert. Ein paar Sätze weiter sagte sie dann aber selbst, daß sie so gut wie alles online einkaufe. Im Prinzip verständlich, das mache ich ebenfalls, aber andererseits würde ich in diesem Fall doch etwas mehr Verständnis für die Händler erwarten, die sich aus der Logik gewinnerzielender Unternehmen heraus natürlich dem real erlebten Kaufverhalten anpassen. Nach Kremers Meinung müsste es umgekehrt laufen, und so ganz leuchtet mir nicht ein, warum. Auch das hier hat mich nicht ganz überzeugt:
Als dicker Mensch wächst man damit auf, dass nicht alles passt, dass man oft benachteiligt und diskriminiert wird, dass man einen blöden Spruch bekommt, das kennt man nicht anders.
Ich habe mal flüchtig durch Julia Kremers Blog geklickt, unter anderem weil mich ihre Kleidergröße interessiert hat. Zugegeben, dabei kam mich mir ein bißchen blöd vor. Was geht mich denn die Kleidergröße anderer Leute an? Aber um einschätzen zu können, ob ich den ersten Halbsatz des zitierten Satzes für richtig oder für falsch halte, spielt es halt doch eine Rolle. Die zweite Hälfte kann ich schon eher mitunterschreiben ... wobei das aber meinem Empfinden nach mit zunehmendem Alter ganz erheblich nachgelassen hat, obwohl ich gleichzeitig immer fetter geworden bin, also trotz der zunehmenden Umfänge anderer Gleichaltriger immer ungefähr gleich stark aus dem Rahmen gefallen bin. Wahrscheinlich hat es nicht nur mit dem, was andere Leute sagen oder tun, zu tun, sondern auch damit, daß man so etwas umso tragischer nimmt, je näher man noch an den Teenagerjahren dran ist, und dabei manchmal auch Flöhe husten hört.
Meine Güte, mit 16 trug ich Kleidergröße 40 und litt gräßlich unter jedem möglicherweise auch ganz falsch interpretierten spöttischen Blick. Aus der Zeit in den letzten zehn Jahren, in denen meine schlimmste Zunahmephase mitenthalten ist, fallen mir spontan gerade mal zwei Gelegenheiten ein, bei denen mir irgendwer etwas ins Gesicht gesagt hat, was mir unangenehm aufstieß. Das einzige, was mich in dieser Zeit wirklich geärgert hat, waren blöde Medienberichte und natürlich auch dumme Forumskommentare von irgendwelchen Besserwissern, die aber keine Ahnung hatten, daß das, was sie geschrieben hatten, auf mich zutreffend war. Aber wenn ich das in Verhältnis setze zu gleich dummen Forumskommentaren von Besserwissern zu anderen Themen, über die ich mich genauso ärgerte, ist mir klar, daß der Ärger ein übergreifender ist, der viel mehr mit dem Eindruck, von lauter selbstgefälligen Vollidioten umgeben zu sein, als mit Vorurteilen gegenüber Übergewichtigen zu tun hat. Das ist eher ein Problem mit dem Medium "Online-Diskussionsforum"; auch wenn man dort wirklich nette und kluge Leute treffen kann, überwiegen doch die gehirnerweichenden Beiträger bei weitem. In letzter Konsequenz hat das dazu geführt, daß ich Forumsdiskussionen vor einigen Jahren ganz aufgegeben habe. Bei Abnehmen.com habe ich meinen Account erst nach einigem Zögern erstellt und war schon zwei- oder dreimal kurz davor, ihn wieder zu löschen. Aber obwohl ich dort mittlerweile ziemlich still geworden bin, ist es dazu bislang nicht gekommen.
Julia Kremer, auch das fiel mir auf, erwähnt ziemlich häufig, daß sie unter ihrem Übergewicht früher sehr gelitten hat. Mit ihrem Blog hat sie also vor allem den Spieß herumgedreht, und das sei ihr, was mich betrifft, gegönnt, denn ich bin da ganz unpietistisch. Aber irgendwie wirkt die gar zu häufige Erwähnung, wie selbstbewußt sie jetzt sei und wie sehr ihr dieses Selbstbewußtsein früher gefehlt habe, doch ein bißchen wie Pfeifen im finsteren Wald. Ich fände es um einiges überzeugender, wenn das nur sporadisch und dann ganz beiläufig erwähnt würde.
Was die Frage der Paßform von Kleidung betrifft, muß ich dem Zitat aber in jedem Fall widersprechen. Erstens ist es kein Privileg von Kleidergröße 46 aufwärts (Julia Kremers Definition von Plus Size, also gehöre ich mittlerweile nicht mehr dazu, sie mit aktuell Größe 48 hingegen schon), daß manche Kleidungsstücke, die einem gefallen würden, an einem einfach nicht so aussehen, wie man sich das wünschen würde. Und obwohl mir ab Kleidergröße 52 eigentlich fast gar nichts mehr an mir richtig gefallen hat, bin ich doch nicht blind dafür, daß unabhängig vom Gewicht und der Figur vor allem nicht jedem alles steht, was gerade als der letzte Schrei gilt - man mache die Probe aufs Exempel, indem man sich in ein Straßencafé setzt, von dem aus man die Leute beim Flanieren beobachten kann; mir fallen da so gut wie immer nach der neuesten Mode gekleidete Mädels auf, bei denen ich denke: Das Teil, das die anhat, steht ihr aber überhaupt nicht.
Das geht mir aber auch bei schlanken Frauen so; ich finde zum Beispiel, wer an der Grenze zum Untergewicht ist, tut sich selbst gar keinen Gefallen mit dem Tragen hautenger Jeans, das sieht manchmal sogar bei eigentlich hübschen jungen Mädchen richtig abstoßend aus. Von Damen in reiferen Jahren gar nicht anzufangen. Bei denen sieht oft aber auch schon ein bemüht jugendliches Outfit ein bißchen peinlich aus, nämlich immer dann, wenn es Bestandteil eines dem Augenschein nach ernstgemeinten Versuchs ist, wie eine Sechzehnjährige auszusehen, etwa wenn sie sich zusätzlich auch noch benehmen wie ein kichernder Teenager. Man muß ja nicht gleich zur Kittelschürzenträgerin werden, aber mit etwas mehr Würde zu altern, darauf lege ich für mich eigentlich schon Wert. Ich finde es übrigens auch immer ein wenig skurril, wenn Leute meines Alters allen Ernstes zu glauben scheinen - und ja, das erlebe ich ziemlich regelmäßig -, daß Zwanzigjährige sie als Teil ihrer eigenen Generation betrachten. Das tun Zwanzigjährige nämlich keineswegs. Sogar mein Sohn hat mit Mitte 30 bereits bemerkt, daß er nicht mehr zu der "Jugend von heute" gehört.
Aber außerdem kann ich auch nicht finden, daß man mit Übergröße zu wenig Auswahl beim Shoppen hat. Kleidung in großen Größen gibt es inzwischen ja in jeder Preislage und für jeden Anspruch, von Primark und Kik über C&A oder Kaufhof, sämtliche Anbieter von "Made in Italy" und Vergleichbarem, bis hin zu schicken Boutiquen, in der Regel speziell für große Größen.
Auch wenn Julia Kremer darüber vielleicht die Nase rümpfen würde, gerade im Billig-Bereich hat sich am meisten geändert, und mich hat eigentlich schon lange gewundert, warum das nicht schon viel früher geschehen ist. Übergewicht ist ja bei niedrigem Einkommen und Sozialstatus häufiger. Über die Gründe dafür will ich jetzt keine langen Abhandlungen schreiben, aber wenn Handelsketten Milliarden damit gescheffelt haben, speziell dieser Zielgruppe günstige Lebensmittel zu verkaufen, erstaunt es doch ein wenig, daß die Kleidung unter den dort angebotenen Aktionsartikeln so lange unweigerlich nur bis Größe 44 ging.
Aber seit ein paar Jahren finden sich regelmäßig auch große Größen in den Prospekten, und das scheint ein solcher Verkaufsschlager zu sein, daß ich neuerdings das Gefühl habe, das ist nahe dran, die Normalgrößen von der Menge her zu übersteigen. Aber wahrscheinlich bilde ich mir das nur ein. Es ist ja eigentlich immer so, daß man immer das Gefühl hat, die coolen Sachen gibt es in allen möglichen Größen außer derjenigen, die man gerade trägt. Und ich bin jetzt halt doch mittlerweile aus den Kleidergrößen ab 46 nach unten herausgerutscht. Und ja: Manche von den Sachen im Lidl- oder Aldi-Prospekt finde ich cool. Ich habe meinen Geschmack (und mein Selbstwertgefühl) noch nie am Preis der Kleidung, die ich trage, festgemacht.
Mit Größe 44 - die ich nicht nur jetzt trage, sondern auch vor dreißig Jahren trug - ging es gerade noch, aber mit Größe 52 hatte man um 1990 herum eine weit geringere Auswahl als jetzt. Und außerdem verlangten die Versandhäuser auch höhere Preise für größere Größen, was mich schon mit Größe 40 tierisch geärgert hat. Ich erinnere mich noch an den ersten Bon-Prix-Katalog Anfang der Neunziger, an dem das besonders Interessante war, daß dort alle Größen gleich viel kosteten. Es ist sicherlich kein Zufall, daß dieser Versandhändler sich nicht nur seitdem auf dem Markt gehalten hat, sondern vermutlich einen großen Teil seines Umsatzes mit Übergrößen macht.
Daß es mit zunehmendem Gewicht immer schwieriger wird, Kleidungsstücke zu finden, in denen man sich selbst hübsch findet, ist meiner Meinung nach nicht die Schuld der Modeketten, sondern hat etwas damit zu tun, daß man mit Kleidergröße 52 in einem Modell, das an Kleidergröße 38 toll aussieht, den eigenen Anblick meistens als enttäuschend empfindet. Ich spreche da auch aus Erfahrung! Nun könnte man argumentieren, daß solche Enttäuschungen einem erspart werden könnten, indem die Modelabels von vornherein Models in Größe 52 für ihre Werbung engagieren. Ich kann allerdings verstehen, daß sie den Teufel tun werden, denn die wissen natürlich, daß dieser Anblick für die potentiellen Käuferinnen so ernüchternd wäre, daß er höchstwahrscheinlich zu weniger Verkäufen führen würde. Es ist ja auch kein Zufall, daß die Plus-Size-Modelle selten mehr als Kleidergröße 44 aufweisen.
Wer Klamotten kaufen will, die er schon an jemandem mit der eigenen Kleidergröße gesehen hat, hat die besten Chancen noch bei eBay, wo manche Leute Fotos von sich selbst in dem angebotenen Kleidungsstück beifügen.
Das Konzept der "Body Positivity" sehe ich eher kritisch, wenn es um eine Figur geht, wie ich sie 2017 hatte. Bis ca. Kleidergröße 46 oder 48 hat ein vergleichbares gedankliches Konzept für mich in der Tat auch gut funktioniert. Ich war (und bin) der Meinung, es sei sinnlos, gegen mein Körpergewicht anzukämpfen, wenn dafür eine freud- und lustlose permanente Selbstkasteiung erforderlich wäre, also war ich bereit, mich so zu akzeptieren, wie ich eben war. Aber - alle Gesundheitserwägungen einmal ausgeklammert, die als Drohkulisse so gerne auch noch vollständig gesunden Übergewichtigen vor den Latz geknallt werden - Voraussetzung dafür war dennoch, daß mich meine Figur nicht im Alltag behinderte. Ich möchte ausdrücklich nicht, daß irgendwer mir einzureden versucht, eine Figur, mit der ich nicht mehr in der Lage bin, mir auf dem Klo den Hintern abzuwischen (und an diesen Punkt war ich zeitweise gelangt!), sei etwas, womit ich mich superwohl fühlen könnte, wenn ich nur über genügend Selbstbewußtsein verfügte. Ich lege Wert darauf, meine Zehennägel nicht im Blindflug schneiden zu müssen, weil ich meine Zehen nicht mehr sehen kann, oder nicht so tun zu müssen, als hätte ich einen aufgegangenen Schnürsenkel auf der Straße nicht bemerkt, weil ich nicht in der Lage bin, mich vollständig hinunterzubücken. Gar nicht davon zu reden - und diesen Zugewinn an Lebensqualität hatte ich noch nicht einmal auf der Rechnung gehabt -, daß ich nie wieder unfähig sein will, mich am Rücken zu kratzen.
Ich will auf gar keinen Fall, daß das irgendwie hämisch klingt, denn so ist das nicht gemeint: In einem Post erwähnte Julia Kremer, daß sie seit ihrem Beginn als Bloggerin zehn Kilogramm zugenommen hätte, und das läßt ahnen, daß der Prozeß der Gewichtszunahme bei ihr nicht von alleine enden, sondern weiter anhalten wird. Das wiederum bedeutet, daß sie eines Tages wohl auch an den Punkt kommen wird, an dem ich - nach einigen inneren Kämpfen - entschied, daß ich mich in diesem veränderten Körper gar nicht wohlfüllen wollte. Diesen Moment stelle ich mir bei jemandem wie ihr besonders schwierig vor, denn schließlich hat sie sich selbst mit dem gleichen Konzept zur Marke gemacht. Wahrscheinlich werden ihre Follower ihr eine solche Meinungsänderung ähnlich übelnehmen, wie das Veganern, die bloggen, passieren kann, die nach ein paar Jahren merken, daß ihre Ernährung ihnen gesundheitlich nicht wirklich guttut, und ihre Ernährung deshalb wieder auf Fleisch- oder wenigstens Milchproduktekonsum umstellen.
Genau das wird dann wirkliches Selbstbewußtsein erfordern, wollen wir ihr also wünschen, daß sie wirklich genügend davon aufgebaut hat.
Bis ich über diesen Schatten gesprungen war, das hat auch seine zwei, drei Jahre gedauert. Bei mir war die Hürde damals ausschließlich die zwanzig Jahre alte Entscheidung, daß es unter meiner Würde sei, gegen mein Gewicht anzukämpfen, wenn das einen Dauerkampf ohne zu erwartenden "echten" Erfolg, also das Erreichen des Idealgewichts (wie ich das in meinen Teenagerjahren vergeblich versucht hatte) erforderlich machen würde. Daß ich im Alter zwischen 42 und 52 dann über Jahre hinweg nicht einmal in der Lage war, meinen letzten Wohlfühlbereich im Gewicht wieder zu erreichen, sondern mit jedem neuen Versuch nur noch schneller zunahm, fand ich ganz schön deprimierend, aber es schien auch zu bestätigen, daß mein vorheriges Konzept richtig gewesen war. Nur ändert das halt nichts daran, daß es nicht witzig ist, seine Fußnägel nicht mehr vernünftig schneiden zu können. Von noch peinlicheren Problemen ganz zu schweigen. Das war so unangenehm, daß ich zu meinem alten Konzept nicht mehr zurückkonnte, ohne mich selbst zu belügen, obwohl ich so lange kein neues fand.
Aber als ich dann mit dem Intervallfasten das richtige Mittel gefunden hatte, das wirklich funktionierte, habe ich mich mit dem Wohlfühlgewicht nicht mehr allzu lange aufgehalten. Sobald mir klar war, daß Intervallfasten mir tatsächlich zum Normalgewicht zurückverhelfen kann, wollte ich wenigstens so nahe an diese Marke herankommen, daß ich weiß, wenn ich es wirklich wollte, könnte ich sie ebenfalls überspringen. Daß ich dieses Überspringen aber nicht plane, sondern bewußt unterlassen werde, ist mein Stinkefinger an die Adresse der BMI-Rechenkünstler und, wenn ich es mir recht überlege, doch auch eine Art Hommage an die Body-Positivity-Bewegung, so zwiespältig ich sie auch in Teilbereichen sehe.
Ich wünsche also Julia Kremer, daß sie sich weiter wohlfühlt und auch wirklich Grund dazu hat, aber falls sie anfängt, sich in ihrer Haut unwohl zu fühlen, daß ihr Selbstbewußtsein ausreicht, um sich neu und anders zu entscheiden. Und ich wünsche ihr, daß sie dann auch keine zehn Jahre vergebliche Mühen hinter sich bringen wird, bis auf eine der beiden Methoden stößt, mit denen sie ein selbstgewähltes Abnahmeziel wirklich erreichen kann, nämlich Low Carb oder Intervallfasten. Jeder Mensch braucht seine Umwege, glaube ich, aber man muß im Irrgarten des Lebens ja nicht jeden einzelnen Umweg mitmachen müssen.
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