Montag, 23. Dezember 2019

Fehlgeleitete Ernährungs-Kreuzzüge

Mein Gewicht heute morgen am letzten Fastentag vor den Feiertagen: 103,5 Kilogramm, 200 Gramm weniger als zu Beginn der letzten Fastenwoche. Da ich ab morgen volle sechs Tage am Stück nicht fasten werde, bin ich schon sehr gespannt, mit welchem Ausgangsgewicht ich am 30.12. den nächsten Fastentag beginnen werde. Im Winter war es bislang immer so, daß der Gewichtsanstieg ohne Fastentage nicht nach drei bis vier Tagen aufhörte, wenn mein Wasserhaushalt wieder ausgeglichen war - wie das im Frühjahr und Sommer immer funktioniert hat -, sondern auch danach noch weiter anstieg. Wahrscheinlich wird mir das auch dieses Mal passieren, aber ich würde mich natürlich nicht beschweren, falls es nicht so sein sollte. Die Hoffnung stirbt ja immer zuletzt. 😉

Aber mit einem allzu hohen Anstieg rechne ich auch wieder nicht, da ich in KW 52 und KW 1 nur zwei von fünf Fastentagen feiertagsbedingt ausfallen lasse. In KW 2 beginne ich mit der Umstellung, die Fastentage in meinen zweitägigen Fastenwochen immer am Stück zu machen, und in KW 3 will ich durch zweimal zwei Fastentage statt dreien mein Gewicht wieder auf "Vorweihnachts-Level" bringen. Das sollte eigentlich ausreichen, um die Wirkung der zwei ausgefallenen Fastentage zwischen den Jahren mindestens zu kompensieren.

Neues Jahr, neues Glück! 2020 möchte ich gerne, daß meine Abnahme wieder etwas zügiger vorangeht als 2019, und zum Jahreswechsel 2020/21 will ich schon stabil unter 90 Kilo sein. Falls im Frühjahr nicht von alleine der nötige Schwung in die Sache kommen sollte, werde ich wohl gelegentlich zweimal zwei Fastentage einsetzen. Was ich aber ganz bestimmt nicht tun werde, ist, mir irgendwelche Ernährungsbeschränkungen aufzuerlegen.

Die Frage, welche Ernährung der Gesundheit am zuträglichsten ist, wird ja hitzig diskutiert, und es gibt ganz unterschiedliche Aufassungen dazu. Die einen schwören auf vegan, die anderen auf Low Carb, manche kombinieren sogar beides. Fett vermeiden predigen die einen, den Zucker für Teufelszeug halten die anderen. Nun könnte man ja sagen, jeder solle es so machen, wie es seinem eigenen Empfinden nach richtig sei, und meinem Empfinden nach ist es für mich unnötig, mich bei meiner Ernährung einzuschränken, da ich ja ohne so etwas schon weit über 40 Kilogramm abgenommen habe und gute Aussichten habe, auch die restlichen 30 noch von mir abzuschütteln. Das Problem ist nur, daß jede dieser Ernährungsvorstellungen für einen Teil ihrer Anhänger zu einer Ideologie wird, das heißt, ihrer Meinung nach ist es nicht ausreichend, daß sie selbst dies praktizieren, sondern sie finden, jeder müsse das tun und deshalb mit allen Mitteln davon überzeugt werden. Bei den Konzepten, die nicht "der offiziellen Lehrmeinung" entsprechen, stößt man deshalb oft auf fast schon sektenartigen Fanatismus, aber wenigstens handelt es sich hier um Einzelmeinungen, denen man folgen kann oder auch nicht. Folgenschwerer sind die Konzepte, die "von oben" kommen, also von der Wissenschaft und der Gesundheitspolitik promotet werden, und das mit vergleichbarer Vehemenz. Denn in diesem Fall liegt es für die Verfechter dieser Methoden, da sie viele Menschen erreichen können, verführerisch nahe, die für gut gehaltenenen Ernährungskonzepte einem mit mehr oder weniger sanfter Gewalt aufzunötigen. Das Konzept des Nudging - ein mehr oder weniger sanftes "Schubsen" in die vermeintlich richtige Richtung - als ein Mittel zu diesem Zweck ist mittlerweile in solchen Kreisen sehr populär geworden.

Daß neuerdings auch Schockbilder nach dem Vorbild derjenigen auf Zigarettenschachteln auf den Verpackungen von Süßigkeiten oder Erfrischungsgetränken ernsthaft in der Wissenschaft diskutiert und von Gesundheitspolitikern gefordert werden, kommt für mich eigentlich nicht überraschend, aber es erfreut mich wenig, denn dies geht weit über ein sanftes Anschubsen oder sogar noch einen groben Rippenstoß hinaus. Es erinnert mich eher an die gruseligen Pamphlete, mit denen im 19. Jahrhundert der Sünde der damals so genannten "Selbstbefleckung" zu Leibe gerückt wurde. So aufrichtig gut gemeint das Engagement von Geistlichen, Ärzten und Pädagogen in dieser Frage überwiegend gewesen sein wird, die ja auch nur die ihnen Anvertrauten vor den schweren Schäden bewahren wollen, die ihnen zu drohen schienen, fest steht aber auch: Es hat unter Generationen von Eltern und ihren heranwachsenden Söhnen verheerende Schäden angerichtet, und dann stellten sich die vermeintlichen Gefahren, an die jedermann fest geglaubt hatte, als gar nicht existent heraus.

Daraus könnte die heutige Gesundheitspolitik etwas lernen, wenn sie nur lernfähig und -willig wäre.

Schon die Schockbilder auf Zigarettenschachteln habe ich für einen groben gesundheitspolitischen Fehler mit potentiell schwerwiegenden nicht beabsichtigten Nebenwirkungen gehalten. Erstens: Es handelt sich nicht um gesundheitlich bedeutsame Information, die auf das Hirn, sondern um plattestmögliche Greuelpropaganda, die ausschließlich auf den Bauch abzielt. Es geht darum, Pawlowsche Reflexe auszulösen, in diesem Fall insbesondere Angst und Ekel, und schon das für sich alleine genommen entwertet jede etwaige aufrichtig gut gemeinte Absicht. Wer solche Maßnahmen befürwortet, behandelt uns wie eine Art Ratten in einer Versuchsanordnung, und das spricht jedem Konzept von Menschenwürde Hohn.

In Wirklichkeit funktioniert diese Form der Konditionierung aber noch nicht einmal, weil wir nun einmal diese Ratten oder Pawlowschen Hunde nicht sind. Diese Bilder regelmäßig zu sehen, wie das bei Rauchern zwangsläufig der Fall ist ist, stumpft sie meistens nur ab. Als die Schockbilder noch neu waren, wurden Plastikschachteln zum Umfüllen der Zigaretten massenhaft angeboten. Aber die meisten Raucher von Fabrikzigaretten nutzen so etwas gar nicht, weil sie die Schockbilder nicht einmal mehr bewußt wahrnehmen - allenfalls neue Bilderserien, die alle paar Jahre gegen die alten ausgetauscht werden, erwecken noch vorübergehend ihre Aufmerksamkeit.

Das bedeutet aber natürlich nicht, daß diese Bilder nicht dennoch eine unbewußte Wirkung erzeugen können. Die Frage ist nur, ob diese Wirkung nicht, zweitens, das Gegenteil dessen ist, das angeblich erreicht werden soll, nämlich mehr Gesundheit für Raucher (indem man sie dazu bringt, das Rauchen aufzugeben). Das Rauchen aufgeben wegen der Schockbilder tun die wenigsten, alleine schon, weil der erzeugte Streßfaktor eher das Bedürfnis nach einer Zigarette noch verstärkt, was kaum eine günstige Voraussetzung dafür ist, das Rauchen aufzuhören. Aber die permanenten Negativbotschaften (die bei einem durchschnittlichen Raucher viele Male am Tag übermittelt werden) können durch den sogenannten Nocebo-Effekt eine reale negative Wirkung auf die Gesundheit der Adressaten erzeugen. Die unterhalb der Bewußtseinsschwelle stattfindenden ständig wiederholten "Schockerlebnisse" könnten durch ihre stresserzeugende Wirkung auch dazu führen, daß mehr statt weniger geraucht wird, was nach der offiziellen Lehrmeinung dann die Gesundheitsgefahr erhöhen statt sie reduzieren würde.

Zusammengefaßt bedeutet das: Ein Teil der Raucher kommt durch solche Aktivitäten nicht durch das Rauchen selbst, sondern durch Maßnahmen, mit denen angeblich ihre Gesundheit geschützt werden soll, früher als nötig unter die Erde. Ich kann es zwar nicht beweisen, aber ich nehme an, das ist den Verantwortlichen auch durchaus bewußt. Sie nehmen das wahrscheinlich absichtlich in Kauf, weil die eigentlich erhoffte Wirkung nicht in einer Bekehrung derjenigen besteht, die bereits rauchen, sondern auf eine Abschreckungswirkung bei (Noch-)Nichtrauchern spekuliert wird.

Eine solche Wirkung bezweifle ich allerdings erst recht. Die Altersgruppe, die für gewöhnlich mit dem Rauchen anfängt, ist dieselbe, die hormonell bedingt die höchste Risikobereitschaft aufweist, und daß dies auch mit dem Austesten der eigenen Ekelgrenzen verbunden ist, daran erinnert sich sicherlich noch jeder, der seine eigene Pubertät noch nicht völlig verdrängt hat. Schockbilder wären da eher ein zusätzlicher Anreiz als eine Abschreckung. Da unter 18jährigen Tabakwaren aber gar nicht verkauft werden dürfen und dies auch jedermann bekannt ist, kommt bei Befragungen immer heraus, daß der Anteil der aktiven Raucher in dieser Altersgruppe im Vergleich zu früher ganz dramatisch gesunken sei. Daß solche Ergebnisse nicht ganz der Wahrheit entsprechen können, ergibt sich daraus, daß in der nächsthöheren Altersgruppe, den 18- bis 25jährigen, dann auf einmal 32 Prozent aktive Raucher und nur noch 39 Prozent lebenslange Nichtraucher sind, was bedeutet, es gibt in dieser Altersgruppe 29 Prozent Ex-Raucher und damit verblüffende 61 Prozent "Jemals-Raucher"! Wo sind die dann aber so plötzlich hergekommen?

Der gesundheitliche Nutzen dieser Schockbilder ist also erstens zweifelhaft, und die Konzeption ist eine, die durch ihren primitiv-plumpen Manipulationsmechanismus zweitens schlicht entwürdigend ist. Ethische Fragen würde auch die von mir vermutete heimliche Konzeption aufwerfen, die hartnäckig sündigenden "Sündern" bewußt zusätzlichen gesundheitlichen Schaden zufügt, weil geglaubt wird, dies werde durch die Errettung von - anscheinend als wertvolleres Leben betrachteten - "Unschuldigen" aufgewogen, deren Unschuld durch die Maßnahme häufer erhalten bleibt. Ich will mich jetzt lieber nicht zu weit in Überlegungen versteigen, wo ein solches Kozept sonst noch Anwendung finden und wessen Leben und Gesundheit dabei für so verzichtbar gehalten werden könnte, daß man ihn im Zweifelsfall für das höhere Ziel über die Klinge springen lassen würde, aber natürlich ist auch dieses Prinzip verallgemeinerbar, wenn man sich erst einmal darauf geeinigt hat, daß es für ethisch vertretbar gehalten wird, es in einem bestimmten Fall anzuwenden. 

Das eigentlich Schockierende für mich an dieser ganzen Sache ist, daß weder Raucher noch Gesundheitspolitiker, Wissenschaftler, Journalisten oder Ärzte diese ethische Problematik überhaupt diskutieren und vermutlich mehrheitlich nicht einmal als solche wahrnehmen. Da sind in Politik und Gesellschaft augenscheinlich wichtige Maßstäbe verloren gegangen. Nichtraucher, die darauf spekuliert haben mögen, daß diese Maßstäbe nur dort fehlen würden, wo es um die Raucher geht, sollten spätestens jetzt, da die Schockbilderdebatten um andere Produkte jetzt langsam einsetzen, einsehen, daß diese Hoffnung trügerisch gewesen ist. Ob Fett, Zucker, Alkohol oder was auch immer sonst einem Genuß dient, der von denen, die sich selbst nichts aus ihm machen, für verzichtbar gehalten wird: Ist die Denklogik hinter den Zigaretten-Schockbildern einmal grundsätzlich akzeptiert, läßt sie sich in allen diesen Bereichen anwenden.

Alle Einwände gegen die Schockbilder auf Zigarettenschachteln träfen natürlich ebenso auf vergleichbare Schockbilder zu, die an den Verpackungen von Süßwaren, Limonaden und anderen Lebens- und Genußmitteln oder sonstigem angebracht würden. Zusätzlich wäre aber dabei auch zu bedenken, daß auch dann, wenn die solchermaßen etikettierten "gefährlichen Genüsse" nach bestem Wissen und Gewissen sorgfältig nach ihrer potentiellen Schädlichkeit ausgewählt würden, manche von ihnen unweigerlich auch zu Unrecht in diesen schlechten Ruf geraten wären. Denn die sachliche Richtigkeit des besten Wissens auch unserer heutigen Wissenschaft, nicht zuletzt gerade der Ernährungswissenschaft, die ihre Anwendungsempfehlungen in den letzten Jahrzehnten immer wieder korrigieren mußte, kann man ja in vielen Punkten mit guter Begründung anzweifeln.

Ich breche an dieser Stelle ab, anstatt das noch im Detail zu beschreiben, und habe sogar zwei Absätze gelöscht, in denen ich damit angefangen und mich dabei ziemlich in Eifer geredet hatte. Sogar wenn es um geradezu aberwitzige Auswüchse wie diese Schockbilderforderungen geht, die übrigens durchaus reale Aussichten haben, irgendwann politisch mehrheitsfähig zu werden, wenn sie mit entsprechend viel Nachdruck promotet werden, kommt es mir sinnlos vor, aktiv gegen sie anzukämpfen. Warum? Weil das ist, als würde ich versuchen, einem unkontrolliert abwärts rollenden Wagen in die Speichen zu greifen: Im besten Fall käme ich ohne ernsten Schaden davon, ohne aber etwas geändert zu haben, im ungünstigen Fall schädige ich mich dabei nur selbst.


Da kommt es mir wirklich sinnvoller vor, der "dunklen Seite der Ernährungswissenschaft" und ihren politischen Helfershelfern etwas Konstruktives und Positives entgegenzusetzen. Also halte ich mich nicht weiter mit dem auf, was andere Leute an vermeidbaren Schaden anrichten wollen, sondern verspreche hiermit, auch im neuen Jahr weiter zu dokumentieren, wie sich Intervallfasten ohne Kalorienzählen, Sport und Ernährungseinschränkungen auf mein Körpergewicht, meine Gesundheit und meinen Alltag auswirkt. Denn daß diese Wirkung seit mehreren Jahren rundum positiv ist, kann ich besten Gewissens bestätigen. 😊





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