Mein Gewicht heute früh nach dem zweiten von zwei nicht aufeinanderfolgenden Fastentagen diese Woche: 74,1 Kilogramm. Tja - da ist es passiert. In Woche sieben von sieben mit Low Carb kam die Abnahme zum Stillstand, das Gewicht ging sogar um ein paar hundert Gramm rauf. Ich bin zwar der Meinung, daß das wasserbedingt war, denn gestern mußte ich andauernd "für kleine Mädchen" (und ohne das läge mein Gewicht wohl noch höher). Aber eine weitere Abnahme gab es definitv nicht, das kann ich mir nicht schönreden.
Nun ja. Das soll mir eine Lehre sein. Sechs Wochen Low Carb sind wohl die perfekte Dauer, wenn es mir dabei vor allem um die Wirkung auf das Körpergewicht geht. In die Verlängerung gehen, lohnt sich im Grunde nicht. Die eine Woche früher habe ich aber sowieso nur angefangen, um nicht mit einem langen Fastenintervall einzusteigen, weil ich mich erst auf die geänderte Ernährungsweise einstellen wollte. Das hat auch gut geklappt. Ich habe tatsächlich in der ganzen Zeit nie ernsthaftes Verlangen nach irgendwas "Verbotenem" gehabt, mit einer Ausnahme: vorgestern beim Einkauf, als ich mir Schaumzuckermäuse gekauft und daheim gleich an einer geheimen Stelle gebunkert habe, wo ich sie ignorieren kann, bis ich wieder "darf".
Mit den Mäusen will ich meinen Mann überraschen.
Ich habe ja schon länger nicht mehr über unser Mäuseproblem im Haus geschrieben, aber es besteht nach wie vor. Im Sommer, nachdem wir die Therme unters Dach verlegt haben, endete es, was die Küche betrifft. Seitdem haben wir in der Küche keine einzige Maus mehr in der Falle gehabt. Dafür gingen sie von da an mit derselben Regelmäßigkeit im Wohnzimmer in die Falle, und in den letzten Wochen, als es kälter wurde, nahm ihre Zahl so merklich zu, daß mein Mann acht neue Fallen bestellte, weil bei den alten der Schnappmechanismus doch schon ein bißchen ausgeleiert ist.
Wir brauchten eine Weile, bis wir das Mauseloch - präziser: die Mauselöcher - gefunden hatten, weil wir anfangs dauernd auf der falschen Raumseite nach ihm suchten, wo es aber, wie wir jetzt wissen, gar kein Mauseloch gibt. Mit Hilfe der Webcam mit Bewegungsmelder konnten wir uns, nachdem wir sie mehrmals im Raum anders hingestellt hatten, davon überzeugen, daß das offene Gebälk am Boden in der Mitte des Wohnzimmers, wo es an die Wand zur Küche angrenzt, ein mit bloßem Auge nicht sichtbares Loch enthielt, durch das die Mäuschen in aller Seelenruhe raus und rein huschten. Also wurde dieses Loch geschlossen. Aber am nächsten Morgen war wieder eine Maus in der Falle. Wieder zeigte sich durch die Kamera nach ein paar Tagen, woher sie gekommen war: am selben Balken seitlich. Dieses zweite Loch war verblüffend winzig, man mochte gar nicht glauben, daß eine durchschnittlich große Maus sich da hatte hindurchzwängen können. Aber so scheint es gewesen zu sein, denn seit auch dieses Loch mit einer Metallplatte verschlossen wurde, haben wir auch im Wohnzimmer keine Mäuse mehr in den Fallen vorgefunden.
Dafür sind sie jetzt aber wieder unter dem Dachspitz.
Interessanterweise sind dort oben aber nahezu ausschließlich sehr zierliche Mäuslein in die Falle gegangen. Wir haben ja Mäuse in den unterschiedlichsten Größen, von der "Mikro-Maus", die vielleicht ein Drittel so groß ist wie eine durchschnittlich große und vermutlich frisch aus Mamas Nest gleich in die Falle ging, bis zur "Mords-Maus", die entweder besonders gut genährt oder vielleicht auch schwanger ist. Eine Mords-Maus hatte ich schon seit ein paar Monaten nicht mehr, was dafür spricht, daß solche Mäuse wirklich trächtig sind, denn Waldmäuse bekommen ja nur zwischen März und Oktober ihre Jungtiere. Die Mikro-Mäuse haben noch einen richtigen treudoofen Kinderblick und die Besonderheit, daß sie sehr unerschrocken und fast schon zutraulich sind. Sicherlich könnte man so ein Winz-Mäuschen leicht zähmen. Dafür sind die größeren, aber immer noch zierlichen Mäuse im Verhalten ziemlich teenagerhaft: Sie sind besonders schreckhaft und randalieren oft sehr lautstark in der Falle - sie sind noch nicht ganz erwachsen, haben aber bereits das Fürchten gelernt.
Solche Mäuse, wie gesagt, habe ich diesen Herbst (im Sommer gab es oben gar keine Mäuse) fast ausschließlich unter dem Dach vorgefunden. Einmal fand ich aber auch eine normal große Maus und dachte, Mist, jetzt haben sie das Loch wohl vergrößert. Ich war darauf eingestellt, daß nun Mäuse in allen Größen auftauchen würden, aber die Normalmaus blieb ein Einzelfall. Also hat sie sich vielleicht ja mit viel krimineller Energie durch ein eigentlich zu kleines Loch gezwängt. Für so etwas sind unsere Mäuschen eigentlich zu opportunistisch, sie wählen meinem Eindruck nach immer das bequemste Zugangsloch. Das zugehörige Loch muß also noch kleiner sein als das letzte im Wohnzimmer, wenn es Mäusen in Durchschnittsgröße zu unbequem ist. Jetzt kommt also die Kamera nach oben und wird so lange herumgeschoben, bis wir herausgefunden haben, wo dieses Löchlein sich befindet. Ich hoffe nur, daß das nicht an einer der Stellen ist, wo Einbaumöbel uns daran hindern würden, an sie heranzukommen. Was ich nicht weiß, ist, wo die Normalmaß-Mäuse sich nun herumtreiben. Vielleicht suchen sie jetzt ja den Keller heim.
Man kann gegen Mäuse sagen, was man will, aber mit ihnen wird es jedenfalls nie langweilig. :-)
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"Es gibt kein richtiges Leben im falschen", behauptete Theodor Adorno, und irgendwo habe ich diesem vielzitierten Satz bereits widersprochen. Er ergibt keinen Sinn, weil es per se nahezu unmöglich ist, irgendwo und irgendwann zu leben, wo der gesellschaftliche Rahmen für das persönlich richtige Leben wirklich richtig ist. Irgendwas ist am Rahmen für den Einzelnen unweigerlich immer falsch, und deshalb paßt man sein Leben entweder dem gegebenen Rahmen an, etwa mit einer Ausbildung, die nicht den persönlichen Fähigkeiten und Neigungen entspricht, weil es innerhalb des Rahmens nicht umsetzbar ist, etwas anderes als dies zu tun. Oder man entzieht sich den unpassenden Anforderungen des falschen Rahmens bestmöglich, sei es sofort und konsequent, sei es zeitverzögert oder auch Stück für Stück im Lauf der Zeit, um innerhalb des falschen Rahmens einen persönlichen besser passenden zu entwickeln. Da sich der Rahmen ja ebenfalls verändert, etwa von falsch auf etwas richtiger oder umgekehrt, ist das letztere der häufigste Fall. So mache ich das ja auch, denn ich befinde mich sehr eindeutig innerhalb eines Rahmens, der in den letzten zwanzig Jahren auf unterschiedlichsten Ebenen immer falscher für mein richtiges Leben geworden ist. Aber das heißt noch lange nicht, daß dies mein Leben unrichtig macht. Das wäre nur dann der Fall, wenn ich nicht auf die äußeren Veränderungen reagieren würde, sondern das vorher Richtige stur weitermachen würde, obwohl es längst nicht mehr paßt.
Ich glaube freilich, eine Menge Leute tun so etwas nicht und wundern sich, wenn andere es tun. Kürzlich mußte ich zu einer Beerdigung, wo ich eine Menge Verwandte traf, die ich schon länger nicht mehr gesehen hatte, und wie es kam, daß wir ein Haus gekauft haben, mußte ich natürlich mehrmals erklären, aber einmal mußte ich auch nach bohrenden Fragen, warum ich denn als bekennender Stadtmensch auf einmal nicht mehr in der Stadt wohnen wolle, dazusagen, daß ich mich eben alle zehn bis zwanzig Jahre noch einmal ganz neu erfinde. Von meinen Verwandten hätte das wohl kaum jemand getan. Aber von ihnen hätte auch kaum jemand seinen Beamtenstatus aufgegeben, wie ich das vor einem knappen Vierteljahrhundert tat, um mich stattdessen selbständig zu machen. Das ist bestimmt eher eine Temperaments- als eine Altersfrage, auch wenn Leute im Alter von mir und meinen Cousins und Cousinen, sofern die Erwerbslaufbahn halbwegs normal verlaufen ist, im Ruf stehen, saturiert und nicht mehr sonderlich scharf auf größere Veränderungen zu sein.
Ein ähnliches Problem besteht auch innerhalb der Wissenschaft; man hält sich dort gerne an vertraute Grundannahmen, die nicht in Frage gestellt werden. Wo aber auf Basis falscher Grundannahmen geforscht wird, sind wirkungsvolle Lösungen als Ergebnis zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber doch eher selten. Man denke dabei etwa daran, wie sich die Astronomen über Jahrhunderte hinweg die Zähne an den Berechnungen der Planetenbahnen ausgebissen haben, die nie passend zu dem Beobachtbaren ausfielen. Bis jemand auf die Idee kam, anstelle der Erde die Sonne ins Zentrum der Planetenbewegungen zu setzen - und auf einmal stellte sich heraus, daß es auf diese Weise ganz einfach zu berechnen war. Falsche Grundannahmen sind verzeihlich, wenn es umöglich ist, sie als falsch zu erkennen. Aber es gibt Situationen, in denen ist es schwer zu begreifen, warum die Wissenschaft immer so entsetzlich lange braucht, um auf Hinweise, daß man in einer Annahme falsch lag, endlich mal zu reagieren. Das gilt noch mehr, wenn parallel dazu in der Gesundheitspolitik pausenlos mit viel Getöse rein symbolpolitische angeblich gesundheitlich unverzichtbare Maßnahmen eingeführt werden, obwohl durch sie - auch nach gängigen wissenschaftlichen Maßstäben - offensichtlich kein oder nur ein sehr geringer meßbarer gesundheitlicher Nutzen zu erwarten ist.
Das gilt etwa für die Masernimpfpflicht, die auch bei einer sowieso nicht erreichbaren maximalen Durchsetzung vielleicht in einem Jahrhundert fünf bis sechs Todesfälle verhindern könnte. Die Impfquoten bei Kindern hat die Impfpflicht aber sowieso nur marginal erhöht. Ich ahne auch, woran das liegt - das wirkliche Problem waren nie die Impfverweigerer, sondern Vergeßliche und schlecht Erreichbare. Niemand findet es offenbar nötig, nach Lösungen zu suchen, wie man solche Leute bessere erreichen kann als bislang. Es scheint der Bürokratie ausreichend, sie, falls man zufällig auf sie stößt, des Gesetzesbruchs bezichtigen zu können. Irgendwie macht es der Gesundheitspolitik wohl einfach mehr Spaß, Sündenböcke bestrafen zu dürfen, als effektive Lösungen zu suchen und umzusetzen. Nutzlose Symbolpolitik sind auch die im Landeskabinett beschlossenen neuen Maßnahmen, die in Baden-Württemberg angeblich die Gesundheit von Nichtrauchern besser schützen sollen, aber zum allergrößten Teil Rauchen unter freiem Himmel reglementieren, etwa an Haltestellen oder Spielplätzen. Oder für den hochgradig schwachsinnigen Nutriscore. Alle drei Beispiele haben einen so geringen gesundheitlichen Nutzen, daß der - natürlich aber von niemandem jemals berechnete - zu erwartende Schaden durch Nebenwirkungen unter dem Strich fast zwangsläufig zu einer Negativbilanz führen muß.
In einer Sache, die so viele und so schwerwiegende gesundheitliche Folgewirkungen hat wie Adipositas, klammert man sich aber weiterhin überwiegend an Grundannahmen, bei denen man eigentlich längst hätte darauf kommen können, daß mit ihnen irgendetwas nicht stimmen kann. Faustformel: Wenn man eines schönen und hoffentlich nicht mehr zu fernen Tages die richtige Lösung gefunden hat, wird sie daran zu erkennen sein, daß der Bevölkerungsanteil mit Adipositas nicht mehr steigen, sondern sinken wird. Alle bejubelten neuen Entwicklungen wie die Abnehmspritze müssen sich an diesem wichtigsten Erkennungszeichen messen lassen. Führen sie nicht zum Sinken, waren sie noch nicht die Lösung, die eigentlich gebraucht wird.
Bei Krebs ist die Sache ähnlich, auch in dem Teil der Krebserkrankungen, bei denen es keine meßbare Überschneidung zu Adipositas und/oder einer ihrer Folgeerkrankungen gibt. Neulich hörte ich einen Podcast mit einer sympathischen und engagierten Tübinger Krebsforscherin, Dr. Hanna Heikenwälder, der bei mir höchst zwiespältige Gefühle auslöste. Von Frau Dr. Heikenwälder - sie ist ungefähr im Alter meines Sohnes - habe ich tatsächlich einiges Interessante über Krebs erfahren, das mir neu war bzw. ich noch nie aus der beschriebenen Richtung betrachtet hatte - und ich bin nach meinen guten Erfahrungen mit der Immuntherapie natürlich die letzte, die abstreiten könnte, daß auf Basis der Forschungszielrichtungen der letzten zwei, drei Jahrzehnte nachweisliche Erfolge erzielt wurden. Trotzdem sind das, von wenigen Ausnahmefällen wie "meinem" HER2-positiven Krebs abgesehen, nur kleinere Verbesserungen, und ein Teil davon ist außerdem darauf zurückzuführen, daß man davon abgekommen ist, Krebspatienten immer mit dem Maximum an Zellgiften zu traktieren, das möglich ist, ohne sie damit auf der Stelle umzubringen.
Einen wirklichen Durchbruch würde man auch bei Krebs an den Statistiken erkennen, und zwar dadurch, daß ein Rückgang der Todesfälle durch Krebs - bei allen Arten von Krebs - mit bloßem Auge durch einen Laien in den Todesfallstatistiken erkennbar wäre. So, wie das beim plötzlichen Kindstod auch gewesen ist, nachdem man sich nach wissenschaftlich völlig unbegründetem jahrelangen Zögern endlich dazu durchgerungen hatte, Eltern vor dem möglichen Auslöser Bauchlage zu warnen.
Wohlgemerkt, es reichte beim plötzlichen Kindstod eine reine Empfehlung bzw. Warnung. Ein Bauchlagenverbot durch den Gesetzgeber war nicht erforderlich. Das gibt immerhin zu Optimismus Anlaß: Auch bei Adipositas besteht das Problem höchstwahrscheinlich im Moment nicht etwa darin, daß die Leute sich hartnäckig falsch verhalten, sondern darin, daß die Empfehlungen nicht so funktionieren, wie sie es sollten. Und was den Krebs betrifft ... Nun, Krebsbehandlungen, das erwähnt Frau Dr. Heikenwälder völlig zu Recht, stehen im Ruf, genauso schlimm zu sein wie die Krankheit selbst. Nicht ganz einverstanden bin ich aber, wenn sie dem entgegenhält, daß dieser Ruf mittlerweile ziemlich unverdient sei. Bei Krebstherapien bekommen die meisten tatsächlich das, wovor sie sich vorher fürchten, nämlich unangenehme bis kaum erträgliche Nebenwirkungen. Wenn man aber zusätzlich damit rechnen muß, trotzdem bald zu sterben, dann ergibt es aus Patientenperspektive eine Menge Sinn, sich nicht früher als zwingend erforderlich mit der Frage zu befassen, ob die Uhr in einem drinnen insgeheim bereits tickt.
Das Bild vom Krebs als heimtückischer Killer, der einen nicht mehr aus den Klauen lassen wird, so lange, bis man tot ist, ist ein Früherkennungshindernis. Ironischerweise wurde dieses Schreckensbild erheblich verstärkt durch die dramatischen Darstellungen des gräßlichen Schicksals, dem man nur entgehen kann, wenn man dies tut oder jenes unterläßt, wie das die Grundlage der handelsüblichen Präventionskampagnen ist. Kaum ein Mensch, der noch nie aus der Nähe mit Krebs zu tun hatte, hat außerdem eine Vorstellung davon, daß die Diagnose Krebs wirklich viel weniger Grund zur Panik bietet, wenn er im Frühstadium entdeckt wird - was ja der Sinn der Früherkennung ist. In den Köpfen sitzt sie sehr fest, die Vorstellung, daß jeder Widerstand am Ende zwecklos sein wird. Daß man Krebs scheinbar erfolgreich hat behandeln lassen, und er nach einer kurzen Frist wie ein Schachtelteufelchen doch wieder aufpoppen wird. Wir "wissen" solche Dinge durch Erlebnisse in Familie und Freundeskreis, durch die Bücher von Werner Schneyder und John Irving, durch Serien wie "Breaking Bad" und so weiter. Das aber macht eine möglichst frühe Erkennung eines Tumors zu einer eher fragwürdigen Errungenschaft. Man muß sich dann ja doch nur noch länger als andernfalls mit Chemotherapien und allem möglichen abscheulichen Zeug quälen lassen. Erfährt man erst sehr spät von einer Krebserkrankung, hat man genausoviel Lebenszeit zu erwarten, aber ein Teil davon war noch nicht durch die Krankheit und deren Behandlung beeinträchtigt. Aus Blickwinkel eines durchschnittlich informierten Patienten stimmt bei der Früherkennung in so vieler Hinsicht die Kosten-Nutzen-Rechnung nicht, daß es fast erstaunt, daß trotzdem so viele die Früherkennung nutzen. Das mag vielleicht aber daran liegen, daß sie so gerne verfälschend als "Krebsvorsorge" bezeichnet wird.
Dagegen kann nur eine Entzauberung von Krebs in eine vielleicht nicht heilbare, aber gut zu managende chronische Krankheit helfen. Das ist, glaube ich, auch eine Frage der Überlebenszeit. Vor Diabetes fürchtet sich beispielsweise kein Mensch, obwohl eine Menge Todesfälle ganz oder zum Teil auf ihn zurückzuführen sind - weil die Leute selbst oder bei anderen miterleben, daß man mit Diabetes ganz ordentlich noch viele Jahre lang leben kann. Genau das muß eine kritische Masse von Patienten und deren Angehörigen auch bei Krebs erleben, wenn man dem Horror vor Krebs, der ja sonderbare Blüten treiben kann, ein Ende setzen will.
Angesichts dessen setzt es mich schon in Erstaunen, daß ein seriöser und in seinem Fach anerkannter Wissenschaftler wie Thomas Seyfried, der behauptet, bei Krebs wäre ein Durchbruch erzielbar, und das meiner bescheidenen Meinung nach durchaus plausibel zu begründen und überzeugend zu belegen vermag, weder diskutiert noch auch nur angegriffen, sondern kurzerhand ignoriert wird. Bis heute warte ich vergeblich darauf, daß aus Fachkreisen jemand ihn fachlich zu zerlegen versucht, und das Erscheinen seines Buches "Cancer as a Metabolic Disease" ist mittlerweile länger als zehn Jahre her. Ich habe meine eigene Theorie entwickelt, was der Grund für dieses ohrenbetäubende Grillenzirpen in der Fachwelt ist. Seyfrieds Thesen durch praktische Anwendung der von ihm skizzierten therapeutischen Einsatzmöglichkeiten parallel zu und neben einer Chemotherapie in der Praxis zu überprüfen, ohne daß damit eine nennenswerte Gefährdung der Gesundheit und des Wohlbefindens der Patienten verbunden wäre, wäre dabei so einfach, daß es eine Tragödie ist, daß Fachleute, auf die Onkologen sich verlassen, dies ohne vernünftige Gründe sabotieren.
Ich hätte mich brennend dafür interessiert, was Frau Dr. Heikenwälder zu Seyfried meint und ggf. gerne auch, warum sie seine Annahmen für falsch hält, falls sie das tun sollte. Aber sie machte dasselbe wie nahezu alle, sie erwähnte ihn einfach nicht. Interessant fand ich aber, daß Frau Dr. Heikenwälder dennoch Fasten bzw. die Fasting Mimicking Diet für empfehlenswert hält, mit Valter Longo vertraut ist und an einer Stelle - wiewohl meinem Eindruck nach etwas zögernd - Dr. Michalsen von der Charité erwähnte, mit dem ich mich vor Beginn meiner Chemo auch einmal befaßt hatte. Gerade dessen Fasten-Konzept ergibt allerdings im Rahmen von Seyfrieds Annahmen sehr viel weniger Sinn als andere Modelle (obwohl es ohne Frage besser ist als das, was einem normalerweise zur Ernährung bei Krebs empfohlen wird). Ich fand es aber außerdem schon wenig überzeugend, noch bevor ich Seyfrieds Namen zum ersten Mal gehört habe. Es ist mir zu stark von der Logik des Heilfastens beeinflußt. Heilfasten hat schon Helmut Kohl während der achtziger und neunziger Jahre nicht geholfen, eine halbwegs passable Figur beizubehalten. Wenn ein Konzept in seinem Kernbereich schon so viel weniger tauglich ist, um die versprochenen Ziele wirklich zu erreichen, dann bezweifle ich, daß es begleitend zu einer Krebsbehandlung die wirksamere Methode sein soll als mein eigenes Fastenkonzept, mit dem ich besagte Ziele zu erreichen vermochte.
Im Gegensatz zur Therapie einer Krebserkrankung verändert sich, wenn es um Prävention geht, vergleichsweise wenig, wenn man Seyfrieds Annahmen zugrunde legt, mit Ausnahme des Bereichs Ernährung. Nach Seyfrieds Erkenntnissen kann es bei der Bewegung aber auch ein Zuviel geben, das die Aussichten der Therapie wieder verschlechtert, indem es Entzündungsreaktionen hervorruft. Das wiederum kollidiert mit der (unbewußten) Annahme "Je mehr, desto besser", das heute fast jeder zu glauben scheint. Wie das bei Frau Dr. Heikenwälder ist, kann ich nicht sicher sagen, aber mir fiel auf, daß sie Sport als Präventionsmittel sehr überbetont. Das mag daran liegen, daß sie nach eigenem Bekunden sehr gerne Sport treibt - was natürlich der beste Grund von allen ist, es auch wirklich zu tun. Ich frage mich, ob die Forscherin die Arbeit von Herman Pontzer wohl kennt und was sie darüber denkt. Daß ich mich außerdem darüber ärgere, wenn "Bewegung um der Bewegung willen" anscheinend für so viel heiliger gehalten wird als Alltagsbewegung - auch wenn Art und Intensität vergleichbar wären -, daß man nur mit Sport das Himmelreich erreichen können soll, erwähnte ich diesmal nur, weil es mich wieder geärgert hat; darüber habe ich an anderen Stellen aber weiß Gott schon mehr als genug geschrieben.
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Der ganze Komplex der Prävention ist eine zweischneidige Sache, deshalb finde ich es eher unangenehm, daß Frau Dr. Heikenwälder Dinge sagt wie, daß die Hälfte aller Krebsfälle durch Prävention vermeidbar seien. In der Realität, in der ich lebe, sind die 100 % Compliance, die dem zugrunde gelegt werden, genauso falsch wie 100 % sachliche Richtigkeit der Präventionsratschläge. Solche Behauptungen sind erstens sinnlose Luftbuchungen und zweitens, auch wenn sie rechnerisch begründet werden können, gar nicht hilfreich, sondern eher eine Drohkulisse, die jedem Patienten nach seiner Krebsdiagnose vermittelt, daß er mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % selbst schuld daran ist, daß er Krebs bekommen hat. Schlimmer noch, die Leute um ihn herum werden das auch denken, und zwar einschließlich ihrer Onkologen, und die Taktloseren unter ihnen werden das dem Patienten gegenüber auch so aussprechen. Es spielt keine Rolle, ob die Forscherin - wie sie auch an einer Stelle zum Ausdruck brachte - gar nicht so verstanden werden wollte. In dem Fall sollte sie es so nicht sagen, weil es unvermeidlich ist, daß das bei einem Teil der Leute exakt so ankommt, wie sie nicht verstanden werden will.
Diese ganze offene und unterschwellige Sünde-Buße-Erlösungs-Matsch, mit dem sowohl Prävention als auch Therapie im Fall von Krebs umzugehen haben, wird immer mehr zu einem selbst gesundheitsschädigenden Faktor. In den USA etwa gibt es ja seit einiger Zeit unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf ein Lungenkrebsscreening, und immer mal wieder liest man erstaunt bis leicht beleidigt klingende Meldungen, daß soviele Berechtigte das undankbarerweise gar nicht in Anspruch nehmen. Ehrlich gesagt, mich erstaunte das gar nicht. Das Screening zielte auf die nach Meinung der Wissenschaft am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen ab, und das waren aktive Raucher sowie ehemalige Raucher, bei denen der Rauchstopp maximal 15 Jahre her ist, in den Altersgruppen, in denen Lungenkrebs am häufigsten auftritt. Rauchen ist aber - in den USA noch mehr als bei uns - dermaßen stigmatisierend, daß die Teilnahme am Screening als eine Art Bußübung aufgefaßt werden muß. Das fiel jetzt endlich auch dort jemandem auf. Es ist kein Wunder, daß aktive Raucher das im Zweifelsfall eher vermeiden.
Die Sache wird aber noch verzwickter. Denn aus der Studie, auf die sich sich der verlinkte Meinungsartikel bezog, ergab noch ein anderes Ergebnis, das den Sinn der momentanen Vorgaben für das Screening zweifelhaft macht: Zwei Drittel der Lungenkrebspatienten in der Studie hätten die Voraussetzungen für das Screening von vornherein nicht erfüllt. Von diesen zwei Dritteln hatten außerdem 38 Prozent niemals geraucht. Sowohl bei den gescreenten wie bei den nicht gescreenten Lungenkrebskranken war außerdem die deutliche Mehrheit - um die 60 Prozent - Exraucher. Diejenigen, die am Screening teilnahmen, hatten maximal 15 Jahre zuvor mit dem Rauchen aufgehört, im Durchschnitt waren es zwischen fünf und sechs Jahren. Bei den Nichtgescreenten lag der Rauchstopp dagegen durchschnittlich schon 24 Jahre zurück.
Es gibt zu denken, daß sich die Anteile der Ex-Raucher in den Gruppen der Gescreenten und der Nichtgescreenten trotzdem nur geringfügig voneinander unterschieden haben - 61 vs. 57 Prozent.
Nun wird gefordert, die Screeningkriterien zu verändern und rein nach Alter ohne Frage nach dem Rauchstatus zu screenen, um einen möglichst großen Teil der Lungenkrebserkrankungen durch höhere Beteiligung frühzeitig zu erkenne. Klingt eigentlich ganz vernünftig. Ich tippe aber darauf, daß die Beteiligung trotzdem ein gutes Stück hinter den Wünschen zurückbleiben wird, solange Lungenkrebs nicht, so komisch sich das anhört, endlich mal einen "besseren Ruf" bekommt. Das gilt zwar grundsätzlich für alle Arten von Krebs, aber der Lungenkrebs ist heute ungefähr das, was Syphilis im 19. Jahrhundert war. Der Lungenkrebstod des Rauchers entspricht der Hölle, in die der verstockte Sünder kommen wird. Er gilt als verdient, und viele Raucher glauben das auch selbst, wenn sie die gefürchtete Diagnose bekommen. Nichtraucher, die an Lungenkrebs erkranken, leiden deshalb aber noch mehr als Raucher, weil ihnen die verhängte Strafe unverdient erscheint und weil sie ständig befürchten müssen, daß andere aus der Art der Bestrafung, die sie bekommen haben, auf die Art ihrer Sünde schließen zu können glauben. Im unangenehmsten Fall stehen sie dann in deren Augen auch noch als Lügner da.
Kollateralschäden! Unangenehm, aber schwer zu verhindern. Ob man sie hätte vermeiden können oder gar müssen, sei dahingestellt. Mittelfristig ist es nämlich gut möglich, daß sich die Sache mit der Stigmatisierung von selbst verändert. Man darf nämlich gespannt sein, wie sich die Häufigkeit von Lungenkrebs entwickeln wird, wenn es immer weniger dieser Art von langjährigen Exrauchern gibt, bei denen man die Erkrankung so gerne auf ihr früheres Rauchen schiebt, weil das halt so schön bequem ist. Der Anteil der Niemals-Raucher unter jungen Leuten im Alter von 18 bis 25 stieg von 10 % im Jahr 1973 (dies entspricht den Geburtsjahrgängen 1948 bis 1955, also den heute 70- bis 77jährigen) auf über 44 % im Jahr 2018. Was, wenn der Rückgang beim Lungenkrebs deutlich niedriger ausfällt, als er angesichts dieser Entwicklung eigentlich zu erwarten wäre? Bei Lungenkrebs steigt der Anteil der lebenslangen Nichtraucher unter den Erkrankten ja schon länger.
Ein enttäuschend geringerer Rückgang der Erkrankungsfälle als erwartet, wenn die Generation der heute 25- bis 32jährigen (der 18- bis 25-jährigen von 2018) einmal die 70 überschreitet, würde bedeuten, daß man bei Rauchern die Anteile anderer Faktoren als Krankheits(mit-)auslöser die ganze Zeit unterschätzt hat. Undenkbar ist das nämlich nicht. Das Absinken der Lungenkrebshäufigkeit bei Männern lief ja nicht nur zeitlich plausibel mit dem Rückgang des Rauchens bei Männern konform, sondern ebenso mit dem Zeitraum, in dem enorm viele Industriearbeitsplätze verloren gingen und bei den verbleibenden der Arbeitsschutz auch im Bereich der Schadstoffbelastungen deutlich verschärft wurde. Schornsteine und Autoauspuffs bekamen Katalysatoren. Asbest wurde verboten. Das sind nur die relevanten Faktoren, die mir auf Anhieb einfallen, bestimmt gibt es noch weitere. Die spannende Frage lautet: Wie hoch war deren Anteil am Rückgang beim Lungenkrebs?
Um mit eigenen Augen sehen zu können, wie sich das entwickelt, muß ich wohl mindestens hundert Jahre alt werden. Aber sollte man sich nicht ehrgeizige Ziele setzen? Gerade als Raucher? ;-)
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Was ich gar nicht wußte, ist, daß es seit ein paar Jahren eine Studie gab, die eine positive Wirkung von homöopathischen Mitteln begleitend zu einer Lungenkrebsbehandlung nachzuweisen versuchte und den Anschein erweckte, dies sei auch gelungen. Diese Studie wurde jetzt offiziell wegen methodischer Mängel eingestampft. Ich nehme an, diese Maßnahme war berechtigt, aber das neandertalerhafte Triumphgeheul der Homöopathiefeinde stößt mich doch sehr ab. Man glaubt geradezu den Sabber zu sehen, der diesen Leuten das Kinn runterläuft. Gleichzeitig finde ich es aber interessant, daß sie offenbar fünf Jahre lang mit leidenschaftlichem Einsatz um dieses Ergebnis gekämpft haben. So viel Mühe macht man sich in der Wissenschaft offenbar nur, wenn es um mehrheitlich zutiefst verhaßte Außenseitermeinungen geht. Rainer Klement war in der Coronazeit mal an einer Studie zu Coronaimpfungen beteiligt, der dasselbe passierte (vermutlich ebenfalls mit guter Begründung).
Beide Studien wurden aber zunächst publiziert. Wie kommt das eigentlich, daß sie in seriösen Fachzeitschriften durch das ach so zuverlässige Peer-Review-Verfahren durchschlüpfen konnten, auf das alle immer so pochen? Und wievieles, das lediglich nicht spontan auf so viel offene Feindseligkeit stößt, weil es Ergebnisse hatte, die erwünschter sind oder jedenfalls näher am Erwartbaren, hätte eigentlich dieselbe Behandlung verdient? Hier gibt es schon eine Schieflage, was das Identifizieren von Fehlerhaftem betrifft. Dieses Phänomen jedenfalls macht es noch um einiges bedeutsamer, daß niemand sich an die Aufgabe heranzuwagen scheint, Thomas Seyfrieds inzwischen sehr zahlreiche Studien in ähnlicher Weise anzugreifen. Qualitativ müssen sie sehr viel härtere Brocken sein als das, was Homöopathen zustande bringen.
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Nun stehen mir noch drei Low-Carb-Tage bevor, bei denen ich schon weiß, was wir essen werden. Heute abend gibt es einen Wurstsalat, kombiniert mit Mandel-Mozzarella-Muffins - der übliche Wunderwaffen-Teig, nur mit einem Ei zusätzlich und das Eiweiß zu Eischnee geschlagen, damit die Sache schön locker wird. Morgen mache ich noch einmal aus dem normalen Wunderwaffen-Teig einen Flammkuchen, und am Sonntag Fleischküchle mit Krautsalat.
Eine neue kulinarische Errungenschaft diese Woche war eine sehr leckere Blumenkohlsuppe mit Bacon und gerösteten (Low-Carb-)Brotwürfeln. Ich hatte noch Räucherwurst reingeschnitten, aber nachträglich finde ich, eigentlich hätte der Bacon alleine auch gereicht.
Das mit dem Brot war übrigens diesmal so eine Sache. Ich habe ja immer samstags gebacken und neben dem Backmischungsbrot ein paar wirklich gute Sorten ausprobiert, etwa ein Walnußbaguette. Aber die benötigten Mengen hatte ich gar nicht im Griff, und so habe ich immer nach dem Wochenende Brot übrig gehabt und einiges davon eingefroren. Das gab's bei mir dann immer unter der Woche an Eßtagen zum Frühstück, meistens habe ich es in der Pfanne in Butter angebraten, in der Form esse ich es auch gerne, wenn normales Brot übriggeblieben und schon etwas hart geworden ist. Und natürlich lag es da auch nahe, auch geröstete Brotwürfel zur Suppe zu machen.
Auf Rat meiner Mutter habe ich im Internet gesucht, ob man mit unreifen Feigen noch etwas anfangen kann, weil der erste Frost alle Hoffnungen auf weitere Reifung der restlichen Feigen zunichte gemacht hat, und tatsächlich ein Rezept gefunden. Jetzt habe ich vier Gläser grüne Feigen in Sirup und lasse mich überraschen, wie das schmeckt. Aber weil der Sirup natürlich größtenteils aus Zucker besteht, muß ich damit noch ein paar Tage warten. Das macht aber nichts, es schadet gar nichts, wenn das noch ein Weilchen durchzieht. Für die nächsten Tage habe ich ja genug Lebkuchen, und der ist so Low-Carb-konform, wie man sich das nur wünschen kann.
Seit zwei Tagen haben wir außerdem eine Gefriertruhe in Keller stehen, mein Mann hat sie spontan am Black Friday bestellt, nachdem ich ihm ahnungslos den Link zu dem Angebot geschickt hatte, weil mir diese Truhe wegen ihres besonders niedrigen Energieverbrauchs auffiel. Das Black-Friday-Angebot war reiner Zufall, das Werbegetöse darum ist mir eigentlich eher lästig. Da mein Mann gerade eifrig die Einzelteile unserer von ihm selbst entworfenen neuen Einbauküche zusägt, die er irgendwann nach Weihnachten einpassen will, hatte ich eigentlich die Gefriertruhe noch zurückstellen wollen, denn wir werden im Zuge des Einbaus der Küche auch die zu schmale Spülmaschine und den Backofen, der mir zu viele Ausfallerscheinungen zeigt, ersetzen. Aber andererseits: eine weitere geplante Anschaffung, die wir erledigt haben. Bei unserer lokalen Bezugsquelle für Wild habe ich jetzt gleich eine größere Bestellung aufgegeben. Außerdem werde ich einen Teil der Quitten und Zucchini in die Gefriertruhe auslagern, denn unser Gefrierteil des Kombigeräts in der Küche ist knallvoll.
Jetzt bin ich mal gespannt, ob wir mit zusätzlichen 200 Litern Raum für Gefriergut auskommen werden. Ein Nachbar, dem ich davon erzählte, lachte nämlich nur und meinte, wer einen Garten habe, bräuchte mindestens zwei Gefriertruhen.
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