Freitag, 7. November 2025

Was Lottospieler mit Impfverweigerern verbindet

Mein Gewicht heute früh: 71,8 Kilogramm. 700 Gramm vom Allzeit-Tiefstgewicht entfernt - und 1,1 Kilogramm weniger als vor zwei Wochen, als ich so enttäuscht über mein Endgewicht war. Ich bin mit meinem Scherzkeks von Stoffwechsel, der mich gerne mal mit unverhersehbaren Gewichtsentwicklungen ärgert, also jetzt wieder versöhnt. Leider werde ich in zwei Wochen nach dem nächsten langen Fastenintervall trotzdem nicht mit einem neuen Tiefstgewicht rechnen können, denn ich muß mich dann auf drei Fastentage beschränken, weil ich am eigentlich vorgesehenen vierten Fastentag zu einer Beerdigung muß, und da möchte ich mich nicht ausschließen, wenn, wie zu erwarten, die Teilnehmer noch zu Speis und Trank eingeladen werden. Ich könnte mich sowieso nicht einfach heimbegeben, da ich auf meine Schwester als Chauffeur angewiesen bin, weil der Ort mit öffentlichen Verkehrsmittel zu kompliziert zu erreichen ist. Aber ich würde das auch nicht wollen, es käme mir respektlos vor.  

Mal sehen, vielleicht faste ich dafür am Freitag noch einen diesmal nicht verbundenen vierten Tag, aber das entscheide ich dann live. Das neue Tiefstgewicht, hoffe ich jedenfalls, wird dann in der ersten Dezemberwoche fällig, wenn ich im Anschluß an die LC-Phase noch ein weiteres langes Fastenintervall anhängen werde. Es sei denn natürlich, das Leben funkt mir auf irgendeine weitere unverhersehbare Weise dazwischen. 

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Vor ein paar Tagen las ich den Rant einer Me/CFS-Patientin über ihre desillusionierenden Erfahrungen mit Ärzten. Wie sie etwa gerade wegen ihrer hohen Kooperationsbereitschaft und ihrer vorauseilenden Bereitwilligkeit, mit einem Krankheitsbild, bei dem auch Ärzten vieles unklar sein mußte, so präzise wie möglich ihre Beschwerden zu beschreiben, bei ihnen wieder und wieder gegen die Wand lief und signalisiert bekam, wie lästig man das fand. Wie die Ärzte gänzlich uninteressiert daran waren, sich mit dem auseinanderzusetzen, das von ihren gewohnten Erfahrungen mit Patienten abwich. Bei einer Krankheit, die den Patienten ohnehin stark schwächt, ist das besonders frustrierend, und entsprechend frustriert war diese Patientin. Leider finde ich den Thread nicht mehr, sonst hätte ich ihn verlinkt. 

Aber tatsächlich ist das für viele ME/CFS-Patienten grauer Alltag, also findet man nahezu überall, wo Betroffene über diese Krankheit erzählen, Klagen über Desinteresse und unangemessene Therapievorstellungen der behandelnden Ärzte, vor allem dann, wenn sie die Erkrankung für psychosomatisch halten, was halt einfach nicht stimmt. Nicht wenige waren anfangs außerdem compliant und haben diese Verschlimmerung am eigenen Leibe durchgemacht. Sie wissen deshalb also etwas, das ihr Arzt auch wissen wollen müßte. Nur, es interessiert die meisten halt nicht. Das ist etwas, was sich Leute nicht vorstellen können, die es bislang noch nie erlebt haben, etwa, weil sie bislang nur Allerweltskrankheiten wie Grippe oder vielleicht mal einen Beinbruch zu beklagen hatten. Tatsächlich sind solche Erfahrungen nämlich gar nichts so Besonderes, es hat nur in diesem Fall überdurchschnittlich schlimme Auswirkungen. Ärzte haben bei allen Krankheitsbildern eher selten ein Interesse daran, von ihren Patienten etwas zu lernen, deshalb ist es immer ein glücklicher Umstand, wenn man mit einem Gesundheitsproblem vor dem Arzt steht, mit dem er bereits vertraut ist und für das er bewährte und erfolgversprechende Behandlungsstrategien hat. 

Im gesamten Bereich der sogenannten "lebensstilverursachten" Krankheiten bewegt sich die Medizin aber beispielsweise auf dem dünnen Eis einer wissenschaftlichen Grundlage, bei der die angeblich gesicherten Ursachen der Erkranung in Wirklichkeit unzureichend verstanden sind, mit der Folge, daß nicht nur wahrscheinliche oder mögliche Irrtümer auch die Therapien durchziehen, sondern auch immer wieder frühere ärztliche Empfehlungen für Patienten wieder zurückgenommen werden müssen. Eier sollte man etwa noch vor zwei Jahrzehnten bei hohem Cholesterinwert möglichst wenige verzehren. Heute rät einem das keiner mehr. Fleisch und tierisches Fett ist mittlerweile eher der Sündenbock. Ob das Nahrungscholesterin das Blutcholesterin aber überhaupt beeinflußt, wird in Fachkreisen seit längerem angezweifelt. Das Problem im Bereich dieser Art von Erkrankungen besteht darin, daß alle Empfehlungen zwar "wissenschaftlich begründet" sind, aber die Wissenschaft die genauen Abläufe und Mechanismen bei der Entstehung der Krankheit gar nicht nachvollziehen kann. Da werden dann aus Beobachtungsdaten, aus denen sich Risikofaktoren zu ergebenscheinen, oft gar zu weitgehende Schlußfolgerungen gezogen. 

Ziemlich sicher bin ich mir, daß es auf diesen gesamten Krankheitenkomplex einen großen Einfluß hätte, würde man die Frage, wie Übergewicht entsteht, wie es sich verhindern oder eine dauerhafte Abnahme bewerkstelligen läßt, noch einmal neu stellen, und zwar auf Basis der Grundannahmen der Intervallfasten- und Low-Carb-Vordenker. Es spielt dabei keine Rolle, ob sie in jedem Detail recht haben, wichtig wäre nur die zentrale Annahme, daß Kalorien entweder gar keine oder eine geringere und/oder andere Rolle spielen, als das bislang angenommen wird. Aus Übergewicht wird nämlich oft Adipositas, aus Adipositas Diabetes, es entstehen Herz- und Gefäßerkrankungen oder Krebs, und im Extremfall haben auch viele der Patienten auf der Organspender-Warteliste eine Vorgeschichte mit Diabetes, vor allem, wenn die Nieren versagen. 

Angesichts der vielbeklagten Kostenexplosion im Gesundheitswesen, die gerade auf die Zunahme solcher Krankheiten zurückzuführen ist, ist es schwer zu begreifen, warum alle so angestrengt in die andere Richtung schauen, anstatt sich der Thematik einmal gründlicher anzunehmen. 

Wie wenig Bereitschaft bei Ärzten besteht, das auch nur in Erwägung zu ziehen, habe ich ja selbst erlebt. Ich erinnere mich noch gut an die Reaktion meines Hausarztes, als ich ihm das Buch von Dr. Fung geschenkt habe. Er hat kein Geheimnis daraus gemacht, daß er es ungelesen an Oxfam verschenken würde, und so sah ich mich auf einmal durch seine Brille: eine bekloppte Verschwörungstheoretikerin. Nun gut, dachte ich, es war einen Versuch wert gewesen, auch wenn mich das hinausgeworfene Geld ärgerte. Damals wog ich noch ungefähr105 Kilogramm. Daß ich durch seine Brille auch keine Person war, die, Stand damals, mehr als 40 Kilogramm abgenommen hatte, sondern nur eine mit mehr als hundert Kilo Lebendgewicht, bei der man mit der Diagnose Fettleber eine Wette mit guten Erfolgsaussichten einging (die er allerdings in meinem Fall verloren hätte), ist mir erst viel später aufgegangen, sonst hätte ich mir den Versuch, ihn für meine bereits erfolgte und noch weiter geplante Gewichtsabnahme zu interessieren, von vornherein gespart. 

Daß ich ihn trotzdem so lange geschätzt habe, lag daran, daß ich von einem Arzt von vornherein nicht erwartet hatte, zum Thema Körpergewicht kompetent zu sein, und ihn dafür auch gar nicht brauchte. Das, wofür ich ihn brauchte, bekam ich bei ihm ja. Ich dachte immer, er werde es ja schon mitkriegen, wie ich meinem Zielgewicht näher komme, und falls ihn auch das nicht ins Grübeln brächte, sei es seine vertane Chance, etwas herauszufinden, das für ihn eigentlich nicht ganz unwichtig zu wissen wäre. Dann kam meine Krebsdiagnose, und jetzt kann ich mir jedes Gespräch über meine Gewichtsentwicklung mit ihm schenken, obwohl sie mittlerweile im Vergleich zu unserem ersten Kontakt minus 30 Kilogramm beträgt und er kaum auf den Gedanken käme, mir eine Fettleber anzudichten. Aber es ist ja sonnenklar, daß er meine seitherige Abnahme ganz einfach auf die Krebserkankung zurückführen würde. 

Das nehme ich ihm noch nicht mal übel. Kaum ein Mediziner würde das anders sehen. Gewichtsabnahme gehört nun einmal zu den Symptomen, die auf eine fortgeschrittene Krebserkrankung im metastasierten Stadium hindeuten - und daß a) meine Krebserkrankung nicht dieses Stadium betraf sowie b) die Gewichtsabnahme aktiv herbeigeführt wurde und sich immer verlangsamte und einmal sogar fast ganz zum Stillstand kam, wenn ich das nicht mit der nötigen Intensität machte, könnte sich zwar jeder Arzt an sich logisch erschließen. Aber inzwischen habe ich so viele blödsinnige Argumente gegen Fasten oder Low Carb bei Krebs gelesen, in denen die angesehensten Experten, etwa die berüchtigte Frau Professorin Hübner, den Unterschied zwischen der spontanen und der - im Falle von Fasten/LC bei Krebs als Nebeneffekt - aktiv herbeigeführten Gewichtsabnahme erkennbar nicht verstanden hatten, sondern im Ernst glaubten, es wäre ausreichend, alleine die Bewegungen des Zeigers der Personenwaage zu kennen, um sie als unheilvoll beurteilen zu können, daß ich es meinem Doc angesichts meiner früheren Erfahrungen mit ihm genausowenig zutraue. 

Vielleicht würde ich diesen Arzt trotzdem immer noch schätzen, wenn er nicht nach meiner Krebsdiagnose immer merkwürdiger geworden wäre. Demnächst will ich mich gegen Corona impfen lassen, und vielleicht sollte ich versuchen, das zum Anlaß zu nehmen, mir hier am Ort einen neuen Hausarzt zu suchen - hoffentlich finde ich aber überhaupt einen, der noch neue Patienten aufnimmt. Von diesem Arzt, das ist mir klar, darf ich aber auch nicht zu viel erwarten. Vermutlich ist es wohl so, daß jüngere Ärzte eher neugierig sind und sich dazu verlocken lassen, eine Abweichung von der erwarteten Regel näher unter die Lupe zu nehmen. Dafür haben aber ältere Ärzte ihre Erfahrung (mit den typischeren Beschwerden ihrer Patienten), und das ist auch nicht zu verachten, wenn man auch neben dem Untypischen zwischendurch auch typischere Krankheiten entwickelt, was ja fast jedem zuweilen passiert. 

Bei einem Leiden wie ME/CFS dürfte die Erfahrung eher Nebensache sein, die brauchen jemanden, der bereit ist, Neuland zu betreten. Diesen Luxus kann ich mir eher leisten, jedenfalls beim Hausarzt. Sollte ich jemals wieder einen Onkologen benötigen - was ich freilich nicht hoffe -, dann stehe ich aber vor einem Problem. Mein aktueller Doc stellte mir, anders als sein Vorgänger, wenigstens nicht aktiv das Bein, was das Fasten betrifft, und seiner langjährigen Erfahrung mit der Behandlung von Brustkrebs konnte ich auch vertrauen. Dafür, daß er von Seyfried vermutlich noch nie etwas gehört hat, kann er nichts, da die Wissenschaft mauert und so was bis in die Arztpraxen gar nicht vordringen kann. Aber Interesse an meinen Vorstellungen zeigte er auch nicht, und ich habe dann auch nicht insistiert, weil ich mir ohne weiteres zutraute, das, was aus meiner Sicht zu tun war, ohne seine Hilfe zu bewerkstelligen. Aber bei einem etwaigen nächsten Mal hätte ich eigentlich lieber einen Arzt, der etwas mehr Interesse für meine Herangehensweise aufbringt und mich im Idealfall sogar aktiv dabei unterstützt und mich berät, wie man das, was ich für richtig halte, trotz der Behandlungsrichtlinien wenigsten teilweise umsetzen kann. Der Haken bei der Sache besteht darin, daß ich nicht wüßte, wo ich ihn herzaubern sollte. 

Krebs ist außerdem eine Fließbandkrankheit, und ich hatte ständig das Gefühl, alles, womit man den geordneten Ablauf sabotiere - von Rückfragen aufwärts - schade anderen Patienten, die ja genauso dringend behandelt werden möchten. Mit so etwas kann ich in einer Abhängigkeitssituation, wie sie, wenn sich Arzt und Patient gegenüberstehen, nur schlecht umgehen, und ich weiche dem, wie in anderen Lebenssituationen, einfach aus, wann immer mir das möglich ist. Ich habe nämlich auch erhebliche Zweifel, daß ich von einem Arzt, durch dessen Brille ich eine Querulantin bin, mit einer besseren Behandlung rechnen kann. Worüber ich mich auch deshalb immer ärgere, das sind die wohlfeilen Empfehlungen, sich als Patient gefälligst auf die Hinterfüße zu stellen, alles zu hinterfragen und sich notfalls gegen seinen Arzt durchzusetzen. So etwas ist erstens alleine schon wegen des Machtgefälles gegenüber dem Fachmann lächerlich und meist zum Scheitern verurteilt, vor allem dann, wenn man keine richtigen Alternativen hat, zu denen man ggf. wechseln könnte. Aber wie bei ME/CFS finde ich es ein Unding, in einer Situation, in der man sowieso schon auf halber Kraft läuft, auch noch Freistilringkämpfe mit dem Arzt durchzuführen, der einen behandeln soll. Und das als Laie gegenüber einem Experten mit Fachwissen. Daß es nötig und manchmal kaum vermeidbar ist, wenn einem sein Leben lieb ist, mag sein, aber es ist eine Zumutung, jedenfalls dann, wenn es nur deshalb nötig wird, weil der Arzt uninteressiert an dem ist, was ihn eigentlich interessieren sollte, nämlich die Heilung exakt des Patienten, der gerade vor ihm steht. 

Ich bin nur zweimal mit einem Arzt in einen Nahkampf gegangen. Der eine war mein Hausarzt, als er meine Gewichtsabnahme auf die konventionelle Art wegerklären wollte und mit dem ich mich am Ende friedlich trennte, worauf jeder seine vorherige Meinung beibehielt, ohne daß unsere gegenseitige Wertschätzung einen Schaden erlitt. Der zweite war mein erster Gynäkologe/Onkologe, der mit dem Fasten ersichtlich keine eigene Erfahrung hatte, sondern nur angelesenes Wissen (obwohl zusätzlich auch noch Ernährungsmediziner), der mir mit meiner jahrelangen Erfahrung Dinge weismachen wollte, die im Widerspruch zu dieser Erfahrung standen. In diesem Fall wäre es wichtig gewesen, daß er verstanden hätte, daß meine praktische Erfahrung für ihn auch wichtig zu wissen gewesen wäre. Aber da war nichts zu wollen. Es endete damit, daß wir uns zum Schluß gegenseitig angeschrien haben und er daraufhin, obwohl zunächst weiter mein behandelnder Arzt, nie mehr mit mir gesprochen hat. Worauf ich bekanntlich den Onkologen gewechselt habe. 

Wenn ich ohne ausreichendes eigenes Wissen vor einem Arzt mit Fachwissen stehe, ist die Sache aber auch für mich sehr viel schwieriger, sollte das, was er empfiehlt, bei mir ungute Bauchgefühle oder Fragezeichen, was die Plausibilität betrifft, auslösen, die ich meinem Empfinden nach aber nicht gut genug begründen kann. Recherche alleine hilft selten weiter, denn im Web findet man eine Bestätigung für alles und dessen Gegenteil. Im Zweifelsfall entscheide ich mich dafür, bin aber - sofern möglich - auf dem Sprung, die Sache wieder abzubrechen, wenn meine Bedenken sich durch die Behandlung verstärken. Bei einer Krebstherapie ist das natürlich nur mit erheblichen Einschränkungen möglich. Deshalb bin ich froh, daß ich mich von der Autorität des Experten nicht habe einschüchtern lassen, und daß das, was ich tun wollte, in Eigenregie auch problemlos möglich war. Rückblickend würde ich nur weniges anders machen, obwohl ich meine Entscheidung ja mehr oder weniger zwischen Tür und Angel treffen mußte, so etwa hätte ich mich beim Fasten nicht nur auf die Tage vor und nach der Chemo beschränkt, sondern zwischendurch die gewohnten Fastentage eingebaut. Das ist auch schon der größte Posten, der Rest sind Kleinigkeiten. Alles in allem war es gut, wie ich es gemacht habe, und jedenfalls war es in Kombination mit der Chemo gut genug, um am Ende eine pathologische Komplettremission zu erreichen. 

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Ein Lotto-Plakat brachte mich mal wieder auf die Frage, warum so viele Leute sich mehr von Coronaimpfungen fürchten als vor der Infektion, und zwar wegen der Gewinnwahrscheinlichkeiten. 1 zu 139 Mio. beträgt die Wahrscheinlichkeit, daß man den Sechser mit Superzahl angekreuzt hat. Bei der Glücksspirale liegt die Chance auf den Haupttreffer bei 1 zu 10 Millionen. Eigentlich läge es da doch nahe, sich die Spieleinsätze von vornherein zu sparen, wie ich das übrigens schon immer gemacht habe, aber Studien zufolge beteiligt sich mindestens ein Drittel der Bevölkerung mehr oder weniger regelmäßig an solchen Lotterien mit eigentlich viel zu geringen Gewinnaussichten. 

Ich nehme an, dieser irrationale Faktor, der die Leute entgegen aller Wahrscheinlichkeiten dazu bringt, Lotto zu spielen, steht auch in Zusammenhang mit der irrationalen Angst vor möglichen negativen Folgen einer Coronaimpfung. Vielleicht hat es damit zu tun, daß der Einzelfall immer stärker beeindruckt als die Statistik. Und das Bild des strahlenden Millionengewinners ist stärker als eine Wahrscheinlichkeitsangabe in Ziffern, ebenso wie das Bild des leidenden oder verstorbenen Impfungsopfers stärker wirkt als die große Zahl derer, die keinerlei Probleme hatten. 

Denn natürlich gibt es beides auch. Trotz niedriger Gewinnwahrscheinlichkeiten gibt es Dutzende von Millionengewinnen pro Jahr beim Lotto. Und sicherlich gibt es auch Dutzende von Impfschädigungen, erkannte und unerkannte. Vielleicht hätte ich inzwischen einen Millionengewinn gemacht, würde ich jede Woche Lotto spielen - obwohl die meisten Lotterieabstinenten keinen gemacht hätten. Und vielleicht hätte der Impfverweigerer tatsächlich einen Schaden davongetragen, obwohl das den meisten anderen nicht passiert wäre. 

Statistik ist halt nicht alles. Jeder hat bei so einer Entscheidung nur ein Interesse an seinem persönlichen Einzelfall. Ich finde den Gedanken wirklich interessant, die Faktoren, die dazu führen, daß jemand regelmäßig Lotto spielt, mal mit denen von Impfverweigerern zu vergleichen. Und/oder andersherum. Bei mir jedenfalls liegt es zweifelsfrei daran, daß ich angesichts der Gewinnwahrscheinlichkeiten keine Zweifel daran habe, daß ich bei Lotto fast mit Sicherheit nur Geld verlieren würde, weshalb ich mir diese unnötige Ausgabe gespart habe und auf den vielleicht durch einen glücklichen Zufall doch möglichen Lottogewinn verzichte. Und genau dasselbe hat mich zur Coronaimpfung motiviert: Ich sehe, daß das Risiko durch die Impfung zwar vorhanden ist, aber so viel geringer als die Risiken einer Infektion, daß mir Impfverweigerung aus Angst vor möglichen Folgen genauso lächerlich vorkommt wie, wegen der Hoffnung auf einen Millionengewinn Lotto zu spielen.  

Trotzdem verhält sich aber eine starke Minderheit von einem Drittel der Bevölkerung genau andersherum. Wüßte man mehr über das, was sie von Leuten wie mir unterscheidet, könnte man vielleicht auch einiges über Impfverweigerer herausfinden. 

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Erst kürzlich schrieb ich eine ziemlich kurze Girlande über vegane Fleisch- und Wurstersatzprodukte, die ja nach dem Willen der EU nicht mehr Schnitzel oder Wurst genannt werden dürfen, was ich für symbolpolitischen Quatsch ohne nennenswerte Wirkung gehalten habe, weder positiv noch negativ. Ich fand die Aufregung darüber übertrieben. Das Unternehmen Rügenwalder Mühle sah die Sache sehr viel weniger entspannt und hat aus seiner Sicht damit natürlich auch recht. Neben den Kosten der Umbenennung und Neugestaltung der Verpackungen kann man nie so genau wissen, wie die Kunden reagieren, wenn ein etabliertes Produkt auf einmal einen anderen Namen bekommt. 

Was ich zuvor aber gar nicht mitgekommen hatte, ist, daß Rügenwalder schon seit 2022 solche Probleme hatte, daß das uralte Familienunternehmen letztes Jahr verkauft wurde. Dabei  waren aber anscheinend nicht die veganen Ersatzprodukte für Wurst das Problem - tatsächlich scheint der Marktanteil von Rügenwalder in diesem Segment immer noch weiter zu wachsen -, sondern mehr das angestammte Sortiment. Ehrlich gesagt, das wundert mich nicht weiter. Nicht, daß ich dabei irgendeine Rolle spielen würde, weil ich ja schon seit Jahren sowieso keine Wurst mehr im Discounter kaufe. Aber ich warte auf den Tag, an dem mein Göttergatte, wenn er mal einkauft, beim Auspacken daheim bemerkt, daß er versehentlich nicht die Teewurst oder Mettwurst, sondern ein veganes Produkt von Rügenwalder in den Einkaufwagen gelegt hat, weil das Design halt doch sehr ähnlich ist und schnell verwechselt wird, vor allem, wenn man es beim Einkaufen eilig hat. Nicht, daß ich der Meinung wäre, davon ginge die Welt unter. Das Zeug kann man ja trotzdem essen, und vermutlich würde ich es auch essen, wenn es erst einmal im Haus ist - es sei denn, es schmeckt mir wirklich überhaupt nicht. Aber ich bin mir ziemlich sicher, daß mein Mann sich darüber maßlos aufregen würde. Und das nächste Mal würde er vorsichtshalber dann gleich die jeweilige Discounter-Eigenmarke wählen, bei der ihm das nicht passieren kann. Das geht sicherlich auch manchen anderen Leuten so, und das kommt natürlich zu den Preiserhöhungen hinzu, die einen Switch zur Discounter-Eigenmarke nahelegen.

Parallel dazu ist es aber auch richtig, daß der Gesamtkonsum von Fleisch und Wurst sinkt, und das war wohl auch der eigentliche Grund dafür, daß Rügenwalder, wo man vor etwa zehn Jahren damit begonnen hat, auch vegane Wurstersatzprodukte zu produzieren, eine Art Wette auf die künftige Entwicklung eingegangen ist, indem man den geschäftlichen Fokus auf das vegane Sortiment legte, weil man annahm, dies sei zukunftsträchtiger für das Unternehmen. Offenbar war man sich sicher, daß Genosse Trend nicht mehr in die Gegenrichtung drehen wird. Das hatte sicherlich auch einen Einfluß auf den Absatz der angestammten Wurstprodukte. Bestimmt kauften danach manche Leute auch aus Ärger über Rügenwalders Fokussierung auf Wurstersatz gar keine Produkte des Unternehmens mehr. Daß der originale Schinkenspicker, den ich früher auch gerne gekauft hatte, nur noch in einer fleischlosen Variante angeboten wurde, kam noch hinzu. (Inzwischen scheint man bei diesem Produkt aber wieder zurückgerudert zu sein. Das ist an mir allerdings vorbeigegangen.) Nun kann man sich darüber streiten, ob es nicht ein bißchen kindisch ist, aus Protest gegen die Veganstrategie eines Wurstfabrikanten die nichtveganen Produkte dieses Unternehmen auch zu boykottieren - denn das führt ja allenfalls dazu, daß das vegane Sortiment einen noch größeren Teil der Produktion von Rügenwalder einnimmt. Aber es kann schon sein, daß vor allem das Unternehmen unterschätzt hat, wie beleidigt ihre angestammten Kunden auf den Strategiewechsel reagieren würden. 

Geschmacklich, das kann ich bestätigen, weil mein Mann sie ja manchmal kauft, sind Rügenwalder-Leber-, Tee- und Mettwürste so gut wie immer. Allerdings trifft das auf die Eigenmarken beim Discounter auch zu. Und wenn ich einen Favoriten unter dieser Art von Produkten bezeichnen müßte, dann wäre das immer noch die Kalbsleberwurst aus dem Verkaufsautomaten eines bestimmten Hofladens, die ich immer mitnehme, wenn es mich zu welcher Tageszeit auch immer dorthin verschlägt. Keine Ahnung, was das Geheimnis dieses Metzgers ist, aber seit ich diese Kalbsleberwurst kenne, finde ich bei jeder anderen, daß ihr irgendeine Kleinigkeit fehlt, von der ich aber nicht weiß, was es ist. 

Die Dauerhaftigkeit des Vegan-Trends hätte man bei Rügenwalder aber mit Blick auf die USA etwas vorsichtiger einschätzen können, denn dort war die Party bereits vorbei, noch bevor Donald Trump sie stören konnte. Und der Trump-Backlash hat es natürlich nicht besser gemacht. Vor allem Beyond Meat scheint es mittlerweile richtig schlecht zu gehen.

 

Mit ein paar Jahren Verzögerung im Vergleich zu den Amis scheinen vegane Ersatzprodukte nun auch bei uns wohl an die gläserne Decke gestoßen zu sein, ab der der Absatz dann wieder rückläufig wird. Skurrilerweise wird das gerade auch von einem kleinen Backlash begleitet - nicht nur durch die Umbenennungszwänge für veganen Fleisch- und Wurst-Ersatz, sondern auch durch eine tendenziell weniger fleischfeindliche Bundespolitik. Das Ende des Hypes liegt aber vermutlich hauptsächlich daran, daß der Vegan-Hype mittlerweile in den Medien viel weniger Raum einnimmt und dadurch auch weniger gepusht wird. Nicht, weil die Medien ihn neuerdings doof fänden, sondern weil man halt eine Menge andere Dinge zu berichten hat, die wichtiger erscheinen. Das macht aus Sicht von Rügenwalder aber natürlich auch den Zeitpunkt, zu dem sie ihre Produkte umbenennen müssen, besonders ungünstig.  

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Stichwort Ersatzprodukte, hier: Low-Carb-Varianten verbotener KH-haltiger Lieblingsgerichte:  

Mein Mandel-Mozzarella-Teig ist heute in zwei Bereichen zum Einsatz gekommen: einmal habe ich versucht, Brötchen zu backen und dann noch Pizza. Die Brötchen waren mir freilich ein bißchen zu bröselig, Grund war, glaube ich, daß der Mozzarellaanteil etwas zu niedrig ausgefallen ist. Aber die Pizza wird ja auch von ihrem Belag zusammengehalten, da fällt das weniger ins Gewicht. Sie ist geschmacklich wie auch von der Konsistenz her recht nahe am Original. Das mit der Konsistenz ist deshalb erwähnenswert, weil manche Low-Carbler sich bei Brot und Brötchen an der fehlenden Knusprigkeit der Kruste stören. Mozzarella im Teig erzeugt tatsächlich einen gewissen Crunsh, der LC-Pizza sonst fehlt. Ach ja, ein bißchen muß man die Pizza abkühlen lassen, damit der Mozzarella im Teig wieder hart wird. Wenn sie heiß ist, ist der Boden zu weich. 

Natürlich schmeckt der Boden trotzdem nicht wie das Original. Vielleicht mache ich deshalb morgen doch keine Pizza, sondern einen Flammkuchen. Warum? Weil mein Mann keine Ersatzprodukte mag. Pizza essen wir außerhalb LC gelegentlich, aber Flammkuchen fast nie. Bei Flammkuchen ist die LC-Variante für ihn also kein gefühltes Ersatzprodukt, sondern etwas eigenes. 


 

 

 


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