Freitag, 28. November 2025

Gibt es eine richtige Wissenschaft in der falschen?

Mein Gewicht heute früh nach dem zweiten von zwei nicht aufeinanderfolgenden Fastentagen diese Woche: 74,1 Kilogramm. Tja - da ist es passiert. In Woche sieben von sieben mit Low Carb kam die Abnahme zum Stillstand, das Gewicht ging sogar um ein paar hundert Gramm rauf. Ich bin zwar der Meinung, daß das wasserbedingt war, denn gestern mußte ich andauernd "für kleine Mädchen" (und ohne das läge mein Gewicht wohl noch höher). Aber eine weitere Abnahme gab es definitv nicht, das kann ich mir nicht schönreden. 

Nun ja. Das soll mir eine Lehre sein. Sechs Wochen Low Carb sind wohl die perfekte Dauer, wenn es mir dabei vor allem um die Wirkung auf das Körpergewicht geht. In die Verlängerung gehen, lohnt sich im Grunde nicht. Die eine Woche früher habe ich aber sowieso nur angefangen, um nicht mit einem langen Fastenintervall einzusteigen, weil ich mich erst auf die geänderte Ernährungsweise einstellen wollte. Das hat auch gut geklappt. Ich habe tatsächlich in der ganzen Zeit nie ernsthaftes Verlangen nach irgendwas "Verbotenem" gehabt, mit einer Ausnahme: vorgestern beim Einkauf, als ich mir Schaumzuckermäuse gekauft und daheim gleich an einer geheimen Stelle gebunkert habe, wo ich sie ignorieren kann, bis ich wieder "darf". 

Mit den Mäusen will ich meinen Mann überraschen. 

Ich habe ja schon länger nicht mehr über unser Mäuseproblem im Haus geschrieben, aber es besteht nach wie vor. Im Sommer, nachdem wir die Therme unters Dach verlegt haben, endete es, was die Küche betrifft. Seitdem haben wir in der Küche keine einzige Maus mehr in der Falle gehabt. Dafür gingen sie von da an mit derselben Regelmäßigkeit im Wohnzimmer in die Falle, und in den letzten Wochen, als es kälter wurde, nahm ihre Zahl so merklich zu, daß mein Mann acht neue Fallen bestellte, weil bei den alten der Schnappmechanismus doch schon ein bißchen ausgeleiert ist. 

Wir brauchten eine Weile, bis wir das Mauseloch - präziser: die Mauselöcher - gefunden hatten, weil wir anfangs dauernd auf der falschen Raumseite nach ihm suchten, wo es aber, wie wir jetzt wissen, gar kein Mauseloch gibt. Mit Hilfe der Webcam mit Bewegungsmelder konnten wir uns, nachdem wir sie mehrmals im Raum anders hingestellt hatten, davon überzeugen, daß das offene Gebälk am Boden in der Mitte des Wohnzimmers, wo es an die Wand zur Küche angrenzt, ein mit bloßem Auge nicht sichtbares Loch enthielt, durch das die Mäuschen in aller Seelenruhe raus und rein huschten. Also wurde dieses Loch geschlossen. Aber am nächsten Morgen war wieder eine Maus in der Falle. Wieder zeigte sich durch die Kamera nach ein paar Tagen, woher sie gekommen war: am selben Balken seitlich. Dieses zweite Loch war verblüffend winzig, man mochte gar nicht glauben, daß eine durchschnittlich große Maus sich da hatte hindurchzwängen können. Aber so scheint es gewesen zu sein, denn seit auch dieses Loch mit einer Metallplatte verschlossen wurde, haben wir auch im Wohnzimmer keine Mäuse mehr in den Fallen vorgefunden.

Dafür sind sie jetzt aber wieder unter dem Dachspitz. 

Interessanterweise sind dort oben aber nahezu ausschließlich sehr zierliche Mäuslein in die Falle gegangen. Wir haben ja Mäuse in den unterschiedlichsten Größen, von der "Mikro-Maus", die vielleicht ein Drittel so groß ist wie eine durchschnittlich große und vermutlich frisch aus Mamas Nest gleich in die Falle ging, bis zur "Mords-Maus", die entweder besonders gut genährt oder vielleicht auch schwanger ist. Eine Mords-Maus hatte ich schon seit ein paar Monaten nicht mehr, was dafür spricht, daß solche Mäuse wirklich trächtig sind, denn Waldmäuse bekommen ja nur zwischen März und Oktober ihre Jungtiere. Die Mikro-Mäuse haben noch einen richtigen treudoofen Kinderblick und die Besonderheit, daß sie sehr unerschrocken und fast schon zutraulich sind. Sicherlich könnte man so ein Winz-Mäuschen leicht zähmen. Dafür sind die größeren, aber immer noch zierlichen Mäuse im Verhalten ziemlich teenagerhaft: Sie sind besonders schreckhaft und randalieren oft sehr lautstark in der Falle - sie sind noch nicht ganz erwachsen, haben aber bereits das Fürchten gelernt. 

Solche Mäuse, wie gesagt, habe ich diesen Herbst (im Sommer gab es oben gar keine Mäuse) fast ausschließlich unter dem Dach vorgefunden. Einmal fand ich aber auch eine normal große Maus und dachte, Mist, jetzt haben sie das Loch wohl vergrößert. Ich war darauf eingestellt, daß nun Mäuse in allen Größen auftauchen würden, aber die Normalmaus blieb ein Einzelfall. Also hat sie sich vielleicht ja mit viel krimineller Energie durch ein eigentlich zu kleines Loch gezwängt. Für so etwas sind unsere Mäuschen eigentlich zu opportunistisch, sie wählen meinem Eindruck nach immer das bequemste Zugangsloch. Das zugehörige Loch muß also noch kleiner sein als das letzte im Wohnzimmer, wenn es Mäusen in Durchschnittsgröße zu unbequem ist. Jetzt kommt also die Kamera nach oben und wird so lange herumgeschoben, bis wir herausgefunden haben, wo dieses Löchlein sich befindet. Ich hoffe nur, daß das nicht an einer der Stellen ist, wo Einbaumöbel uns daran hindern würden, an sie heranzukommen. Was ich nicht weiß, ist, wo die Normalmaß-Mäuse sich nun herumtreiben. Vielleicht suchen sie jetzt ja den Keller heim. 

Man kann gegen Mäuse sagen, was man will, aber mit ihnen wird es jedenfalls nie langweilig. :-) 

 ***

"Es gibt kein richtiges Leben im falschen", behauptete Theodor Adorno, und irgendwo habe ich diesem vielzitierten Satz bereits widersprochen. Er ergibt keinen Sinn, weil es per se nahezu unmöglich ist, irgendwo und irgendwann zu leben, wo der gesellschaftliche Rahmen für das persönlich richtige Leben wirklich richtig ist. Irgendwas ist am Rahmen für den Einzelnen unweigerlich immer falsch, und deshalb paßt man sein Leben entweder dem gegebenen Rahmen an, etwa mit einer Ausbildung, die nicht den persönlichen Fähigkeiten und Neigungen entspricht, weil es innerhalb des Rahmens nicht umsetzbar ist, etwas anderes als dies zu tun. Oder man entzieht sich den unpassenden Anforderungen des falschen Rahmens bestmöglich, sei es sofort und konsequent, sei es zeitverzögert oder auch Stück für Stück im Lauf der Zeit, um innerhalb des falschen Rahmens einen persönlichen besser passenden zu entwickeln. Da sich der Rahmen ja ebenfalls verändert, etwa von falsch auf etwas richtiger oder umgekehrt, ist das letztere der häufigste Fall. So mache ich das ja auch, denn ich befinde mich sehr eindeutig innerhalb eines Rahmens, der in den letzten zwanzig Jahren auf unterschiedlichsten Ebenen immer falscher für mein richtiges Leben geworden ist. Aber das heißt noch lange nicht, daß dies mein Leben unrichtig macht. Das wäre nur dann der Fall, wenn ich nicht auf die äußeren Veränderungen reagieren würde, sondern das vorher Richtige stur weitermachen würde, obwohl es längst nicht mehr paßt. 

Ich glaube freilich, eine Menge Leute tun so etwas nicht und wundern sich, wenn andere es tun. Kürzlich mußte ich zu einer Beerdigung, wo ich eine Menge Verwandte traf, die ich schon länger nicht mehr gesehen hatte, und wie es kam, daß wir ein Haus gekauft haben, mußte ich natürlich mehrmals erklären, aber einmal mußte ich auch nach bohrenden Fragen, warum ich denn als bekennender Stadtmensch auf einmal nicht mehr in der Stadt wohnen wolle, dazusagen, daß ich mich eben alle zehn bis zwanzig Jahre noch einmal ganz neu erfinde. Von meinen Verwandten hätte das wohl kaum jemand getan. Aber von ihnen hätte auch kaum jemand seinen Beamtenstatus aufgegeben, wie ich das vor einem knappen Vierteljahrhundert tat, um mich stattdessen selbständig zu machen. Das ist bestimmt eher eine Temperaments- als eine Altersfrage, auch wenn Leute im Alter von mir und meinen Cousins und Cousinen, sofern die Erwerbslaufbahn halbwegs normal verlaufen ist, im Ruf stehen, saturiert und nicht mehr sonderlich scharf auf größere Veränderungen zu sein. 

Ein ähnliches Problem besteht auch innerhalb der Wissenschaft; man hält sich dort gerne an vertraute Grundannahmen, die nicht in Frage gestellt werden. Wo aber auf Basis falscher Grundannahmen geforscht wird, sind wirkungsvolle Lösungen als Ergebnis zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber doch eher selten. Man denke dabei etwa daran, wie sich die Astronomen über Jahrhunderte hinweg die Zähne an den Berechnungen der Planetenbahnen ausgebissen haben, die nie passend zu dem Beobachtbaren ausfielen. Bis jemand auf die Idee kam, anstelle der Erde die Sonne ins Zentrum der Planetenbewegungen zu setzen - und auf einmal stellte sich heraus, daß es auf diese Weise ganz einfach zu berechnen war. Falsche Grundannahmen sind  verzeihlich, wenn es umöglich ist, sie als falsch zu erkennen. Aber es gibt Situationen, in denen ist es schwer zu begreifen, warum die Wissenschaft immer so entsetzlich lange braucht, um auf Hinweise, daß man in einer Annahme falsch lag, endlich mal zu reagieren. Das gilt noch mehr, wenn parallel dazu in der Gesundheitspolitik pausenlos mit viel Getöse rein symbolpolitische angeblich gesundheitlich unverzichtbare Maßnahmen eingeführt werden, obwohl durch sie - auch nach gängigen wissenschaftlichen Maßstäben - offensichtlich kein oder nur ein sehr geringer meßbarer gesundheitlicher Nutzen zu erwarten ist. 

Das gilt etwa für die Masernimpfpflicht, die auch bei einer sowieso nicht erreichbaren maximalen Durchsetzung vielleicht in einem Jahrhundert fünf bis sechs Todesfälle verhindern könnte. Die Impfquoten bei Kindern hat die Impfpflicht aber sowieso nur marginal erhöht. Ich ahne auch, woran das liegt - das wirkliche Problem waren nie die Impfverweigerer, sondern Vergeßliche und schlecht Erreichbare. Niemand findet es offenbar nötig, nach Lösungen zu suchen, wie man solche Leute bessere erreichen kann als bislang. Es scheint der Bürokratie ausreichend, sie, falls man zufällig auf sie stößt, des Gesetzesbruchs bezichtigen zu können. Irgendwie macht es der Gesundheitspolitik wohl einfach mehr Spaß, Sündenböcke bestrafen zu dürfen, als effektive Lösungen zu suchen und umzusetzen. Nutzlose Symbolpolitik sind auch die im Landeskabinett beschlossenen neuen Maßnahmen, die in Baden-Württemberg angeblich die Gesundheit von Nichtrauchern besser schützen sollen, aber zum allergrößten Teil Rauchen unter freiem Himmel reglementieren, etwa an Haltestellen oder Spielplätzen. Oder für den hochgradig schwachsinnigen Nutriscore. Alle drei Beispiele haben einen so geringen gesundheitlichen Nutzen, daß der - natürlich aber von niemandem jemals berechnete - zu erwartende Schaden durch Nebenwirkungen unter dem Strich fast zwangsläufig zu einer Negativbilanz führen muß. 

In einer Sache, die so viele und so schwerwiegende gesundheitliche Folgewirkungen hat wie Adipositas, klammert man sich aber weiterhin überwiegend an Grundannahmen, bei denen man eigentlich längst hätte darauf kommen können, daß mit ihnen irgendetwas nicht stimmen kann. Faustformel: Wenn man eines schönen und hoffentlich nicht mehr zu fernen Tages die richtige Lösung gefunden hat, wird sie daran zu erkennen sein, daß der Bevölkerungsanteil mit Adipositas nicht mehr steigen, sondern sinken wird. Alle bejubelten neuen Entwicklungen wie die Abnehmspritze müssen sich an diesem wichtigsten Erkennungszeichen messen lassen. Führen sie nicht zum Sinken, waren sie noch nicht die Lösung, die eigentlich gebraucht wird. 

Bei Krebs ist die Sache ähnlich, auch in dem Teil der Krebserkrankungen, bei denen es keine meßbare Überschneidung zu Adipositas und/oder einer ihrer Folgeerkrankungen gibt. Neulich hörte ich einen Podcast mit einer sympathischen und engagierten Tübinger Krebsforscherin, Dr. Hanna Heikenwälder, der bei mir höchst zwiespältige Gefühle auslöste. Von Frau Dr. Heikenwälder - sie ist ungefähr im Alter meines Sohnes - habe ich tatsächlich einiges Interessante über Krebs erfahren, das mir neu war bzw. ich noch nie aus der beschriebenen Richtung betrachtet hatte - und ich bin nach meinen guten Erfahrungen mit der Immuntherapie natürlich die letzte, die abstreiten könnte, daß auf Basis der Forschungszielrichtungen der letzten zwei, drei Jahrzehnte nachweisliche Erfolge erzielt wurden. Trotzdem sind das, von wenigen Ausnahmefällen wie "meinem" HER2-positiven Krebs abgesehen, nur kleinere Verbesserungen, und ein Teil davon ist außerdem darauf zurückzuführen, daß man davon abgekommen ist, Krebspatienten immer mit dem Maximum an Zellgiften zu traktieren, das möglich ist, ohne sie damit auf der Stelle umzubringen. 

Einen wirklichen Durchbruch würde man auch bei Krebs an den Statistiken erkennen, und zwar dadurch, daß ein Rückgang der Todesfälle durch Krebs - bei allen Arten von Krebs - mit bloßem Auge durch einen Laien in den Todesfallstatistiken erkennbar wäre. So, wie das beim plötzlichen Kindstod auch gewesen ist, nachdem man sich nach wissenschaftlich völlig unbegründetem jahrelangen Zögern endlich dazu durchgerungen hatte, Eltern vor dem möglichen Auslöser Bauchlage zu warnen. 

Wohlgemerkt, es reichte beim plötzlichen Kindstod eine reine Empfehlung bzw. Warnung. Ein Bauchlagenverbot durch den Gesetzgeber war nicht erforderlich. Das gibt immerhin zu Optimismus Anlaß: Auch bei Adipositas besteht das Problem höchstwahrscheinlich im Moment nicht etwa darin, daß die Leute sich hartnäckig falsch verhalten, sondern darin, daß die Empfehlungen nicht so funktionieren, wie sie es sollten. Und was den Krebs betrifft ... Nun, Krebsbehandlungen, das erwähnt Frau Dr. Heikenwälder völlig zu Recht, stehen im Ruf, genauso schlimm zu sein wie die Krankheit selbst. Nicht ganz einverstanden bin ich aber, wenn sie dem entgegenhält, daß dieser Ruf mittlerweile ziemlich unverdient sei. Bei Krebstherapien bekommen die meisten tatsächlich das, wovor sie sich vorher fürchten, nämlich unangenehme bis kaum erträgliche Nebenwirkungen. Wenn man aber zusätzlich damit rechnen muß, trotzdem bald zu sterben, dann ergibt es aus Patientenperspektive eine Menge Sinn, sich nicht früher als zwingend erforderlich mit der Frage zu befassen, ob die Uhr in einem drinnen insgeheim bereits tickt. 

Das Bild vom Krebs als heimtückischer Killer, der einen nicht mehr aus den Klauen lassen wird, so lange, bis man tot ist, ist ein Früherkennungshindernis. Ironischerweise wurde dieses Schreckensbild erheblich verstärkt durch die dramatischen Darstellungen des gräßlichen Schicksals, dem man nur entgehen kann, wenn man dies tut oder jenes unterläßt, wie das die Grundlage der handelsüblichen Präventionskampagnen ist. Kaum ein Mensch, der noch nie aus der Nähe mit Krebs zu tun hatte, hat außerdem eine Vorstellung davon, daß die Diagnose Krebs wirklich viel weniger Grund zur Panik bietet, wenn er im Frühstadium entdeckt wird - was ja der Sinn der Früherkennung ist. In den Köpfen sitzt sie sehr fest, die Vorstellung, daß jeder Widerstand am Ende zwecklos sein wird. Daß man Krebs scheinbar erfolgreich hat behandeln lassen, und er nach einer kurzen Frist wie ein Schachtelteufelchen doch wieder aufpoppen wird. Wir "wissen" solche Dinge durch Erlebnisse in Familie und Freundeskreis, durch die Bücher von Werner Schneyder und John Irving, durch Serien wie "Breaking Bad" und so weiter. Das aber macht eine möglichst frühe Erkennung eines Tumors zu einer eher fragwürdigen Errungenschaft. Man muß sich dann ja doch nur noch länger als andernfalls mit Chemotherapien und allem möglichen abscheulichen Zeug quälen lassen. Erfährt man erst sehr spät von einer Krebserkrankung, hat man genausoviel Lebenszeit zu erwarten, aber ein Teil davon war noch nicht durch die Krankheit und deren Behandlung beeinträchtigt. Aus Blickwinkel eines durchschnittlich informierten Patienten stimmt bei der Früherkennung in so vieler Hinsicht die Kosten-Nutzen-Rechnung nicht, daß es fast erstaunt, daß trotzdem so viele die Früherkennung nutzen. Das mag vielleicht aber daran liegen, daß sie so gerne verfälschend als "Krebsvorsorge" bezeichnet wird. 

Dagegen kann nur eine Entzauberung von Krebs in eine vielleicht nicht heilbare, aber gut zu managende chronische Krankheit helfen. Das ist, glaube ich, auch eine Frage der Überlebenszeit. Vor Diabetes fürchtet sich beispielsweise kein Mensch, obwohl eine Menge Todesfälle ganz oder zum Teil auf ihn zurückzuführen sind - weil die Leute selbst oder bei anderen miterleben, daß man mit Diabetes ganz ordentlich noch viele Jahre lang leben kann. Genau das muß eine kritische Masse von Patienten und deren Angehörigen auch bei Krebs erleben, wenn man dem Horror vor Krebs, der ja sonderbare Blüten treiben kann, ein Ende setzen will. 

Angesichts dessen setzt es mich schon in Erstaunen, daß ein seriöser und in seinem Fach anerkannter Wissenschaftler wie Thomas Seyfried, der behauptet, bei Krebs wäre ein Durchbruch erzielbar, und das meiner bescheidenen Meinung nach durchaus plausibel zu begründen und überzeugend zu belegen vermag, weder diskutiert noch auch nur angegriffen, sondern kurzerhand ignoriert wird. Bis heute warte ich vergeblich darauf, daß aus Fachkreisen jemand ihn fachlich zu zerlegen versucht, und das Erscheinen seines Buches "Cancer as a Metabolic Disease" ist mittlerweile länger als zehn Jahre her. Ich habe meine eigene Theorie entwickelt, was der Grund für dieses ohrenbetäubende Grillenzirpen in der Fachwelt ist. Seyfrieds Thesen durch praktische Anwendung der von ihm skizzierten therapeutischen Einsatzmöglichkeiten parallel zu und neben einer Chemotherapie in der Praxis zu überprüfen, ohne daß damit eine nennenswerte Gefährdung der Gesundheit und des Wohlbefindens der Patienten verbunden wäre, wäre dabei so einfach, daß es eine Tragödie ist, daß Fachleute, auf die Onkologen sich verlassen, dies ohne vernünftige Gründe sabotieren.  

Ich hätte mich brennend dafür interessiert, was Frau Dr. Heikenwälder zu Seyfried meint und ggf. gerne auch, warum sie seine Annahmen für falsch hält, falls sie das tun sollte. Aber sie machte dasselbe wie nahezu alle, sie erwähnte ihn einfach nicht. Interessant fand ich aber, daß Frau Dr. Heikenwälder dennoch Fasten bzw. die Fasting Mimicking Diet für empfehlenswert hält, mit Valter Longo vertraut ist und an einer Stelle - wiewohl meinem Eindruck nach etwas zögernd - Dr. Michalsen von der Charité erwähnte, mit dem ich mich vor Beginn meiner Chemo auch einmal befaßt hatte. Gerade dessen Fasten-Konzept ergibt allerdings im Rahmen von Seyfrieds Annahmen sehr viel weniger Sinn als andere Modelle (obwohl es ohne Frage besser ist als das, was einem normalerweise zur Ernährung bei Krebs empfohlen wird). Ich fand es aber außerdem schon wenig überzeugend, noch bevor ich Seyfrieds Namen zum ersten Mal gehört habe. Es ist mir zu stark von der Logik des Heilfastens beeinflußt. Heilfasten hat schon Helmut Kohl während der achtziger und neunziger Jahre nicht geholfen, eine halbwegs passable Figur beizubehalten. Wenn ein Konzept in seinem Kernbereich schon so viel weniger tauglich ist, um die versprochenen Ziele wirklich zu erreichen, dann bezweifle ich, daß es begleitend zu einer Krebsbehandlung die wirksamere Methode sein soll als mein eigenes Fastenkonzept, mit dem ich besagte Ziele zu erreichen vermochte. 

Im Gegensatz zur Therapie einer Krebserkrankung verändert sich, wenn es um Prävention geht, vergleichsweise wenig, wenn man Seyfrieds Annahmen zugrunde legt, mit Ausnahme des Bereichs Ernährung. Nach Seyfrieds Erkenntnissen kann es bei der Bewegung aber auch ein Zuviel geben, das die Aussichten der Therapie wieder verschlechtert, indem es Entzündungsreaktionen hervorruft. Das wiederum kollidiert mit der (unbewußten) Annahme "Je mehr, desto besser", das heute fast jeder zu glauben scheint. Wie das bei Frau Dr. Heikenwälder ist, kann ich nicht sicher sagen, aber mir fiel auf, daß sie Sport als Präventionsmittel sehr überbetont. Das mag daran liegen, daß sie nach eigenem Bekunden sehr gerne Sport treibt - was natürlich der beste Grund von allen ist, es auch wirklich zu tun. Ich frage mich, ob die Forscherin die Arbeit von Herman Pontzer wohl kennt und was sie darüber denkt. Daß ich mich außerdem darüber ärgere, wenn "Bewegung um der Bewegung willen" anscheinend für so viel heiliger gehalten wird als Alltagsbewegung - auch wenn Art und Intensität vergleichbar wären -, daß man nur mit Sport das Himmelreich erreichen können soll, erwähnte ich diesmal nur, weil es mich wieder geärgert hat; darüber habe ich an anderen Stellen aber weiß Gott schon mehr als genug geschrieben. 

***

Der ganze Komplex der Prävention ist eine zweischneidige Sache, deshalb finde ich es eher unangenehm, daß Frau Dr. Heikenwälder Dinge sagt wie, daß die Hälfte aller Krebsfälle durch Prävention vermeidbar seien. In der Realität, in der ich lebe, sind die 100 % Compliance, die dem zugrunde gelegt werden, genauso falsch wie 100 % sachliche Richtigkeit der Präventionsratschläge. Solche Behauptungen sind erstens sinnlose Luftbuchungen und zweitens, auch wenn sie rechnerisch begründet werden können, gar nicht hilfreich, sondern eher eine Drohkulisse, die jedem Patienten nach seiner Krebsdiagnose vermittelt, daß er mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % selbst schuld daran ist, daß er Krebs bekommen hat. Schlimmer noch, die Leute um ihn herum werden das auch denken, und zwar einschließlich ihrer Onkologen, und die Taktloseren unter ihnen werden das dem Patienten gegenüber auch so aussprechen. Es spielt keine Rolle, ob die Forscherin - wie sie auch an einer Stelle zum Ausdruck brachte - gar nicht so verstanden werden wollte. In dem Fall sollte sie es so nicht sagen, weil es unvermeidlich ist, daß das bei einem Teil der Leute exakt so ankommt, wie sie nicht verstanden werden will. 

Diese ganze offene und unterschwellige Sünde-Buße-Erlösungs-Matsch, mit dem sowohl Prävention als auch Therapie im Fall von Krebs umzugehen haben, wird immer mehr zu einem selbst gesundheitsschädigenden Faktor. In den USA etwa gibt es ja seit einiger Zeit unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf ein Lungenkrebsscreening, und immer mal wieder liest man erstaunt bis leicht beleidigt klingende Meldungen, daß soviele Berechtigte das undankbarerweise gar nicht in Anspruch nehmen. Ehrlich gesagt, mich erstaunte das gar nicht. Das Screening zielte auf die nach Meinung der Wissenschaft am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen ab, und das waren aktive Raucher sowie ehemalige Raucher, bei denen der Rauchstopp maximal 15 Jahre her ist, in den Altersgruppen, in denen Lungenkrebs am häufigsten auftritt. Rauchen ist aber - in den USA noch mehr als bei uns - dermaßen stigmatisierend, daß die Teilnahme am Screening als eine Art Bußübung aufgefaßt werden muß. Das fiel jetzt endlich auch dort jemandem auf. Es ist kein Wunder, daß aktive Raucher das im Zweifelsfall eher vermeiden. 

Die Sache wird aber noch verzwickter. Denn aus der Studie, auf die sich sich der verlinkte Meinungsartikel bezog, ergab noch ein anderes Ergebnis, das den Sinn der momentanen Vorgaben für das Screening zweifelhaft macht: Zwei Drittel der Lungenkrebspatienten in der Studie hätten die Voraussetzungen für das Screening von vornherein nicht erfüllt. Von diesen zwei Dritteln hatten außerdem 38 Prozent niemals geraucht. Sowohl bei den gescreenten wie bei den nicht gescreenten Lungenkrebskranken war außerdem die deutliche Mehrheit - um die 60 Prozent - Exraucher. Diejenigen, die am Screening teilnahmen, hatten maximal 15 Jahre zuvor mit dem Rauchen aufgehört, im Durchschnitt waren es zwischen fünf und sechs Jahren. Bei den Nichtgescreenten lag der Rauchstopp dagegen durchschnittlich schon 24 Jahre zurück. 

Es gibt zu denken, daß sich die Anteile der Ex-Raucher in den Gruppen der Gescreenten und der Nichtgescreenten trotzdem nur geringfügig voneinander unterschieden haben - 61 vs. 57 Prozent. 

Nun wird gefordert, die Screeningkriterien zu verändern und rein nach Alter ohne Frage nach dem Rauchstatus zu screenen, um einen möglichst großen Teil der Lungenkrebserkrankungen durch höhere Beteiligung frühzeitig zu erkenne. Klingt eigentlich ganz vernünftig. Ich tippe aber darauf, daß die Beteiligung trotzdem ein gutes Stück hinter den Wünschen zurückbleiben wird, solange Lungenkrebs nicht, so komisch sich das anhört, endlich mal einen "besseren Ruf" bekommt. Das gilt zwar grundsätzlich für alle Arten von Krebs, aber der Lungenkrebs ist heute ungefähr das, was Syphilis im 19. Jahrhundert war. Der Lungenkrebstod des Rauchers entspricht der Hölle, in die der verstockte Sünder kommen wird. Er gilt als verdient, und viele Raucher glauben das auch selbst, wenn sie die gefürchtete Diagnose bekommen. Nichtraucher, die an Lungenkrebs erkranken, leiden deshalb aber noch mehr als Raucher, weil ihnen die verhängte Strafe unverdient erscheint und weil sie ständig befürchten müssen, daß andere aus der Art der Bestrafung, die sie bekommen haben, auf die Art ihrer Sünde schließen zu können glauben. Im unangenehmsten Fall stehen sie dann in deren Augen auch noch als Lügner da. 

Kollateralschäden! Unangenehm, aber schwer zu verhindern. Ob man sie hätte vermeiden können oder gar müssen, sei dahingestellt. Mittelfristig ist es nämlich gut möglich, daß sich die Sache mit der Stigmatisierung von selbst verändert. Man darf nämlich gespannt sein, wie sich die Häufigkeit von Lungenkrebs entwickeln wird, wenn es immer weniger dieser Art von langjährigen Exrauchern gibt, bei denen man die Erkrankung so gerne auf ihr früheres Rauchen schiebt, weil das halt so schön bequem ist. Der Anteil der Niemals-Raucher unter jungen Leuten im Alter von 18 bis 25 stieg von 10 % im Jahr 1973 (dies entspricht den Geburtsjahrgängen 1948 bis 1955, also den heute 70- bis 77jährigen) auf über 44 % im Jahr 2018. Was, wenn der Rückgang beim Lungenkrebs deutlich niedriger ausfällt, als er angesichts dieser Entwicklung eigentlich zu erwarten wäre? Bei Lungenkrebs steigt der Anteil der lebenslangen Nichtraucher unter den Erkrankten ja schon länger. 

Ein enttäuschend geringerer Rückgang der Erkrankungsfälle als erwartet, wenn die Generation der heute 25- bis 32jährigen (der 18- bis 25-jährigen von 2018) einmal die 70 überschreitet, würde bedeuten, daß man bei Rauchern die Anteile anderer Faktoren als Krankheits(mit-)auslöser die ganze Zeit unterschätzt hat. Undenkbar ist das nämlich nicht. Das Absinken der Lungenkrebshäufigkeit bei Männern lief ja nicht nur zeitlich plausibel mit dem Rückgang des Rauchens bei Männern konform, sondern ebenso mit dem Zeitraum, in dem enorm viele Industriearbeitsplätze verloren gingen und bei den verbleibenden der Arbeitsschutz auch im Bereich der Schadstoffbelastungen deutlich verschärft wurde. Schornsteine und Autoauspuffs bekamen Katalysatoren. Asbest wurde verboten. Das sind nur die relevanten Faktoren, die mir auf Anhieb einfallen, bestimmt gibt es noch weitere. Die spannende Frage lautet: Wie hoch war deren Anteil am Rückgang beim Lungenkrebs? 

Um mit eigenen Augen sehen zu können, wie sich das entwickelt, muß ich wohl mindestens hundert Jahre alt werden. Aber sollte man sich nicht ehrgeizige Ziele setzen? Gerade als Raucher? ;-)  

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Was ich gar nicht wußte, ist, daß es seit ein paar Jahren eine Studie gab, die eine positive Wirkung von homöopathischen Mitteln begleitend zu einer Lungenkrebsbehandlung nachzuweisen versuchte und den Anschein erweckte, dies sei auch gelungen. Diese Studie wurde jetzt offiziell wegen methodischer Mängel eingestampft. Ich nehme an, diese Maßnahme war berechtigt, aber das neandertalerhafte Triumphgeheul der Homöopathiefeinde stößt mich doch sehr ab. Man glaubt geradezu den Sabber zu sehen, der diesen Leuten das Kinn runterläuft. Gleichzeitig finde ich es aber interessant, daß sie offenbar fünf Jahre lang mit leidenschaftlichem Einsatz um dieses Ergebnis gekämpft haben. So viel Mühe macht man sich in der Wissenschaft offenbar nur, wenn es um mehrheitlich zutiefst verhaßte Außenseitermeinungen geht. Rainer Klement war in der Coronazeit mal an einer Studie zu Coronaimpfungen beteiligt, der dasselbe passierte (vermutlich ebenfalls mit guter Begründung). 

Beide Studien wurden aber zunächst publiziert. Wie kommt das eigentlich, daß sie in seriösen Fachzeitschriften durch das ach so zuverlässige Peer-Review-Verfahren durchschlüpfen konnten, auf das alle immer so pochen? Und wievieles, das lediglich nicht spontan auf so viel offene Feindseligkeit stößt, weil es Ergebnisse hatte, die erwünschter sind oder jedenfalls näher am Erwartbaren, hätte eigentlich dieselbe Behandlung verdient? Hier gibt es schon eine Schieflage, was das Identifizieren von Fehlerhaftem betrifft. Dieses Phänomen jedenfalls macht es  noch um einiges bedeutsamer, daß niemand sich an die Aufgabe heranzuwagen scheint, Thomas Seyfrieds inzwischen sehr zahlreiche Studien in ähnlicher Weise anzugreifen. Qualitativ müssen sie sehr viel härtere Brocken sein als das, was Homöopathen zustande bringen. 

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Nun stehen mir noch drei Low-Carb-Tage bevor, bei denen ich schon weiß, was wir essen werden. Heute abend gibt es einen Wurstsalat, kombiniert mit Mandel-Mozzarella-Muffins - der übliche Wunderwaffen-Teig, nur mit einem Ei zusätzlich und das Eiweiß zu Eischnee geschlagen, damit die Sache schön locker wird. Morgen mache ich noch einmal aus dem normalen Wunderwaffen-Teig einen Flammkuchen, und am Sonntag Fleischküchle mit Krautsalat. 

Eine neue kulinarische Errungenschaft diese Woche war eine sehr leckere Blumenkohlsuppe mit Bacon und gerösteten (Low-Carb-)Brotwürfeln. Ich hatte noch Räucherwurst reingeschnitten, aber nachträglich finde ich, eigentlich hätte der Bacon alleine auch gereicht. 

Das mit dem Brot war übrigens diesmal so eine Sache. Ich habe ja immer samstags gebacken und neben dem Backmischungsbrot ein paar wirklich gute Sorten ausprobiert, etwa ein Walnußbaguette. Aber die benötigten Mengen hatte ich gar nicht im Griff, und so habe ich immer nach dem Wochenende Brot übrig gehabt und einiges davon eingefroren. Das gab's bei mir dann immer unter der Woche an Eßtagen zum Frühstück, meistens habe ich es in der Pfanne in Butter angebraten, in der Form esse ich es auch gerne, wenn normales Brot übriggeblieben und schon etwas hart geworden ist. Und natürlich lag es da auch nahe, auch geröstete Brotwürfel zur Suppe zu machen. 

Auf Rat meiner Mutter habe ich im Internet gesucht, ob man mit unreifen Feigen noch etwas anfangen kann, weil der erste Frost alle Hoffnungen auf weitere Reifung der restlichen Feigen zunichte gemacht hat, und tatsächlich ein  Rezept gefunden. Jetzt habe ich vier Gläser grüne Feigen in Sirup und lasse mich überraschen, wie das schmeckt. Aber weil der Sirup natürlich größtenteils aus Zucker besteht, muß ich damit noch ein paar Tage warten. Das macht aber nichts, es schadet gar nichts, wenn das noch ein Weilchen durchzieht. Für die nächsten Tage habe ich ja genug Lebkuchen, und der ist so Low-Carb-konform, wie man sich das nur wünschen kann.  

Seit zwei Tagen haben wir außerdem eine Gefriertruhe in Keller stehen, mein Mann hat sie spontan am Black Friday bestellt, nachdem ich ihm ahnungslos den Link zu dem Angebot geschickt hatte, weil mir diese Truhe wegen ihres besonders niedrigen Energieverbrauchs auffiel. Das Black-Friday-Angebot war reiner Zufall, das Werbegetöse darum ist mir eigentlich eher lästig. Da mein Mann gerade eifrig die Einzelteile unserer von ihm selbst entworfenen neuen Einbauküche zusägt, die er irgendwann nach Weihnachten einpassen will, hatte ich eigentlich die Gefriertruhe noch zurückstellen wollen, denn wir werden im Zuge des Einbaus der Küche auch die zu schmale Spülmaschine und den Backofen, der mir zu viele Ausfallerscheinungen zeigt, ersetzen. Aber andererseits: eine weitere geplante Anschaffung, die wir erledigt haben. Bei unserer lokalen Bezugsquelle für Wild habe ich jetzt gleich eine größere Bestellung aufgegeben. Außerdem werde ich einen Teil der Quitten und Zucchini in die Gefriertruhe auslagern, denn unser Gefrierteil des Kombigeräts in der Küche ist knallvoll. 

Jetzt bin ich mal gespannt, ob wir mit zusätzlichen 200 Litern Raum für Gefriergut auskommen werden. Ein Nachbar, dem ich davon erzählte, lachte nämlich nur und meinte, wer einen Garten habe, bräuchte mindestens zwei Gefriertruhen. 

 

 


Montag, 17. November 2025

Wir teuren Krebspatienten

Mein Gewicht heute früh zu Beginn des dreitägigen Fastenintervalls: 75,4 Kilogramm. Das ist mein niedrigstes Vor-Fasten-Gewicht ever, wenn auch nur knapp. Während des fehlgeschlagenen Endspurts lag zu Beginn des letzten langen Fastenintervalls im April 2024 mein Vorher-Gewicht bei 75,5. Wahrscheinlich hätte es mit vier Fastentagen also geklappt mit einem neuen Tiefstgewicht - aber so isses jetzt halt, daß die Umstände das nicht zulassen. Ich hoffe aber zuversichtlich, daß das abschließende lange Fastenintervall in der ersten Dezemberwoche im Anschluß an die Low-Carb-Phase es mir endlich beschert. Immerhin, mein heutiges Gewicht liegt 3,8 Kilogramm unter dem, mit dem ich vor fünf Wochen  in Low Carb gestartet bin. Das dürfte etwa zur Hälfte Wasser sein. Der Rest müßte echte Gewichtsabnahme sein - die ich im übrigen um den Bauch herum im Spiegel auch sehen kann. Bei knapp 400 Gramm durchschnittlicher "echter" Abnahme pro Woche Low Carb könnte zum Ende der ersten Dezemberwoche bei mir eine Netto-Abnahme von drei Kilo herausgesprungen sein und ich könnte dann damit rechnen, trotz der wasserbedingten Wiederzunahme, wenn die Kohlenhydrate wieder fließen, Mitte Januar mit unter 77 Kilogramm wieder in Low Carb reinzugehen. 

Falls das klappen sollte, könnte ich Anfang März wohl wirklich bei meinem Zielgewicht ankommen. Falls ich es doch verpassen sollte, wird das aber in jedem Fall knapp genug sein, daß ich mich vielleicht ja doch noch zu einer neuen Endspurt-Variante hinreißen lasse, über deren genaue Ausgestaltung ich mir aber erst dann Gedanken mache, falls sich abzeichnet, daß das spruchreif werden könnte. 

Es bleibt spannend, denn es ist auch möglich, daß sich meine Abnahme zum Schluß von LC hin doch wieder verlangsamt - das habe ich auch schon gehabt.  

***

Über die Entdeckung, daß mRNA-Coronaimpfungen die Wirkung von Immuntherapien bei Krebs verbessern, schrieb ich neulich schon, aber das begeisterte Interview im Scientific American reiche ich als Nachklapp jetzt auch noch nach, obwohl mir keine wirklich neuen Aspekte der Sache darin aufgefallen sind. Merkwürdig finde ich es allenfalls, daß die Publikumsmedien sich über diese Sache nicht viel heftiger überschlagen; es wird zwar darüber berichtet, aber eigentlich hätte das BILD tagelang als Titelschlagzeile bringen müssen. Tatsächlich ist es ja so, daß diese Sache keineswegs darauf beschränkt werden muß, einfach nur die Coronaimpfung zum Bestandteil der Krebsbehandlung zu machen, da tun sich eine Menge Möglichkeiten zur Weiterentwicklung und Optimierung auf. Was mich besonders interessieren würde, ist, ob die Kombination Immuntherapie plus mRNA-Impfung Immuntherapien auch bei Krebsarten auf einmal wirksam machen würde, bei denen sie sich bislang nicht bewährt hat.  

Immuntherapien haben den einen Haken, daß sie so verflixt teuer sind, und je neuer sie sind, desto teurer. Fünfmal Pertuzumab hat bei mir die Krankenkasse mehr gekostet als das Trastuzumab für ein komplettes Jahr - einer der Gründe, warum ich ganz froh bin, daß meine pathologische Komplettremission es unnötig machte, auch Pertuzumab ein volles Jahr lang alle drei Wochen zu verabreichen. (Der zweite Grund bestand natürlich darin, daß ich keineswegs scharf darauf war, ein komplettes Jahr lang alle drei Wochen ein paar Tage mörderische Verstopfung und anschließenden explosionsartigen Durchfall zu genießen. Auch wenn ich damit erforderlichenfalls hätte umgehen können.) 

Daß das teuer ist, ist auch dem dafür eigentlich gar nicht zuständigen Drogenbeauftragten der Bundesregierung aufgefallen, der meinte, bei einer Talksendung der Welt dazu öffentlich seine Meinung äußern zu müssen, womit er sich prompt nicht nur einen Shitstorm, sondern auch, schon ungewöhnlicher, eine Klatsche der Gesundheitsministerin eingehandelt hat. Immuntherapien hat Hendrik Streeck dabei zwar nicht explizit erwähnt, aber  er erwähnte die Lungenkrebserkrankung seines Vaters. Hier mal der genaue Wortlaut:  „Es wurde in den letzten Wochen, wo er gestorben ist, so viel Geld ausgegeben. Und es hat nichts gebracht. Es wurden die neuesten Therapien aufgefahren. Es hat nichts gebracht. Und er hat mehr dort ausgegeben als je in seinem ganzen Leben im Gesundheitswesen“

Für mich klingt das schon nach irgendeiner Form von Immuntherapie, die bei Lungenkrebs auch zu den möglichen Behandlungsarten gehört.  

Aber was für eine merkwürdige Formulierung. Als ob es sein Vater gewesen wäre, der über die Art der Behandlung und deren Kostspieligkeit irgendetwas zu bestimmen gehabt hätte. Eigenartig kommt es mir auch vor, daß Streeck so betont, die teure Behandlung habe nichts gebracht. Begründet hat er das nämlich nicht, und bei Lungenkrebs und einigen anderen Krebsarten, die für gewöhnlich erst in fortgeschrittenem Stadium entdeckt werden, ist die Tatsache, daß Prof. Ulrich Streeck in der Tat schließlich verstarb, noch kein Beleg dafür, daß die Behandlung wirklich nichts gebracht hatte. In solchen Fällen wird ja nicht auf Heilung abgezielt, sondern auf Lebensverlängerung, idealerweise in Kombination mit einer bestmöglichen Lebensqualität für die noch verbleibende Lebenszeit. Auch die Erkenntnisse über den Nutzen der Coronaimpfung bei fortgeschrittenen Lungenkrebserkrankungen bedeuten nicht, daß von diesen Patienten niemand gestorben ist. Tatsächlich lebte nach  40 Monaten nur noch etwa die Hälfte der Patienten - aber von den nicht geimpften waren während dieses Zeitraums deutlich mehr gestorben. Für wen war die Sache also aus der Sicht von Streeck als Erfolg zu werten gewesen? Nur für diejenigen, die nach dreieinhalb Jahren immer noch lebten? Oder auch für diejenigen unter den Verstorbenen, die länger lebten, als es ihre behandelnden Ärzte eigentlich erwartet hatten? Und da es bestimmt auch erfolglose Patienten gegeben hat, deren ursprüngliche Prognose zur weiteren Lebenszeit nicht überschritten wurde, spricht das dann aus seiner Sicht dafür, daß man es gleich hätte bleiben lassen sollen?

Was genau hat Streeck mit "Es hat nichts gebracht" also gemeint? Ich bin nicht bereit, mich zu bemühen, Streecks Gedanken zu lesen, sondern kann nur auf Basis dessen zu urteilen versuchen, was er tatsächlich gesagt hat, und das kann man nachlesen und nachhören und sogar sehen, was für ein Gesicht er dazu gemacht hat. Werner Bartens, den ich eigentlich schätze, fand hingegen zu meinem diesmaligen Mißvergnügen, er müsse diese Aussagen interpretieren, und zwar so, wie er selbst sie für gut und richtig und ethisch nicht nur akzeptabel, sondern sogar für geboten halten würde. Und was er sagte, hatten im Prinzip Hand und Fuß. Todkranke mit kaum noch vorhandenen Aussichten auf ein Überleben sollte man nicht noch mit Chemotherapien strapazieren, sofern - und hier kommt mein großes Aber -, sofern sie selbst das nicht haben wollen. Das wiederum ist aber unabhängig vom Alter. Es gibt Leute, die haben solche Angst vor dem Tod, daß sie in jedem Alter alles täten, um nur so viel Lebenszeit wie möglich herauszuschlagen, und es gibt Leute, die wollen zusätzliche Lebenstage nicht um jeden Preis, auch nicht mit fünfzig oder sechzig. Beides muß meiner Meinung nach in gleicher Weise respektiert werden. Das ist es, was aus meiner Sicht ethisch tatsächlich geboten ist - und sich nicht etwa über Fünfundfünfzigjährige echauffieren, die eine Chemotherapie verweigern (etwa, weil sie sie im Familienkreis schon miterlebt haben, was da auf sie zukäme, und es für ein Schicksal halten, das schlimmer ist als der Tod), aber Fünfundachtzigjährigen subtil oder ausdrücklich vermitteln, daß sie unsolidarisch seien, würden sie von der Solidargemeinschaft verlangen, ihnen eine so teure Behandlung zu bezahlen, die ihnen "sowieso nichts bringen" werde. 

Mir wird hier zu wenig aus dem Blickwinkel des Krebspatienten gedacht. Auch bei Bartens kommt mir das zu kurz. Daran ist schlecht, daß jedes Instrument, das eigentlich der Selbstbestimmung der Patienten nützen soll, irgendwie in einen Bumerang verwandelt werden kann. Es ist schon ein paar Wochen her, daß ich zum Beispiel das erste Mal von einem Fall las, in dem eine ältere Person zu einem assistierten Suizid gedrängt werden sollte, den sie eigentlich gar nicht gewollt hatte - ich suche den Artikel jetzt aber nicht, denn mir war von Anfang an klar, daß dies passieren würde. So etwas läuft nicht immer so ab, wie man das spontan denkt, daß also irgendwelche habgierigen Erben in spe dabei in Aktion sind. Und nicht zuletzt kann man dieselbe Sache auch mit subtileren Mitteln erreichen. Alleine die Debatte, die Streeck hier angestoßen hat, ist für jemanden, der alt ist und gerade eine Krebsdiagnose bekommen hat und entsprechend demoralisiert ist, womöglich keine Angehörigen hat oder in einem Pflegeheim von überlasteten Pflegekräften mehr schlecht als recht betreut wird, vielleicht ein Grund, seinem Leben ein Ende setzen zu wollen, um bloß niemandem mit seiner teuren Krankheit noch mehr als durch seine bloße Existenz zur Last zu fallen. 

Unsere Gesellschaft sollte sich vielleicht einmal darüber klar werden, ob sie es wirklich will, daß wir alle so alt wie möglich werden wollen. Und niemand scheint es zu interessieren, was das eigentlich mit den davon Betroffenen macht, wenn man ihnen ständig auf die eine oder andere Weise vermittelt, daß auf ihre Existenz eigentlich leicht verzichtet werden könnte. Mich erinnert das übrigens an den älteren Herrn aus meiner Nachbarschaft. Womöglich besteht das ganze Geheimnis, daß er mit 94 Jahren noch so bewundernswert körperlich und geistig so fit ist, ja darin, daß niemand hier am Ort sich vorstellen könnte, auf ihn, sein Wissen und seine Erfahrung verzichten zu können und sein Rat von vielen, auch von mir, gesucht wird. 

So, wie Bartens ihn verstanden haben will, hat Streeck das jedenfalls nicht gesagt. Auch nicht in dem Beitrag, den er in mehreren Medien nachgeschoben hat, und dabei seine Vorstellungen etwas zu präzisieren versuchte. Es ist schon eigenartig, daß der Blickwinkel des Patienten in seinem Szenario, über dessen Würde er gleichzeitig gar nicht genug zu schwadronieren hat, auch hier gar nicht vorkommt. Hatte denn sein Vater gar keine eigene Meinung über die Behandlung, der er zugestimmt hatte? Das hätte mich vielleicht ja etwas weniger unversöhnlich gemacht, wenn ich spätestens aus Streecks zweiten Text ein Gefühl dafür bekommen hätte, wie es seinem Vater mit dieser Behandlungsentscheidung ging - ob er sie beispielsweise ab irgendeinem Punkt bereute und es rückblickend anders entschieden hätte. Ob er unterschätzt hatte, wie schlecht es ihm mit der Therapie gehen würde, und ob er vielleicht die möglicherweise zu gewinnende Lebenszeit nun doch zu teuer erkauft fand. All das sind ja legitime Erwägungen, und wenn man bei Krebs einmal entschieden hat, es so oder umgekehrt zu machen, führt kein Weg wieder zurück an den Ausgangspunkt, um die Sache doch noch andersherum anzugehen. Ob Hendrik Streeck irgendetwas anders als sein Vater gemacht hätte, finde ich ziemlich uninteressant, falls das nichts mit dem zu tun hat, was sein Vater zu seiner Behandlung meinte. 

Gerade bei Krebsbehandlungen sehe ich, wenn der Patient sie haben möchte, aber einen sehr wichtigen Grund, warum neue und teure Therapien durchaus auch dann einen Sinn haben, wenn sie den meisten Patienten am Ende doch nicht geholfen haben. Neue Behandlungsmethoden entwickeln sich nämlich auch durch ihren praktischen Einsatz. Eine Unzahl erfolgloser und dabei extrem teurer Behandlungen etwa mittels Immuntherapien ist auch deshalb geschehen, weil sie bei HER2-positiven Brustkrebs und, wenn ich das richtig im Kopf habe, auch beim Melanom ein solcher Gamechanger gewesen sind. Daß sie bei einigen anderen Krebsarten weit weniger und bei zahlreichen einzelnen Patienten "gar nichts gebracht" (und trotzdem ein Heidengeld gekostet) haben, hat jedenfalls die Erkenntnis gebracht, daß man bei dieser Art von Krebs leider weiter suchen muß, um für sie auch einen Gamechanger zu finden. Auf diese Weise werden die Behandlungen nach und nach zielgerichteter, der Anteil der Patienten, bei denen sie "gar nichts geabracht" haben, reduziert sich dadurch. Aber natürlich, sogar bei meiner Behandlung, die bei mir so erfolgreich war und bei den meisten erfolgreich ist, gibt es eine Minderheit von Patientinnen, bei denen sie auch "gar nichts gebracht" haben. 

So alt war Streecks verstorbener Vater übrigens noch gar nicht, daß er für die Behandlung von über 90jährigen oder über 100jährigen, von denen bei Streeck ansonsten die Rede ist, ein geeignetes Beispiel wäre. 78 ist heute ja kein Alter mehr. 60 Prozent seiner Jahrgangsgenossen haben ihn überlebt. 

Ulrich Streeck war übrigens Professor und deshalb höchstwahrscheinlich privat versichert. Seine Behandlung kostete die Solidargemeinschaft nichts. Das heißt freilich nicht, daß nicht die Allgemeinheit zur Finanzierung dieser Kosten beigetragen hätte: Der Steuerzahler beglich die Hälfe der Kosten, die von der Beihilfe für Beamte übernommen wird. Die anderen 50 Prozent bezahlte eine gewinnorientiert arbeitende private Versicherung. 

Auch wenn es nur die Hälfte ist, schon 50 Prozent von Pertuzumab bedeuten eine SEHR teure Behandlung, und es gibt garantiert noch neuere -mabs, für die die Kosten noch exorbitanter sind. Außerdem sind ja nicht nur Beamte privat krankenversichert, sondern auch die Mehrheit der Selbständigen (ich gehöre der Minderheit der gesetzlich Versicherten an), und bei denen geht es um 100 Prozent der Kosten. Hinzu kommt außerdem noch, daß jedenfalls Beamte eine überdurchschnittliche Lebenserwartung haben, also mutmaßlich auch häufiger in hohem Alter an Krebs erkranken. Wie kommt das dann eigentlich, daß private Krankenversicherungen imstande sind, das, was Streeck bei älteren Patienten in der gesetzlichen Krankenversicherung viel zu teuer findet, kostendeckend in ihren Tarifen unterzubringen? Das gilt noch mehr, weil private Krankenversicherungen ja traditionell in den meisten Bereichen großzügiger sind als die Gesetzlichen, was die Übernahme von Kosten betrifft. Warum das, was die privaten Versicherungen bei viel großzügigerer Kostenübernahme schaffen, der gesetzlichen nicht auch möglich sein soll, leuchtet mir nicht ein. 

Ich bin immer dafür, ein bestehendes System, das zu teuer wird, erst einmal daraufhin abzuklopfen, ob es möglich ist, es gleichzeitig billiger UND besser zu machen, und ich möchte wetten, das wäre im Gesundheitssystem möglich. 

Speziell bei Immuntherapien hätte ich beispielsweise auch einen eigenen Sparvorschlag zu machen. Man könnte nämlich dafür sorgen, daß sich die Apotheken, die die Infusionen herstellen - das sind nicht allzu viele bundesweit -, sich nicht daran eine goldene Nase verdienen können, indem sie für die Herstellung einer einzigen Infusionslösung mehrere hundert Euro, manchmal sogar mehr als 1000 Euro aufschlagen - eine Tätigkeit, die angeblich nur wenige Minuten dauern soll. Ich sehe überhaupt keinen Grund dafür, warum die Solidargemeinschaft diese Apotheken so begünstigen müssen sollte - im Zweifelsfall, falls es zu schwierig erscheint, dieser Selbstbereicherung  einen Riegel vorzuschieben, würde ich empfehlen, dass die Krankenkassen selbst Apotheken eröffnen, um diese Tätigkeit kostengünstiger vornehmen zu lassen. 

Daneben habe ich noch einen zweiten, allgemeineren Sparvorschlag für den solche Apotheken ebenfalls genutzt werden könnten: den Umgang mit Medikamenten, die von Patienten nicht (mehr) benötigt werden - sofern noch verpackt und mit einem ausreichend langen Mindesthaltbarkeitsdatum versehen. Nach aktuellem Recht ist es unmöglich, solche Medikamente wieder einer sinnvollen Verwendung zuzuführen, sie können nur noch weggeworfen werden. Der Casus knacksus ist nämlich, daß nach geltendem Arzneimittelrecht in so einem Fall erneut eine Apotheke dazwischengeschaltet sein müßte. Es hat aber niemand sonderliche Lust, so etwas zu organisieren. Dabei werden gerade chronisch Kranke - Herz-Kreislauf, Diabetes und solche Dinge - mit Unmengen von Medikamenten zugeschüttet, bei denen sich die Zusammensetzung des Cocktails immer wieder ändern kann, um die am wenigsten nebenwirkungsträchtige Kombination auf der Trial-and-error-Weg herauszufinden. Dabei verwandeln sich via Ausgabe in der Apotheke eine Menge teurer Präparate in kostspieligen Abfall, weil nur der Patient, der das Medikament bekommen hat, es nun noch einnehmen darf. 

Wie wäre es also analog zum Umgang mit Batterien mit einer Rücknahmepflicht für übriggebliebene Medikamente für Ärzte durch ihre eigenen Patienten bzw. im Falle ihres Todes durch deren Angehörige? Das hätte nebenbei auch eine disziplinierende Wirkung, was die Verschreibungsmengen und -häufigkeiten betrifft, denn speziell bei meinem Schwager war ich schockiert über die Unmengen alleine jedes aktuell von ihm noch verwendeten Präparats, die er herumliegen hatte. Von denen, die ihm nicht mehr verschrieben wurden, ganz zu schweigen. Eine Rücknahmepflicht würde solche Mengen gar nicht erst auflaufen lassen, wenn er es beim Arztbesuch einfach mitbringen und dalassen könnte. Wie es weitergingen: Alles, was abgelaufen ist, und angebrochene Blister --> unbesehen in die Tonne. Über die weitere Verwendung oder Nichtverwendung des Rests müßte dann die Apotheke entscheiden, der diese Aufgabe übertragen wird. Wenn man also krankenkasseneigene Apotheken hätte, die sich um die Herstellung von Infusionen kümmern, könnte man auch dies zu ihrer Aufgabe machen. 

Ich bin jederzeit dafür, im Gesundheitswesen weitere Sparmöglichkeiten zu suchen, und der aus meiner Sicht wichtigste wäre natürlich die zu erwartende Einsparwirkung durch die längst überfällige unvoreingenommene Herangehensweise an eine Überprüfung der Wirkung von Fasten und ketogener Ernährung auf den Stoffwechsel als Grundlage für die Behandlung von Adipositas und die Vermeidung der daraus resultierenden Folgeerkrankungen, aber auch als möglicher Baustein in der Krebsbehandlung. Aber dazu habe ich schon alles geschrieben, was ich jetzt nochmal sagen könnte. Und da mir klar ist, daß damit in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden kann, wäre meine Empfehlung bis dahin, bei den systembedingten Verschwendungen anzufangen. 

Dazu gehören würde neben beiden obigen Beispielen m. E. auch eine kritische Analyse der Verschwendungen, die sich durch die Gewinnorientierung von Krankenhäusern für die Krankenkassen ergeben. Denn natürlich erzeugen die finanziellen Zwänge in Kliniken auch einen Druck, möglichst teure Behandlungen vorzunehmen - hier gibt es nun doch Überschneidungen zu den Einlassungen von Streeck und Bartens, sieht man einmal davon ab, daß ich darauf bestehen würde, den Patienten und seinen Willen ins Zentrum zu stellen, und nicht das einzusparende Geld, das sich aber dennoch als Nebeneffekt daraus ergeben würde. 

Garantiert gibt es noch eine Unzahl an vergleichbaren Fehlsteuerungen. Also Dinge, für die das Geld der Krankenkassen ausgegeben wird, obwohl es dem Gesundheitssystem gar nichts nützt - und den Patienten genausowenig. Die Frage ist, warum diese Faktoren so unbeachtet bleiben. Die Milliardenverschwendung beim Maskendeal durch den damaligen Gesundheitsminister Spahn etwa scheint man ja bereitwillig hinnehmen zu wollen. Womöglich ja deshalb, weil bei allen Verschwendungen, deren Eliminierung für keinen Patienten Kürzungen erforderlich machen würden, immer irgendwer profitiert, der gerne weiter profitieren möchte. Auch an Spahns Masken-Milliardengrab ist das eigentlich Ärgerliche, daß er persönlichen Freunden und Bekannten Aufträge zugeschanzt zu haben scheint. Daß es bei einer dermaßen mit der heißen Nadel gestrickten Vorgehen, wie es bei einer akuten Bedrohung wie Corona nun einmal unvermeidbar war, auch zu Patzern mit erheblichen finanziellen Folgen kommen würde, damit war von Anfang an zu rechnen, und das würde ich Spahn noch nicht einmal übelnehmen. Aber wohin die Gelder flossen, darüber sollte er eigentlich schon Rede und Antwort stehen müssen. 

Vielleicht würde er es ja plausibel erklären können. Aber da man offenbar nicht einmal gewillt ist, diese Erklärungen einzuholen, interessiert es offenbar in der Bundesregierung niemanden. Auch den Sparfuchs Hendrik Streeck scheint es nicht zu interessieren. 

Natürlich könnte man aber auch an der Einnahmenseite des Gesundheitssystems das eine oder andere verbessern. Ich habe zum Beispiel noch nie eine nachvollziehbare Erklärung für die Beitragsbemessungsgrenze gehört. Aber auch in diesem Punkt scheint etwas anderes als das Anheben der Beitragsbemessungsgrenze bis auf weiteres nicht zu erwarten zu sein. 

Aber dieses Faß mache ich heute besser nicht auch noch auf. :-) 

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Friedrich Merz ist 70 geworden. Ist seine Amtsführung nicht der lebende Beweis dafür, daß das Renteneintrittsalter keinesfalls noch weiter in Richtung dieses Alters geschoben werden sollte? Genauso, wie die Katherina mit dem falschen e in der Mitte, Ex-EoN-Tochterunternehmen-Geschäftsführerin, für mich der Beweis dafür ist, daß Frauenquoten auch für'n Arsch sind. Wie man sieht, nichts ist so schlecht, daß es nicht für irgendwas gut wäre, und sei es als schlechtes Beispiel. 

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Die Discounter senken ja gerade die Preise für Butter und Milch bzw. Milchprodukte. Eine gute Nachricht für diejenigen, die diese Preise nur schwer bezahlen können; für mich ist es aber nur noch am Rande interessant, weil ich bei der Butter bleiben werde, die ich im Hofladen bekomme und die von einem regionalen Hersteller stammt, auch wenn der Preisabstand - der zeitweise recht niedrig war - nun doch wieder groß geworden ist. Auch Milch und Creme fraiche brauche ich nicht vom Discounter. Das einzige, was an den dortigen Milchprodukten für mich immer noch interessant ist, sind Mascarpone und der griechische Joghurt (den Joghurt des Hofladens mag ich nicht so, weil er mir zu fettarm ist), und die paar Cent hin oder her, um die es dabei geht, finde ich jetzt nicht gerade weltbewegend. 

Bei den aktuellen Butterpreisen würde man mit Pellkartoffeln mit Butter und Salz - als Kind habe ich das heiß geliebt - deutlich billiger wegkommen, als wenn man, wie ich das gerne mache, Kräuter-Creme-fraiche dazu ißt. Da auch die Kartoffelpreise dieses Jahr wieder in normalere Regionen gelangt sind, bekäme man das klassische "beste Armeleuteessen der Welt" jedenfalls bei Netto (bei anderen Discountern habe ich nicht nachgesehen, was sie für Kartoffeln verlangen) mittlerweile wirklich wieder für deutlich weniger als einen Euro für ein Kilo Pellkartoffeln inklusive Butter. Ich glaube aber, ich bleibe lieber doch bei den teureren Kartoffeln vom Hofladen und bei der dort erhältlichen Creme fraiche. Nur die Kräuter kosten mich nichts, sie sind aus meinem Garten. 


 

Freitag, 7. November 2025

Was Lottospieler mit Impfverweigerern verbindet

Mein Gewicht heute früh: 71,8 Kilogramm. 700 Gramm vom Allzeit-Tiefstgewicht entfernt - und 1,1 Kilogramm weniger als vor zwei Wochen, als ich so enttäuscht über mein Endgewicht war. Ich bin mit meinem Scherzkeks von Stoffwechsel, der mich gerne mal mit unverhersehbaren Gewichtsentwicklungen ärgert, also jetzt wieder versöhnt. Leider werde ich in zwei Wochen nach dem nächsten langen Fastenintervall trotzdem nicht mit einem neuen Tiefstgewicht rechnen können, denn ich muß mich dann auf drei Fastentage beschränken, weil ich am eigentlich vorgesehenen vierten Fastentag zu einer Beerdigung muß, und da möchte ich mich nicht ausschließen, wenn, wie zu erwarten, die Teilnehmer noch zu Speis und Trank eingeladen werden. Ich könnte mich sowieso nicht einfach heimbegeben, da ich auf meine Schwester als Chauffeur angewiesen bin, weil der Ort mit öffentlichen Verkehrsmittel zu kompliziert zu erreichen ist. Aber ich würde das auch nicht wollen, es käme mir respektlos vor.  

Mal sehen, vielleicht faste ich dafür am Freitag noch einen diesmal nicht verbundenen vierten Tag, aber das entscheide ich dann live. Das neue Tiefstgewicht, hoffe ich jedenfalls, wird dann in der ersten Dezemberwoche fällig, wenn ich im Anschluß an die LC-Phase noch ein weiteres langes Fastenintervall anhängen werde. Es sei denn natürlich, das Leben funkt mir auf irgendeine weitere unverhersehbare Weise dazwischen. 

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Vor ein paar Tagen las ich den Rant einer Me/CFS-Patientin über ihre desillusionierenden Erfahrungen mit Ärzten. Wie sie etwa gerade wegen ihrer hohen Kooperationsbereitschaft und ihrer vorauseilenden Bereitwilligkeit, mit einem Krankheitsbild, bei dem auch Ärzten vieles unklar sein mußte, so präzise wie möglich ihre Beschwerden zu beschreiben, bei ihnen wieder und wieder gegen die Wand lief und signalisiert bekam, wie lästig man das fand. Wie die Ärzte gänzlich uninteressiert daran waren, sich mit dem auseinanderzusetzen, das von ihren gewohnten Erfahrungen mit Patienten abwich. Bei einer Krankheit, die den Patienten ohnehin stark schwächt, ist das besonders frustrierend, und entsprechend frustriert war diese Patientin. Leider finde ich den Thread nicht mehr, sonst hätte ich ihn verlinkt. 

Aber tatsächlich ist das für viele ME/CFS-Patienten grauer Alltag, also findet man nahezu überall, wo Betroffene über diese Krankheit erzählen, Klagen über Desinteresse und unangemessene Therapievorstellungen der behandelnden Ärzte, vor allem dann, wenn sie die Erkrankung für psychosomatisch halten, was halt einfach nicht stimmt. Nicht wenige waren anfangs außerdem compliant und haben diese Verschlimmerung am eigenen Leibe durchgemacht. Sie wissen deshalb also etwas, das ihr Arzt auch wissen wollen müßte. Nur, es interessiert die meisten halt nicht. Das ist etwas, was sich Leute nicht vorstellen können, die es bislang noch nie erlebt haben, etwa, weil sie bislang nur Allerweltskrankheiten wie Grippe oder vielleicht mal einen Beinbruch zu beklagen hatten. Tatsächlich sind solche Erfahrungen nämlich gar nichts so Besonderes, es hat nur in diesem Fall überdurchschnittlich schlimme Auswirkungen. Ärzte haben bei allen Krankheitsbildern eher selten ein Interesse daran, von ihren Patienten etwas zu lernen, deshalb ist es immer ein glücklicher Umstand, wenn man mit einem Gesundheitsproblem vor dem Arzt steht, mit dem er bereits vertraut ist und für das er bewährte und erfolgversprechende Behandlungsstrategien hat. 

Im gesamten Bereich der sogenannten "lebensstilverursachten" Krankheiten bewegt sich die Medizin aber beispielsweise auf dem dünnen Eis einer wissenschaftlichen Grundlage, bei der die angeblich gesicherten Ursachen der Erkranung in Wirklichkeit unzureichend verstanden sind, mit der Folge, daß nicht nur wahrscheinliche oder mögliche Irrtümer auch die Therapien durchziehen, sondern auch immer wieder frühere ärztliche Empfehlungen für Patienten wieder zurückgenommen werden müssen. Eier sollte man etwa noch vor zwei Jahrzehnten bei hohem Cholesterinwert möglichst wenige verzehren. Heute rät einem das keiner mehr. Fleisch und tierisches Fett ist mittlerweile eher der Sündenbock. Ob das Nahrungscholesterin das Blutcholesterin aber überhaupt beeinflußt, wird in Fachkreisen seit längerem angezweifelt. Das Problem im Bereich dieser Art von Erkrankungen besteht darin, daß alle Empfehlungen zwar "wissenschaftlich begründet" sind, aber die Wissenschaft die genauen Abläufe und Mechanismen bei der Entstehung der Krankheit gar nicht nachvollziehen kann. Da werden dann aus Beobachtungsdaten, aus denen sich Risikofaktoren zu ergebenscheinen, oft gar zu weitgehende Schlußfolgerungen gezogen. 

Ziemlich sicher bin ich mir, daß es auf diesen gesamten Krankheitenkomplex einen großen Einfluß hätte, würde man die Frage, wie Übergewicht entsteht, wie es sich verhindern oder eine dauerhafte Abnahme bewerkstelligen läßt, noch einmal neu stellen, und zwar auf Basis der Grundannahmen der Intervallfasten- und Low-Carb-Vordenker. Es spielt dabei keine Rolle, ob sie in jedem Detail recht haben, wichtig wäre nur die zentrale Annahme, daß Kalorien entweder gar keine oder eine geringere und/oder andere Rolle spielen, als das bislang angenommen wird. Aus Übergewicht wird nämlich oft Adipositas, aus Adipositas Diabetes, es entstehen Herz- und Gefäßerkrankungen oder Krebs, und im Extremfall haben auch viele der Patienten auf der Organspender-Warteliste eine Vorgeschichte mit Diabetes, vor allem, wenn die Nieren versagen. 

Angesichts der vielbeklagten Kostenexplosion im Gesundheitswesen, die gerade auf die Zunahme solcher Krankheiten zurückzuführen ist, ist es schwer zu begreifen, warum alle so angestrengt in die andere Richtung schauen, anstatt sich der Thematik einmal gründlicher anzunehmen. 

Wie wenig Bereitschaft bei Ärzten besteht, das auch nur in Erwägung zu ziehen, habe ich ja selbst erlebt. Ich erinnere mich noch gut an die Reaktion meines Hausarztes, als ich ihm das Buch von Dr. Fung geschenkt habe. Er hat kein Geheimnis daraus gemacht, daß er es ungelesen an Oxfam verschenken würde, und so sah ich mich auf einmal durch seine Brille: eine bekloppte Verschwörungstheoretikerin. Nun gut, dachte ich, es war einen Versuch wert gewesen, auch wenn mich das hinausgeworfene Geld ärgerte. Damals wog ich noch ungefähr105 Kilogramm. Daß ich durch seine Brille auch keine Person war, die, Stand damals, mehr als 40 Kilogramm abgenommen hatte, sondern nur eine mit mehr als hundert Kilo Lebendgewicht, bei der man mit der Diagnose Fettleber eine Wette mit guten Erfolgsaussichten einging (die er allerdings in meinem Fall verloren hätte), ist mir erst viel später aufgegangen, sonst hätte ich mir den Versuch, ihn für meine bereits erfolgte und noch weiter geplante Gewichtsabnahme zu interessieren, von vornherein gespart. 

Daß ich ihn trotzdem so lange geschätzt habe, lag daran, daß ich von einem Arzt von vornherein nicht erwartet hatte, zum Thema Körpergewicht kompetent zu sein, und ihn dafür auch gar nicht brauchte. Das, wofür ich ihn brauchte, bekam ich bei ihm ja. Ich dachte immer, er werde es ja schon mitkriegen, wie ich meinem Zielgewicht näher komme, und falls ihn auch das nicht ins Grübeln brächte, sei es seine vertane Chance, etwas herauszufinden, das für ihn eigentlich nicht ganz unwichtig zu wissen wäre. Dann kam meine Krebsdiagnose, und jetzt kann ich mir jedes Gespräch über meine Gewichtsentwicklung mit ihm schenken, obwohl sie mittlerweile im Vergleich zu unserem ersten Kontakt minus 30 Kilogramm beträgt und er kaum auf den Gedanken käme, mir eine Fettleber anzudichten. Aber es ist ja sonnenklar, daß er meine seitherige Abnahme ganz einfach auf die Krebserkankung zurückführen würde. 

Das nehme ich ihm noch nicht mal übel. Kaum ein Mediziner würde das anders sehen. Gewichtsabnahme gehört nun einmal zu den Symptomen, die auf eine fortgeschrittene Krebserkrankung im metastasierten Stadium hindeuten - und daß a) meine Krebserkrankung nicht dieses Stadium betraf sowie b) die Gewichtsabnahme aktiv herbeigeführt wurde und sich immer verlangsamte und einmal sogar fast ganz zum Stillstand kam, wenn ich das nicht mit der nötigen Intensität machte, könnte sich zwar jeder Arzt an sich logisch erschließen. Aber inzwischen habe ich so viele blödsinnige Argumente gegen Fasten oder Low Carb bei Krebs gelesen, in denen die angesehensten Experten, etwa die berüchtigte Frau Professorin Hübner, den Unterschied zwischen der spontanen und der - im Falle von Fasten/LC bei Krebs als Nebeneffekt - aktiv herbeigeführten Gewichtsabnahme erkennbar nicht verstanden hatten, sondern im Ernst glaubten, es wäre ausreichend, alleine die Bewegungen des Zeigers der Personenwaage zu kennen, um sie als unheilvoll beurteilen zu können, daß ich es meinem Doc angesichts meiner früheren Erfahrungen mit ihm genausowenig zutraue. 

Vielleicht würde ich diesen Arzt trotzdem immer noch schätzen, wenn er nicht nach meiner Krebsdiagnose immer merkwürdiger geworden wäre. Demnächst will ich mich gegen Corona impfen lassen, und vielleicht sollte ich versuchen, das zum Anlaß zu nehmen, mir hier am Ort einen neuen Hausarzt zu suchen - hoffentlich finde ich aber überhaupt einen, der noch neue Patienten aufnimmt. Von diesem Arzt, das ist mir klar, darf ich aber auch nicht zu viel erwarten. Vermutlich ist es wohl so, daß jüngere Ärzte eher neugierig sind und sich dazu verlocken lassen, eine Abweichung von der erwarteten Regel näher unter die Lupe zu nehmen. Dafür haben aber ältere Ärzte ihre Erfahrung (mit den typischeren Beschwerden ihrer Patienten), und das ist auch nicht zu verachten, wenn man auch neben dem Untypischen zwischendurch auch typischere Krankheiten entwickelt, was ja fast jedem zuweilen passiert. 

Bei einem Leiden wie ME/CFS dürfte die Erfahrung eher Nebensache sein, die brauchen jemanden, der bereit ist, Neuland zu betreten. Diesen Luxus kann ich mir eher leisten, jedenfalls beim Hausarzt. Sollte ich jemals wieder einen Onkologen benötigen - was ich freilich nicht hoffe -, dann stehe ich aber vor einem Problem. Mein aktueller Doc stellte mir, anders als sein Vorgänger, wenigstens nicht aktiv das Bein, was das Fasten betrifft, und seiner langjährigen Erfahrung mit der Behandlung von Brustkrebs konnte ich auch vertrauen. Dafür, daß er von Seyfried vermutlich noch nie etwas gehört hat, kann er nichts, da die Wissenschaft mauert und so was bis in die Arztpraxen gar nicht vordringen kann. Aber Interesse an meinen Vorstellungen zeigte er auch nicht, und ich habe dann auch nicht insistiert, weil ich mir ohne weiteres zutraute, das, was aus meiner Sicht zu tun war, ohne seine Hilfe zu bewerkstelligen. Aber bei einem etwaigen nächsten Mal hätte ich eigentlich lieber einen Arzt, der etwas mehr Interesse für meine Herangehensweise aufbringt und mich im Idealfall sogar aktiv dabei unterstützt und mich berät, wie man das, was ich für richtig halte, trotz der Behandlungsrichtlinien wenigsten teilweise umsetzen kann. Der Haken bei der Sache besteht darin, daß ich nicht wüßte, wo ich ihn herzaubern sollte. 

Krebs ist außerdem eine Fließbandkrankheit, und ich hatte ständig das Gefühl, alles, womit man den geordneten Ablauf sabotiere - von Rückfragen aufwärts - schade anderen Patienten, die ja genauso dringend behandelt werden möchten. Mit so etwas kann ich in einer Abhängigkeitssituation, wie sie, wenn sich Arzt und Patient gegenüberstehen, nur schlecht umgehen, und ich weiche dem, wie in anderen Lebenssituationen, einfach aus, wann immer mir das möglich ist. Ich habe nämlich auch erhebliche Zweifel, daß ich von einem Arzt, durch dessen Brille ich eine Querulantin bin, mit einer besseren Behandlung rechnen kann. Worüber ich mich auch deshalb immer ärgere, das sind die wohlfeilen Empfehlungen, sich als Patient gefälligst auf die Hinterfüße zu stellen, alles zu hinterfragen und sich notfalls gegen seinen Arzt durchzusetzen. So etwas ist erstens alleine schon wegen des Machtgefälles gegenüber dem Fachmann lächerlich und meist zum Scheitern verurteilt, vor allem dann, wenn man keine richtigen Alternativen hat, zu denen man ggf. wechseln könnte. Aber wie bei ME/CFS finde ich es ein Unding, in einer Situation, in der man sowieso schon auf halber Kraft läuft, auch noch Freistilringkämpfe mit dem Arzt durchzuführen, der einen behandeln soll. Und das als Laie gegenüber einem Experten mit Fachwissen. Daß es nötig und manchmal kaum vermeidbar ist, wenn einem sein Leben lieb ist, mag sein, aber es ist eine Zumutung, jedenfalls dann, wenn es nur deshalb nötig wird, weil der Arzt uninteressiert an dem ist, was ihn eigentlich interessieren sollte, nämlich die Heilung exakt des Patienten, der gerade vor ihm steht. 

Ich bin nur zweimal mit einem Arzt in einen Nahkampf gegangen. Der eine war mein Hausarzt, als er meine Gewichtsabnahme auf die konventionelle Art wegerklären wollte und mit dem ich mich am Ende friedlich trennte, worauf jeder seine vorherige Meinung beibehielt, ohne daß unsere gegenseitige Wertschätzung einen Schaden erlitt. Der zweite war mein erster Gynäkologe/Onkologe, der mit dem Fasten ersichtlich keine eigene Erfahrung hatte, sondern nur angelesenes Wissen (obwohl zusätzlich auch noch Ernährungsmediziner), der mir mit meiner jahrelangen Erfahrung Dinge weismachen wollte, die im Widerspruch zu dieser Erfahrung standen. In diesem Fall wäre es wichtig gewesen, daß er verstanden hätte, daß meine praktische Erfahrung für ihn auch wichtig zu wissen gewesen wäre. Aber da war nichts zu wollen. Es endete damit, daß wir uns zum Schluß gegenseitig angeschrien haben und er daraufhin, obwohl zunächst weiter mein behandelnder Arzt, nie mehr mit mir gesprochen hat. Worauf ich bekanntlich den Onkologen gewechselt habe. 

Wenn ich ohne ausreichendes eigenes Wissen vor einem Arzt mit Fachwissen stehe, ist die Sache aber auch für mich sehr viel schwieriger, sollte das, was er empfiehlt, bei mir ungute Bauchgefühle oder Fragezeichen, was die Plausibilität betrifft, auslösen, die ich meinem Empfinden nach aber nicht gut genug begründen kann. Recherche alleine hilft selten weiter, denn im Web findet man eine Bestätigung für alles und dessen Gegenteil. Im Zweifelsfall entscheide ich mich dafür, bin aber - sofern möglich - auf dem Sprung, die Sache wieder abzubrechen, wenn meine Bedenken sich durch die Behandlung verstärken. Bei einer Krebstherapie ist das natürlich nur mit erheblichen Einschränkungen möglich. Deshalb bin ich froh, daß ich mich von der Autorität des Experten nicht habe einschüchtern lassen, und daß das, was ich tun wollte, in Eigenregie auch problemlos möglich war. Rückblickend würde ich nur weniges anders machen, obwohl ich meine Entscheidung ja mehr oder weniger zwischen Tür und Angel treffen mußte, so etwa hätte ich mich beim Fasten nicht nur auf die Tage vor und nach der Chemo beschränkt, sondern zwischendurch die gewohnten Fastentage eingebaut. Das ist auch schon der größte Posten, der Rest sind Kleinigkeiten. Alles in allem war es gut, wie ich es gemacht habe, und jedenfalls war es in Kombination mit der Chemo gut genug, um am Ende eine pathologische Komplettremission zu erreichen. 

*** 

Ein Lotto-Plakat brachte mich mal wieder auf die Frage, warum so viele Leute sich mehr von Coronaimpfungen fürchten als vor der Infektion, und zwar wegen der Gewinnwahrscheinlichkeiten. 1 zu 139 Mio. beträgt die Wahrscheinlichkeit, daß man den Sechser mit Superzahl angekreuzt hat. Bei der Glücksspirale liegt die Chance auf den Haupttreffer bei 1 zu 10 Millionen. Eigentlich läge es da doch nahe, sich die Spieleinsätze von vornherein zu sparen, wie ich das übrigens schon immer gemacht habe, aber Studien zufolge beteiligt sich mindestens ein Drittel der Bevölkerung mehr oder weniger regelmäßig an solchen Lotterien mit eigentlich viel zu geringen Gewinnaussichten. 

Ich nehme an, dieser irrationale Faktor, der die Leute entgegen aller Wahrscheinlichkeiten dazu bringt, Lotto zu spielen, steht auch in Zusammenhang mit der irrationalen Angst vor möglichen negativen Folgen einer Coronaimpfung. Vielleicht hat es damit zu tun, daß der Einzelfall immer stärker beeindruckt als die Statistik. Und das Bild des strahlenden Millionengewinners ist stärker als eine Wahrscheinlichkeitsangabe in Ziffern, ebenso wie das Bild des leidenden oder verstorbenen Impfungsopfers stärker wirkt als die große Zahl derer, die keinerlei Probleme hatten. 

Denn natürlich gibt es beides auch. Trotz niedriger Gewinnwahrscheinlichkeiten gibt es Dutzende von Millionengewinnen pro Jahr beim Lotto. Und sicherlich gibt es auch Dutzende von Impfschädigungen, erkannte und unerkannte. Vielleicht hätte ich inzwischen einen Millionengewinn gemacht, würde ich jede Woche Lotto spielen - obwohl die meisten Lotterieabstinenten keinen gemacht hätten. Und vielleicht hätte der Impfverweigerer tatsächlich einen Schaden davongetragen, obwohl das den meisten anderen nicht passiert wäre. 

Statistik ist halt nicht alles. Jeder hat bei so einer Entscheidung nur ein Interesse an seinem persönlichen Einzelfall. Ich finde den Gedanken wirklich interessant, die Faktoren, die dazu führen, daß jemand regelmäßig Lotto spielt, mal mit denen von Impfverweigerern zu vergleichen. Und/oder andersherum. Bei mir jedenfalls liegt es zweifelsfrei daran, daß ich angesichts der Gewinnwahrscheinlichkeiten keine Zweifel daran habe, daß ich bei Lotto fast mit Sicherheit nur Geld verlieren würde, weshalb ich mir diese unnötige Ausgabe gespart habe und auf den vielleicht durch einen glücklichen Zufall doch möglichen Lottogewinn verzichte. Und genau dasselbe hat mich zur Coronaimpfung motiviert: Ich sehe, daß das Risiko durch die Impfung zwar vorhanden ist, aber so viel geringer als die Risiken einer Infektion, daß mir Impfverweigerung aus Angst vor möglichen Folgen genauso lächerlich vorkommt wie, wegen der Hoffnung auf einen Millionengewinn Lotto zu spielen.  

Trotzdem verhält sich aber eine starke Minderheit von einem Drittel der Bevölkerung genau andersherum. Wüßte man mehr über das, was sie von Leuten wie mir unterscheidet, könnte man vielleicht auch einiges über Impfverweigerer herausfinden. 

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Erst kürzlich schrieb ich eine ziemlich kurze Girlande über vegane Fleisch- und Wurstersatzprodukte, die ja nach dem Willen der EU nicht mehr Schnitzel oder Wurst genannt werden dürfen, was ich für symbolpolitischen Quatsch ohne nennenswerte Wirkung gehalten habe, weder positiv noch negativ. Ich fand die Aufregung darüber übertrieben. Das Unternehmen Rügenwalder Mühle sah die Sache sehr viel weniger entspannt und hat aus seiner Sicht damit natürlich auch recht. Neben den Kosten der Umbenennung und Neugestaltung der Verpackungen kann man nie so genau wissen, wie die Kunden reagieren, wenn ein etabliertes Produkt auf einmal einen anderen Namen bekommt. 

Was ich zuvor aber gar nicht mitgekommen hatte, ist, daß Rügenwalder schon seit 2022 solche Probleme hatte, daß das uralte Familienunternehmen letztes Jahr verkauft wurde. Dabei  waren aber anscheinend nicht die veganen Ersatzprodukte für Wurst das Problem - tatsächlich scheint der Marktanteil von Rügenwalder in diesem Segment immer noch weiter zu wachsen -, sondern mehr das angestammte Sortiment. Ehrlich gesagt, das wundert mich nicht weiter. Nicht, daß ich dabei irgendeine Rolle spielen würde, weil ich ja schon seit Jahren sowieso keine Wurst mehr im Discounter kaufe. Aber ich warte auf den Tag, an dem mein Göttergatte, wenn er mal einkauft, beim Auspacken daheim bemerkt, daß er versehentlich nicht die Teewurst oder Mettwurst, sondern ein veganes Produkt von Rügenwalder in den Einkaufwagen gelegt hat, weil das Design halt doch sehr ähnlich ist und schnell verwechselt wird, vor allem, wenn man es beim Einkaufen eilig hat. Nicht, daß ich der Meinung wäre, davon ginge die Welt unter. Das Zeug kann man ja trotzdem essen, und vermutlich würde ich es auch essen, wenn es erst einmal im Haus ist - es sei denn, es schmeckt mir wirklich überhaupt nicht. Aber ich bin mir ziemlich sicher, daß mein Mann sich darüber maßlos aufregen würde. Und das nächste Mal würde er vorsichtshalber dann gleich die jeweilige Discounter-Eigenmarke wählen, bei der ihm das nicht passieren kann. Das geht sicherlich auch manchen anderen Leuten so, und das kommt natürlich zu den Preiserhöhungen hinzu, die einen Switch zur Discounter-Eigenmarke nahelegen.

Parallel dazu ist es aber auch richtig, daß der Gesamtkonsum von Fleisch und Wurst sinkt, und das war wohl auch der eigentliche Grund dafür, daß Rügenwalder, wo man vor etwa zehn Jahren damit begonnen hat, auch vegane Wurstersatzprodukte zu produzieren, eine Art Wette auf die künftige Entwicklung eingegangen ist, indem man den geschäftlichen Fokus auf das vegane Sortiment legte, weil man annahm, dies sei zukunftsträchtiger für das Unternehmen. Offenbar war man sich sicher, daß Genosse Trend nicht mehr in die Gegenrichtung drehen wird. Das hatte sicherlich auch einen Einfluß auf den Absatz der angestammten Wurstprodukte. Bestimmt kauften danach manche Leute auch aus Ärger über Rügenwalders Fokussierung auf Wurstersatz gar keine Produkte des Unternehmens mehr. Daß der originale Schinkenspicker, den ich früher auch gerne gekauft hatte, nur noch in einer fleischlosen Variante angeboten wurde, kam noch hinzu. (Inzwischen scheint man bei diesem Produkt aber wieder zurückgerudert zu sein. Das ist an mir allerdings vorbeigegangen.) Nun kann man sich darüber streiten, ob es nicht ein bißchen kindisch ist, aus Protest gegen die Veganstrategie eines Wurstfabrikanten die nichtveganen Produkte dieses Unternehmen auch zu boykottieren - denn das führt ja allenfalls dazu, daß das vegane Sortiment einen noch größeren Teil der Produktion von Rügenwalder einnimmt. Aber es kann schon sein, daß vor allem das Unternehmen unterschätzt hat, wie beleidigt ihre angestammten Kunden auf den Strategiewechsel reagieren würden. 

Geschmacklich, das kann ich bestätigen, weil mein Mann sie ja manchmal kauft, sind Rügenwalder-Leber-, Tee- und Mettwürste so gut wie immer. Allerdings trifft das auf die Eigenmarken beim Discounter auch zu. Und wenn ich einen Favoriten unter dieser Art von Produkten bezeichnen müßte, dann wäre das immer noch die Kalbsleberwurst aus dem Verkaufsautomaten eines bestimmten Hofladens, die ich immer mitnehme, wenn es mich zu welcher Tageszeit auch immer dorthin verschlägt. Keine Ahnung, was das Geheimnis dieses Metzgers ist, aber seit ich diese Kalbsleberwurst kenne, finde ich bei jeder anderen, daß ihr irgendeine Kleinigkeit fehlt, von der ich aber nicht weiß, was es ist. 

Die Dauerhaftigkeit des Vegan-Trends hätte man bei Rügenwalder aber mit Blick auf die USA etwas vorsichtiger einschätzen können, denn dort war die Party bereits vorbei, noch bevor Donald Trump sie stören konnte. Und der Trump-Backlash hat es natürlich nicht besser gemacht. Vor allem Beyond Meat scheint es mittlerweile richtig schlecht zu gehen.

 

Mit ein paar Jahren Verzögerung im Vergleich zu den Amis scheinen vegane Ersatzprodukte nun auch bei uns wohl an die gläserne Decke gestoßen zu sein, ab der der Absatz dann wieder rückläufig wird. Skurrilerweise wird das gerade auch von einem kleinen Backlash begleitet - nicht nur durch die Umbenennungszwänge für veganen Fleisch- und Wurst-Ersatz, sondern auch durch eine tendenziell weniger fleischfeindliche Bundespolitik. Das Ende des Hypes liegt aber vermutlich hauptsächlich daran, daß der Vegan-Hype mittlerweile in den Medien viel weniger Raum einnimmt und dadurch auch weniger gepusht wird. Nicht, weil die Medien ihn neuerdings doof fänden, sondern weil man halt eine Menge andere Dinge zu berichten hat, die wichtiger erscheinen. Das macht aus Sicht von Rügenwalder aber natürlich auch den Zeitpunkt, zu dem sie ihre Produkte umbenennen müssen, besonders ungünstig.  

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Stichwort Ersatzprodukte, hier: Low-Carb-Varianten verbotener KH-haltiger Lieblingsgerichte:  

Mein Mandel-Mozzarella-Teig ist heute in zwei Bereichen zum Einsatz gekommen: einmal habe ich versucht, Brötchen zu backen und dann noch Pizza. Die Brötchen waren mir freilich ein bißchen zu bröselig, Grund war, glaube ich, daß der Mozzarellaanteil etwas zu niedrig ausgefallen ist. Aber die Pizza wird ja auch von ihrem Belag zusammengehalten, da fällt das weniger ins Gewicht. Sie ist geschmacklich wie auch von der Konsistenz her recht nahe am Original. Das mit der Konsistenz ist deshalb erwähnenswert, weil manche Low-Carbler sich bei Brot und Brötchen an der fehlenden Knusprigkeit der Kruste stören. Mozzarella im Teig erzeugt tatsächlich einen gewissen Crunsh, der LC-Pizza sonst fehlt. Ach ja, ein bißchen muß man die Pizza abkühlen lassen, damit der Mozzarella im Teig wieder hart wird. Wenn sie heiß ist, ist der Boden zu weich. 

Natürlich schmeckt der Boden trotzdem nicht wie das Original. Vielleicht mache ich deshalb morgen doch keine Pizza, sondern einen Flammkuchen. Warum? Weil mein Mann keine Ersatzprodukte mag. Pizza essen wir außerhalb LC gelegentlich, aber Flammkuchen fast nie. Bei Flammkuchen ist die LC-Variante für ihn also kein gefühltes Ersatzprodukt, sondern etwas eigenes. 


 

 

 


Montag, 3. November 2025

Das Narrenschiff-Orakel. Oder: Wie man Vertrauenskrisen messen kann.

Mein Gewicht heute früh zum Start des zweiten viertägigen Fastenintervalls während der Low-Carb-Phase: 76,1 Kilogramm. 1,1 Kilogramm weniger als vor zwei Wochen zum ersten langen Fastenintervall, das gefällt mir schon wesentlich besser. Für ein neues Tiefstgewicht am Freitag - zur Erinnerung: das bisherige liegt bei 71,1 Kilogramm und war im April 2024 - wird es zwar nur mit sehr viel Glück reichen, da ich während Low Carb beim Fasten weniger Wasser verliere und nach vier Tagen ziemlich selten mehr als 5 Kilogramm weniger habe. Aber Freitag in zwei Wochen sollte es dann eigentlich klappen, und ich nehme an, ich werde in zwei Wochen auch mit einem neuen "Vorher-Tiefstgewicht" starten können (bisheriges: 75,4 kg). Zeit wird's ja langsam mal wieder, auch wenn ich mir die zunehmende Lässigkeit mit meinem jetzigen Gewicht im Grunde leisten kann. 

Ich rede ja dauernd von sechs Wochen Low Carb, aber mittlerweile ist mir aufgegangen, daß es dieses Jahr sieben sind, weil ich den Start ja aus organisatorischen Gründen um eine Woche vorverlegt habe. Außerdem wird der letzte Low-Carb-Tag am 30.11. dann sofort von einem viertägigen Fastenintervall gefolgt, nach dem ich dann immer einen Low-Carb-Übergangstag habe. In Wirklichkeit werden es also knappe acht Wochen. Das ist aber auch ganz gut so, denn im März möchte ich als Abschluß der zweiten LC-Phase ab Mitte Januar verdammt nochmal mein Zielgewicht erreicht haben (immerhin sind es am 20. März 2026 schon neun Jahre, seit ich mit dem Fasten angefangen habe), also sollte die Normalernährungsphase dazwischen auch nicht zu lang ausfallen. 

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Wer hier hört auch die SWR1-Hitparade, die nach einer Hörerabstimmung einmal im Jahr im Oktober eine ganze Woche lang im Radio (und online in einem Livestream auch mit bewegten Bildern) ungefähr 1000 Titel wiedergibt? Ich erinnere mich noch gut an die erste Ausgabe in den späten Achtzigern, damals noch beim SDR 3, unter dem Titel "Top 1000x" mit Stefan Siller und Thomas Schmidt. Die war damals ein Ereignis, das alle bewegte. Ich habe irgendwo noch einige Musikcassetten, die mir eine Kollegin überspielte, die einen großen Teil davon aufgenommen hatte. Die letzten Titel liefen dann auch im Südwest-Fernsehen, und die habe ich auch noch auf Videocassette. 

Seit die Hitparade jährlich kommt, ist sie eher eine Routineveranstaltung geworden, in der Abstimmungsseilschaften etwa die konkurrierenden Landeshymnen der Badener und der Schwaben möglichst hoch zu pushen versuchen. Und natürlich gibt es wenig Spannung um den Titel, der ganz vorne landen wird, denn das ist entweder Stairway to Heaven von Led Zeppelin oder Bohemian Rhapsody von Queen. Ich höre das eigentlich nur, weil es eine nette Abwechslung ist, alle Stilrichtungen, Sprachen und Arten von Interpreten wie Kraut und Rüben durcheinander präsentiert zu bekommen. Die Musik im Radio neigt sonst ja doch ein wenig dazu, sich zu viel zu wiederholen. 

Was mir dieses Jahr aufgefallen ist, das ist, wie sehr politische Statements bei der Titelwahl, aber auch für mich selbst als Hörer an Bedeutung gewonnen haben. Bei "Kristallnaach" von BAP (Textübersetzung auf Hochdeutsch) lief es mir eiskalt das Kreuz runter. Wie aktuell das auf einmal geworden ist! Dabei fanden sich damals, als das Lied neu war und bei meiner damals noch jungen Generation einen Nerv trafen, offenbar die üblichen intellektuellen erhobenen Zeigefinger, die behaupteten, die fehlenden klaren Bezüge zur heute nicht mehr Kristallnacht, sondern Pogromnacht genannten "Reichskristallnacht" von 1938 seien relativierend und verharmlosend. Die Mahner mögen sich das Lied im Kontext des Jahres 2025 bitte noch einmal anhören. 

Übrigens habe ich es sehr bedauert, als der Begriff Kristallnacht irgendwann (neunziger Jahre?) plötzlich pfuibäh wurde und man gefälligst Pogromnacht oder Novemberpogrome sagen sollte. Kein Mensch hat ein klares Bild davon, was ein Pogrom ist, und dazu kommt, daß mindestens die Hälfte der Leute nicht imstande ist, das Wort richtig zu schreiben und daraus eine Progromnacht macht. Ich fand jedenfalls den Kontrast zwischen dem vordergründig so harmlosen Wort Kristallnacht, zu dem man spontan ja nichts Schlimmes assoziiert, und der Erkenntnis, was sich dahinter verbirgt, sehr eindrucksvoll. 

Ein Antikriegslied von Reinhard Mey, "Nein, meine Söhne geb ich nicht", stand auf Platz 12. Ich habe nachgesehen: Letztes Jahr war es schon auf Platz 13. Aber 2018, das ich für einen Stichprobencheck verglichen habe, kam es gerade mal auf Platz 175. Damals kam "Kristallnaach" auf Platz 250, geklettert ist es 2025 vergleichsweise weniger Plätze auf Platz 119. Vielleicht hat das den Grund, daß jüngere Leute mit dem Wort nichts mehr anfangen können, seit sie in der Schule nur noch lernen, daß das Ereignis "Novemberpogrome" heißt? 

Übrigens fand ich gerade dieses äußerst populäre "Nein, meine Söhne geb ich nicht" immer ein bißchen irritierend. Es handelt sich ja darum, daß der Vater Reinhard Mey seine Söhne dem Kriegsdienst verweigert. Nur, was legitimiert ihn eigentlich dazu, dies über die Köpfe der Söhne hinweg zu tun? 1986, als Mey das Lied schrieb, war sein älterer Sohn zehn Jahre alt und der zweite im Kindergartenalter und niemand hätte von ihnen einen Kriegsdienst verlangt. Aber zur Zeit ihrer etwaigen Musterung wären sie schon volljährig gewesen und hätten alles Recht der Welt gehabt, solche Entscheidungen selbst zu treffen - und was, wenn sie die Sache anders als ihr Vater gesehen hätten? Ich will Mey aber zugute halten, daß ihn die Vorstellung, seine Kinder könnten einmal in den Krieg ziehen müssen, damals wohl emotional zu sehr überwältigt hat. Mein Sohn kam ein Jahr nach diesem Lied zur Welt, und ich erinnere mich noch, daß es im Lauf seiner Kindheit ab und zu Nachrichten gab, bei denen ich bei der Vorstellung, mein Sohn könnte davon betroffen sein, emotional regelrecht in die Knie gegangen bin. Immerhin geht aus dem Liedtext js auch hervor, daß Mey es als seine Aufgabe als Vater betrachtete, seine Kinder so zu erziehen, daß auch ihnen, wenn sie einmal gemustert würden, die Vorstellung, zur Bundeswehr zu gehen, völlig unvorstellbar wäre. Vielleicht sollte ich da also nicht gar so erbsenzählerisch sein und ihm zugute halten, daß man in einem Songtext keine ellenlangen Fußnoten mit Präzisierungen unterbringen kann. 

Die Plazierung knapp vor den Top 10 speziell dieses Lieds zeigt jedenfalls, wie sehr die aktuellen Debatten um eine Wiedereinführung der Wehrpflicht die Gemüter bewegen. Aktuelle politische Bezüge haben eine Reihe von auffällig besser als vor einigen Jahren plazierten Songs, etwa Konstantin Weckers "Sage Nein" (Platz 45; 2018: Platz 292) oder Hannes Waders "Es ist an der Zeit" (Platz 59; 2018: Platz 152). Den Vogel abgeschossen hat aber mit Platz 4 noch einmal Reinhard Mey, und zwar mit dem Song "Das Narrenschiff" (2018: Platz 65). Das haben auch die Moderatoren so sehr als politische Botschaft der abstimmenden Hörer gesehen, daß es eine längere einführende Vorrede gab, die ebenfalls ziemlich politisch ausfiel. Ich lege hiermit den Lesern ans Herz, das verlinkte Video anzusehen, denn auch die Bewegtbild/Text-Kombination des Lieds hat in Verbindung mit der heutigen politischen Situation Gänsehaut-Potential. Man kann es gar nicht fassen, daß Reinhard Mey das schon 1998 geschrieben hat und dabei die damalige Kohl-Regierung vor dem geistigen Auge hatte. Es klingt, als wäre es der Regierung Merz auf den Leib geschrieben worden. 

Eigentlich waren mir Reinhard Meys direkt politische Lieder immer auf eine zu platte Art feindselig gegenüber nicht etwa dem politischen System, sondern den Personen, die darin tätig waren. Das Urteil gegen die in der Politik tätigen Personen war in "Das Narrenschiff" meiner Meinung nach um kein Haar schärfer oder verächtlicher als in "Was kann schöner sein auf Erden, als Politiker zu werden" aus dem Jahr 1974 und, eher nebenbei vorkommend, in einer Reihe anderer Lieder aus seiner gesamten Liedermacherkarriere, und die begann immerhin schon in den sechziger Jahren. Ich habe mir das immer damit erklärt, daß er ja zur Zeit der Studentenbewegung der sechziger Jahre studierte, noch dazu in Berlin, und irgendwie nie auf den Gedanken kam, die damaligen Denkschemata im Rückblick zu hinterfragen. Denn von heute aus betrachtet, wirken auch Bundespolitiker der siebziger oder achtziger und sogar der neunziger Jahre geradezu integer. Was auch immer damals an Gemauschel ablief - und natürlich lief da Gemauschel ab -, verglichen mit der Dreistigkeit der Generation Schröder war das ja nur Kinderkram. 

Ich wüßte, ehrlich gesagt, gerne, was Reinhard Mey angesichts der Personalien im heutigen politischen System rückblickend über sein Urteil über die seinerzeitigen der sechziger bis neunziger Jahre denkt und falls er es immer noch richtig findet, welche Worte er im Vergleich dazu eigentlich für die heutige Politikerriege fände, da ich eigentlich nicht sehe, wie er das harte Urteil über die früheren noch toppen kann - was er meiner Meinung nach aber müßte, falls er wie die Hörer seines Songs der Meinung ist, daß wir mit der aktuellen Regierung noch tiefer als jemals zuvor ins Klo gegriffen haben. 

Das fanden die Hörer übrigens auch schon bei der vorherigen Regierung, 2024 kam der Song nämlich auf Platz 5. Den eigentlichen Sprung hat "Das Narrenschiff" aber im Corona-Jahr 2020 gemacht: von Platz 53 im Vorjahr auf Platz 12, und man braucht wohl keinen gelernten Psychoanalytiker, um zu wissen, was die Hörer damit zum Ausdruck bringen wollten. Danach kletterte es aber auch ohne Lockdowns und Impfdiskussionen Jahr um Jahr immer noch ein oder zwei weitere Plätze nach oben. Nun könnte man das vielleicht ja damit erklären, daß das den wachsenden Anteil der AfD-Wähler in der Bevölkerung widerspiegelt. Ich riskiere aber folgende Prognose: Sollte die Regierung Merz in den nächsten drei Jahren dermaßen bei der Aufgabe versagen, die "Köpfe und Herzen" der deutschen Bevölkerung zu gewinnen, daß im Oktober 2028 "Das Narrenschiff" "Bohemian Rhapsody" und "Stairway to Heaven" überholt und Platz 1 der Hitparade belegt, dann steht uns im Februar 2029 wohl endgültig eine AfD-Regierung ins Haus. Und die wird anschließend das Lied dann verbieten. 

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Es ist jetzt ungefähr vier Wochen her, daß an unserem Feigenbaum die Früchte zu reifen begonnen haben, und wie im letzten Jahr ist das Angenehme daran, daß ich immer noch ein- oder zweimal die Woche rausgehen und weitere Feigen pflücken kann, meistens zehn bis 15 Stück, eine nette Portion, um sie in einem Kuchen oder einem Nachtisch zu verarbeiten, auch wenn die "große" Ernte schon vor drei Wochen gewesen ist, in der ich zwei Schüsseln voll hatte. Eine schenkte ich den Nachbarn und bekam als Dankeschön ein Glas Quitten/Pfirsich-Marmelade. 

Eigentlich dachte ich, Feigen wären bei Low Carb pfuipfui, aber in Wirklichkeit haben frische Feigen mit 19 Gramm Glukose je 100 Gramm gar nicht so viel mehr Kohlenhydrate wie die empfohlenen Kiwis. Getrocknete Feigen haben natürlich einen sehr viel höheren Zuckeranteil. Gestern früh habe ich die seit letzten Sonntag gereiften Feigen geerntet und einen Nachtisch daraus gemacht: Mascarpone-Creme mit einem Rest Schlagsahne (weil ich eine angebrochene Sahne vor dem Fasten verbrauchen mußte) sowie zwei Löffeln Kakao und Xylit/Erythrit/Stevia-Mischung, dazu die kleingeschnittenen Feigen, und das paßte wirklich hervorragend zusammen. Nächstes Wochenende werde ich wohl eine Cremetorte mit dieser Schokocreme mit Feigen machen, falls der Feigenbaum bis dahin noch ein paar der verbleibenden Früchte reifen läßt. Da es diese Woche sonnig werden soll, wird das hoffentlich auch klappen. Unreife Feigen sind immer noch mehr als genug auf dem Baum, und letztes Jahr war es erst Ende November aus mit dem Ernten. 

Der Feigenbaum ist ziemlich ausladend, aber zum Glück nicht sonderlich hoch. Ich komme ohne Leiter auch an die obersten Früchte ran, wenn ich den zugehörigen Ast zu fassen kriege und ihn herunterbiegen kann. Freilich, wenn es - wie gestern - in der Nacht zuvor geregnet hatte, bekommt man auf diese Weise eine ziemlich kalte Dusche verpaßt.

Drei Wochen Low Carb habe ich jetzt schon hinter mir, und wieder haben wir eigentlich immer richtig gut gegessen. Die Pogatschen-Wunderwaffe aus gemahlenen Mandeln und Käse hatte ich bislang nur einmal, aber dafür gefüllt mit unserem letzten eigenen Mangold sowie Pinienkernen und Feta, und das schmeckte unheimlich gut. Dazu gab es Tsatsiki, und wir haben zwei Tage daran gegessen, obwohl ich sie relativ klein gemacht hatte, weil ich das Problem ja schon kenne, daß die Mandel-Mozzarella-Mischung viel sättigender ist, als man es den Dingern beim bloßen Ansehen zutraut.

Mein Mann ist ja skeptisch, aber ich will jetzt auch einmal eine Pizza aus diesem Mandel/Mozzarella-Teig machen und dabei den Teig dünnstmöglich machen. Was Pizza betrifft, fand ich bislang die Version mit einem Boden aus verflochtenen Baconstreifen, übergossen mit verquirlten Eiern mit geraspeltem Käse und vor dem Belegen vorgebacken, am besten. Eigentlich wollte ich in dieser LC-Phase aber auch mal ein Rezept mit einem Boden aus Thunfisch ausprobieren, das Rezept sah vielversprechend aus. Jetzt überlege ich, ob ich nicht nächsten Samstag einfach alle drei Varianten parallel machen soll. Dann werden wir ja sehen, ob eine dabei ist, die uns so viel besser als die anderen schmeckt, daß wir künftig bei ihr bleiben möchten. 

Langsam frage ich mich beunruhigt, ob ich es wahrhaftig auch diesmal wieder nicht schaffen werde, endlich einmal einen Low-Carb-Käsekuchen zu backen. Das will ich schon seit einer Ewigkeit, aber bislang drängelten sich immer irgendwelche anderen Rezepte vor, und so kam es bislang nie dazu. Nächste Woche werde ich aber wohl erst einmal anfangen müssen mit den Lebkuchen. Ich habe nämlich versprochen, welche zu einem Adventskaffee am ersten Advent beizusteuern, und die will ich nicht zu knapp vorher machen müssen, weil ich ja erst einmal probieren muß und Lebkuchen gerne ein paar Tage Zeit haben möchten, bevor man sie ißt. 

Die Zeit vergeht außerdem gerade irrsinnig schnell. Erstaunlich, immerhin war November immer mein Horrormonat und schien gar kein Ende nehmen zu wollen. Aber irgendwie hat sich das seit meinem Umzug - der übermorgen exakt ein Jahr her ist - verändert. Das liegt an dem Ausblick im Wohnzimmer, wenn ich morgens Kaffee trinke. Auf der einen Fensterseite haben wir einen schönen Blick auf eine bewaldete Anhöhe, und wenn die Sonne scheint, sind die Herbstfarben eine wahre Pracht - und der Anblick verändert sich jeden Tag. Sogar bei trübem Wetter ist der Anblick aber eindrucksvoll, weil dann meistens der vom Fluß aufsteigende Nebel ganz unheimlich um die Bäume wabert und man manchmal dabei zusehen kann, wie er sich aufzulösen beginnt. 

Wir haben das letztes Jahr im Mai, als wir das Haus zum ersten Mal gesehen haben, schon ganz richtig erkannt: Dieses Haus wollte genau von uns bewohnt werden.