Freitag, 24. Oktober 2025

Antifaschistische Gartengestaltung: Der Bambus muß (fast) ganz weg, die Kletterrosen stutzt man nur

Mein Gewicht heute früh: 72,9 Kilogramm. Davon bin ich wirklich enttäuscht, ich hatte mit um die 72 gerechnet. In vier Fastentagen habe ich aber nur 4,3 kg verloren, das ist auch in Low-Carb-Phasen deutlich unter Durchschnitt. Aber so isses halt, mein Stoffwechsel hat sich mal wieder als Scherzkeks erwiesen. 

Ich habe tatsächlich keine Ahnung, warum es diesmal so lief. Wenn jetzt das Gewicht sich netterweise dazu bequemen sollte, weniger als 4 kg wieder raufzugehen bis zum nächsten langen Fastenintervall, sei es meinem Stoffwechsel aber alles wieder verziehen - neues langes Fastenintervall, neues Glück. 

***

Wenig los an der Ernährungsfront, sieht man einmal davon ab, daß Dr. David Ludwig auf Twitter in einem Thread eine neue Studie auseinandergenommen hat, in der hochverarbeitete Lebensmittel am besten beim Abnehmen funktioniert hatten.  Der Volltext war mir leider nicht zugänglich, also kann ich keinen eigenen Senf dazugeben. 

Bei Krebs gibt es dagegen eine interessante neue Studie, deren Volltext ich kurz überflogen habe: Anscheinend war die Überlebensdauer von Krebspatienten im metastasierten Stadium besser, die sich einer Immuntherapie unterzogen, wenn sie eine mRNA-Impfung gegen Corona bekommen hatten. Offenbar mobilisiert diese Impfung das Immunsystem, das Trastumab und Konsorten zwar höflich auf die Anwesenheit des Feinds hinweisen, aber keinen direkten Einfluß auf den Enthusiasmus nehmen, mit dem das Immunsystem dann wirklich tätig wird. Es muß also von selbst motiviert sein, den Feind auch wirklich zu eliminieren. Wenn es, aus welchen Gründen auch immer, nicht ausreichend motiviert ist, sind Immuntherapien auch nicht wirkungsvoll genug, um gegen Krebs zu wirken. 

Im Primärstadium läßt es sich in der Mehrzahl der Fälle - ausweislich der PCR-Quote - gut genug motivieren, um bei bestimmten Krebsarten, vor allem dem HER-positiven Brustkrebs, dem Krebs sogar ganz den Garaus zu machen. Aber auch da klappt das nicht immer, und die wichtigste Frage ist vermutlich, wie man dann das Immunsystem dazu bringt, aus den Puschen zu kommen und seinen Job ordentlich zu erledigen. Dabei ist letztlich aber jeder auf Vermutungen und Spekulationen angewiesen, und die Kakophonie einander widersprechender Ratschläge verschlimmert die Verwirrung eher noch weiter. Viele Brustkrebspatientinnen versuchen es mit dem einen oder anderen der propagierten Mittel, vom Sporttreiben über Yoga bis zu Vitamintabletten oder Zuckerverzicht. Ob es einen Beitrag dazu geleistet hat, wenn man das Traumziel der pathologischen Komplettremission wirklich erreicht hat, darüber kann man dann natürlich immer nur spekulieren. Denn dieselbe Maßnahme kann bei anderen auch nicht zu diesem Ziel geführt haben. 

Ein bißchen tappt man also immer im Dunkeln, trotzdem ist es m. E. empfehlenswert, sich ein Mittel herauszusuchen und es anzuwenden, das einem brauchbar vorkommt - jedenfalls dann, wenn es keine ernstzunehmenden Hinweise darauf gibt, daß es schädlich sein kann. Selbst etwas tun wollen, ist immer ein Zeichen, daß man noch genügend Energie hat, sich nicht einfach passiv den Experten anzuvertrauen - und das ist schon für sich genommen ein Faktor, der die Wirkung der Therapie verbessern kann. 

Daß die mRNA-Corona-Impfungen bei metastasiertem Krebs eine Lebensverlängerung bewirkt haben, ist eine besonders gute Nachricht, weil dieses Krebsstadium das am schwierigsten zu behandelnde ist. Aber nichts spricht dagegen, eine Wirkung auch für Krebserkrankungen im früheren Stadium anzunehmen. Das bedeutet, daß der Einsatz dieser Corona-Impfungen bei einer Krebsdiagnose ein routinemäßiger Therapiebestandteil werden könnte - denn schließlich spricht nichts gegen die Impfung, auch dann nicht, wenn keine Immuntherapie geplant ist, und Krebspatienten wird ja sowieso empfohlen, sich gegen Corona wie auch gegen Grippe impfen zu lassen, weil während der Chemo das Immunsystem nicht so richtig auf der Höhe ist. 

Das also könnte man aus einer unverbindlichen Empfehlung in einen routinemäßigen Therapiebaustein umwandeln, der halt dann unterbleibt, wenn jemand ausdrücklich Impfungen ablehnt. In ein paar Jahren würde sich aus den Auswertungen ergeben, ob und wenn ja bei welchen Krebsarten und in Verbindung mit welchen Therapien die Wirkung der eigentlichen Krebsbehandlung sich dadurch verbessert hat. 

Das ist also eine richtig gute Nachricht, sie bietet eine sehr einfache und kostengünstige Möglichkeit, Krebsbehandlungen wirksamer zu machen und gerade bei Primärtumoren die PCR-Rate weiter zu erhöhen und damit eine vollständige Heilung eines größeren Teils der Patienten zu ermöglichen. Das ersehnte Wundermittel, das weit fortgeschrittenen Krebs wirklich heilt, ist das freilich (noch) nicht. Weniger als die Hälfte der Patienten im Stadium 4 überlebte den Untersuchungszeitraum von 40 Monaten. Mit Immuntherapie alleine waren es aber noch deutlich weniger - es wäre also, routinemäßig eingesetzt, auch für metastasierten Krebs eine klare Verbesserung zu allem, was im Moment eingesetzt wird. 

Also wird wohl die Coronaimpfung sehr wahrscheinlich ein neues Einsatzgebiet in der Krebstherapie finden und das ist etwas, worüber sich jeder freuen kann, der den Wunsch und Willen hat, seine Krebsdiagnose möglichst lange zu überleben und idealerweise wieder ganz krebsfrei zu werden. Wenn man jetzt auch noch dahinterkäme, daß es ebenso einen Sinn hat, den Krebszellen gleichzeitig dazu auch mit therapeutischer Ketose zu Leibe zu rücken, könnte das vielleicht zusammengenommen der Gamechanger sein.  

Eigentlich sollte ich über diese Nachricht auch weniger überrascht sein, als ich es zugegebenermaßen bin. Biontech hatte ja, bevor das Unternehmen mit der Corona-Impfung groß rauskam, an Impfungen gegen Krebs geforscht und bei der Impfstoffentwicklung auch auf den Vorarbeiten im Bereich Krebs aufbauen können. 

Was mich auf Bluesky fürchterlich irritiert, ist, daß zwar die Berichte über diese Studie recht viel verlinkt werden. Aber die meisten freuen sich dem Anschein nach vor allem darüber, daß die Coronaleugner, die ja nicht müde wurden, vor den Risiken der mRNA-Impfung zu warnen, noch falscher lagen, als man gedacht hatte. Als gewesene Krebspatientin hätte ich es höflicher gefunden, hätte man sich an dem Wohlergehen von unsereins etwas interessierter gezeigt als daran, sich an seinen Lieblingsfeinden abzuarbeiten.

***

Die Wellen um das EU-Verbot, vegane Ersatzprodukte "Wurst" oder "Schnitzel" zu nennen, sind ja längst abgeflaut, aber ich wollte dazu auch noch eine kurze Bemerkung machen: 

In einer Welt, in der Keto-Jünger ihre diesbezüglichen Ersatzprodukte Spätzle oder Kartoffelsalat nennen dürfen (was ich für eine Art Blasphemie halte - egal, wie gut sie schmecken), darf es selbstverständlich auch Veggie-Wurst und Veggie-Schnitzel geben. Wieso muß die EU eine Regelung über solchen Pipifax treffen? Haben die nichts Richtiges zu tun? 

Fast noch verstörender fand ich das anschließende tagelange Aufheulen der Vegetarier, Veganer und ihrer Sympathisanten, die anscheinend auch keine schlimmeren Probleme zu haben scheinen, obwohl gerade rings um sie herum die Demokratie zusammenzubrechen droht. Als ob es eine Rolle spielen würde, wie das Produkt heißt, solange es weiterhin erhältlich ist. 

Ich hab gar nichts gegen vegane Fleisch- und Wurst-Ersatzprodukte. Ich will sie bloß nicht essen. Genausowenig wie Keto-Spätzle oder -Kartoffelsalat. Low-Carb-Essen muß für mich "aus eigenem Recht" schmecken, nicht weil es dem Original einigermaßen ähnlich sieht und geschmacklich mit allerlei Tricks soweit angeglichen werden kann, daß man imstande ist, sich einzureden, es schmecke wirklich gleich - was immer ein Selbstbetrug ist. Dasselbe gilt aber natürlich auch für vegetarisches oder veganes Essen: Es muß aus eigenem Recht schmecken. Etwa der Klassiker Spinat und Spiegeleier. Oder Börek mit Spinat. Wer ein Schnitzel essen will, der ist kein echter Veganer, würde ich sagen. 

Aber wie gesagt, das ist Pipifax. Offenbar geht es uns immer noch zu gut, wenn wir uns mit solcher Ausdauer mit solchem bedeutungslosen Kleinkram befassen können. 

Wobei unser aller Bundeskanzler ja gerade dabei zu sein scheint, das zu ändern. In ein paar Jahren werden wir uns wohl wirklich mit so viel mehr richtigen Problemen als heute befassen müssen, daß dies mit dem Vortäuschen politischer Problemlösungen, wo sie gar nicht benötigt werden oder nachrangig sind, nicht mehr vertuscht werden kann. Daß dies jetzt immer noch geschieht, obwohl wir uns schon jetzt über einen Mangel an echten Problemen kaum beklagen könnten, ist Staatsversagen, und noch mehr deshalb, weil es so viele neue Probleme schafft bzw. bestehende verschlimmert, statt sie zu verbessern. 

Man kann ja eigentlich nur dankbar sein, daß die nicht schon 2022 dran gewesen sind. Da wären wir im Winter vermutlich in kalten Wohnungen gesessen. Diese verpeilte Katherina Reiche hätte das, was Habeck und seine Leute gemanagt haben, nie im Leben zuwege gebracht. Daß die von E.ON die Geschäftsführung einer Tochtergesellschaft bekommen hat, kann ich mir eigentlich nicht aufgrund irgendwelcher Leistungen ihrerseits vorstellen, sondern weil sie schon seinerzeit so viele politische Verbindungen in den Konzern mitbrachte. Neulich erst ist mir übrigens aufgegangen, warum mir Frau Reiche spontan so unsympathisch erschienen ist: Sie erinnert mich an Schneewittchens Stiefmutter, die böse Königin. Einen Spiegel, der ihr unangenehme Wahrheiten zu Gehör bringt, etwa daß ihre Gaskraftwerks-Pläne voraussichtlich an der EU scheitern werden, hat sie offenbar aber nicht. 

Freilich, die Öffentlichkeit™ ist auch nicht viel besser. Seit Tagen tobt diese Stadtbild-Debatte, in der jeder sein Bein wieder und wieder an denselbem Baum hebt. Und meistens geht die - berechtigte - Kritik an Friedrich Merz am Kern des Problems vorbei. Dasselbe gilt natürlich auch für die Zustimmung, und die gibt es, behauptet das ZDF, sogar von einer Mehrheit der Bevölkerung. 

 

Merkwürdig daran ist freilich dies hier: 

 

Wie soll das denn zusammenpassen?

Es zeigt sich, daß das ZDF uns mit der ersten Grafik schlicht angelogen hat. Die Fragestellung dazu lautete:  

  

Diese Frage zu bejahen, bedeutet aber etwas ganz anderes, als Friedrich Merz' Stadtbild-Äußerung zuzustimmen. Danke an dieser Stelle an den Volksverpetzer, der die Quellen auf seiner Website verlinkte, so daß ich nicht selbst danach suchen mußte.  

Dieser Text - einer der besten, die ich bislang zum Thema sah -, zeigt, warum das fast zwangsläufig passieren muß. 

Wenn eine Erzählung falsch ist, dann lautet die sinnvolle Frage nicht: Welche Elemente sind wahr? Die sinnvolle Frage lautet dann: Welche andere Erzählung bildet die Wirklichkeit besser ab?

So schreibt das der Journalist Jonas Schaible in einem Blogbeitrag, und das fand ich einen interessanten Denkanstoß über das, was bei uns in der Kommunikation dauernd so fürchterlich schiefläuft. Der blinde Fleck bei Schaible besteht darin, daß er nicht erwähnt, wieviele unwahre Elemente auch die Erzählungen der Gegenseite enthalten und daß man deshalb erst mal definieren müßte, wie man aus welchen Gründen die Wahrheiten und Unwahrheiten gewichtet - und ob bzw. wann und welchen Unterschied es macht, wo diese Unwahrheiten Irrtümer und wo sie Lügen sind. 

Meistens sind Erzählungen nämlich genau wie das obige Umfrageergebnis des ZDF eine Mischung aus allen dreien: Wahrheit, Lüge und Irrtum. Sie sind alle so miteinander verfilzt wie Bambus, Efeu und Kletterrosen sowie wilder Wein es in meinem rückwärtigen Garten waren, nachdem der Vorbesitzer sich sieben Jahre lang nicht darum gekümmert hatte. Was wir mit diesem unentwirrbaren Gestrüpp gemacht haben, ist eine ganz passende Analogie zu dem, was unsere Regierung meiner Meinung nach auch mit der Entwicklung des Rechtspopulismus in den letzten Jahren machen sollte. 

Wir haben uns nämlich nicht damit begnügt, einfach nur alles zu stutzen. Manches mußten wir buchstäblich radikal beseitigen, will heißen: die Wurzeln ausgraben. Das galt vor allem für den Bambus, denn der bildet auch aus einem übersehenen Stück Wurzel von fünf Zentimentern im Boden doch wieder einen neuen Trieb, der dann, wenn man nicht aufpaßt, wieder anfängt, sich unterirdisch überall auszubreiten. Also habe ich den ganzen Gartenbereich umgepflügt und so viel von den Wurzeln beseitigt, wie ich finden konnte. Neue Triebe, die natürlich trotzdem da und dort wieder aus dem Boden kamen, wurden ebenfalls bis zu ihrer Wurzel ausgegraben und mit ihr zusammen beseitigt. 

Freilich, an manchen Stellen ging das nicht. Unsere Haselsträucher und den Holunder wollen wir nämlich behalten, und um den Bambus wirklich radikalstmöglich zu beseitigen, hätte ich seine Wurzeln auch unter die Wurzeln dieser Sträucher verfolgen und ausmerzen müssen, auf die Gefahr hin, dabei die Sträucher zu schädigen. Also habe ich mich an diesen Stellen für eine andere Strategie entschieden: Alles, was dort rauskommt, wird nur bis zu dem Punkt eliminiert, wo es sich zwischen den Wurzeln einer erwünschten Pflanze versteckt. Das bedeutet, ich muß das halt so lange kontrollieren, bis aus dieser Richtung keine neuen Triebe mehr nachwachsen. Möglicherweise kommen wir an diesen Punkt auch nie. Aber das macht nichts. Es ist ein vertretbarer Aufwand, sich um diese verbliebenen Bambusreste zu kümmern. 

Im Prinzip habe ich auch beim Efeu und dem wilden Wein so viel wie möglich von den Wurzeln beseitigt, aber erstens ging das erheblich einfacher und zweitens bergen steckengebliebene Wurzelteile weniger Risiken. Tatsächlich habe ich den Efeu an drei Stellen erst einmal sogar stehenlassen, an zwei abgestorbenen Bäumen - dort kommt er erst weg, wenn wir die Bäume beseitigen - und im Bereich des Gartentors. Es kann sogar sein, daß wir diesen dritten Teil ganz behalten, aber das ist noch nicht spruchreif und entscheidet sich erst, wenn wir den Gartenzaun auf dieser Seite erneuern. Den Efeu müssen wir halt mehrere Male im Jahr stutzen, sonst wuchert er uns innen wie außen innerhalb von wenigen Monaten wieder alles zu. 

Die Kletterrosen waren genauso expansiv wie der Efeu und stachen dazu noch ziemlich fies, als wir sie stutzten. Mein Mann war ab einem bestimmten Punkt so sauer darüber, daß er sie ziemlich rabiat zurückgeschnitten hat und nur Stümpfe zurückgeblieben sind. Und sieh an, sie nahmen das nicht nur nicht übel, sondern trieben im Frühjahr aus wie verrückt und wir hatten das ganze Jahr die tollsten Rosenblüten in allen Teilen des Gartens und in allen möglichen Farben. Sie stutzten wir nur dann, wenn sie es mit dem Wachsen und Wuchern übertrieben haben, was ein Teil unserer Rosen natürlich wirklich tat. Ganz ehrlich: Den optimalen Umgang mit den Rosen habe ich noch nicht gefunden. Aber jedenfalls bleiben sie. Alle. 

Die Analogie läßt sich noch weiterdenken. Denn tatsächlich habe ich im Moment genausowenig ein Bild vor Augen, wie der Garten als Ganzes einmal aussehen soll, wie die Bundesregierung eine Vorstellung von einer angestrebten Gesellschaft in Deutschland zu haben scheint. Trotzdem ist es aber möglich, auf Basis der Frage, was man keinesfalls haben will - nämlich große Teile des Gartens überwucherndes Gestrüpp -, sofort wirksame Maßnahmen zu treffen, um dies zu verhindern.  Genau so wie in unserem Garten stelle ich mir auch das erwünschte Ergebnis im Kampf gegen den Faschismus vor. Nicht alles muß sofort und mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden, und von 100-%-Zielen sollte man sich bei so einer Aufgabe schnellstmöglich wieder verabschieden, falls man diesen Gedanken anfangs verfolgt hatte. Man macht zwangsläufig Fehler und erlebt unerwartete Wirkungen und Nebenwirkungen seiner Handlungen. Unser Quittenbaum beispielsweise ist vermutlich auch deshalb umgekippt, weil ich um ihn herum den gesamten Efeu beseitigt hatte und seine Wurzeln vermutlich mit denen des Efeus vielfach verflochten waren. Als die Wurzeln abstarben, war natürlich auch die Standfestigkeit des Quittenbaums beeinträchtigt. Das bedeutet freilich nicht, daß es falsch war, den Efeu zu beseitigen. Es bedeutet, daß ich eine unerwünschte Nebenwirkung nicht vorhergesehen und präventiv darauf reagiert habe. Das wird uns bestimmt auch noch öfter passieren. So was ist normal. 

Mein Mann und ich haben außerdem, wie sich im Lauf der Zeit herauskristallisierte, zwei sehr verschiedene Vorstellungen im Garten gehabt und auch bis heute nicht so richtig in Einklang bringen können. Zeitweise haben wir deshalb möglichst getrennt voneinander im Garten gearbeitet. Absprachen trafen wir dann, wenn entweder der andere mit gebraucht wurde oder unsere Bilder im Kopf miteinander kollidierten und wir uns auf eines einigen oder eine Kompromißlösung finden mußten. Für mich war immer die Beseitigung dessen, was weg mußte, Priorität Nummer 1, und das war der rote Faden in meinen letzten zwölf Gartenmonaten. Mein Mann priorisierte einen möglichst vielfältigen sofortigen Gemüseanbau, der mich von der schieren Menge an Sorten heillos überforderte. Ich hätte eine wesentlich kleinere Auswahl in einem bestimmten Teil des Gartens sehr viel lieber gehabt, aber er kümmerte sich dann eben alleine um alles, was er säte und steckte, auch um die zugehörigen Vorarbeiten. Das führte zwar dazu, daß ich an einigen Stellen nicht tätig werden konnte, was mir nicht gefiel, aber es gab ja genügend andere Baustellen, mit denen ich mich befassen konnte. 

Unter dem Strich war es ein Gewinn, daß wir zwei verschiedene Strategien hatten. Wir haben immer noch kein Bild davon, wie unser Garten in fünf Jahren aussehen soll. Aber wir haben nun ein besseres Bild, was jetzt im Herbst, wenn das Laub runter ist, noch weg soll und was stattdessen nächstes Jahr in den Garten rein soll. 


Unser Garten im Monat vor unserem Einzug: Kein Waldweg, sondern der überwachsene Weg zwischen Terrasse und Gartenhaus - und zwar nachdem der Vorgänger dort bereits etwas gelichtet hatte. 

Auf diese Weise könnte auch eine Koalition funktionieren, die zwei sehr unterschiedliche Weltbilder miteinander in Einklang bringen muß. Gelegentlich krachte es bei uns auch, aber am Ende können wir beide dem jeweils anderen zugestehen, in dem selbstgewählten Gebiet den größeren Teil gut hingekriegt zu haben. Was daran wichtig ist: Keiner von uns beiden wäre wohl alleine zurechtgekommen. Die destruktiven Rodungsarbeiten am Unerwünschten und die konstruktiven Aufbauarbeiten beim Erwünschten waren beide im Grundsatz notwendig, und dazu müssen wir beide auch nicht in jedem Detail genau richtig vorgegangen sein. 

Aber noch einmal zurück zu den Erzählungen.  

Gehen wir davon aus, daß es von vornherein keine Erzählung geben kann, die die reine, absolute und nicht mehr hinterfragbare Wahrheit wiedergibt. Dann wäre die sinnvolle Frage nicht: Wieviel Prozent der Erzählung sind wahr? Es wäre auch nicht sinnvoll, die mit der höheren Prozentzahl dann als wahr zu übernehmen. Die wichtigste Frage lautet: Welche Ergänzungen bräuchte die Erzählung, um so nahe an der Wahrheit zu sein, wie es für eine Urteilsbildung erforderlich ist? In Wirklichkeit wäre es wohl nötig, beide konkurrierenden Erzählungen einander gegenüberzustellen und an beiden so lange die Ergänzungen hinzuzufügen, die sie der Wirklichkeit annähern, bis sie zwar nicht identisch, aber einander ähnlicher geworden sind. Dann kann man herausdestillieren, warum Person 1 die eine und Person 2 die andere Erzählung einleuchtender findet, welche Interessen oder Erfahrungen dahinterstecken und wo beide Standpunkte imstande sind, durch Kompromisse zufriedengestellt zu werden. 

Das würde beiden Standpunkten den nötigen Respekt zollen, anstatt, so wie jetzt, immer nur eine auch nur teilweise richtige, wenn auch vielleicht weniger fehlerhafte Erzählung als die angeblich einzige Wahrheit und die andere nur als Lüge darzustellen, obwohl ich jedenfalls auch in ihr wahre Elemente finde. Die falsche Erzählung enthält meiner Erfahrung nach tatsächlich fast immer einen wahren Kern. Der besteht in dem, was in der weniger falschen Erzählung unter den Tisch gefallen ist, weil er nicht zu den damit verbundenen Zielen paßte. Richtig ist, daß das meiste an den Erzählungen, die sich um diesen wahren Schnipsel herum bilden, dann aus Irrtümern und Lügen besteht, manchmal sogar richtig haarsträubenden. 

Niemand kann aber von einer Erzählung überzeugt werden, die einer tatsächlich gemachten persönlichen Erfahrung widerspricht, und wo der wahre Kern in der Lügengeschichte die persönliche Erfahrung bestätigt, hat die Gegenerzählung auch dann verloren, wenn sie flächendeckend durch alle Medien als angebliche reine Wahrheit etwas verbreitet, das implizit behauptet: Was du erlebt hast, kannst du gar nicht erlebt haben. So etwas nicht zu akzeptieren und dabei außerdem ziemlich sauer zu werden, ist nicht rechtsextrem. Es ist normal. Ich mache das ebenfalls so. Unnormal wäre es, einer Theorie mehr zu glauben als der persönlichen Erfahrung. Wo die Sache vertrackter wird, ist, wenn nach dieser berechtigten Reaktion diejenigen, die einem im Gegensatz zum Mainstream zugestimmt haben, auf einmal auch in anderen Bereichen zu der Autoriät werden, der man alles glaubt. Mir ist erst während Corona zum ersten Mal klargeworden, wie weit das gerade unter Leuten verbreitet ist, die sich dann widersinnigerweise als Selbstdenker bezeichnen. 

Was speziell Friedrich Merz vorzuwerfen ist, das ist, daß seine Erzählung zwei Dinge benennt, ein Problem - das Stadtbild - und die vermeintliche Lösung - Abschiebungen illegaler Einwanderer -, obwohl er selbst gut genug wissen müßte, daß diese Abschiebungen am Stadtbild kaum etwas verändern können, denn hier geht es überwiegend um Leute, die sich legal im Land aufhalten. In der Verknüpfung beider Teile gibt es aber keinen wahren Kern, deshalb ist es müßig, für sie nach einem zu suchen. Daß solche rhetorischen Tricks trotzdem funktionieren, liegt zum einen eben an diesem wahren Kern, der in beiden Hälften der falschen Verknüpfung enthalten ist, obwohl diese zwei Hälften in der vorliegenden Verknüpfung eine ganze Unwahrheit ohne wahren Kern bilden. 

Daß es diesen wahren Kern ohne die Verknüpfung gibt, liegt vor allem daran, daß die Erzählung der anderen Seite es mit der Wahrheit halt auch nicht so ganz genau nimmt. Im vorliegenden Fall sind es die Widersprüche zwischen selbst erfahrener und beobachteter Realität (ja, auch im Stadtbild) und kitschiger Multikulti-Rhetorik à la "Kein Mensch ist illegal", der Gleichsetzung von Flucht von politischer Verfolgung und Flucht vor der Perspektivlosigkeit im Herkunftsland und dergleichen sowie außerdem die schnelle Bereitschaft, jedes Hinterfragen der dabei unweigerlich auftauchenden Widersprüchlichkeiten sofort als Rassismus zu brandmarken. Über den letzteren Punkt habe ich schon in den Neunzigern in meinem Freundeskreis hingebungsvoll gestritten. Fürs Protokoll die Fehler in den beiden zitierten Beispielen: Die Einreise fast aller Menschen in fast alle Länder kann illegal sein, und zwar dann, wenn sie nicht nach deren Gesetzen legal ist. Natürlich ist das auch in Deutschland so. Daß ungeachtet dessen die Existenz jedes Menschen selbstverständlich nicht illegal sein kann, ist zwar richtig, ändert daran aber nichts. Und: Das Asylrecht ist nicht dafür gedacht, dem persönlichen Streben nach Glück durch Wechsel in ein anderes Land dienlich zu sein. Den Begriff "Flucht" für beides zu verwenden und dabei eine juristische Verpflichtung des Einwanderungslands zu suggerieren, ist auf genau dieselbe Weise falsch wie diese Stadtbild-Sache. Daran ändert es auch nichts, daß andere Zuwanderungsmöglichkeiten möglich und nötig sind, um auch diese Art von Zuwanderung zu ermöglichen. Diese Widersprüchlichkeiten werden auch von Leuten empfunden, denen das intellektuelle und rhetorische Rüstzeug fehlt, um zu begreifen und zu benennen, an welcher Stelle der Fehler in ihnen steckt. Und es wird sie kaum überzeugen, wenn sie dafür beschimpft werden.  

Ich bin ja im Moment recht beeindruckt davon, wieviel Energie Michel Friedman in die undankbare Aufgabe steckt, davor zu warnen, daß wir in zehn Jahren vielleicht keine Demokratie mehr sein werden, als eine Art einsamer Rufer in der Wüste. Natürlich hat er damit recht. Das Problem ist, das was wir jetzt haben, bedarf einer Generalsanierung. Genau wie unser Garten das vor einem Jahr gebraucht hat. Und wie in unserem Garten werden wir damit ein lange bestehende Dauerbaustelle haben und eine kluge Priorisierung ist erforderlich. Was aus meiner Sicht vordringlich ist, ist als erstes eine Beseitigung des ständigen "gewinnmaximierenden" Optimierens der jeweils eigenen Kommunikationsstrategie, weil das nie ohne die eine oder andere vermeintlich vertretbare Unwahrheit möglich ist. Und da das bestehende Parteienspekturm strukturell unfähig scheint, so etwas umzusetzen, wird nur eine neue Partei - oder eine politische Bewegung, die keine Partei ist, aber Regierungsaufgaben übernehmen könnte - so etwas umsetzen können. Dazu müßte sie das freilich erst mal wollen. Und niemand will eine Sache, die gar nicht in der öffentlichen Debatte ist. 

Solange niemand bereit ist, dieses Erfordernis zur Kenntnis zu nehmen, werden aber alle Rettungsversuche vergeblich sein, denn daß wir mit der derzeitigen Methode auf einen Abgrund zusteuern, ist mir schon seit fast zwanzig Jahren klar, und nie kam irgendwer auf den Gedanken, an ihr etwas zu ändern. Eine neue Regierung, die in etwa dem entspricht, was wir vor der Regierung Merz hatten - und das scheinen ja alle, von Friedman aufwärts, sich gerade als Lösung vorzustellen -, wird das Problem nicht lösen, sondern allenfalls die Fallgeschwindigkeit verringern und uns ein paar zusätzliche immer wackeligere Jahre schenken. Denn tatsächlich hat die Erosion der Glaubwürdigkeit schon lange vorher eingesetzt, spätestens zur Zeit der Bankenkrise, aber wahrscheinlich setzte auch das nur auf der Erfahrung mit der unsäglichen Agenda 2010 auf, die ein nicht zu unterschätzender Teil der Bevölkerung direkt gemacht hat oder im Nahbereich mit ansehen mußte. 

Für eine von vornherein verlorene Sache opfere ich weder Zeit noch Energie. Nicht einmal dann, wenn ich mit dazu beitragen könnte, daß die Geschwindigkeit, mit der wir auf den Abgrund zurasen, sich etwas verringert. Mit mir kann man erst dann rechnen, wenn es ernsthaft versucht wird, die Richtung zu ändern. 

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen