Montag, 1. April 2024

Der montägliche Endspurt-Countdown. Und: Was hat es mit dem Krebs-Wunderheilmittel 3-Bromopyruvat auf sich?

Mein Gewicht heute früh: 76,7 Kilogramm. 3,2 Kilogramm bis zum Zielgewicht, also genau die Hälfte der anfänglichen 6,4 Kilogramm habe ich von mir abgeschüttelt. Trotzdem werde ich jetzt immer pessimistischer, was das Erreichen des Zielgewichts bis in vier Wochen betrifft. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, daß die Abnahme nicht in den zweiten vier Wochen anfängt, sich zu verlangsamen, also hätte ich in den ersten vier Wochen wenigstens ein bißchen mehr als die Hälfte abnehmen müssen, damit das klappt. 

Na, mal sehen, wo ich am Ende der Endspurt-Phase dann tatsächlich stehen werde. Ich hoffe, wenigstens nicht allzu weit weg von dem Gewicht, zu dem ich eigentlich hinwollte. Daß ich meinen Endspurt-Fastenrhythmus nach dem geplanten Ende keinesfalls weiter fortsetzen werde, ist ja schon sicher. Nicht, weil er sich als zu unangenehm erwiesen hätte, um es noch länger durchzuhalten. Bei Halbzeit kann ich jedenfalls festhalten, daß die Sache sich bislang sehr problemlos gestaltet hat. Das Fasten fällt mir so leicht wie eh und je, und an den kurzen drei Tagen, an denen ich esse, ist das einzig Kniffelige die Frage, was und wie viel davon ich einkaufen sollte. Ich will schließlich nicht, daß mir alles vergammelt, und drei Tage sind verflixt kurz. Nicht zuletzt, weil ich dieses Wochenende bei den Mahlzeiten das Gefühl hatte, ich sei schneller als sonst satt geworden. Ich möchte nicht, daß sich mein Stoffwechsel gar zu gut an diese Sache anpaßt, sonst nehme ich anschließend zu viel wieder zu, und das wäre nun wirklich nicht Sinn der Sache. Dewegen huldige ich auch weiterhin beim Essen, wenn ich esse, dem Prinzip "Was ich will und so viel davon wie ich will", und daß ich plötzlich weniger zu wollen scheine, ist mir eigentlich eher unrecht.

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Schon wieder dreht sich das, was ich sonst noch zu sagen habe, um Thomas Seyfried, aber diesmal steht er nicht im Zentrum. In mehreren der Videos aus dem erwähnten Kanal empfahl Seyfried nämlich das Buch "Tripping over the Truth" einen Mann namens Travis Christofferson, in dem es um die Rolle des Warburg-Effekts in der Krebsforschung geht und unter anderem natürlich auch Seyfrieds Arbeit vorgestellt wird. Dieses Buch habe ich gerade gelesen. Empfehlen kann ich es allerdings nur mit gewissen Einschränkungen. Vor allem aber empfehle ich ausdrücklich nicht die deutsche Übersetzung, denn bevor ich ein Buch empfehle, das ausgerechnet im Verschwörungstheorien-Verbreiter-Verlag Nummer 1 in diesem Land, dem Kopp-Verlag, erschienen ist, soll mir eher die Tastatur zerbröseln. Ehrlich gesagt, ich war darüber so entsetzt, daß ich mich auch nicht dazu überwinden konnte, eine zweite deutsche Ausgabe des Buchs, die in einem obskuren, aber nicht ganz so toxisch wirkenden Naturheilkunde-Verlag erschienen ist, zu erwerben. Lieber habe ich mich an das englischsprachige Original gehalten.

Langsam macht mich das richtig mürbe, daß Professor Seyfried vor allem im deutschsprachigen Raum fast ausschließlich so zweifelhafte Figuren als Bewunderer hat. Dr. Kämmerer eine Heldin der Corona-Schiefdenker. Dr. Klement ein Anhänger dieses Wunderheilers Viktor Philippi und den Kopf voller unsortiertem Schwurbel. Und jetzt auch noch diese deutsche Übersetzung dieses Buches im unseriösesten Verlag, den man auftreiben konnte. Da weiß ich auch nicht mehr so recht, was ich eigentlich von Travis Christofferson halten soll. Auch an Thomas Seyfried selbst kämen bei mir wahrscheinlich ernsthafte Zweifel auf, wenn ich mich bei ihm alleine auf das Prinzip "Zeige mir deine Freunde, und ich sage dir, wer du bist" verlassen müßte.

Anders als bei Seyfrieds schwer verdaulichen "Cancer as a Metabolic Disease" handelt es sich bei "Tripping over the Truth" um ein Sachbuch, das für jeden Laien problemlos verständlich ist und das nicht mit biographischen Details der handelnden Personen spart, was die Sache unterhaltsam zu lesen macht. Der Autor hat unter anderem Molekularbiologie studiert, man kann ihm also ausreichend Fachwissen zutrauen. Gelesen habe ich die erste Auflage von 2014. Ein paar Jahre später, 2019, gab es eine zweite, erweiterte Auflage, und wahrscheinlich wäre es gescheiter gewesen, mir die zu Gemüte zu führen, aber daß es zwei Auflagen gibt, habe ich erst hinterher bemerkt. Im Großen und Ganzen habe ich aber der ersten Auflage höchstwahrscheinlich alles entnehmen können, was an der Sache wichtig zu wissen ist.

Wer "Der König aller Krankheiten" gelesen hat, wird in der ersten Hälfte des Buches ziemlich viele Kapitel vorfinden, deren Inhalte ihm unter dem Strich nicht viel Neues zu bieten haben. Wer es nicht gelesen hat, der bekommt einen wesentlich knapperen, aber ausreichenden Überblick zur generelleren Geschichte des Ringens der Wissenschaft mit der Frage, was Krebs eigentlich ist und wie man ihn bekämpfen kann. Nach einigen Kapiteln taucht dann erstmals die Theorie auf, um die es eigentlich geht, und ebenso ihr Entwickler Otto Warburg. Der lange Anlauf war mir eigentlich zu lang, aber für jemanden, der neu ins Thema einsteigt, ist er bestimmt interessant und natürlich auch nötig, um die von vorherigen Gelehrten gemachten Entdeckungen und erarbeiteten Grundlagen, auf denen wiederum Warburgs Arbeit aufbaute, und den wissenschaftlichen Rahmen, innerhalb dessen er es tat, auch zu kennen. Für jemanden, der das alles schon anderswo gelesen hat, ist es insofern vielleicht dennoch von Interesse, weil es zu einem bestimmten Ziel hinführen soll, das sich von dem Siddartha Mukherjees unterscheidet.

Je weiter das Buch fortschreitet, desto stärker fokussiert es sich also auf Warburgs Mitochondrien-Theorie und was im Lauf der Zeit dazu an Erkenntnissen gewonnen wurde, und ab da wurde es für mich immer interessanter. Nach Otto Warburgs Tod im Jahre 1970 griff ein Wissenschaftler namens Peter Pedersen dessen Annahmen auf und forschte mehr oder weniger im Alleingang an ihnen weiter, obwohl die Sache schon längst aus der wissenschaftlichen Mode gekommen war. Inzwischen hatte sich die Gentheorie zur allgemein für wahr gehaltenen Grundlage der Krebsforschung entwickelt. Pedersen ließ sich davon aber nicht beeindrucken, und so ist es ihm zu verdanken, daß Thomas Seyfried, als er um die Jahrtausendwende herum stutzig wurde, weil bei seinen Forschungen dauernd Ergebnisse herauskamen, die im Widerspruch zur Gentheorie standen, in ihm noch jemanden auf wissenschaftlicher Augenhöhe vorfand, der nach wie vor von Warburg überzeugt war und auch Arbeiten vorzuweisen hatte, die zu dessen Gunsten sprachen. In Seyfrieds Buch taucht Pedersens Name so häufig auf, daß er auch in meinem Gedächtnis geblieben ist. Bei Christofferson erfuhr ich nun zum ersten Mal Näheres über ihn einschließlich einiger biographischer Details, die einem Tante Google nicht verraten hätte, weil Pedersen keiner der von den Publikumsmedien umjubelten Wissenschaftler mit Glamourfaktor ist.

In Pedersens Labor an der Johns-Hopkins-Universität war es aber, wo schon vor Seyfrieds Buch eine Methode der Krebsbekämpfung entwickelt wurde, die ebenfalls auf den Besonderheiten des Krebsstoffwechsels beruht, also darauf abzielt, die Glykolyse ("Fermentierung") der Krebszellen zu verhindern, ausgehend von der Annahme, daß die Krebszellen in diesem Fall außerstande sind, auf andere Weise Energie zu erzeugen, was dann ihr sicherer Tod ist. Den Begriff 3-Bromopyruvat hatte ich auch selbst schon gehört, neulich erst hat mir eine Mitpatientin erzählt, daß es in einschlägigen Online-Plattformen für Krebskranke, wo sie selbst aktiv ist, ein vieldiskutiertes Thema sei, aber auch in Seyfrieds Buch wird diese Substanz, wenn auch nur am Rande, erwähnt. Es mag also einer der üblichen Strohhalme sein, nach dem verzweifelte Krebspatienten greifen, aber die Sache als solche hat schon einen wissenschaftlichen Kern.

Dennoch ist dieses Mittel insbesondere in Deutschland und den Niederlanden eher berüchtigt als berühmt, seit 2016 ein deutscher Heilpraktiker wegen des Tods von drei seiner Patienten als Folge der Behandlung mit 3-Bromopyruvat in die Schlagzeilen gelangte. Ich erinnere mich noch an die Medienberichterstattung darüber, aber erst jetzt kann ich einordnen, was das für eine Substanz war, die verwendet wurde, was die Grundgedanken ihrer Anwendung waren und warum die Behandlung für alle behandelten Patienten so riskant war, daß es einem schier unglaublich erscheint, wie leichtfertig der Behandler die Substanz eingesetzt hat. Die Sache hat etwas von einem Kriminalroman. Es gibt einen ausführlichen Bericht über jeden einzelnen Verhandlungstag des Prozesses, der drei Jahre später stattfand, bei Medwatch, in dem teils unglaubliche Details zur Sprache kommen. Der angeklagte Heilpraktiker kam übrigens mit einer Bewährungsstrafe davon.

Kurioserweise war der Einsatz von 3-Bromopyruvat, den ein Mediziner nicht hätte vornehmen dürfen, weil es als Arzneimittel gar nicht zugelassen ist, für einen Heilpraktiker jedenfalls damals noch durchaus legal. Wie dieser Heilpraktiker überhaupt dazu gekommen war, das Mittel in seiner Alternativklinik einzusetzen, ist schon für sich alleine genommen abenteuerlich genug. Als die Sache damals von den Medien aufgegriffen wurde, hatte ich davon eine ganz andere Vorstellung, und vermutlich ging das den meisten Leuten ähnlich. Ich dachte nämlich, es handle sich um eines dieser Mittel, wie sie in einschlägigen alternativmedizinischen Kursen routinemäßig angepriesen werden, wo man neben der Philosophie hinter ihrer Anwendung auch die Methoden der Verabreichung erlernen kann. In Wirklichkeit war die Sache aber ganz anders, und ich vermute sogar, das Mittel war auch in den alternativmedizinischen Kreisen Deutschlands noch nicht besonders bekannt. Auch dieser Heilpraktiker kannte es noch nicht, als eines Tages ein Mann bei ihm vorsprach, der jemanden suchte, der seiner krebskranken Frau eine Infusion mit diesem Mittel verabreichen sollte. Den Grundstoff hatte er privat aus den USA beschafft. Er war bei Online-Recherchen darauf gestoßen und hatte  keine Schwierigkeiten dabei gehabt, die Substanz zu erwerben.

Es wäre interessant zu wissen, ob es leicht oder schwierig war, den Heilpraktiker zu überzeugen, sich auf dieses Unterfangen einzulassen, das für ihn Neuland und mit Risiken behaftet war, was er sich dabei dachte und welches Argument den Ausschlag für ihn gab. Wie auch immer, der Mann der Patientin Nummer 1 für dieses Verfahren in dieser Alternativpraxis hatte die richtige Person für sein Vorhaben gefunden, denn der Heilpraktiker willigte ein, die Behandlung vorzunehmen.

Was leider in dem Prozeßbericht nicht so genau zur Sprache kam, ist, auf welche Weise der Heilpraktiker sich vergewisserte, wie genau die Anwendung abzulaufen hatte, wie er das Mittel dosieren mußte und welche Erfahrungen damit anderswo gemacht wurden. Es ist sogar möglich, daß er sich die Sache einfach von dem Mann seiner künftigen Patientin beschreiben ließ, der sich wiederum durch einschlägige Online-Quellen "fortgebildet" hatte. Sicher ist jedenfalls, daß es keine seriöse Quelle gegeben haben kann, die ihm Fragen zu den Details der praktischen Anwendung beantworten konnte, und falls ich mit meiner Annahme richtig liege, daß dieses Verfahren auch bei Heilpraktikern hierzulande noch unüblich gewesen ist, waren sogar unseriöse Quellen nicht so leicht aufzutreiben. Angesichts eines solchen medizinischen Blindflugs muß man sich im Grunde sogar darüber wundern, daß es ein volles Jahr dauerte, bis die ersten Todesfälle dieser Art von Behandlung zugeordnet wurden.

Es blieb nämlich nicht lange bei dieser einen Patientin für die Behandlung mit solchen Infusionen, vielmehr wurde die Sache nun rasch zu einem florierenden Geschäft. Wie auch immer sich die Sache verbreitet hatte, die Patienten rannten dem Heilpraktiker bald die Bude ein, viele von ihnen aus den angrenzenden Niederlanden, um diese Infusionen zu bekommen. Der Mann seiner ersten Patientin wurde für den Heilpraktiker zum regelmäßigen Lieferanten des Grundstoffs für die Infusionen. Für eine zehnwöchige Behandlung berechnete er seinen Patienten fast 10.000 Euro, ein stolzer Preis, zumal wenn man bedenkt, daß die Substanz selbst nicht sonderlich viel kostet. In den Augen eines Todkranken erscheinen 10.000 Euro bestimmt nicht zu viel für ein Medikament, von dem er hofft, daß es ihm das Leben retten wird. Aus dem Blickwinkel des Anbieters war das Verfahren aber wohl eher eine Art Gelddruckmaschine. 

Es fällt mir schwer, dem Angeklagten seine altruistischen Motive abzunehmen, die er vor Gericht immer wieder beteuerte. Auch wenn ich keine Erfahrung mit den Kosten habe, die bei so einer Behandlung für den Behandelnden anfallen, und ich außerdem nicht weiß, wie groß die Dollarzeichen in den Augen des Lieferanten wurden, als ihm aufging, daß er mit dem Mittel, das er aufgetrieben hatte, um seine Frau zu retten, auch Geld verdienen konnte, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß dieser Behandlungspreis das betriebswirtschaftlich Erforderliche nicht ganz erheblich überstiegen hat. Auch wenn der Heilpraktiker ehrlich daran geglaubt haben sollte, seinen Patienten eine realistische Chance auf Heilung zu verschaffen, hat er sich an ihnen höchstwahrscheinlich sehr bereichert. Es ist aber auch möglich, daß er die Sache zynisch genug anging, um sich zu sagen, daß die wenigsten seiner typischerweise bereits am Rand des Todes stehenden Patienten allzu viel Gelegenheit bekommen würden, sich bei ihm über die Unwirksamkeit des Verfahrens zu beschweren.

Ursprünglich hatte dieser Heilpraktiker einmal als Werkzeugmacher angefangen - was keineswegs gegen ihn spricht. Eigentlich sogar im Gegenteil: Hätte er als Heilpraktiker eines der zentralen Erfordernisse in seinem alten Beruf beherzigt - Werkzeugmacher müssen nämlich sehr präzise arbeiten -, dann wäre es zu dem Tag, an dem drei Patienten eine Behandlung erhielten, die sie innerhalb weniger Tage ins Grab brachte, wohl nicht gekommen. Aber exakte Arbeit wurde bei dieser Behandlung nicht geleistet. Der Heilpraktiker verfügte nämlich nicht einmal über eine Waage, mit der die Dosierung in ausreichender Genauigkeit vorgenommen werden konnte. Dosiert wurde offenbar pi mal Daumen plus Bauchgefühl des Behandlers. Die Infusionsflaschen, die die Ermittler vorfanden, waren teils falsch beschriftet und nicht datiert, ließen sich also gar nicht der Behandlung eines bestimmten Patienten an einem bestimmten Tag zuordnen. Die Frage, ob vielleicht der Grundstoff, der von einem anderen Hersteller stammte als sonst, irgendwie verunreinigt gewesen war, ließ sich auch nicht mehr beantworten, weil sowohl der Heilpraktiker wie auch sein Lieferant, der Mann seiner ersten so behandelten Patientin, die Restbestände sofort entsorgt hatten. 

Nachdem drei Todesfälle geschehen waren, man faßt es nicht! 

In jedem Kriminalroman wäre das einem Schuldeingeständnis gleichgekommen. In diesem Fall hätte ein verunreinigter Grundstoff freilich eher ein wenig entlastet; es wäre dann ja nicht mehr die Schlamperei bei der Anwendung alleine der Faktor gewesen, der wahrscheinlich zum Tode der Patienten geführt hatte und der den Ermittlungen zufolge am kritischen Tag dazu führte, daß das Mittel erheblich überdosiert wurde. Eine vollständige Entlastung kann ich angesichts der nachweislichen Schlamperei aber auch dann nicht erkennen. Hätten die beiden also mit ihrer Entsorgungsaktion eher vertuschen wollen, daß mit dem Grundstoff alles in Ordnung war, damit auch der Hersteller verdächtig würde, dann erschließt sich mir der Sinn der Aktion genausowenig. Wahrscheinlich waren die beiden in ihrer Panik einfach nur kopflos geworden.

Wie auch immer, von jemandem mit so einer Berufsauffassung hätte ich mir nicht einmal einen eingewachsenen Zehennagel behandeln lassen wollen.

In einem Stern-Bericht über das Urteil gegen den Heilpraktiker wurde interessanterweise auch der Arzt nach seiner Meinung zu der Sache gefragt, unter dessen Leitung einer von bislang zwei wissenschaftlich dokumentierten Einsätzen von 3-Bromopyruvat bei einem Krebspatienten erfolgte. Glaube ich Travis Christofferson, bei dem diese Behandlung sehr detailliert geschildert wird, war der Patient - ein zum Zeitpunkt der Behandlung Siebzehnjähriger mit weit fortgeschrittenem Leberkrebs - nach der Behandlung, anders, als das im Stern-Bericht steht, vollständig krebsfrei. Der Tod des Patienten sei auf eine Lungenentzündung sowie auf die noch nicht ausreichend lange regenerierte Leber zurückzuführen, die nicht imstande war, die unvermeidbare Antibiotikabehandlung zu verkraften. In der publizierten Fallstudie, die ich daraufhin natürlich suchte, steht die Sache aber doch ein kleines bißchen anders: 

An outcome of an increased lymphocyte count with some mesothelial cells, but no malignant cells was obtained. This lack of tumor cells in the ascites suggested that the tumors in the liver were well encapsulated and dead. ... Liver functions were overloaded due to rapid destruction of the tumor cells resulting in the liver’s inefficient detoxification. Despite regeneration of the healthy liver cells, this process apparently could not compensate adequately for the rapid destruction of tumor cells and could not detoxify the dead cancer cell debris fast enough. Consequently, the blood albumin levels were decreasing. The patient passed away 2 years after his first diagnosis due to an overload of liver function
Mit anderen Worten: Der Patient war krebsfrei, starb aber daran, daß er zu schnell krebsfrei geworden war und von der Leber nicht genug funktionierendes unverkrebstes Gewebe übrig geblieben war, um auch nur ihre normalen Aufgaben gut genug zu bewältigen, von der Menge verrottender Krebszellenleichen, die immer noch herumlagen und dem körpereigenen Recyclingverfahren zugeführt werden mußten, ganz zu schweigen. Von einer Lungenentzündung und Antibiotika steht hier gar nichts. Haben die Autoren der Fallstudie sie nicht für maßgeblich gehalten? Aber wenn ja, warum nicht, wenn dies der auslösende Faktor des Todes war? Christoffersons Darstellung basiert auf Gesprächen mit der Entwicklerin des Wirkstoffs, Dr. Ko, die diese Behandlung persönlich mitverfolgt hatte und auch an erster Stelle unter den Autoren der Fallstudie steht. Zwischen diesen beiden Wiedergaben des Ablaufs hätte ich deshalb keine inhaltlichen Abweichungen erwartet.

Im Prozeßbericht der Gerichtsverhandlung gegen den Heilpraktiker wurde die Frage, wie das Mittel auf die Erkrankung des damaligen Patienten gewirkt hat, auch kurz gestreift, und hier wird die Wirkung der Behandlung noch einmal anders dargestellt.

„Die einzige gut dokumentierte Anwendung am Menschen gab es in Frankfurt“, sagt er. Dort sei mit Beteiligung einer Ethikkommission ein individueller Heilversuch unternommen worden, bei dem auch zunächst eine Besserung erreicht wurde. „Von daher ist es ein Stoff, der das Potenzial hat, ein Arzneimittel zu werden“, sagt Daldrup.

Hier haben wir wohl die Quelle, die auch dem Stern-Bericht zugrunde lag. Nach ihr war der Krebs nicht beseitigt, sondern nur verringert worden, und auch das nur vorübergehend. Vielleicht ging dieses Detail ja auf das Konto des journalistischen Berichterstatters, für den die Details dieser ollen Kamelle nebensächlich waren, aber wenn zwei Berichte über den Auftritt des Sachverständigen Daldrup es übereinstimmend so wiedergeben, hat er es vermutlich doch wirklich so gesagt, und ich wüßte gerne, warum.

Vom Sachverständigen ebenfalls betont wurde dafür ein anderes besonders relevantes Detail, das einem flüchtigen Leser der Fallstudie möglicherweise nicht aufgefallen wäre:

Allerdings gebe es große Hürden, denn 3-BP wirke offenbar nur in einem sehr engen Bereich: Bei einer Überdosierung sei es tödlich ... Außerdem reagiere der Stoff so schnell mit Eiweißen im Körper, dass man über eine intravenöse Gabe kaum etwas erreichen könne. „Am eigentlichen Wirkort, dem Tumor, kommt fast nichts mehr an.“ Deshalb wurde das Mittel in Frankfurt auch nicht intravenös, sondern lokal verabreicht, also mit einem Mikrokatheter direkt in den Tumor geleitet. 

Was der Heilpraktiker mit seinen Patienten gemacht hat, ließ also von vornherein gar nicht dieselbe Wirkung erwarten wie das, was an der Uniklinik Frankfurt mit dem jungen Leberkrebspatienten gemacht wurde, da die Art der Verabreichung anders und von vornherein viel weniger erfolgversprechend war. Hätte der Heilpraktiker sich ernsthaft darum bemüht, herauszufinden, welche Vorerfahrungen mit dem Mittel bestehen und wie es dabei verabreicht wurde, wäre er in jedem Fall auf diese Studie gestoßen. Bei der Lektüre des Frankfurter Fallberichts mit seinem trotz allem erfolgreichen Einsatz des Mittels hätte ihm auffallen müssen, daß er diese Art von Behandlung, die darin beschrieben war, von vornherein nicht erbringen konnte. Der Fallbericht des zweiten dokumentierten Falls (Abstract) hätte bei ihm die Zweifel an der Sinnhaftigkeit einer Vergabe durch Infusion verstärken müssen, denn die Wirkung auf den Tumor wurde hier als "minimal" beschrieben. Die Vergabe solcher Infusionen wurde aber zu einer tragenden Säule seiner alternativmedizinischen Klinik. Entweder hat er also diese Fallbeschreibungen nicht gelesen oder sie nicht verstanden. Oder vielleicht war es ihm auch einfach nur egal.

Trotzdem hätte es natürlich sein können, daß nach dem Prinzip vom blinden Huhn und dem von ihm gefundenen Korn vielleicht ja doch einige der Patienten, die das Mittel bekamen, von ihm profitiert haben. Nur, wo sind sie dann eigentlich?

Es gibt eine Sache, die in der ganzen aufgeregten Sensationsberichterstattung nirgends zur Sprache kam, obwohl sie aus meiner Sicht am stärksten gegen das von dem Heilpraktiker angewandte Verfahren spricht: Drei Jahre nach den Todesfällen, 2019, als der Prozeß wieder ein starkes Medienecho auslöste, fand sich kein einziger der damaligen Patienten des Heilpraktikers, der von sich behaupten konnte oder wollte, dank jener Behandlung auch drei Jahre später immer noch krebsfrei zu sein. Auch der Heilpraktiker selbst wußte nur von einer Patientin, der es drei Jahre nach der Behandlung immer noch gut gegangen sein soll. Wäre diese Behandlung aber bei einem nennenswerten Teil der Patienten erfolgreich gewesen, ist es dann wirklich vorstellbar, daß kein einziger von ihnen den Medien gegenüber als Verteidiger der Verfahrensweise des Retters seines Lebens wie auch des Mittels, das er dabei verwendet hatte, hätte auftreten wollen? Allzu viele Gerettete kann es also drei Jahre nach der Behandlung nicht gegeben haben. Mit dem Wunder, das das Wundermittel bewirken können sollte, kann es also nicht besonders weit her gewesen sein. 

Einer der Patienten hatte senem Behandler tatsächlich gegenüber den Medien das Vertrauen ausgesprochen, das war kurz nach den Todesfällen im August 2016. Die Sache hat allerdings den Schönheitsfehler, daß dieser Mann den September 2016 nicht überlebt hat.

Tatsächlich war in den Medien im Gegenteil direkt nach den Todesfällen - wir springen also gerade wieder zurück ins Jahr 2016 - davon die Rede, daß die Todesumstände von sage und schreibe 70 weiteren Verstorbenen unter den Patienten dieses Heilpraktikers nun Gegenstand polizeilicher Ermittlungen seien. Es liegt nahe, daß sie alle mit 3-Bromopyruvat behandelt worden waren. 70 Todesfälle, das hört sich aber dennoch spektakulärer an, als es ist. Wer vor allem Patienten mit Krebs im Endstadium behandelt, bei dem sollte man sich nicht darüber wundern, wenn viele seiner Patienten sterben. Das gilt für einen Alternativmediziner genauso wie für eine onkologische Palliativstation. Ich habe deshalb die schnappatmige Aufregung um diese 70 Verstorbenen, über deren Todesumstände ermittelt wurde, schon damals nicht so recht verstanden, denn daß diese Todesfälle alle nicht geschehen wären, hätten diese Patienten nur nie einen Fuß in die Klinik dieses Mannes gesetzt, wie nicht nur Laien, sondern auch Kritiker von alternativen Heilverfahren mit medizinischem Fachwissen den Sachverhalt prompt verstanden und sich darüber entsetzten, schien mir ziemlich weit hergeholt. Bei diesen Ermittlungen - die selbstverständlich in so einem Fall erforderlich waren - scheint auch nichts weiter an Verdachtsmomenten herausgekommen zu sein, denn im Prozeß ging es dann ja tatsächlich wieder nur um die drei Todesfälle, die den Fall zunächst in die Schlagzeilen brachten. Die betroffenen Patienten starben alle innerhalb weniger Tage unter vergleichbaren Begleitumständen und ließen sich alle drei einem bestimmten Behandlungstag zuordnen, an dem also irgendetwas fürchterlich schiefgegangen war, das an anderen Behandlungstagen trotz aller Mängel in der Handhabung der Therapie nicht schiefging. 

Immerhin erlaubt diese Zahl von 70 verstorbenen Patienten, denen 3-Brompyruvat verabreicht worden war, eine Grobeinschätzung, wieviel Geld das Mittel in die Kasse des Heilpraktikers gespült hat. 70 Patienten, die eine Therapie eingingen, für die sie eine Rechnung in Höhe von knappen 10.000 Euro bekamen, das bedeutet 700.000 Euro, die die Alternativklinik binnen eines Jahres vereinnahmen konnte; wieviel davon wiederum zur Begleichung eigener Kosten benötigt wurden, darüber darf spekuliert werden. Hinzu kommen aber auch noch die Honorare, die von Patienten bezahlt wurden, die zum Zeitpunkt der Ermittlungen, also unmittelbar nach den drei Todesfällen, die den Skandal auslösten, noch am Leben waren. Wieviele das waren, weiß ich nicht. Aber auch wenn das Verfahren keinem einzigen der Patienten auch nur einen einzigen Tag Lebensverlängerung gebracht hätte, können das leicht noch einmal genausoviele Personen oder noch mehr gewesen sein. Das Verfahren war ja nur ca. ein Jahr lang angewandt worden und die Zahl der Interessenten war bestimmt ganz zu Anfang noch geringer als später. Auch Krebspatienten im fortgeschrittenen Stadium können wenige Wochen nach einer wirkungslosen alternativmedizinischen Behandlung aber noch mehrheitlich am Leben gewesen sein.

Nachzutragen wäre an dieser Stelle noch eines: Die krebskranke Frau des Mannes, dessen Bitte um eine Infusion von 3-Brompyruvat für sie dieses Therapieangebot überhaupt erst ausgelöst hatte, war zum Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung ebenfalls bereits verstorben. Von der Wirksamkeit des Mittels behauptete ihr Witwer dennoch weiterhin überzeugt zu sein.

Was also halten wir angesichts dessen nun von 3-Bromopyruvat?

Für diejenigen, die auf mein Blog bei der Suche nach einem wirksamen Mittel gegen ihre eigene Krebserkrankung oder die eines geliebten Menschen gestoßen sind und hoffen, es mit 3-Bromopyruvat vielleicht gefunden zu haben, ist dies hier das wichtigste:  

Lassen Sie lieber die Finger davon.

Die Wissenschaft ist noch nicht soweit, dieses Mittel einigermaßen gefahrenminimierend einsetzen zu können, und alternativmedizinische Anbieter sind bei diesem Wirkstoff sowieso nicht die richtigen Ansprechpartner. Tatsächlich handelt es sich ja auch gar nicht um ein biologisches Mittel, es wurde genauso in einem Labor entwickelt wie all das Zeug, das man damit ersetzen will.

Wer sich von der Behandlung mit 3-Bromopyruvat eine besonders schonende, nebenwirkungsarme Behandlung verspricht, den muß ich außerdem ebenfalls enttäuschen: Von heftiger Übelkeit und Erbrechen war sowohl in der Fallstudie als auch bei den Patienten des Heilpraktikers, die sich dieser Behandlung unterzogen, viel die Rede. Wer sich vor solchen Reaktionen auf die Chemotherapie fürchtet, verbessert sich nicht. Dieses Mittel ist nicht nur nicht natürlich, es ist auch nicht sanft.

Harmlos ist es auch nicht. Das Zeug stellt Dinge mit dem Stoffwechsel an, die auch die Entwickler noch nicht gut genug verstanden haben. Jede Behandlung, auch unter bestmöglicher fachlicher Betreuung, ist sehr riskant. Wenn man Pech hat, kann man durch dieses Mittel noch viel schneller die Radieschen von unten betrachten, als dies der Krebs selbst bewirken würde.

Eigentlich hat 3-Bromopyruvat - siehe auch die Einschätzung des Sachverständigen im Prozeß - aber durchaus Potential zur Entwicklung eines wirkungsvollen Krebsmedikaments. Das scheint zwar auf den ersten Blick für jemanden, der genau jetzt ein wirksames Mittel bräuchte, keine besonders hilfreiche Erkenntnis zu sein. Wichtig daran könnte allerdings sein, daß es eine indirekte Bestätigung ist, daß auch andere Mittel, die auf derselben (Außenseiter-)Theorie basieren, daß nämlich Krebszellen auf fermentierbare Nährstoffe angewiesen sind, um zu überleben, ein Wirksamkeitspotential haben müßten, falls die angewandten Mittel tauglich sind, um dieses Ziel zu erreichen. Könnten Krebszellen auch auf andere, nicht per Glykolyse verstoffwechselbare Nährstoffe zurückgreifen, um zu überleben, zu wachsen und sich zu teilen, dann sei die Frage erlaubt, wieso dann eigentlich 3-Bromopyruvat so wirkt, wie es wirkt. Es zielt nämlich explizit auf den Glukosestoffwechsel der Krebszelle via Fermentierung ab. 3-Bromopyruvat wurde von seinen Entwicklern im Labor von Peter Pedersen genau deshalb für Forschungen ausgewählt, weil es aus diesem Grund nach jener Außenseitertheorie hätte wirken müssen, und daß es in der Praxis die erwartete Wirkung zeigt, spricht wiederum für die Theorie. Und das, obwohl Ihr Onkologe bestimmt jeden Eid darauf zu schwören bereit wäre, daß diese Theorie falsch sei.

***

Woran es im Moment noch klemmt, sind die Fragen, wie man es praktisch einsetzen kann, ohne die Behandelten damit umzubringen. Vielleicht muß man  vorsichtiger dosieren oder die Anwendungsintervalle länger machen oder begleitend weitere Medikmente einsetzen, die ungünstigen Nebenwirkungen gegensteuern - oder alles zusammen, oder unter Umständen auch irgendetwas völlig anderes, das mir nur nicht spontan in den Sinn gekommen ist. 

Dafür kam mir noch eine andere wichtige Frage, auf die ich bislang keine Antwort weiß: Stellte diese Substanz eigentlich auch irgendetwas mit dem zweiten im Krebsstoffwechsel bedeutenden, da ebenfalls fermentierbaren Nährstoff Glutamin an? Die Beschreibung des Wirkmechanismus läßt mich eher auf ein "Nein" tippen. Das könnte aber die Erfolgschancen ausgerechnet bei metastasiertem Krebs verringern. Also hoffe ich, daß mein Tipp doch falsch ist. 

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Ergänzung: Eine sehr ausführliche, freilich auch sehr wissenschaftliche Beschreibung, wie und warum die Sache funktioniert einschließlich einer ausführlichen Darstellung des Verlaufs der Tierversuche fand ich in diesem Video eines Vortrags von Peter Pedersen am National Cancer Institute in Washington im März 2009. Von der Behandlung des jungen Mannes aus der Frankfurter Fallstudie ist dabei noch nicht die Rede, sie hatte aber bereits begonnen. Gehe ich nach dieser Darstellung, ist die Wirkung auch bei metastasiertem Krebs ausgezeichnet. 

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Bei der Frage, wann und wie man 3-Bromopyruvat erfolgreich in der Krebsbehandlung einsetzen kann, sind also viele wichtige Einzelheiten bis dato ungeklärt. Beim Einsatz dieses Zeugs kann man außerdem so vieles falsch machen, daß ich weder jetzt noch künftig ein Potential für den freihändigen Einsatz durch Laien sehe.

Die gute Nachricht in der schlechten: 

Hat 3-Bromopyruvat nach Meinung von Fachleuten ein therapeutisches Potential, dann hat es Thomas Seyfrieds (ebenfalls bislang noch experimentelles) "Press-Pulse-Verfahren" natürlich ebenfalls, da es mit anderen Mitteln auf dieselbe Wirkung abzielt, und netterweise ist es auch noch mit weniger Risiken verbunden. Über Seyfried habe ich in letzter Zeit ziemlich viel geschrieben, also die Details dazu einfach in diesen älteren Beiträgen nachlesen. 

Zurück aber zum Buch "Tripping over the Truth":

Die Entwicklerin des Wirkstoffs, Dr. Young Hee Ko, die in Peter Pedersens Labor tätig war, scheint gerade eine Studie an Patienten vorzubereiten, und auch dafür wurde eine Spendenmöglichkeit eingerichtet. Ich bin mir freilich nicht sicher, ob man auf diese Weise jemals ans Ziel kommen wird, aber es demonstriert immerhin, daß sie an der Sache trotz aller Widrigkeiten weiter dranbleiben will. Dr. Kos Arbeit wurde nämlich schon vor Jahren heftig ins Schleudern gebracht, weil es an ihrer Hochschule und mit einem ehemaligen Kollegen, Jeff Geschwind, zu ernsthaften Zerwürfnissen gekommen ist, die Rechtsstreitigkeiten auslösten, die, glaube ich, bis heute noch nicht ausgestanden sind.

Travis Christofferson nahm sich in seinem Buch eine Menge Zeit, um die Komplikationen, insbesondere den Rechtsstreit um ihr geistiges Eigentum, aus Dr. Kos Sicht zu beschreiben. Beim Googeln nach Geschwind ergab sich auch, daß man bei ihm das Vorhandensein eines intakten moralischen Kompasses schon bezweifeln kann. Gut möglich, daß Christoffersens Darstellung im Großen und Ganzen die Sache wirklich so wiedergibt, wie sie abgelaufen ist. Vielleicht trügt mich also mein ungutes Bauchgefühl, das mir beim Lesen zu verstehen gab, daß diese Geschichte sich irgendwie liest, als hätte man sie nach PR-Gesichtspunkten frisiert. Möglicherweise reagiere ich auf ein rein gestalterisches Element des Autors so allergisch, das eigentlich dazu gedacht war, der Geschichte einen besonderen Spannungsbogen zu verleihen und die Leser mitzureißen. Bei mir ging das allerdings nach hinten los, denn ich hatte, noch bevor die geschilderten Ereignisse anfingen, dramatisch zu werden, schon das unangenehme Gefühl, vom Autor manipuliert, wenn man will, "genudgt" zu werden, und zwar zu einer Meinung, von der ich mir zunehmend immer weniger sicher wurde, ob ich sie wirklich übernehmen wollte.

Auch wenn ich keine Chance habe, herauszufinden, wie das wirklich abgelaufen ist: Im Moment habe ich keinen Anhaltspunkt dafür vorzuweisen, daß in dieser Sache irgendetwas anders war, als es im Buche steht. Außer natürlich, daß die Fallstudie des Patienten und Christoffersons Darstellung seiner Todesumstände nicht hundertprozentig zusammenpassen. Kann ich dann aber sicher sein, daß ich ähnliche kleine, aber dennoch eventuell bedeutsame Abweichungen auch in anderen Teilen der Darstellung finden würde, wenn ich ernsthaft danach suchen würde? Auch dann, wenn ich annehme, die Darstellung des Autors erfolgte nach bestem Wissen, in solchen Fragen kann es mir dann halt passieren, daß es für mich am Ende doch den Ausschlag gibt, daß der Autor nichts dabei fand, die Übersetzungsrechte seines Buches ausgerechnet dem Kopp-Verlag anzuvertrauen. Wer in diesem Punkt so wenig Urteilsvermögen bewiesen hat wie Travis Christofferson, kann ich dem wirklich zutrauen, den Skandal um Dr. Ko und Dr. Geschwind richtig beurteilt zu haben?

Tja. Mir wäre es ja selbst lieber gewesen, wenn Christoffersons Darstellung in mir diese Zweifel nicht hätte aufkommen lassen.

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