Dienstag, 30. April 2024

Hochverarbeitete Lebensmittel und was sie ungesund macht

Mein Gewicht heute früh zu Beginn des Fastentags: 77,8 Kilogramm. Alarmstufe Gelb also, was die Grenze von 78 Kilo betrifft, und damit bleibt mir nichts anderes übrig, als schon jetzt gegensteuernde Maßnahmen zu ergreifen. Schade, ich hatte eigentlich gehofft, wenigstens den ersten Vier-Wochen-Zyklus noch zu überstehen. Andererseits, 1,1 Kilogramm über meinem Vor-Fasten-Gewicht von letzter Woche ist ja so wahnsinnig viel auch wieder nicht. Das eigentliche Problem bestand darin, daß ich nach dem "Zwischenspurt" zu weit von meinem Zielgewicht entfernt war und ich deshalb zu wenig Spielraum für vorübergehende Wiederzunahmen hatte.

Mein neuer Plan sieht so aus, daß ich aus den sechs Fastentagen im Monat acht machen werde. Diese Woche am Freitag lege ich für den Anfang einen weiteren Fastentag ein. Nächste Woche bleibe ich bei einem Fastentag, nämlich am Mittwoch, aber in der Woche darauf mache ich aus den drei aufeinanderfolgenden Fastentage vier. Im Anschluß faste ich statt des Rhythmus 1-1-1-3 Fastentage, den ich eigentlich geplant hatte, nach 1-3-1-3. 

Ich hoffe, damit nicht nur mein Gewicht zu halten, sondern auch leicht abzunehmen und mich so nun doch wieder in Richtung Zielgewicht zu bewegen. Falls das aber nicht gelingen sollte, wird mir nichts anderes übrig bleiben, als ab Juni wieder auf zehn Fastentage monatlich zu erhöhen. Denn ich möchte schon gerne beim Gewichthalten auch über den Sommer immer einen gewissen Abstand zur 78 wahren, und den sollte ich mir auf jeden Fall jetzt erarbeiten.

Ja, das hätte ich mir eigentlich anders gewünscht. Aber jetzt isses halt so, und mir war ja klar gewesen, daß es so laufen kann. Deshalb regt mich das jetzt auch nicht weiter auf, sondern ich passe halt meine Pläne entsprechend an. 

Am Sonntag habe ich damit begonnen, wieder meine Glukose- und Ketonwerte zu messen, und zwar diesmal mehrmals am Tag, nämlich morgens vor dem Kaffee, dann ca. zwei Stunden danach und anschließend immer zwei Stunden nach den Mahlzeiten. Es zeichnet sich bereits ab, daß schwarzer Kaffee tatsächlich ungefähr gleich wirkt wie eine Mahlzeit; der Glukosewert liegt in beiden Fällen fast immer zwischen 6,0 und 7,0. Einmal hatte ich zu meinem Erstaunen aber nach dem Essen nur 5,1 - keine Ahnung, wie das zustande gekommen ist, denn es war sogar ein ziemlich carblastiges Essen. Den GKI zu errechnen hat im Moment natürlich nicht viel Sinn, obwohl ich die Ketonwerte ebenfalls messe. Sie lagen bislang immer zwischen 0,1 und 0,3. Das wird echt spannend, wenn ich im Herbst mal ausprobiere, wie ich vorgehen muß, wenn ich die therapeutische Ketose erreichen und, falls möglich, auch für ein paar Tage halten möchte. Sprudel statt Kaffee am Morgen - nicht sonderlich verlockend, aber was tut man nicht alles, wenn's dem Experiment dient.

***

Sicherlich hat der eine oder andere, der hier mitliest, den Namen Dagmar Stoeckle schon gehört - falls er ihn nicht sowieso schon bei mir gelesen hat. Der Blogbeitrag über diese SWR-Wissenschaftsjournalistin auf der Suche nach den Ursachen für ihr hohes Übergewicht - damals wog sie 105 Kilogramm - ist freilich schon mehr als drei Jahre her. Seitdem hat sie für den SWR zwei weitere Dokumentationen über ihre Bemühungen zur Gewichtsreduktion folgen lassen. Die zweite habe ich gesehen, als sie neu herauskam, fand sie aber nicht so wahnsinnig interessant: Alles, was beschrieben wurde, war ziemlich erwartbar und für Zuschauer auf der Suche nach einer funktionierenden Problemlösung nicht sonderlich hilfreich, weil es ihr ja auch nicht so recht geholfen hat. In der neuesten vom letzten Herbst, "Mein Darm die Mikroben und Ich", stieß ich gegen meine ursprüngliche Erwartung aber doch auf einen interessanten Informationsschnipsel. 

Dagmar Stoeckles neueste Doku über ihre Gewichtsprobleme begann damit, daß sie ihr Mikrobiom analysieren ließ. Nur ganz en passant erwähnte sie, daß sie es neben einer nur unzureichenden Gewichtsabnahme nunmehr auch mit erheblichen Verdauungsproblemen zu tun hatte - obwohl sie doch schon seit ihrer ersten Doku ihre Ernährung umgestellt hatte, die nun fettarm und pflanzenbasiert ausfällt und deshalb nicht nur die Gewchtsreduktion unterstützen, sondern auch besonders gesund sein soll. Von was also hat sie diese Verdauungsprobleme dann aber eigentlich ausgerechnet im Anschluß an diese Ernährungsumstellung bekommen? Und wenn sie die vorher nicht gehabt hatte, sondern bloß hartnäckiges Übergewicht, wieso suggeriert sie dann einen Zusammenhang? Aus meiner Sicht läge es erheblich näher, diesen Zusammenhang mit der Ernährungsumstellung zu vermuten. Aber da kann wohl nicht sein, was nicht sein darf. Die Umstellung war schließlich gesund und von Experten empfohlen.

Die Mikrobiomanalyse ergab, daß sich in Frau Stoeckles Dünndarm Darmbakterien befinden - und anders als im Dickdarm haben sie dort eigentlich gar nichts zu suchen. Das war vermutlich der Auslöser ihrer Probleme. Jedenfalls derjenigen mit der Verdauung. Oder steckt in der Lösung für ihr Verdauungsproblem insgeheim doch auch die für ihr Gewichtsproblem? 

Es wird nirgends so direkt ausgesprochen, wie sich Frau Stoeckle einen etwaigen Zusammenhang zwischen einer jahrzehntelang nach oben zeigenden Gewichtskurve und einem Verdauungsproblem, das jedenfalls zwei Jahre vor dieser Doku noch nicht bestanden hatte, eigentlich so vorstellt. Aber für einen solchen Zusammenhang fand sie jedenfalls eine Spur, und die führte nach Paris zu dem Mikrobiologen Benoit Chassaing. Der macht nämlich für beides, also für das BMI-Problem unserer Gesellschaften wie auch für immer mehr Darm-Erkrankungen ein und dieselbe Sache verantwortlich, und zwar Lebensmittelzusätze, insbesondere Emulgatoren: Pektin, Guarkernmehl, Sojalecithin, Carragen, Gummi Arabicum. Und so weiter. Die richten, so seine Darstellung, schlimme Dinge in unserem Verdauungstrakt an und schädigen das Mikrobiom. Diese Wirkung von Emulgatoren auf die Magen-Darm-Gesundheit und das Körpergewicht sowohl von Mäusen als auch von Menschen sei auch durch Studien gut belegt. 

Da habe ich natürlich aufgehorcht. Ich bin ja immer noch auf der Suche nach dem Faktor, der die Eß- und Trinkgewohnheiten der "Jugend von heute" von den meinigen in der Zeit, als ich selbst noch die "Jugend von heute" gewesen bin, in Wirklichkeit unterscheidet.  Ich gehöre nicht mehr der hungernden Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegsgeneration an, sondern bin 1965 geboren, hatte immer genug zu essen, auch Süßigkeiten und Limonaden und all dieses Zeug, und die Jammertiraden der Experten über immer mehr Übergewichtige haben mich schon seit meiner Kindheit begleitet. Lasse sich niemand weismachen, daß die siebziger Jahre wenigstens in dieser Hinsicht noch eine heile Welt gewesen seien, denn das waren sie nicht, obwohl das Adipositas-Problem sich seit damals kontinuierlich verschlimmert hat. Aus Expertensicht wurde die Lage aber schon damals genauso dramatisch dargestellt. Ich erinnere mich noch, daß dafür die sogenannte "Fettwelle" in den Wirtschaftwunderjahren ab den Fünfzigern immer angeprangert wurde, als die Lebensmittelversorgung sich endlich wieder normalisiert hatte und die Leute wieder normal aßen - nach Meinung der Experten freilich viel zu viel. Und die Leute haben den Experten schon damals geglaubt, sich um Gewichtsabnahme bemüht und fettarm zu essen. Die Milch mit nur 1,5 Prozent Fett fand damals auch in meinem Elternhaus ihren Einzug, und ebenso Margarine und Magerquark. Auch Fitness kam in dieser Zeit mit der Trimm-dich-Kampagne und den zugehörigen Trimm-dich-Pfaden in Mode. Das war noch in der Zeit, als Jogging noch ganz altmodisch als Dauerlauf bezeichnet wurde.

Zurück zur Frage, worin sich ein Kind oder eine Jugendliche, die nach der Jahrtausendwende geboren wurde, in Ernährungsfragen von dem Kind und der Jugendlichen unterscheidet, das ich zwischen 1970 und 1980 gewesen bin. Zucker ist es nämlich nicht. Weizenmehl auch nicht. Beides wurde damals weit weniger als Fett problematisiert, und ich bin mir ziemlich sicher, daß ich von beidem mehr konsumiert habe als heutige Kinder. Fleisch und Fett ist es sowieso nicht. Wieso das immer noch als Übeltäter herhalten muß, obwohl  der Konsum von Fleisch und tierischem Fett parallel zu den steigenden BMIs immer weniger geworden ist, läßt sich rational ja überhaupt nicht erklären. Fructose schien vorübergehend der Übeltäter zu sein. Nur, wäre die Fructose der entscheidende Faktor, müßte die Adipositaskurve seit zwanzig Jahren wieder nach unten gehen oder hätte wenigstens in ein Plateau münden müssen. Denn der Peak der Fructoseverwendung war um die Jahrtausendwende herum. Fructose war es also auch nicht, oder jedenfalls ist sie nicht das Hauptproblem.

Ich habe ja schon länger den Verdacht gehabt, daß irgendwas in den Zusatzstoffen von Fertigprodukten der eigentliche Übeltäter sein muß. Nicht nur, weil Fertigprodukte einen viel höheren Anteil am Lebensmittelangebot ausmachen und auch Eltern heute mehr Fertigprodukte einsetzen, sondern auch, weil Mittagessen in Kitas und Schulen üblich geworden ist und das Essen dann bestimmt überdurchschnittlich viele vorgefertigte Komponenten enthält.  Noch vor einem Vierteljahrhundert bin ich kläglich gescheitert, als ich für mein Kind eine normale staatliche weiterführende Schule mit Mittagessen-Angebot suchte. Aber ebenso, weil sich Art und Menge der Zusatzstoffe in Lebensmitteln in den letzten vierzig Jahren bestimmt sehr verändert haben. Alleine schon Backwaren aus Teiglingen sind ja erst im Laufe der letzten ca. zwanzig Jahren üblich geworden. Die "frischen" Backwaren im Discounter gibt es auch ungefähr seit dieser Zeit. 

Daß es Emulgatoren sind, erscheint mir also durchaus möglich.  In der Doku hieß es, solche Zusatzstoffe würden vor Zulassung lediglich darauf geprüft, ob sie a) toxisch oder b) krebserregend seien, alle, bei denen das nicht der Fall war, wurden von den einschlägigen Regulierungsbehörden durchgewinkt.

Hinzu kommt aber außerdem, daß man nach einem Problembewußtsein in Sachen Emulgatoren und deren Wirkung auf den Stoffwechsel bei den Experten vergeblich sucht. Fertiggerichte sind zwar tatsächlich der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich der Ernährungs-Mainstream wie auch die Außenseitermeinungen noch einigen können, wenn es um Ernährungsempfehlungen bzw. um das Abraten von bestimmten Produkten geht, aber gesundheitspolitische Maßnahmen zielen immer nur auf die Reduktion bestimmter Nährstoffe in Fertiggerichten ab. Als wolle er mich bestätigen, rührt unser Bundeslandwirtschaftsminister gerade heftig die Werbetrommel für die sogenannte "Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten". 

Zufälligerweise stolperte ich bei Twitter nun außerdem über einen (insgesamt eher unspannenden) DGE-Podcast, in dem sich ein Lebensmittelchemiker über hochverarbeitete Lebensmittel äußern sollte, in dem es freilich in großen Teilen gar nicht um die Art von Essen geht, das von der Industrie in Massen gefertigt wird, sondern um durchaus traditionelle, jahrhunderte- bis jahrtausendalte Arten der Zubereitung, nur daß die Ergebnisse dieser handwerklichen Erzeugung überwiegend sehr viel weniger haltbar waren als ihre heutigen industriell gefertigten Pendants. Damit wird aber suggeriert, daß beides im Grunde dasselbe sei und somit jemand, der eine Wurst beim Metzger oder ein Brot beim Bäcker kauft, im Grunde ebensogut das Entsprechende auch im Discounter mitnehmen kann. Wo industriell gefertigtes Essen ganz oder teilweise eine Rolle spielt, ist auch hier nur von Zucker, Fett und Salz die Rede. Der Chemiker pochte außerdem auf die langen Zulassungsverfahren (die, wie wir gehört hatten, sich aber auf lediglich auf die Antworten auf zwei bestimmte Fragen konzentrieren sollen), die aus seiner Sicht belegen können, daß das alles im Prinzip ungefährlich sei und dort, wo riskante Zutaten durch weniger riskante ersetzt werden, etwa Zucker durch Süßstoffe, sogar ein Segen seien - gefährlich sei allenfalls die Einseitigkeit in der Ernährung, die Convenience-Food auslösen kann. 

Kevin Halls Vergleichsstudie zur Wirkung von hochverarbeiteten im Vergleich zu unverarbeiteten Lebensmitteln enthielt auf seiten der hochverarbeiteten Lebensmittel allerdings erstaunlich viele "tugendhafte" Fertigprodukte mit reduziertem Fett- und/oder Zuckeranteil, wie man dem Anhang der Studie entnehmen konnte. So gab es beispielsweise überwiegend Diätlimonaden als Getränk zum Mittag- und Abendessen, fettreduzierte Milchprodukte, beim Fleisch überwog Geflügel. Auch die Snacks, siehe Bild, waren keine der hemmungslos ungesunden Varianten, die es ja außerdem auch noch gibt, sondern, wenn schon, dann allenfalls "moderat ungesund". Jedenfalls wären sie es dann, falls Fett-, Zucker- und Salzgehalt wirklich die Faktoren in Fertiggerichten wären, die sie ungesund machen.

Der Verzehr dieser Mahlzeiten hatte auf Körpergewicht und -zusammensetzung aber eine ungünstigere Wirkung als die längst nicht so fettarme Kost aus frisch zubereiteten Lebensmitteln. 

Emulgatoren und andere Zusatzstoffe könnten es auch sein, die dazu führen, daß im angelsächsischen Raum und vor allem den USA die Übergewichtsproblematik so viel dramatischer ist als bei uns. Vor allem in den USA dürfte der Anteil der Fertigprodukte in der Ernährung höher sein als bei uns. Es könnte auch erklären, warum aus den USA die Weizen-Wampen-Panik zu uns rübergeschwappt ist: In den USA sind Brot und Brötchen typischerweise aus dem Supermarktregal und damit natürlich voller Zusatzstoffe. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an meinen Mitpatienten vom letzten Jahr, der entdeckte, daß er Weizenmehlprodukte, vom Brötchen bis zur Pizza, essen kann, ohne daß sein Dauer-Glukose-Monitor Alarm schlägt, sofern er einen großen Bogen um aus vorgefertigten Teiglingen hergestellte Ware macht.

Wären es die Emulgatoren, die am Übergewicht einen bedeutenderen Anteil haben, dann müßten Länder umso stärker betroffen sein, je höher der Anteil der Fertigprodukte, die Emulgatoren enthalten, in der Ernährung ist. Ob dieser Zusammenhang vielleicht sogar leicht zu erkennen wäre, wenn man diese beiden Faktoren für verschiedene Länder miteinander vergleichen würde?

Im Moment fehlt mir die kriminelle Energie, um wenigstens mal herauszufinden, ob ich das für das eine oder andere Land vielleicht wirklich ermitteln könnte. Vielleicht irgendwann später. Im Moment sehe ich es irgendwie nicht ein, mir eine Mühe zu machen, die Frau Stoeckle entweder zu viel war oder auf die sie selbst nicht gekommen ist, was mich beides als Herangehensweise einer Wissenschaftsjournalistin doch ein bißchen verdrießlich stimmt. Daß ein Herr Doktor Ich-bin-Wichtig in Paris behauptet, er habe den Emulgatoren dies oder jenes nachweisen können, würde mir als investigativem Journalisten auf der Suche nach der Lösung für mein höchstpersönliches Gesundheitsproblem noch lange nicht ausreichen. Entweder würde ich selbst die einschlägigen Studien kritisch sichten oder, was ich noch um einiges eleganter und auch überzeugender fände: eine grobe Gegenprobe vornehmen, falls die Daten dazu existieren sollten und aufgetrieben werden können. Gibt es also eine Korrelation zwischen dem Ausmaß der Verwendung von Fertigprodukten, die Emulgatoren enthalten, und dem durchschnittlichen BMI in einem bestimmten Land? 

Die Entwicklung von Übergewicht und Adipositas in den letzten Jahrzehnten findet sich leicht für jedes Land der Welt. Die Verwendung von Emulgatoren und anderen Lebensmittelzusatzstoffen ist vermutlich schwieriger zu recherchieren, ist aber bestimmt nicht völlig unmöglich - aber eigentlich sehe ich nicht ein, warum das mein Job sein soll, noch dazu in meiner spärlichen Freizeit. Wer ist hier eigentlich der Wissenschaftsjournalist mit einem Fernsehsender im Rücken, Frau Stoeckle oder ich? Hinzu kommt außerdem, daß ich mir ziemlich sicher bin, daß ich selbst das für mein höchstpersönliches Wohlbefinden nicht unbedingt herausbekommen muß.

Frau Stoeckle zeigte sich allerdings nur ziemlich erschüttert über das, was sie gehört hatte, und hochmotiviert, ihre Ernährung nun ein weiteres Mal umzustellen, um die bösen Lebensmittelzusätze aus ihrem Leben zu verbannen. Sie mistete ihren Lebensmittelschrank aus und entsorgte alles, was Emulgatoren enthielt. Fündig wurde sie immerhin bei elf verschiedenen Schachteln, Bechern und sonstigen Verpackungen. 

 

Ehrlich gesagt, so viel fand ich das auch wieder nicht, wobei es aber natürlich auch darauf ankommt, wie häufig Frau Stoeckle solche Dinge konsumiert und dann wieder nachkauft. Elf Produkte, meine Güte, davon drei Mini-Backtütchen mit irgendwelchen Dr-Oetker-Mischungen. Das kleinste Tütchen ist Tortenguß, das unterste für einen Tassenkuchen.

Den Tassenkuchen fand ich so skurril (ich sah die schon im Laden und habe mich dann - ähnlich wie bei dem "Kuchenteig zum Auslöffeln" - immer gefragt "Wer kauft so was überhaupt und warum eigentlich?"), daß ich mal die Zutaten für eine Sorte gegoogelt habe:

 WEIZENMEHL, Zucker, 10% Schokoladenstückchen (Zucker, Kakaomasse, Kakaobutter, Emulgator (Lecithine (SOJA))), Stärke (WEIZEN), HÜHNEREIEIWEISSPULVER, modifizierte Stärke, Backtriebmittel (Diphosphate, Natriumcarbonate), Aroma (enthält MILCH), Emulgatoren (E 475, E 471), Verdickungsmittel (Xanthan), Farbstoff (Carotin). Kann enthalten: HASELNÜSSE.

Was um alles in der Welt hindert jemanden wie Frau Stoeckle eigentlich daran, solche Dinge aus ein bißchen Mehl, einem Ei, etwas Zucker, Milch und Backpulver selbst zu machen? So, wie ich das täte (und tue), nur eben in geringerer Menge als ich. Man muß ja kein komplettes Muffinblech vollkriegen, wenn einem diese Menge zu viel ist. Diese Packungen für einen einzelnen Kleinkuchen ungefähr in Muffingröße zielen wohl direkt auf Leute ab, die sich einbilden, ein Kuchen dieser Größe entspräche ungefähr gar keinem Kuchen, und außerdem, etwas, was nur 50 Sekunden dauert, sei ja eigentlich auch kein wirkliches Kuchenbacken und enthielte damit auch keine "Ernährungssünde". Als verstockte Ernährungssünderin aus ehrlicher Überzeugung halte ich das Backen als solches einschließlich der zugehörigen Vorfreude auf den Genuß beim späteren Essen für einen wichtigen Bestandteil des Genießens und finde die Vorstellung ziemlich trübselig, mir die obige Mischung mit ein bißchen Milch verrührt für fünfzig Sekunden in der Mikrowelle zuzubereiten. Das gilt auch dann, falls das Ergebnis mir wider Erwarten geschmacklich eine echte Alternative zum "real stuff" bieten würde - was ich mir spontan aber nicht so recht vorstellen kann.

Solche Klein-Backmischungen enthalten nicht nur Gesundheitssabotage durch darmschädigende Inhaltsstoffe, sondern sind auch ein unzureichendes Ersatzprodukt für das, was eigentlich lecker wäre, kombiniert mit einem gewissen und aus sich selbst heraus unguten Selbstbetrug, was die vermutete Harmlosigkeit in Menge und Inhalt betrifft. Wobei ich mir aber trotzdem nicht vorstellen kann, daß die Mengen an Emulgatoren, die Frau Stoeckle in ihrer Küche vorgefunden hat (was annehmen läßt, daß ein Vielfaches an Lebensmitteln sich als emulgatorfrei erwiesen hatte), imstande gewesen sein sollen, ihren Darm zu ruinieren. Sie selbst wirkte davon allerdings völlig überzeugt und ging nun an die erforderliche Darmsanierungs-Diät, mit der sie erst einmal drei Kilo zunahm. Aber dafür zeigte sie die gewünschte Wirkung: Nach Abschluß der Diät wurde die Bakterienbesiedlung im Darm für beseitigt erklärt. 

Frau Stoeckle ließ sich nun noch einmal genau erklären, was sie künftig essen und was vermeiden sollte. Das war freilich derselbe kalte Kaffee wie immer: Neben hochverarbeiteten Industrielebensmitteln, die sie nun weitestmöglich vermeiden soll, sind natürlich auch wieder rotes Fleisch und Alkohol "böse", und gut sind, natürlich, Obst und Gemüse. Im Großen und Ganzen nahm sie also den Faden ihrer vorherigen Ernährungsweise wieder auf (minus alles, was Emulgatoren enthält) und hatte zum Ende des Films nach eigenen Angaben auf diese Weise auch die drei Zusatzkilos wieder losgekriegt. Abschließend sieht man sie mit ihren Walking-Stöcken losstöckeln, nach wie vor offenbar den Blick fest auf das Ziel "Normalgewicht" gerichtet.

Die Doku war von 2023; seit 2021 hat Frau Stoeckle also jedes Jahr einmal über ihren Kampf gegen die Kilos berichtet. und nach letztem Stand im Lauf von zwei Jahren ungefähr acht Kilogramm loswerden können. In einem halben Jahr werden wir dann wohl wieder Neues von ihr hören. Ich würde es ihr ja echt gönnen, daß sich die Emulgatoren als ihr persönlicher Schlüsselfaktor herausstellen, aber so richtig optimistisch bin ich nicht, obwohl das Weglassen von hochverarbeiteten Lebensmitteln auch meiner Meinung nach ein richtiger Schritt ist, der sich vielleicht ja wirklich als hilfreich auch bei der Abnahme erweisen wird. Ich erinnere aber daran, daß sie die beschriebenen Darmprobleme noch vor anderthalb Jahren nicht erwähnte. Wenn ihr Darm 2021 also noch gesund war, sehe ich den Zusammenhang der Erkrankung zu ihrer Gewichtszunahme nicht, und ohne diesen Zusammenhang ist mir unklar, warum dann das Weglassen von Emulgatoren zu einer Abnahme führen soll. 

Frau Stoeckles Ernährung scheint mir vor allem zu fettarm, und ich könnte mir eher vorstellen, daß das - unter Umständen ja in Kombination mit mehr Emulgatoren seit ihrer Ernährungsumstellung durch irgendwelche Ersatzprodukte für das, worauf sie seither verzichtet hat - ihre Darmprobleme ausgelöst hat. Kevin Halls Neuauswertung seiner "Low Fat/Low Carb"- Vergleichsstudie zeigte zwar, daß die fettarme Ernährung, näher betrachtet, im Vergleich mit Low Carb problematisch und aufgrund der Art der auftretenden Probleme vermutlich auch nicht zum Abnehmen und schon gar nicht zum langfristigen Gewichthalten sonderlich geeignet war. Darmprobleme sind aber natürlich bei einer vierwöchigen Studie noch nicht zu erwarten gewesen. Trotzdem könnte ich mir vorstellen, daß eine dauerhaft zu fettarme Ernährung Darmprobleme auslöst. Was mir dazu nämlich spontan einfällt, ist, daß ich in meiner ersten Low-Carb-Phase besonders beeindruckt davon war, daß meine Verdauung auf einmal lief wie ein gut geölter Motor und die gelegentlichen Probleme mit nächtlichem Sodbrennen spurlos verschwanden. Ernsthaftere Probleme als das Sodbrennen - das ich durch ein relativ frühes Abendessen außerdem leicht verhindern konnte - hatte ich vorher zwar auch nicht gehabt, aber es fühlte sich tatsächlich alles irgendwie "normaler" an.

Handlungsbedarf wegen der Emulgatoren sehe ich bei mir persönlich zum Glück keinen. Mit dem Abnehmen hat es bei mir ja auch ohne eine strikte Kontrolle meiner Lebensmittel nach Emulgatoren geklappt. Aus Neugier habe ich jetzt aber auch einmal meine Lebensmittelbestände kritisch unter die Lupe genommen, aber tatsächlich trotz gründlicher kritischer Sichtung nur drei gefunden, die sich aktuell in meiner Küche befinden, nämlich einmal meine Moser-Roth-Schokolade und dann noch eine angebrochene Packung Schokostreusel, die beide Sojalecithin enthalten, sowie der fertige Rettichsalat aus dem Discounter, der Guarkernmehl enthält. Sicherlich fänden sich bei Sachen, die ich öfter kaufe, noch zwei, drei weitere Dinge, aber mein Eindruck war, daß man mehr vorgefertigte Sachen als ich kaufen müßte, damit das ins Gewicht fällt. Ich glaube nicht, daß es sich lohnen würde, den verbleibenden Rest auch noch aus meiner Ernährung vollständig auszumerzen, da ich ja nicht einmal glaube, daß es sich für Frau Stoeckle wirklich gelohnt hat.