Mein Gewicht heute früh: 91,4 Kilogramm, nach 90,3 gestern nach dem Fastentag und vor ??? (irgendwas zwischen 92 und 93) Kilogramm morgen beim letzten einzelnen Fastentag vor dem ersten langen Fastenintervall des Jahres, das am Montag wohl ebenfalls mit einem Gewicht zwischen 92 und 93 Kilogramm starten wird - und dann kann ich von mir endlich ein für allemal sagen, daß ich unfallfrei durch die fünf Wochen ohne lange Fastenintervalle gekommen bin, also meine Gewichtsabnahme durch das Low-Carb-Experiment halten konnte, jedenfalls ziemlich weitgehend. 3 Kilogramm Abnahme aus dieser Zeit sind mir erhalten und mindestens 1 Kilogramm Zunahme erspart geblieben, macht per Saldo einen Vorteil von 4 Kilogramm im Vergleich zu dem, was ich ohne Low Carb erwartet hätte.
Was ich natürlich am 1.12. noch nicht wissen konnte, ist, daß ein Teil der Abnahme mit Low Carb auch auf einen veränderten Wasserhaushalt zurückzuführen war, was zur Folge hatte, daß ich diesen Teil natürlich dann auch wieder zugenommen habe, sobald sich mein Wasserhaushalt wieder an meine normale Ernährung anpaßte. Ohne diesen Faktor wären es sogar 5 Kilogramm Vorteil gewesen.
Nach zwei EMS-Trainings kann ich über die Wirkung noch nicht Genaues sagen, auch wenn ich nach dem gestrigen Training am Abend den Eindruck hatte, daß sich in meiner Muskulatur vieles tat, vor allem am Bauch und am oberen Rücken, außerdem auch in den Oberschenkeln. Ich erinnere mich noch an dasselbe Gefühl, ein komisches Kribbeln, aus der Zeit, als ich ganz neu mit dem EMS-Training anfing, nämlich 2012. Damals habe ich innerhalb von vier Wochen Hosen eine Größe kleiner kaufen können. Ob mir etwas ähnliches vielleicht diesmal wieder passiert? Vielleicht ist es nur Einbildung, aber mir kommt es heute so vor, als wäre mein Bauch über Nacht etwas geschrumpft.
Abgenommen habe ich damals durch das EMS-Training zwar überhaupt nichts, aber damals habe ich auch nicht gefastet. Ob die Kombination Intervallfasten plus neu begonnenes EMS-Training auf das Körpergewicht stärker wirkt als als eines von beidem alleine, werde ich nach Ablauf des ersten langen Fastenintervalls - also Freitag in einer Woche - sicherlich besser einschätzen können. Der zu erwartende Gewichtsverlauf nur mit Intervallfasten sah in den letzten Jahren so aus, daß ich im Januar und Februar trotz ausreichend vieler auch langer Fastenintervalle allenfalls eine Stagnation erwarten konnte. Erst im März fing das Gewicht dann wieder an, runterzugehen. Jedes Kilo, das ich im Januar und Februar abnehmen würde, wäre also ein Beleg für den Nutzen von EMS-Training beim Abnehmen.
Vorhin hörte ich einen Podcast zum Thema "Body Positivity", zu dem mir einiges durch den Kopf gegangen ist. Das Konzept "Body Positivity" geht ja weit über Vorstellungen wie "Dick ist schick" hinaus, es bezieht sich auf alles, was dem jeweils aktuellen Schönheitsideal zuwiderläuft, von der Hautfarbe bis zur Körperbehaarung, aber letztlich wird es meistens eben doch mit Dicken, vor allem dicken Frauen, in Verbindung gebracht, die sich selbst dem Konezpt gemäß schön finden und ihren Körper lieben oder dies jedenfalls von sich behaupten.
Der letzte Halbsatz ist wichtig. Denn in Wirklichkeit tun das wohl die wenigsten übergewichtigen Frauen, auch diejenigen nicht, die bereit sind, sich mit ihm abzufinden, weil es ihnen sinnlos vorkommt, ihn ständig und vergeblich zu bekämpfen, um den vorgegebenen Schönheitsidealen zu entsprechen - und die, ja selbstverständlich, sich selbst unheimlich gerne lieben können möchten. Um an dieser Stelle nicht mißverstanden zu werden: Das Ziel, sich selbst zu lieben, halte ich keineswegs für falsch. Und natürlich haben Übergewichtige diese Selbstliebe genauso verdient wie jeder andere auch. Es ist außerdem ein Ziel, das mindestens, wenn man es auch eine Nummer kleiner akzeptieren kann, nämlich als Selbstakzeptanz, durchaus erreichbar ist. Meines Erachtens ist es aber eine Lebenslüge, wenn dies unter dem Schlagwort "Die Freiheit, so zu sein, wie man sein möchte" propagiert wird. Denn wollen Dicke wirklich dick sein? Wenn übergewichtige Prominente in die Schlagzeilen geraten, nachdem sie stark abgenommen haben - spontan dachte ich dabei an Adele oder an Reiner Calmund -, darf man unabhängig von der angewandten Methode und den Begleitumständen der Abnahme getrost davon ausgehen, daß sie eben vorher doch nicht so gewesen sein können, wie sie gerne sein wollten. Sie nahmen sich über einen langen Zeitraum hinweg hin, wie sie waren, hatten sich vielleicht auch damit abgefunden, dies sowieso nicht ändern zu können, aber sowie sie eine realistische Chance sahen, es doch zu ändern, taten sie es eben doch. Und wer könnte das besser verstehen als ich, da es mir ja ganz genauso ging!
Die Body-Positivity-Gemeinde nimmt solchen Leuten ihre Abnahme aber oft bitter übel. Der Grund dafür ist, daß der demonstrative Stolz auf die Abnahme und die Erleichterung, endlich schlank(er) zu sein, nun einmal das Gegenteil dessen ist, was diese Leute vorher entweder verkörperten oder - oft genug - auch mit entsprechenden "bodypositiven" Bemerkungen ideologisch untermauert haben. Wer selbst nicht schlank ist, konnte sich damit identifizieren und daraus mehr Selbstwertgefühl beziehen (woraus zwingend geschlußfolgert werden kann, daß so jemand mehr Selbstwertgefühl benötigt, um sich gut oder wenigstens nicht schlechter als nötig zu fühlen). Es kommt mir deshalb ein bißchen weltfremd vor, wenn die erschlankten Promis aus allen Wolken fallen, weil ihnen gegenüber diese Enttäuschung auch artikuliert wird, nachdem sie sich ihrem vorherigen Rollenmodell-Status entzogen haben. Geschrumpfte Elefanten begeben sich außerdem in eine weitere
Zwickmühle, denn sollte so jemand vom Jojo erwischt werden und wieder
zunehmen, drohen ihm natürlich sowohl von denen, die ihn nach der
Abnahme so sehr bejubelt haben, neue Gehässigkeiten, wie auch - und
vermutlich sogar noch mehr - von der alten Verehrergemeinde.
Wie auch immer, wer wirklich bodypositiv ist, also seinen Körper tatsächlich so liebt, wie er ist, dem müßte es eigentlich piepegal sein, wenn Adele fünfzig Kilogramm verloren hat, weil Rollenmodelle nicht besonders wichtig sind, wenn man das Selbstbewußtsein hat, sein eigenes Rollenmodell zu sein, und dafür ist natürlich zwingende Voraussetzung, sich selbst wirklich so lieben zu können, wie man ist. Den meisten, die von sich selbst behaupten, bodypositiv zu sein, glaube ich deshalb nicht, weil sie im selben Atemzug sinngemäß zum Ausdruck bringen, dies werde von außen sabotiert. Ich erinnere mich nämlich noch gut genug daran, daß an mir alle Sabotage von außen einfach abgeprallt ist, solange ich mit mir selbst im Reinen gewesen bin.
Das häßliche kleine Geheimnis der Body-Positivity-Bewegung ist, daß hinter der Fassade eben doch häufig viel Scham, viele Selbstzweifel, vielleicht auch Selbsthaß stecken, an denen ein ständig wiederholtes Mantra, man liebe sich selbst genau so, wie man sei, halt doch nichts ändern kann. Und gerade denen, die es am lautesten artikulieren, glaube ich solche Bekundungen am wenigsten, weil das dieselben Leute sind, die jeden schiefen Blick von anderen ganz genau registrieren.
Ich kann ja eigentlich jeden verstehen, der annimmt, er sei gezwungen, sich mit einem Körper abzufinden, der anders ist, als er es eigentlich haben wollen würde, und der dann wenigstens anderen gegenüber den Eindruck zu vermitteln versucht, sich genau so wirklich haben zu wollen. Alles andere hat ja die Folge, daß diese anderen einen mit unerbetenen Ratschlägen drangsalieren. Dabei wird mit aller Selbstverständlichkeit unterstellt, daß man diesen Teil seiner Physis ja unter Kontrolle haben könnte, wenn man nur wollte. Body Positivity dreht diese Unterstellung kurzerhand um, und das macht sie immerhin zu einem Instrument, mit dem man sich vor der Übergriffigkeit Außenstehender schützen kann. Wie es in einem selbst aussieht, geht dann halt niemanden etwas an.
An dieser Stelle finde ich auch ein Sorry für meine eigene Übergriffigkeit gegenüber denen, von denen ich gerade schrieb, angebracht. Als "konvertierte" einstmalige Body-Positivistin - noch bevor das Wort überhaupt erfunden war -, respektiere ich jedes "Nein" zu Abnehmempfehlungen, auch zu derjenigen Empfehlung, die ich selbst geben würde. Ich finde, niemand, der genug von Brigitte-Diät, Pfundskur und Co. hat, muß es begründen, auch mit anderen Methoden keine Abnehmversuche (mehr) machen zu wollen, und schon gar nicht muß er dafür vor irgendjemandem seine Seele entblößen. Dafür, sich gegen so etwas verwahren zu können, taugt Body Positivity tatsächlich. Aber Elisabeth Lechner, die von der TAZ interviewte Autorin eines Buches mit dem Titel "Riot, don't diet", ist nicht erkennbar übergewichtig (oder wenn, dann nur geringfügig) und man merkt ihr die fehlende eigene Erfahrung mit der Art von Anderssein, das sich bei BMIs von 40 aufwärts zwangsläufig einstellt, in dem Podcast durchaus auch an. Sie möchte außerdem als Wissenschaftlerin gelten. Da fällt es mir doch auf, daß sie Behauptungen, die man mit guten Gründen anzweifeln kann - weshalb ich sie auch anzweifle -, einfach als Tatsachen wiedergibt.
Das Gegenstück zu denen, die der Body Positivity huldigen, sind die Teilnehmer an Trash-TV-Gewichtsabnahmesendungen wie "Biggest Loser", denn noch offensichtlicher kann die Verzweiflung am eigenen Körper ja kaum artikuliert werden. Daran mußte ich denken, als ich gestern auf einen Artikel stieß, der ein anderes populäres Thema im Trash-TV zum Thema hatte, nämlich der Alltag von armen Leuten in unserem Land, für gewöhnlich Hartz-IV-Empfänger. Mich hat der gesamte Reality-TV-Bereich eigentlich immer nur befremdet und vieles kenne ich nur vom Hörensagen, weil ich die meisten Sendungen dieser Art noch nie gesehen habe. Was motiviert aber sonst eigentlich überwiegend normale Menschen, sich so etwas anzuschauen? Eine, finde ich, recht überzeugende Erklärung wird in dem Artikel angeboten: „Man sieht gern Menschen, die einem in ihrer Lebenssituation ähneln,
denkt sich aber auch: ‚Zum Glück bin ich nicht so schlimm wie die.‘“ Mit anderen Worten: Die Zuschauer befinden sich in vergleichbaren Verhältnissen wie die Dargestellten, nur sind die gezeigten Verhältnisse so überzeichnet, daß es ihnen leicht fällt, sich den dargestellten Personen überlegen zu fühlen. Solche Sendungen sind offenbar Balsam für das Selbstwertgefühl derjenigen, denen nicht allzu vieles einfällt, wofür sie auf sich stolz sein könnten.
Genau das ist wohl auch die Erklärung dafür, warum Sendungen wie die "Biggest Loser" oder dieses fürchterliche "Mein Leben mit 300 Kilogramm" gerade unter Abnehmenden so gerne verfolgt werden. Die zweite Sendung bietet das wohlige Gefühl, im Vergleich zu den Protagonisten geradezu vorbildlich diszipliniert zu leben, und die erste, längst nicht so extreme Dinge wie die Teilnehmer tun zu müssen, um wieder schlank und glücklich werden zu können. Das ist natürlich ebenfalls Ausdruck von Lebenslügen, und aus dieser Sicht betrachtet, finde ich es auf einmal nicht mehr erstaunlich, warum Nicole Jäger trotz ihrer immer noch elefantösen Figur mit ihrer Behauptung, bereits 170 Kilo Gewicht verloren zu haben, in allen Talkshows und bei allen Interviewern auf solche unkritische Begeisterung stieß, was ich immer ein wenig sonderbar fand.
Noch einmal zurück zu dem TAZ-Podcast: Es hat mich doch etwas verwundert, als Frau Lechner darin auch zu Protokoll gab, zu den alltäglichen Benachteiligungen von Dicken gehöre es auch, daß sie keinen Zugriff auf billige "Fast Fashion" hätten. Das ist erstens zumindest bis Kleidergröße 58 schon lange nicht mehr wahr. Vor einigen Jahren sind sogar die Discounter aufgewacht - mittlerweile bekommt man von Lidl bis Aldi in der Aktionsware regelmäßig preisgünstige Kleidung in großen Größen angeboten. Die Sachen beim Billig-Versandhändler Bonprix kenne ich schon seit den frühen Neunzigern, als sie mir auffielen, weil alle Größen zum gleichen Preis angeboten wurden, was damals wirklich noch eine Seltenheit war. Ich habe sie selbst in meinen schwersten Zeiten gerne gekauft und mich darin auch gut angezogen gefühlt. Zweitens setzt es mich doch ein wenig in Erstaunen, zu erfahren, daß der Erwerb derselben Fast Fashion, die von Aktivisten anderer Fakultäten als Mittel der Unterdrückung armer Näherinnen in Bangladesh wie auch Mitursache des Klimawandels in Grund und Boden verdammt wird, plötzlich sogar im Gegenteil eine Art Menschenrecht sein soll, das Dicken angeblich vorenthalten bleibt.
Alle drei plakativen Vorwürfe sind näher betrachtet falsch. Diese Vorwürfe lösen aus einem komplexen Ganzen jeweils einen Einzelaspekt heraus und versehen ihn mit moralisch unterfütterten Forderungen, die näher betrachtet reichlich fragwürdig sind. Das trifft auf die Mehrheit der Aktivisten aller hehren Ziele zu, und Frau Lechner ist damit also keine Ausnahme. Was mich an ihr aber besonders unangenehm berührt, ist, daß sie ausweislich dieser Kleidungs-Behauptung offensichtlich vom Leben mit starkem Übergewicht nicht den Hauch einer Ahnung hat, sondern wiedergibt, was sie irgendwo gehört haben mag, sich dadurch aber nicht gehindert fühlt, steile Thesen zu verbreiten.
Um auf die moralischen Fragen von Billigkleidung auch noch einzugehen:
Ich betrachte das Klimaargument als Mogelpackung, es hat eine Teilberechtigung, geht aber am Kern des Problems vorbei. Ich kaufe beispielsweise auch mit Kleidergröße 40/42 immer noch gerne bei Bonprix, weil die Sachen qualitativ meistens hochwertiger sind, als es der Preis vermuten läßt, aber was mir dort fürchterlich auf die Nerven geht: Viele Teile gibt es allenfalls ein paar Wochen lang und, so meine Vermutung, von vornherein nur in geringen Stückzahlen, weil es sich mir nämlich häufig als unmöglich erwiesen hat, sie auch nur wenige Wochen später in einer kleineren Größe noch einmal nachzukaufen und weil sie außerdem auch auf dem Gebraucht-Klamottenmarkt dann meistens nirgends aufzutreiben waren.
Meine heißgeliebte knallblaue Oversize-Strickjacke aus dem vorvorletzten Winter in Größe 42/44 trage ich genau aus diesem Grund immer noch, obwohl ich mittlerweile fast in ihr ersaufe. Ein anderes Modell will ich aber nicht, weder von Bonprix noch von einem anderen Hersteller. Diese Jacke ist nämlich schön. Sie hat außerdem Knöpfe und sie hat Taschen in ausreichender Größe an genau der richtigen Stelle, um sie bequem nutzen zu können. Ich kaufe keine Strickjacke, der eines von beidem fehlt. Wenn ich eine neue Strickjacke kaufen soll, bevor meine aktuelle mir in Fetzen vom Leib fällt oder ich mich beim Tragen total in ihr verheddere, muß es deshalb schon dieselbe Jacke sein, nur eben in Größe 38/40, damit sie mir wieder richtig paßt. Am liebsten in der mir noch fehlenden dritten Farbe, ein angenehmes, ebenfalls kräftiges, aber nicht grelles Rot, aber das wäre keine zwingende Bedingung. (Die erste Farbe, Grün, hatte ich vor drei Jahren zusammen mit der blauen Jacke gekauft, und zwar in Größe 46/48, und sie getragen, bevor ich auf die kleinere Größe wechselte).
Es NERVT mich, daß ich bei Bonprix keine Zeit habe, zu überlegen und mit Sorgfalt auszuwählen, weil alles, was ich nicht auf der Stelle kaufe, das nächste Mal - und sei es nur eine Woche später - häufig schon aus dem Programm genommen ist. Da ich trotzdem meine Bedenkzeit brauche und in Anspruch nehme, kaufe ich nur halb so viel bei Bonprix wie ich das vermutlich andernfalls täte - und das, obwohl ich zur Zeit relativ viel kaufe, weil ich Teile, die mich beim Tragen wirklich begeistern, momentan routinemäßig in kleineren Größen nachbestelle, um sie auch dann weiter tragen zu können, wenn ich aus meiner aktuellen Größe herausgeschrumpft bin. Falls ich das Glück habe, sie dann noch zu bekommen.
Dieses Phänomen der nur kurzfristigen Verfügbarkeit einzelner Artikel (natürlich trifft das nicht für alles zu, was dort angeboten wird) macht Bonprix aus meiner Sicht zu einem Fast-Fashion-Anbieter, und preislich zählt das Versandhaus eindeutig zu den echten Billiganbietern. Aber qualitativ habe ich mit teureren Marken schon weitaus mehr Reinfälle erlebt als mit denen. Aus Gründen der Haltbarkeit sehe ich gar keinen Grund, deren Kleidung nur kurze Zeit zu tragen und sie dann schon zu ersetzen. Warum es dann aber ein Menschenrecht sein soll, sich als Kunde so zu verhalten, daß es für die Anbieter naheliegt, so wie Bonprix bei der Angebotsgestaltung vorzugehen - wie das Frau Lechner ja postuliert -, verstehe ich nicht und mißbillige solche Thesen hiermit ausdrücklich.
Auch wenn ich natürlich nicht in Abrede stelle, daß es tatsächlich Leute gibt, die sich so verhalten.
Modebewußte, die immer das Allerneueste haben wollen, kaufen immer zu viele Klamotten, aber ob sie das bei Primark oder bei Gucci machen, hängt halt von den Geldmitteln ab, die sie dafür einsetzen können und wollen. Umgekehrt kann man aber nicht davon ausgehen, daß Klamottenkaufen bei Primark unbedingt bedeutet, möglichst viele Kleidungsstücke kaufen zu wollen und sie nach zweimal Tragen wegzuwerfen, um etwas Neues kaufen zu können. (Auch die Primark-Qualität ist, jedenfalls bei den wenigen Stücken, die ich dorther habe, keineswegs übel.) Unsereins hat natürlich auch ein paar Fehlkäufe im Kleiderschrank. Das liegt daran, daß nicht alles, was einem im Katalog spontan gefiel, einem dann beim Tragen auch an einem selbst gefällt. Oder man hatte vor lauter Begeisterung beim Kaufen nicht daran gedacht, was man alles ergänzend zum Kombinieren benötigen würde, und dann stand man da mit dem tollen Teil, zu dem nichts von dem paßte, was man bereits daheim hatte, und es fehlte die nötige kriminelle Energie oder das Kleingeld, um nun noch Zusatzkäufe zu machen, ohne die man es kaum tragen kann.
Auch das ist aber nicht davon abhängig, wie teuer das Kleidungsstück in der Anschaffung gewesen ist. Ein Blick auf die Angebote aktueller teurer Markenbekleidung bei eBay durch Privatleute beweist das hinreichend.
Was die Ausbeutung in den Herstellerländern betrifft: Ich habe nie verstanden, warum besonders billige Kleidung den darauf bezogenen schlechten Ruf alleine zu tragen hat, da ja auch teure Markenware dort produziert wird. Angenommen aber, Bonprix, Primark, Kik oder Lidl würden sich dazu entschließen, jedes Kleidungsstück exakt um einen Euro zu verteuern - oft genug würde dies allenfalls eine Verteuerung von 10 auf 11 Euro bedeuten - und diesen Euro den Produktionsmitarbeitern auszuzahlen, dann wäre ihre Kleidung immer noch so billig, daß Sprüche wie "Etwas, was so billig verkauft wurde, kann nicht fair produziert worden sein" fallen würden. Aber gleichzeitig sollte man annehmen, daß die Bezahlung mit diesem einen Euro mehr pro Kleidungsstück, verteilt auf die an der Produktion dieses Kleidungsstücks direkt Beteiligten, so stark steigen würde, daß sie auch nach unseren Maßstäben als mehr als auskömmlich durchgehen kann.
Mit anderen Worten, der zitierte Spruch "Etwas, was so billig verkauft wurde, kann nicht fair produziert worden sein" stimmt von vornherein nicht. Kleidung KANN billig verkauft werden, ohne unfair produziert worden zu sein. Ich bin für faire Produktion, aber das heißt noch lange nicht, daß ich dann gegen billige Kleidung sein muß.
Ich bin sehr dafür, Textilarbeiterinnen in Bangladesh fair zu bezahlen, aber wie das funktionieren soll, ohne die von ihnen produzierte Kleidung dann auch zu kaufen, hat mir auch noch nie eingeleuchtet. In mehreren Coronawellen konnte man lesen, daß die dortigen Textilfabriken massenhaft Beschäftigte entlassen hätten, nachdem Textilfirmen ihre Aufträge stornierten. Nirgends war aber die Rede davon, daß dies für die Arbeiterinnen eine Verbesserung der Lebensumstände mit sich gebracht hätte. Aus ihrer Sicht wäre es also keine gute Nachricht, sondern eine Katastrophe, würden wir alle nur Kleidung made in Germany kaufen, wie das viele Leute irrtümlich für einen Akt der Solidarität mit den unterdrückten Textilarbeiterinnen in Asien halten.
Vermutlich war der Druck auf die Textilketten wirklich nützlich, um die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung in Asien zu verbessern, und falls das bislang noch nicht ausreichende Ergebnisse erbracht hat, bitte weitermachen damit! Was ich aber nicht akzeptieren kann, ist, wenn man Leute hierzulande, die sich jedes neue Kleidungsstück quasi vom Mund absparen müssen, mit fehlgeleitetem moralischem Druck dazu zu bringen versucht, teurere Kleidung zu kaufen, als sie es eigentlich tun könnten und tun wollten. Arme Leute haben es auch hierzulande schwer genug, gerade jetzt, wo die Preise für alles mögliche, von den Grundnahrungsmitteln bis zu Gas und Strom, so exorbitant steigen.
Wie lange ich selbst noch billige Kleidung kaufen werde, kann ich im Moment aber nicht sagen. Aktuell sehe ich es einfach nicht ein, für Kleidung, aus der ich in absehbarer Zeit herausschrumpfen werde, besonders viel Geld auszugeben, aber ich bin außerdem ein ausgesprochender Shopping-Muffel und verabscheue insbesondere das Anprobieren, und zwar nicht erst, seit ich dick wurde, sondern ich war schon als Kind so - meine Mutter und meine ältere Schwester, die ab einem gewissen Alter das zweifelhafte Vergnügen hatte, mit mir einkaufen zu müssen, können davon ganze Opern grölen. Insgeheim würde ich aber schon lange gerne maßgeschneiderte Kleidung tragen. Nur hat es wenig Sinn, dafür mehr Aufwand zu betreiben und mehr Geld zu bezahlen, solange ich damit rechnen muß, daß meine Körperform sich ständig verändert. Das galt schon, als mein Gewicht schleichend nach oben ging, und jetzt gilt es natürlich genauso. Aber wenn ich mein Zielgewicht einmal erreicht habe, spricht eigentlich nichts mehr dagegen, damit anzufangen. Und vielleicht werde ich das dann ja auch wirklich tun.
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