Sonntag, 9. Januar 2022

Die Spritze zum Abnehmen. Wundermittel oder wieder nur ein Flop?

Mein Gewicht heute früh: 90,8 Kilogramm - nach 90,6 gestern nach meinem Fastentag am Freitag (den hatte ich auf Freitag verschoben wegen des Feiertags am Donnerstag). Ich nehme an, daß die Bekämpfung des Infekts, der sich mehrere Tage lang an verschiedenen Stellen meines Körpers ein gemütliches Plätzchen gesucht zu haben schien - erst in der linken Schulter, dann in den Mandeln, zuletzt am rechten Handgelenk - letzte Nacht endlich erfolgreich abgeschlossen wurde und damit auch mein Wasserhaushalt etwas herunterreguliert wurde. Trotzdem hat es mich ein bißchen - natürlich freudig - überrascht, daß ich heute fast mit demselben Gewicht wie gestern dastehe. Vielleicht habe ich morgen dann noch einmal Glück und kann mit weniger als 92 in den morgigen Fastentag starten? Eigentlich hatte ich mir solche Hoffnungen bereits abgeschminkt.

Auch nächste Woche habe ich einen meiner Fastentage verschoben: Anstelle des Dienstags faste ich schon morgen und habe vor dem zweiten Fastentag also zwei Eßtage. Ich möchte nämlich am Dienstag gerne das Training an den Abschluß des Fastentags hängen (weil mich interessiert, ob die Wirkung meßbar ist, wenn ich zu einem Zeitpunkt trainiere, an dem meine Glukosevorräte bereits verbraucht sind) und anschließend auf dem Wochenmarkt dem Kaufrausch frönen. Danach sollte ich bis zum April endlich mal wieder für eine längere Zeitspanne meinen normalen Fastenrhythmus beibehalten können. Morgen in einer Woche habe ich das erste lange Fastenintervall seit Anfang Dezember - und ich finde, das wurde auch Zeit. Es hat mir fast ein bißchen gefehlt. ;-)

Weil ich in der zweiten Aprilhälfte urlaubsbedingt zwei Wochen lang ganz mit dem Fasten aussetzen werde, habe ich mich entschieden, bis dahin alle zwei Wochen viertägige Fastenintervalle einzulegen, um den Drei-Monats-Zeitraum davor optimal zu nutzen. Ich würde zum Urlaubsstart gerne schon um die 86 bis 85 Kilogramm "Vorher-Gewicht" erreicht haben und hoffe, spätestens meine zweite Low-Carb-Phase macht das in Kombination mit den vorübergehend etwas enger getakteten langen Fastenintervallen wirklich möglich.  

Ach ja, diese Torte gab es bei uns dieses Wochenende: 

Das ist eine Eigenkreation, eine Mischung aus Käse-Sahne-Torte, Apfelkuchen und Orangenkuchen. Der Apfel verbirgt sich in der mittleren Schicht, gekocht in verdünntem Orangensirup mit Vanillepuddingpulver. Ich mußte nämlich meinen letzten Boskoop-Apfel dringend verbrauchen, weil er eine faule Stelle bekommen hatte, die aber noch ziemlich klein war, solange 90 Prozent von ihm noch lecker waren. Außerdem habe ich anstelle der sonst bei Käse-Sahne üblichen Mandarinen einige Orangen-Joghurt-Gums als Deko auf der oberen Schicht verwendet, weil sie genau dieselbe Farbe hatten. Das Rot ist ein stinknormaler roter Tortenguß. Daß der zusammen mit den intensiv orangen Gums und der Sahne einen so tollen Farbeffekt ergeben würde, hatte ich eigentlich gar nicht erwartet. Statt mit Zucker habe ich die Quark-Sahne-Mischung mit Orangensirup gesüßt, das ergab einen intensiven Orangengeschmack. 

Mit diesem Sirup, der eigentlich stark verdünnt für Getränke gedacht ist, lassen sich zum Süßen wirklich tolle Sachen anstellen, da werde ich sicherlich noch mehr experimentieren. Man muß ihn aber mit Vorsicht dosieren, denn pur ist er so süß, daß es einem davon richtig schlecht werden kann. (Ja, ich hab's ausprobiert.)

Meine Twitter-Bubble lenkte meine Aufmerksamkeit heute auf die neuesten Erkenntnisse zur medikamentösen Gewichtsreduktion. Mittlerweile laufen da ja diverse Studien zu neu entwickelten Medikamenten. Im vorliegenden Fall geht es um Semaglutid, das deshalb von Interesse ist, weil es offenbar kurz vor der EU-Zulassung als Medikament zur Gewichtsabnahme steht. Als Diabetesmedikament ist es unter dem Handelsnamen Ozempic anscheinend bereits zugelassen.

Aktuell liegen Ergebnisse von Step 5 vor, in dem die Wirkung im Lauf von zwei Jahren untersucht wurde. Die Ergebnisse sehen folgendermaßen aus: 

 

Natürlich werden diese Ergebnisse als ein Riesenerfolg gehypt - und im Vergleich zu den "konventionellen" Abnahmemethoden ist es das ja auch -, aber wenn man nur den Abstract liest, bekommt man den Eindruck, es habe einen linearen Abnahmeerfolg gegeben, und das gibt die Grafik, wie man sieht, einfach nicht her. Auch Semaglutid bewirkt offenbar nur eine zeitlich begrenzte Abnahme. Anschließend kommt es zwar im Lauf von 104 Wochen nicht zu einem Jojo-Effekt, aber doch zu einem hartnäckigen Plateau mit einer gewissen Tendenz nach oben ab ungefähr Woche 70, also nach ca. 16 Monaten. Die Wirkung scheint damit ungefähr einem typisch verlaufenden Low-Carb- oder Intervallfasten-Einsatz zu entsprechen, bei dem die Methode wie ihre Intensität dauerhaft gleichbleibend beibehalten werden.

Wenn ich das richtig sehe, ist es Woche 40, mit der man 64 Wochen später im Durchschnitt wieder gleichauf liegt. 

Daneben geht das Gewicht außerdem sofort wieder nach oben, wenn man das Medikament absetzt, und zwar ziemlich steil. Das zeigten die Ergebnisse von Step 4 (68 Wochen Dauer) aus dem vergangenen Jahr: 


Im Vergleich mit der Grafik aus Step 5 ist auch bei Step 4 das Erreichen eines Plateaus trotz fortgesetzter Verabreichung von Semaglutid zwischen Woche 52 und Woche 60 zu erkennen.

Der durchschnittliche BMI der Teilnehmer bei Step 5 lag bei 38,5. Ich habe mal nachgeschlagen: Ungefähr diesen BMI hatte ich mit einem Gewicht von 109 Kilogramm, und zuletzt so viel gewogen habe ich im Juni 2019. Durchschnittlich hatten die Teilnehmer nach zwei Jahren 15,2 Prozent ihres Anfangsgewichts verloren. Mit dieser prozentualen Gewichtsabnahme stünde ich - beginnend mit diesen 109 Kilogramm - jetzt ziemlich genau da, wo ich gerade tatsächlich stehe: 15,2 Prozent von 109 Kilogramm sind ca. 16,6 Kilogramm, das bedeutet ein Endgewicht von 92,4 Kilogramm.

Bei mir waren es zweieinhalb Jahre, die ich gebraucht habe, um eine Abnahme von 15,2 Prozent meines Körpergewichts zu erreichen. Damit fühle ich mich mit den Studienteilnehmern durchaus auf Augenhöhe, auch wenn sie sich rühmen könnten, schon nach einem Jahr an diesem Punkt gewesen zu sein. Zumal ich ja auch gar nicht mit BMI 38,5, sondern mit einem BMI über 50 begonnen hatte. Nehme ich stattdessen mein Startgewicht von 147 Kilogramm als Ausgangspunkt, waren 15,2 Prozent Abnahme schon mit einem Gewicht von zwischen 124 und 125 Kilogramm erreicht - und dafür habe ich auch keine zwei Jahre benötigt. Das erste Mal ein Gewicht von weniger als 125 Kilogramm vor einem Fastentag hatte ich fast auf den Tag genau ein Jahr nach Beginn des Intervallfastens. 

Im Gegensatz zum durchschnittlichen Semaglutid-Patienten nahm ich danach aber weiterhin ab. Den 15,2 Prozent Abnahme kann ich ja längst von ferne zuwinken. Mittlerweile stehe ich kurz vor 40 Prozent (erreicht bei 88,2 Kilogramm Vorher-Gewicht), und diese Hürde werde ich in den nächsten Wochen hinter mir lassen.

Der wichtigste Vorteil meiner Methode ist nämlich, daß ich realistischerweise mit einer weiteren Abnahme rechnen kann, was bei dem durchschnittlichen Semaglutid-Patienten ausweislich des Gewichtsverlaufs in Step 5 aber nicht mehr zu erwarten ist. Um auch nur in etwa auf ihrem derzeitigen Gewichtslevel zu bleiben, sind sie wohl gezwungen, sich dauerhaft Semaglutid spritzen zu lassen. Natürlich ist genau das, also Patienten zu haben, die lebenslänglich auf die eigenen Produkte angewiesen bleiben werden, der feuchte Traum jedes Pharmakonzerns, aber ich als Patient wäre natürlich nur begrenzt scharf darauf.

Daneben ist auch anzumerken, daß Durchschnittswerte nie die ganze Wahrheit erzählen. Denn in Wirklichkeit funktionierte das Medikament bei manchen Patienten besser, bei manchen schlechter und bei immerhin ca. einem Fünftel auch überhaupt nicht (Abnahme von weniger als 5 %). Eine Abnahme von 15 Prozent des Körpergewichts oder mehr gelang nämlich nur knapp über der Hälfte der Teilnehmer. : 


Es wäre interessant zu wissen, wie sich die erfolgreichsten Teilnehmer (sagen wir: das erfolgreichste Fünftel) von den am wenigsten erfolgreichen unterscheiden - und es wäre noch interessanter, ob bei ihnen ebenfalls dieses Plateau aufgetreten ist oder ob es auch Teilnehmer gab, bei denen die Abnahmewirkung deutlich länger anhielt oder sogar nach zwei Jahren noch nicht aufgehört hat. Damit könnte man herausfinden, bei welchen Patienten Semaglutid vielleicht wirklich empfehlenswert sein könnte und bei welchen eher nicht.

Ich bin gespannt, ob die Wirkung von Semaglutid über noch längere Zeiträume weiterverfolgt wird, und hoffe, auch diese Ergebnisse, falls es sie geben sollte, werden in meiner Twitter-Bubble irgendwann aufgegriffen, so daß ich sie auch zu sehen bekomme. Im Interesse von Novo Nordisk, dem Hersteller, liegt eine solche auf der bisherigen Arbeit aufbauende weitere Studie aber leider nicht, denn die zu erwartende weitere Entwicklung im Jahr 3 und länger ist höchstwahrscheinlich weit weniger werbewirksam. Deshalb bezweifle ich, daß es sie geben wird.

Vor einiger Zeit hörte ich einen Podcast - ich glaube, es war der von Peter Attia -, dessen Gesprächsparter (an dessen Namen ich mich leider nicht mehr erinnere) sehr von den Möglichkeiten der in letzter Zeit neu entwickelten Medikamente zum Abnehmen schwärmte und sich sogar zu der Prognose verstiegen hat, solche Medikamente würden die bariatrische Chirurgie in absehbarer Zeit als Mittel der Wahl bei schwerer Adipositas ablösen. Für Semaglutid sehe ich das auf Basis der Daten von Step 5 aber eher nicht kommen: Als Wundermittel zur Bekämpfung der sogenannten Adipositas-Epidemie ist die Abnahme nicht hoch genug und sie hält nicht lange genug an. 

Trotzdem habe ich das Gefühl, es ist eine positive Entwicklung, daß die Erfolge mit diesem Medikament - ebenso wie die der bariatrischen Chirurgie, die ja auch stärker wirkt, als dies auf Kalorienbasis erklärbar und plausibel wäre -, so zweifelhaft die Methoden selbst mir vorkommen mögen, eben doch einen ganz deutlichen Hinweis darauf geben, daß das Adipositas-Problem eines ist, das auf hormonellen Vorgängen beruht. Irgendwann platzt dieser Knoten des Unverständnisses im Wissenschaftsbetrieb hoffentlich noch, da diese Hinweise sich in den letzten Jahren doch zu häufen beginnen.



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