Sonntag, 25. Juli 2021

Die Dicken auf der Nadelspitze

Mein Gewicht heute früh: 93,5 Kilogramm. Nachdem die Abnahme von vorgestern auf gestern also ungewöhnlich hoch war, ist heute die Wiederzunahme auch noch auffallend niedrig, jedenfalls niedriger als von mir erwartet, denn ich hatte gestern den ganzen Tag lang dauernd Durst und rechnete deshalb damit, daß das innere Pumpwerk meiner Wasserspeicher auf Hochtouren läuft und Wasser bunkert, als gäbe es kein Morgen, und mir auf diese Weise mindestens zwei Kilo Zunahme beschert, wie ich sie ja bei früheren Gelegenheiten auch nach vier Tagen Fasten schon manchmal am Anschlußtag gehabt habe. Aber das erfreuliche Ergebnis wird natürlich gerne und dankend mitgenommen.

Unser opulentes Samstagsfrühstück, das ich gestern so voll Vorfreude beschrieben habe, verspätete sich zu meinem Verdruß noch um ca. eine halbe Stunde, weil ich erst um Punkt zwölf Uhr (plus weniger als eine Minute) feststellte, daß mein Mann noch schlief. So was kann manchmal passieren, ich koche immer eine Etage tiefer und kann normalerweise damit rechnen, daß er pünktlich herunterkommt. Diesmal hatte ich ihm sogar noch gesagt "12 Uhr, wohlgemerkt, und keine Sekunde später!". Aber so geht's halt manchmal. Mein Mann schichtet, da verliert man seinen normalen Schlafrhythmus. Das kann sich unterschiedlich auswirken, bei manchen führt es zu Schlafstörungen und bei ihm hat es die Wirkung, daß er morgens schwer aus dem Bett findet. Wenn niemand ihn weckt, kann es sogar Nachmittag werden, bis er aufsteht. 

Aber peinlich sind ihm solche Dinge dann schon, denn heute ist er schon kurz nach 9 Uhr ganz von alleine auf der Matte gestanden. 

Früher war ich ja auch ein Langschläfer, also kann ich mich nicht dazu durchringen, ihn dafür zu kritisieren, aber mittlerweile hat bei mir wohl schon die berüchtigte senile Bettflucht eingesetzt, denn wenn ich mal fast bis 9 Uhr schlafe, ist das eine seltene Ausnahme. Meistens treibt es mich zwischen 7 und spätestens 8 Uhr aus dem Bett. 

Ach ja, die französischen Delikatessen. Sie waren allesamt so delikat, wie sie aussahen, nur ausgerechnet von der Foie Gras war ich ein bißchen enttäuscht. Nicht, daß sie schlecht geschmeckt hätte, bewahre, aber im Grunde auch nicht besser als eine gute Kalbsleberwurst. Die Pastete mit Apfel fand ich geschmacklich um einiges besser. Also, Freunde der gepflegten Dekadenz: Sie lohnt sich manchmal schon, aber auch nicht immer. ;-)

Abends gab es dann, obwohl wir ein ganz normales Frühstück hinter uns hatten, doch noch mein traditionelles "Übergangstag-Essen", nämlich Quarkpfannkuchen und Rettich-Karotte-Apfel-Salat. Weil dieser Übergangstag sonst zwangsläufig auf einen Spätschichttag meines Mannes fällt, hatte er diese Kombination noch nie gegessen, und mir wiederum hätte nach einem langen Fastenintervall ohne dieses Essen etwas gefehlt.

Eigentlich hatte ich ja angenommen, beim Frühstück würde ich noch nicht allzu viel essen können, aber tatsächlich habe ich morgens mehr gegessen als am Abend, so daß noch genügend Quarkpfannkuchen übrig sind, um sie beim heutigen Abendessen ebenfalls noch mit einzuplanen, und mein Mann macht jetzt Hähnchenspieße dazu. Vom Salat war noch ein bißchen was übrig, aber ich habe noch meinen allerletzten Apfel, eine Karotte und, tata, meinen einzigen vernünftigen Rettich aus eigener Zucht, reingeschnipselt, damit die Menge für heute abend ausreicht. 

Die vier Rettichpflanzen habe ich heute alle rausoperiert, weil die zehn Wochen schon längst um sind, die Rettiche normalerweise benötigen. Der Anblick war so kurios, daß ich ihn fotografiert habe. 


Diese vier Dinger sind gleich alt, hatten den gleichen Topf, den gleichen Standort, dieselbe Erde. Warum nur sind sie so unterschiedlich geworden? Aber gut, jedenfalls weiß ich nun, daß ich grundsätzlich Rettiche auch im Blumenkasten ziehen kann, nur irgendwas Wichtiges habe ich wohl nur bei einer der Pflanzen richtig gemacht, und ich habe keine Ahnung, was das gewesen sein könnte. Ob ich dieses Jahr noch einmal einen Versuch mit Rettichen machen soll, bin ich mir noch unschlüssig.  Der Rettich links außen befindet sich mittlerweile jedenfalls im Salat für heute abend.. Den daneben haben wir beim Frühstück verspeist. :-)

And now to something completely different:

Das Folgende habe ich schon vor ein paar Tagen begonnen zu schreiben, aber gestern hatte ich so viel anderes zu erzählen, daß ich es verschoben habe. Aber wenn ich heute schon angefangen habe, dann kann ich das genausogut mit nachschieben: 

Die berüchtigte Frage mittelalterlicher Scholastiker, wieviele Engel auf einer Nadelspitze tanzen können, wird gerne als Beispiel für mit viel Aufwand und Gelehrsamkeit akribisch diskutierte absurde Fragen herangezogen. Da dies in der Regel in Kontrast zu der rationalen Herangehensweise der Naturwissenschaften gestellt wird, fiel es mir sofort ein, als ich diesen Artikel aus dem Jahr 2010 über die Frage las, wieviele Extrakalorien wohl zu einer Gewichtszunahme führen. 

Die Autorin, Marion Nestle, ist eine ausgewiesene Fachfrau, und - Ehre, wem Ehre gebührt -, sie ist immerhin über die brüllende Unlogik der gebetsmühlenartig immer wieder - zuletzt von Herman Pontzer - vorgebrachten Behauptung gestolpert, eine geringfügige Kalorienmenge am Tag über den Bedarf (bei Pontzer waren es 20, bei ihr sind es 50 Kalorien) führe im Laufe eines Jahres zu einer registrierbaren Gewichtszunahme (bei Pontzer war es ein Kilogramm, bei Nestle sind es zwischen 2 und 2,5). Sehr richtig weist die Autorin darauf hin, daß es unmöglich ist, seine täglichen Nahrungskalorien mit solcher Exaktheit zu bestimmen - alleine schon, weil der Energiegehalt von Lebensmitteln nicht völlig exakt bestimmbar ist und zudem schwanken kann -, während andererseits früher die Leute ja auch imstande gewesen seien, ihr Gewicht zu halten, ohne sich andauernd mit dem Energiegehalt ihrer Nahrungsmittel zu befassen. 

Nestle hält diese "5 M&Ms"-Annahme von Pontzer also für falsch. Dummerweise ist ihre eigene Annahme aber ebenfalls falsch. Sie vermutete nämlich, daß jemand, der zunimmt, dann eben einen weitaus höheren Überschuß an Nahrungskalorien zu sich nehmen müsse. Ms Nestle verweist dabei unter anderem auf eine Studie, deren Autor heute wahrscheinlich mit seinen damaligen Ergebnissen aus dem Jahre 2010 nicht mehr in Verbindung gebracht werden möchte. Auf seiner Website schreibt David Ludwig nämlich heute "Forget calories. Forget cravings. Forget dieting". Inzwischen ist er felsenfest davon überzeugt, daß es nicht die Überernährung ist, die jemanden dick macht, sondern umgekehrt Übergewicht Überernährung erst auslöst. 

Vor elf Jahren rechnete genau derselbe Dr. Ludwig dagegen noch akribisch aus, daß jemand pro Tag 680 überschüssige Kalorien zu sich nehmen müsse, um in 25 Jahren Adipositas zu entwickeln. Aber schon damals widersprach auch er der Vorstellung von den unheilvollen "5 M&Ms", wie sie Herman Pontzer im Jahre 2021 immer noch als angebliche wissenschaftlich erwiesene Wahrheit verbreitet: 

Carefully controlled overfeeding experiments show that calorie expenditure increases progressively because of the energetic costs of maintaining the newly created tissue. A person who consumes an extra cookie every day will initially experience weight gain, but over time an increasing proportion of the cookie’s calories will go into repairing, replacing, and carrying the extra body tissue. After a few years of daily cookie eating, weight gain will level off at approximately 2.7 kg (6 lb).

Kein Zweifel, Dr. Ludwig ist ein ernstzunehmender Wissenschaftler und war damals schon auf einer ernst gemeinten Suche nach der richtigen Erklärung. Nur stand ihm dabei wohl ähnlich wie den Astronomen vor Kopernikus und Galilei eine falsche Grundannahme im Weg, deren Fehlerhaftigkeit von ihm erst einmal erkannt werden mußte, bevor ihm klar wurde, wie sinnlos es ist, zu berechnen, wieviele Dicke wohl, nachdem man sie auf Diät gesetzt und sie dazu gebracht hat, sie einzuhalten, auf einer Nadelspitze tanzen können. 

Die falsche Grundannahme ist die Kalorientheorie. Ludwig setzte sie, wie fast alle Wissenschaftler, unhinterfragt als selbstverständlich korrekt heraus, und auf Basis dieser Prämisse ging er durchaus logisch vor: Er ermittelte den durchschnittlichen Gewichtszuwachs einer bestimmten US-Bevölkerungsgruppe (junge Frauen im Alter zwischen 20 und 28 Jahren) in einem Zeitraum von 26 Jahren und errechnete aus den Zusatzpfunden, die sich in dieser Altersgruppe 26 Jahre später im Vergleich zum Jahr 1973 angesammelt hatten, den Kalorienüberschuß, der dafür seiner Meinung nach verantwortlich sein mußte.

Fehlerursache ist eine Verwechslung von Ursachen und Wirkungen, und das hat meines Erachtens viel damit zu tun, daß es in den einschlägigen Studien immer nur um Korrelationen geht, also eine erkannte Verbindung zwischen zwei Faktoren - etwa Übergewicht und Diabetes -, ohne daß deshalb aber schon wissenschaftlich bewiesen wäre, welcher davon die Ursache und welcher die Wirkung ist, oder ob vielleicht sogar beide untersuchten Faktoren die Wirkung eines unbekannten anderen Auslösers sind. Ein Zusammenhang ist nun einmal nicht identisch mit einer Ursache. In den meisten Zeitungsüberschriften wird das falsch wiedergegeben.

Das finstere Geheimnis der Epidemiologie besteht darin, daß die Prämissen, von denen ausgegangen wird, insgeheim gar nicht so selten überhaupt nicht wissenschaftlich belegt sind, ohne daß das irgendwem so richtig klar zu sein scheint. Daraus können Empfehlungen resultieren, die für diejenigen, die sie brav befolgen, tödliche Folgen haben können.

Ein Beispiel dafür ist der plötzliche Kindstod. - Habe ich darüber in diesem Blog eigentlich schon einmal geschrieben? Falls ja, egal, ich mache es jetzt nochmals. 

Ich besitze nämlich selbst noch einen Babyratgeber aus den späten achtziger Jahren, eine noch etwas ältere Auflage dieses Buches hier und habe es nachgeschlagen: Auch während meiner eigenen Schwangerschaft wurde die Bauchlage für Säuglinge ausdrücklich empfohlen. Was kaum jemand weiß: Diese Empfehlung hatte keinerlei wissenschaftliche Grundlage. Sie war zunächst in den USA - durch die Babyratgeber eines gewissen Dr. Spock - aufgekommen und verbreitete sich von dort aus ab den sechziger/siebziger Jahren über die ganze Welt. Mit kurzer Zeitverzögerung setzte dann auch diese unheimliche Welle von "plötzlichen Kindstoden" in praktisch der gesamten westlichen Welt ein. 

Ich fand nirgends für Deutschland eine vollständige Grafik, die bis Ende der sechziger Jahre zurückreicht, also muß dies hier genügen:

 

Ich zähle in dieser Grafik sechs Jahre, in denen die Zahl der plötzlichen Kindestode 1000 überschritten hat, und zwölf Jahre, in denen es mehr als 600 waren. Alleine in diesen achtzehn Jahren kommen wir also auf deutlich mehr als 13.000 Todesfälle bei Säuglingen; insgesamt sind es sicherlich mehr als 20.000 gewesen, von denen mutmaßlich um die neunzig Prozent auf die Empfehlung der Bauchlage zurückzuführen sind - denn die heutige Zahl liegt ca. bei einem Zehntel der Todesfälle Anfang der neunziger Jahre.

Wir reden hier also von 18.000 toten Babys als Folge einer einzigen falschen Empfehlung eines amerikanischen Kinderarzts alleine in Deutschland! Die weltweite Zahl wage ich mir gar nicht auszumalen.

Rückblickend ist es schwer zu begreifen, daß so viele Jahre über die Bauchlage herumdiskutiert wurde, bis 1991 endlich ausdrücklich von ihr abgeraten wurde - die Wirkung schlug sich dann, siehe Grafik weiter oben, praktisch sofort, nämlich ab dem Folgejahr 1992, in der Statistik nieder. Aber noch eigenartiger daran finde ich, daß die Empfehlung der Bauchlage sich nicht nur ohne wissenschaftlichen Nachweis, sondern auch ohne jede Diskussion, ob dies wirklich empfehlenswert sei, eingeschlichen hatte.

Die Versuchung ist gerade in so einem Fall natürlich groß, nach Schuldigen zu suchen, um sie auf einem Scheiterhaufen verbrennen zu können. Aber letztlich handelte es sich meiner Meinung nach um ein Systemversagen der Wissenschaft, ausgelöst durch die irrationalen Elemente, die sich alleine schon deshalb dort immer einschleichen können, weil die Wissenschaftler halt auch Menschen sind und sich - als Einzelne wie als Gruppe - aus verschiedenen unwissenschaftlichen Gründen nicht rational gemäß ihren Berufsaufgaben verhalten. Aus irgendwelchen Gründen scheint nichts eine kritische Auseinandersetzung mit dieser neuen Empfehlung Bauchlage für Säuglinge ausgelöst zu haben. Es wäre eine wissenschaftshistorische Untersuchung wert, warum das so gewesen ist. Man könnte daraus auch etwas lernen, das im Umgang mit Adipositas nützlich sein würde.

Ein ganz ähnliches Problem sehe ich nämlich bei den Kalorien. Die Annahme, daß Übergewicht durch einen Energieüberschuß aus der Nahrung verursacht wird, ist ja ebenfalls von niemandem wissenschaftlich bewiesen worden. Sie wirkt nur - auch auf Laien - spontan so naheliegend und plausibel, daß sie von (fast) niemandem in Frage gestellt wird. 

Genauso war es auch mit der wissenschaftlichen Arbeit der Astronomen vor Kopernikus und Galilei, die von der Grundannahme ausgingen, daß die Sonne und die Planeten um die Erde kreisen, wie das der Augenschein ja nahezulegen schien. Auf eine "kopernikanische Wende" in der Adipositasprävention und -behandlung werden wir aber wahrscheinlich noch viele Jahre warten müssen, und dabei geht es ebenfalls um Menschenleben. 

In diesem Fall reden wir aber nicht "nur" über eine fünfstellige Zahl innerhalb von drei Jahrzehnten, wie beim plötzlichen Kindstod (die ja schon gruselig genug war, oder?), sondern um eine sechsstellige. Und zwar Jedes. Einzelne. Verdammte. Jahr. Alleine in Deutschland. 

Eigentlich sollte die niederschmetternde Tatsache, daß das betonköpfige Festhalten an der Kalorienlogik schlimmstenfalls noch weit mehr Todesfälle verursachen könnten, als sie der Tabakindustrie auch von ihren allererbittertsten Gegnern nachgesagt werden, alleine schon als Grund ausreichen, um sich eine Beschleunigung des Erkenntnisprozesses zu wünschen.

Oder kann es doch sein, daß es ab einem bestimmten Punkt auf einmal ganz schnell geht? So, wie eine Mauer jahrzehntelang Risse aufweist, aber dennoch stabil wirkt, und dann fällt sie eines Tages ganz unerwartet in sich zusammen?

So kritisch ich die Seuche der Magenverkleinerungen als vermeintliches Patentrezept bei Adipositas sehe, sie ist immerhin - ähnlich wie bei der Anwendung von Low Carb und in Teilen Intervallfasten - verbunden mit der Erkenntnis, daß die Erfolge durch die Behandlung nicht so richtig zu dem passen, was man über die Rolle der Kalorien immer für richtig gehalten hatte. 

Auf Umwegen stieß ich auf eine Website mit dem Titel "It is not your fault", und sah dort das Video einer Vorlesung von Carel le Roux (leider in schlechter Tonqualität), die mir verdeutlichte, was nicht nur ihn, sondern auch Ärzte wie diesen Professor Hans Hauner (über den ich noch nie etwas auch nur annähernd Nettes geschrieben habe) dazu gebracht hat, sich mit solchem irritierenden Eifer auf Magenverkleinerungen zu stürzen. Ein neuer Ton bei Le Roux ist die Erkenntnis, daß die Operation nicht etwa nur verhindert, daß die Patienten zu viele Kalorien konsumieren (was sie ansonsten eigentlich gewollt hätten und dieser Versuchung nur nicht unterlagen, weil es nicht ging), sondern daß sie auch deren Verlangen nach Essen veränderte und daß sich diese Veränderung auch in biochemischen Veränderungen spiegelt, wenn man entsprechende Untersuchungen vornimmt. Mit anderen Worten: Die OP kann bei Patienten, die zuvor ständig hungrig gewesen waren, dazu führen, daß sie plötzlich erstmals ein normales Sättingsgefühl entwickeln.

Neu ist aber außerdem die Einsicht, daß sogar solche Operationen bei manchen Patienten schlechter oder sogar gar nicht wirken, und daß das nicht an deren Fehlverhalten liegt, sondern die Methode bei diesen Patienten die falsche ist. Das heißt, man muß eine andere Methode finden. Auf einmal schleicht sich da also doch wieder ein wissenschaftliches Denken ein. Aus "Es funktioniert nicht, weil der blöde Patient alles sabotiert" wird deshalb "Es funktioniert nicht, weil die Methode nicht zum Fall des Patienten paßt". Ja, Le Roux ging sogar so weit, zu sagen: Es gibt nicht DIE Adipositas. Es muß unterschiedliche Auslöser geben, und entsprechend sind verschiedene Behandlungsansätze nötig. 

Dazu fand ich eine interessante Grafik in einer Studie, die ganz gut illustriert, was er damit meint: 

 

Bei beiden verglichenen OP-Verfahren ist es auffallend, daß die Abnahme bei einem Teil der Patienten auffallend schlechter ist und die bei fast allen zu erwartende Wiederzunahme mehr als die Hälfte ihres anfänglichen Erfolgs wieder zunichte macht. Ebenfalls auffallend ist es aber, daß es bei manchen der Patienten nicht zu dieser Zunahme kam, sondern im Gegenteil eine stetige weitere Abnahme erfolgte, und zwar bei beiden gewählten Verfahren.

Diese Herangehensweise von Le Roux ist neu und läßt mich einen Mißton (wenn auch mit etwas Anstrengung) verzeihen, die Annahme, daß es sich bei Adipositas um eine chronische Krankheit handle, die lebenslanger Behandlung bedürfe, weil sie mit bloßem Willen nicht steuerbar sei. Denn ganz ehrlich, wenn ich so etwas höre, geht mir jedes Mal einfach erst mal das Messer in der Tasche auf. Na klar reicht Willenskraft nicht aus, um eine Aufgabe zu lösen, die falsch gestellt wurde und von vornherein unlösbar ist. 

Was wir brauchen, ist ganz bestimmt keine lebenslange Behandlung, und schon gar nicht, solange diese lebenslange Behandlung uns weiter mit Herangehensweisen malträtiert, mit denen wir von vornherein nur scheitern können. Sobald aber erst einmal Behandlungen bekannt sind, die tatsächlich wirken können (und daß es sie gibt, versuche ich ja gerade im Selbstversuch zu beweisen), wird sich meiner Meinung nach ziemlich schnell herausstellen, daß sich die allermeisten Leute ganz ohne ärztliche oder ernährungstherapeutische Hilfe selbst zu helfen wissen. Das ist natürlich nicht für jeden eine gute Nachricht, denn wenn plötzlich nur noch fünf Prozent der Abnehmenden an der Abnahme und dem Gewichthalten scheitern sollten, würde das ja ganze Berufszweige brotlos machen, und zwar Professionen, die im Moment regelrecht angeschwollen vor lauter Wichtigkeit sind. 

Kürzlich habe ich mich noch gefragt, warum ich das hier eigentlich mache. Auf einmal weiß ich es jetzt wieder: Genau denen will ich es damit zeigen. Die 73,5 Kilogramm Zielgewicht, wenn ich sie erst einmal erreicht habe, sind mein ganz persönlicher Stinkefinger an die Adresse all dieser Ernährungsberater, Adipositaschirurgen und Fitnesstrainer samt ihren Weisheiten. Anmerken möchte ich bei dieser Gelegenheit außerdem, daß ich  erfolgreicher war als auch der erfolgreichste der Magenverkleinerungspatienten in dieser Studie. Nach aktuellem Stand habe ich nach derzeit 52 Monaten nämlich zwischen 33 und 34 % meines Körpergewichts verloren, kalkuliert nach meinem Vorher-Gewicht am Montag dieser Woche (98,9 Kilogramm), von dem ich aber nicht annehme, daß ich es nach dieser Woche jemals wieder erreichen werde.

Dennoch, die Zahl der Mediziner und Epidemiologen nimmt augenscheinlich gerade zu, die ernsthaft versuchen, die inneren Widersprüche, die sich aus der Kalorientheorie ergeben, irgendwie aufzulösen. Ich sollte versuchen, mich ein bißchen weniger über die Irrwege aufzuregen, die sie dabei einschlagen. Bariatrische Chirurgie wird aber hoffentlich auch bei ihnen nicht die letzte vermeintlich ultimative Lösung bleiben. Denn wer sucht, der wird früher oder später auch finden. Es ist eine gute Nachricht, daß es mittlerweile tatsächlich wieder Wissenschaftler und Ärzte gibt, die in Sachen Adipositas auf der Suche sind, anstatt bloß an ihren Patienten herumnudgen zu wollen.

***

Noch ein kleiner Nachtrag, weil ich darüber geschmunzelt habe: Meine Krankenkasse findet zu meinem aktuellen BMI weit weniger dramatische Worte als andere BMI-Rechner:

Neugiershalber habe ich noch überprüft, was passiert, wenn ich das Alter auf 26 Jahre ändere. Dann wird das als "Übergewicht", nicht als "leichtes Übergewicht" angezeigt. Der Faktor Alter spielt da also mit eine Rolle. Vielleicht schreibe ich meine Krankenkasse aber jetzt doch mal an und erkundige mich, was sie dazu motiviert hat, den Begriff "Adipositas" ganz wegzulassen.


 

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