Freitag, 15. Januar 2021

Suche nach dem Schlüssel im Dunkeln

Mein Gewicht heute früh: 99,2 Kilogramm. Gewichtstechnisch habe ich eine kuriose Woche hinter mir. Letzte Woche am Freitag, nach dem Fastentag 2 der letzten Woche, waren es 98,5, tags darauf 98,9 Kilogramm. Also hatte ich - bei normalem Essen - nach dem Fastentag nur 400 Gramm zugenommen. Manchmal passiert mir das, daß ich am ersten Tag nach einem Fastentag nur ein paar hundert Gramm zunehme oder Gleichstand auf der Waage bzw. in ganz seltenen Fällen sogar ein paar hundert Gramm weniger gehabt habe. Meistens ist es aber so, daß ich am Tag nach einem Fastentag zwischen 1 und 1,5 Kilogramm zulege. Manchmal sind es allerdings auch 2 Kilogramm und in Extremfällen bis zu 3. Wenn ich mich recht erinnere, war mein Rekord 3,2 Kilogramm Zunahme an einem Tag. 

Das ist natürlich alles nur Wasser. 

Die Gründe für diese unterschiedlich hohen Schwankungen weiß ich nicht; es gibt keinen gemeinsamen Nenner und überhaupt nichts, anhand dessen ich es halbwegs sicher vorhersagen könnte. Die Wahrscheinlichkeit, mich mit Prognosen über mein Gewicht des nächsten Tages nur zu blamieren, ist so hoch, daß ich mich inzwischen bemühe, mich in Blogartikeln zu beherrschen und darauf ganz zu verzichten. Manchmal könnte eine besonders niedrige Zunahme am Stuhlgang liegen, aber meistens nicht. Auch diesmal war dies keine mögliche Erklärung, eigentlich sogar im Gegenteil. Das einzige, was ich mit hinreichender Sicherheit sagen kann, ist, daß diese Art von Gewichtsschwankungen gar nichts mit einer Zu- oder Abnahme im eigentlichen Sinne zu tun hat. Bis auf weiteres bleibt es ein Faktor, den ich hinnehme wie die Schwankungen beim Wetter. (Und wie beim Wetter meckere ich manchmal darüber.)

Meistens kommt das dicke Ende nach einer solchen geringen Zunahme dann in Form einer überdurchschnittlichen Zunahme am nächsten Tag. Aber das ist diesmal auch nicht passiert (dafür leider dann am übernächsten ...). Stattdessen hatte ich gerade an jenem Tag zum ersten Mal den deutlichen Eindruck, daß die dicke Winterjacke, die ich im Oktober - noch etwas zu knapp - gekauft hatte, als ich am Sonntag ein Stündchen draußen war, um mir die Beine zu vertreten, angenehm locker saß. Die ganze Woche über hatte ich das Gefühl, daß ich um den Bauch herum etwas geschrumpft sei, aber ich dachte, das könne nicht sein, also sei es reine Einbildung. Aber daß ich auf einmal mit den Händen in den Jackentaschen herumspazieren kann, anstatt den Bauch einziehen zu müssen, um meinen Schlüsselbund aus ihr herauszuholen, läßt sich damit nicht wegerklären.

So etwas tröstet mich jedenfalls über Phasen hinweg, in denen die Waage ums Verrecken keine erfreuliche Entwicklung beim Körpergewicht anzeigen will, denn eigentlich ist das ja viel wichtiger als die Zahl auf der Waage. Bevor ich mit dem Intervallfasten begonnen habe, bestand meine Ziel ja lange schlicht in Kleidergröße 44. Jetzt will ich die Zahl 73,5 Kilogramm auf der Waage vor allem deshalb erreichen, weil ich sie nun einmal so festgelegt habe, und damit basta. Kleidergröße 44 habe ich bereits (bei den Hosen und Röcken habe ich sie sogar schon unterschritten), und es gibt keine weiteren Kleidergrößen, die meine Phantasie so befeuern, daß ich sie mir als Zielmarke vorstellen kann. Also wenn ich die pure Rechtbehalterei mit einer willkürlich festgelegten Zahl auf der Waage einmal ausklammere, wäre mein konkretestes Wunschziel jetzt noch, mein Rest-Bäuchlein noch wegzufasten. Auch wenn mein Bauch sehr geschrumpft ist, optisch empfinde ich ihn vor dem Spiegel immer noch als störend. Da sich die langen Fastenintervalle vor allem am Oberkörper auswirken, bin ich auch optimistisch, daß sich da im Lauf des Jahres einiges positiv verändern wird. Und das egal, wie sich mein Gewicht entwickelt.

Aber auf der Waage möchte ich auch endlich wieder Fortschritte sehen. Jetzt hoffe ich also auf das nächste lange Fastenintervall nächste Woche und im weiteren Ausblick auf den Frühling. Aber schon seit einer Weile mache ich mir auch Gedanken über die Grundannahmen, auf denen meine Herangehensweise basiert. 

Von Beginn dieses Blogs an war mir im Prinzip klar, daß Dr. Fungs Insulin-Theorie, auch wenn ich sie im Grundsatz für richtig halte, nicht die vollständige Erklärung sein kann. Wäre es so, dann dürfte meine Abnahme ja nicht jedes Jahr im Oktober und November von einer Zunahme unterbrochen werden, die ich anschließend erst wieder "herunterfasten" muß - mit dem Ergebnis, daß ich im Winterhalbjahr (Oktober bis März) noch schon drei Jahre in Folge immer nur ca. ein Drittel bis die Hälfte der Abnahme des vorangegangenen Sommerhalbjahrs (April bis September) zu verzeichnen hatte. Im Januar stehe ich jedes Jahr ungefähr an dem Punkt, an dem ich schon Anfang Oktober gewesen war, erst danach entwickelt sich die Sache langsam wieder nach unten. Allerdings wird die Abnahme auch im Sommerhalbjahr jedes Jahr weniger, und so haut die Entwicklung im Winter jedes Jahr stärker rein. Und das anscheinend völlig egal, was ich mache.

Vor allem das letzte Jahr war vor allem wegen dieser Herbst-Winter-Entwicklung unter dem Strich reinweg zum Vergessen. Würde der Trend der letzten drei Jahren weiter anhalten, wäre im laufenden Jahr außerdem damit zu rechnen, daß ich auch im Sommerhalbjahr nicht mehr nennenswert abnehme (2020 waren es immerhin noch ca. vier Kilo), und das will ich natürlich auf gar keinen Fall. Also muß ich herausfinden, warum das im letzten Jahr speziell im Sommerhalbjahr so mies gelaufen ist. Der Winter war, nüchtern betrachtet, eigentlich ja so, wie er immer gewesen ist. Daß ich mir so große Hoffnungen gemacht hatte, mit meinen mehrtägigen Fastenintervallen diese alljährliche Entwicklung zu verhindern, ändert daran nichts.

Für die geringe Abnahme im letzten Sommerhalbjahr gibt es eine ganze Reihe denkbarer Erklärungen, was wiederum bedeutet, es gibt eine Reihe möglicher Strategien, um dem gegenzusteuern.

Die übliche Erklärung, die mir wohl fast jeder gäbe, wenn ich ihn fragen würde, habe ich von vornherein gestrichen: Nein, es lag nicht am Essen. Meine Ernährung würde zwar jeden anständigen Ernährungsberater erbleichen und zum Riechsalzfläschen greifen lassen, aber sie hat sich 2020 nicht - oder jedenfalls nur unwesentlich - von der des Jahres 2019 unterschieden. Dieselbe Art von Ernährung, mit der ich 2019 abgenommen habe, kann aber dann nicht schuld daran sein, daß es 2020 zu einer Stagnation kam. Schon eher denkbar finde ich einen Zusammenhang mit lockdownbedingt weniger Bewegung, bei der noch hinzukam, daß ich im Sommer 2020 auch das EMS-Training aufgegeben habe. Sonst war ich im Sommerhalbjahr aber auch fast jedes Wochenende mindestens einmal ausgiebig auf Achse, vor allem auf Flohmärkten, darunter favorisiere ich seit Jahren Hofflohmärkte, die zwangsläufig mit sich bringen, daß ich mehrere Stunden zu Fuß unterwegs bin. 

Meine Theorie dazu lautet: Kalorien aus der Nahrung sind im Prinzip ein "durchlaufender Posten", bei dem eine höhere Zufuhr einfach zu einem höheren Verbrauch führt, aber nicht per se zu einer Speicherung in Form von Speicherfett - dies passiert nur dann, wenn ein hoher Kohlehydratkonsum und/oder zu häufige Mahlzeiten den Stoffwechsel daran hindern, ab und zu auch mal in den Fettverbrennungsmodus zu switchen. Aber das Prinzip der Homöostase bedeutet natürlich, daß der Körper das gewohnte Bewegungsverhalten zur Grundlage hat. Ändert sich das Bewegungsverhalten, wird auch der Verbrauch angepaßt - allerdings mit mehrmonatiger zeitlicher Verzögerung. Das ist so, wenn man sich auf einmal mehr bewegt, und führt dann zu einer Gewichtsabnahme, die allerdings nach einigen Monaten wieder auf den Ausgangswert zurückpendelt. Warum sollte das dann aber umgekehrt nicht ebenso sein? 

Ich könnte also als Arbeitshypothese einmal annehmen, daß ich letztes Jahr den umgekehrten Fall erlebt haben kann. In dem Fall müßte man meine Abnahme von ca. 4 Kilogramm einer Zunahme gegenrechnen, die einen Teil meiner sonst zu erwartenden Abnahme geschluckt hat.

Falls es bei mir letztes Jahr so war, läge der Gedanke nahe, daß ich jetzt hingegen auf mein letztjähriges Bewegungsverhalten "geeicht" bin. Würde ich mich dieses Jahr ab dem Frühjahr aber vergleichbar viel bewegen wie 2019, müßte das eigentlich dazu führen, daß ich dieses Jahr - bei etwa gleich vielen Fastentagen wie letztes Jahr - wieder stärker als letztes Jahr abnehme. 

Das laufende Jahr wird also ein interessantes Jahr. Sollte ich im Herbst aber feststellen müssen, daß es anders gekommen ist und ich wieder wenig oder gar nichts abgenommen habe, muß ich mir dringend etwas Neues einfallen lassen. Langsam werde ich ja auch ungeduldig. Eigentlich hatte ich ursprünglich ja damit gerechnet, daß ich im Laufe des Jahres 2021 bei meinem Zielgewicht ankommen würde. 

Dabei war ich noch von einer ungefähr gleichbleibend hohen oder nur langsam zurückggehenden Abnahme ausgegangen, wie das nach Dr. Fungs Theorie auch naheliegend gewesen wäre.

Tja, der Dr. Fung. Vor ein paar Wochen hatte ich jemandem aus seinem Klinik-Account bei Twitter angeboten, einen Text, der in mehreren Sprachen auf seiner Website erschien, auch ins Deutsche zu übertragen, das dabei noch fehlte. Der Jemand gab mir eine Kontakt-E-Mail, ich mailte sie an und habe danach nie wieder etwas gehört. Mehr noch, der Tweet mit den Kontaktdaten war wieder gelöscht worden. Offenbar pflegen die mittlerweile professionelle PR und können mit enthusiastischen Hilfsangeboten von Normalsterblichen nichts mehr anfangen. Es ist möglich, daß die PR-Frage auch dafür verantwortlich ist, daß man so wenig über die Langzeitverläufe bei den Patienten des Programms hört, denn vielleicht sind die ja auch in seinem Programm nicht so richtig PR-tauglich.

Was mir an Dr. Fung zunehmend auf die Nerven geht, ist, daß ich auch bei ihm keine Antworten auf die Frage finde, wie ich zweckmäßigerweise weiter vorgehen sollte, obwohl ich Grund zur Annahme habe, daß auch bei seinen Patienten die spektakulären Abnahmen nur innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums stattfinden und dann ähnliche Verlangsamung wie in meinem Fall auftritt. Über die Langzeitverläufe bei seinen Patienten rutscht ihm allenfalls in einem Nebensatz mal was heraus, und dabei hatte ich den Eindruck, daß die Entwicklung bei mir nicht ganz untypisch ist. Gleichzeitig finde ich die Empfehlungen, die Dr. Fung seinen Patienten für solche Fälle gibt, enttäuschend ähnlich zu dem, was man überall zu hören bekommt, fast als würde seine revolutionäre neue Theorie in diesen Fällen doch nicht mehr gelten. 

Was ich von ihm hören wollen würde? Eigentlich vor allem das Eingeständnis, daß er hier genauso wie alle anderen gerade im Dunkeln tappt, zum zweiten das Versprechen, sich mit dieser Frage ebenfalls noch tiefgreifender zu befassen, sobald er einen vernünftigen Ansatzpunkt gefunden hat und seine anderen Aufgaben das zulassen, und am besten noch eine Warnung für begeisterte Anfänger, daß es für viele nicht dauerhaft mit diesen tollen Abnahmen weitergehen wird, daß das aber nicht dasselbe bedeutet wie bei einer Diät, weil sich ein Jojo-Effekt wesentlich leichter verhindern läßt. Damit verhindert man, daß die Leute unnötig enttäuscht werden.

 "Weniger essen, mehr bewegen" scheint mir außerdem einfach nicht hilfreich. "Anders essen" wäre dagegen im Prinzip nachdenkenswert. Im Herbst plane ich ja experimenthalber eine zweimonatige Low-Carb-Phase (zusätzlich zum Intervallfasten, also an den Tagen, wenn ich nicht faste). Länger will ich das nicht machen, und ich klammere auch die Wochenenden davon aus. Aber vielleicht erweist sich das ja tatsächlich als der richtige Schlüssel, um die Zunahme im Oktober zu verhindern. Wenn ja, würde ich das - immer im Herbst, wenn meine Bärengene unbedingt zunehmen wollen - vielleicht auch dauerhaft einplanen. Meine Ernährung ganz darauf umzustellen, kann ich mir aber nicht vorstellen.

Was ich mir ebenfalls vorstellen kann und vielleicht dann umsetze, wenn mir nur noch weniger als zehn Kilogramm bis zum Zielgewicht fehlen und ich die "letzte Meile" etwas zügiger hinter mich bringen will: vorübergehend - sagen wir: zwei bis drei Wochen lang - ein mit viel körperlicher Anstrengung verbundenes Programm durchzuziehen, etwa eine lange Wanderung (Jakobsweg?), das könnte ich mir schon vorstellen. Es sollte aber nicht zu lang sein, damit ich die damit verbundene Gewichtsabnahme mitnehmen kann, ohne daß der Stoffwechsel sich daran anpaßt und ich hinterher viele Scherereien mit Wiederzunahmen habe. Was ich keinesfalls machen werde, ist, dauerhaft Sport zu treiben. Mit "Bewegung nur um der Bewegung willen" konnte ich noch nie viel anfangen, also wäre es eine Strafe, sich dem für immer auszusetzen. Gar nicht anzufangen damit, daß eine Abnahme, die zu sehr auf Sport beruht, natürlich extrem jojogefährdet ist - etwa wenn man sich das Bein bricht oder wegen des Lockdowns nicht ins Fitnesstudio kann.  

Es ist also nicht so, daß ich mein Pulver mittlerweile verschossen hätte, ich ziele bloß mit der Schrotflinte rein nach Gehör ins Dunkel und hoffe dabei das Beste. Oder, um ein anderes Bild zu verwenden: Ich mache es nicht wie der Betrunkene bei Paul Watzlawick, der seinen verlorenen Schlüssel unter der Straßenlaterne sucht, obwohl er ihn dort nicht verloren hat, weil es dort hell ist, sondern taste mich im Dunkeln durch. Irgendwo muß er ja schließlich sein, der Schlüssel. Nur schade, daß niemand da ist, der mir mit einem Lämpchen unterstützend beisteht. 

Es war doch schöner, als ich noch glaubte, daß ich einfach so lange im regelmäßig gleichen Rhythmus fasten müsse, um in einem berechenbaren Zeitraum (der im Sommer 2021 erreicht gewesen wäre) Gewicht xy erreichen zu können. Aber andererseits, wenn ich mir anschaue, was andere Leute auf sich nehmen, um Gewicht zu verlieren, und wie viele ständig, über Jahre hinweg, gegen den Jojo ankämpfen müssen, finde ich, so schlecht habe ich es mit meiner Methode nicht getroffen, mit der ich mir außer den "eßfreien Zeiten" keinerlei Beschränkungen auferlege. Auch wenn es noch weitere zwei, drei oder vier Jahre dauern sollte: So wie jetzt kann ich problemlos noch jahrelang weitermachen.

***

Apropos keine Beschränkungen: Heute abend gibt es bei uns gefüllte Paprika, eines meiner Lieblingsgerichte. Zum Nachtisch sind noch ein paar von den köstlichen Apfel-Quark-Bällchen aus dem Backofen übrig, die es heute zum Nachmittagskaffee gab. Die waren eigentlich eine Verlegenheitslösung, ich fand nämlich heute früh im Kühlschrank eine Packung Quark, die schon länger abgelaufen war, und suchte, nachdem ich einen vorsichtigen Blick hineingeworfen und den Inhalt für noch verwendbar befunden hatte, über Google eine Verwendung, die nicht mit allzu viel Zeitaufwand verbunden ist. Das ist ein Rezept, das ich unter Garantie nicht zum letzten Mal gemacht habe. Umwerfend gut, vor allem, wenn die Bällchen noch warm sind. Mein Mann war von den Socken, als er das erste probiert hat. 

An der Corona-Front wiederum kann ich vermelden, daß ich mir selbst die Haare geschnitten habe und es weniger schlimmer aussieht, als ich zuvor befürchtet hatte. Ich werde mir nach Corona aber vielleicht auch einen anderen Friseur suchen müssen, was ich fast so schlimm finde, wie einen neuen Zahnarzt zu brauchen. Leider habe ich erst nach Beginn des zweiten Lockdowns erfahren, daß das Gebäude abgerissen wird, in dem sich der Friseursalon befindet, den ich immer aufsuche. Keine Ahnung also, ob und wenn ja wo ich meinen Stammfriseur nach dem Lockdown wiederfinden werde. 


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