Donnerstag, 2. Juli 2020

Das statistische Wolkenkuckucksheim

Mein Gewicht heute früh: 97,6 Kilogramm, nur 100 Gramm weniger als am Dienstag, aber damit war zu rechnen. Nach nur zwei Eßtagen am Wochenende verliere ich an Fastentagen ja weniger Wasser, und vermutlich strengt sich mein Körper an Eßtagen mehr an, sein Wasserlevel wieder zu erreichen. Außerdem hatte ich ja am Samstag früh gar nichts mehr in Magen und Darm, und das kann leicht ein bis zwei Pfund unter dem typischen Level nach einem normalen Fastentag bedeuten. Mein Ziel diese Woche besteht also  nicht darin, mein All-time-Low von 95,1 Kilogramm zu erreichen oder auch nur in dessen Nähe zu kommen, sondern darin, nächsten Montag erneut mit einem Gewicht unter 100 Kilogramm zu starten - wofür ich meinem Gefühl nach am Samstag um die oder unter 97 Kilogramm haben sollte.

Nach fünf aufeinanderfolgenden Fastentagen dürfte es ein Weilchen dauern, bis mein Gewichtsverlauf auch nur annähernd vorhersehbar wird (und auch diese Vorhersehbarkeit hat, wie man an den letzten Monaten sehen konnte, ihre Grenzen), aber ich hoffe mal, daß ich mich in den nächsten Wochen auch ohne mehrtägige Fastenintervalle langsam, aber stetig wieder auf unter 96 Kilo zubewegen werde.

Wobei ich übernächste Woche tatsächlich doch wieder ein zweitägiges Fastenintervall einlegen muß, weil ich in jener Woche am Freitag zu einer Betriebsfeier eingeladen bin, also an diesem Tag nicht fasten kann. Fest entschieden habe ich es noch nicht, aber mir schwebt für diese Woche vor, Montag, Mittwoch und Donnerstag zu fasten. Spannend wird es dann mit dem dreitägigen Wochenende und bei welchem Gewicht ich in die darauffolgende Woche starten werde. Vielleicht bin ich dann tatsächlich wieder über 100, aber dann tritt ja mein im letzten Beitrag beschriebener "Plan B" in Kraft. Mir ist es jetzt wichtig, den dreistelligen Bereich wirklich für immer hinter mir lassen zu können. Auch wenn die Zahl auf der Waage nur eine abstrakte Größe ist, das fällt für mich in den Bereich Psychohygiene.

Immerhin weiß ich wenigstens, daß das alles nur Zahlenhokuspokus ist. In den letzten Tagen könnte ich mich nämlich über den Umgang der Medien mit Zahlen schon wieder schwarzärgern. Das jüngste Beispiel las ich gerade eben in der FAZ, die über die zu erwartende Entwicklung der Corona-Todesfälle in den USA schreibt:

Eine Modellstudie der University of Washington prophezeit, dass die Covid-Todeszahlen bis Oktober 150 Tausend erreichen würden - vorausgesetzt, 95 Prozent der Bevölkerung würden im öffentlichen Raum Gesichtsmasken tragen. Andernfalls würde die Anzahl an Virustoten wohl bei rund 180 Tausend liegen.
Diese Studie habe ich gesehen, sie ist schon ihre zwei bis drei Wochen alt und mag zu jenem Zeitpunkt eine vernünftige Prognose gewesen sein, aber sie ist längst von den Ereignissen überrollt worden. Stand heute, 2. Juli, haben die USA schon mehr als 130.000 Tote zu beklagen. Damit diese Zahl bis zum 1. Oktober nur um weitere 20.000 Todesfälle auf 150.000 steigt, müßte die Zahl der Todesfälle auf ungefähr 200 pro Tag begrenzt werden können, und damit sie nur um 50.000 auf 180.000 steigt, auf ca. 550. Im gleitenden 7-Tages-Durchschnitt sind es aber schon jetzt 560, und angesichts der steigenden Infektionszahlen ist damit zu rechnen, daß die Amerikaner sich in den nächsten Wochen wieder auf vierstellige Zahlen bei den Todesfällen einstellen müssen.

Ich tippe momentan für den 1. Oktober eher auf 250.000 Corona-Todesfälle in den USA, und das ist sogar noch eine relativ optimistische Prognose, weil sie nur von durchschnittlich ca. 1300 Todesfällen pro Tag ausgeht. Das wären weniger Todesfälle als bei der ersten Corona-Welle, in der in den drei Monaten zwischen dem 1. April und dem 1. Juli 125.000 der insgesamt 130.000 Todesfälle und damit ca. 1400 pro Tag als Durchschnittswert verzeichnet wurden.

Diesmal sind allerdings die Infektionszahlen wesentlich höher, und ich vermute, der Höhepunkt ist noch gar nicht erreicht. Wenn es dumm kommt, liegt die Zahl der Infizierten pro Tag bei Erreichen des nunmehrigen neuen Höhepunkts mehr als doppelt so hoch wie beim ersten Mal, und wenn es noch dümmer kommt, liegt mit der üblichen Zeitverzögerung von ca. zwei Wochen dann auch die Zahl der Todesfälle pro Tag doppelt so hoch.

Die zitierte Studie enthält die ungünstige neue Entwicklung bei den Infektionszahlen noch nicht, was man ihren Autoren nicht übelnehmen kann, aber damit ist ihre Prognose leider bereits veraltet. Was mich wundert (und ärgert), ist warum die Autoren bei der FAZ sich auf stumpfes Nachplappern beschränken, anstatt sich ihres hoffentlich im Prinzip vorhandenen eigenen Verstandes zu bedienen, wie man das von selbsternannten Qualitätsmedien doch eigentlich erwarten können sollte.

Gestern habe ich nach langer Zeit zum ersten Mal wieder den Monatsbericht der Arbeitsagentur gelesen, weil mich interessiert hat, wie sich Corona auf die Arbeitslosigkeit ausgewirkt hat, und weil ich mich, was die Beurteilung dieser Zahlen betrifft, in der Vergangenheit auch nicht gut genug auf die Medien verlassen konnte. Deshalb lese ich Medienberichte zu diesem Thema schon längst nicht mehr; dafür lasse ich mich per E-Mail informieren, wenn es bei der Arbeitsagentur etwas Neues gibt. Seit die Arbeitslosigkeit kein großes Thema mehr ist, lese ich die Berichte allerdings nicht mehr regelmäßig, sondern nur noch, wenn etwas Besonderes mich interessierte.

Unter dem Vorbehalt, daß immer noch eine zweite Welle kommen und alles sehr viel schlimmer machen kann, finde ich, bislang sind wir verhältnismäßig gut davongekommen:

Stand 15. Juni 2020 hatten wir 637.000 mehr Arbeitslose als zum selben Zeitpunkt letztes Jahr. Die haben aber nicht alle etwas mit Corona zu tun; wir hatten nämlich schon seit letzten Herbst eine kleine Krise in unseren großen Konzernen, die zu Einstellungsstopps und teilweise auch Entlassungen oder Umstruktuierungen führten. Im letzten halben Jahr vor Corona las man darüber fast täglich in der Zeitung. Letzten Sommer im Juni erfuhr auch mein Sohn, der da gerade seine Masterarbeit fertiggestellt hatte, von dem Einstellungsstopp bei dem Automobilzulieferer, für den er tätig gewesen war, weshalb seine eigentlich fest erwartete Festanstellung geplatzt ist. Das ärgerte ihn, aber es machte dann nichts, denn seine Qualifikation war auch in anderen Branchen begehrt: Einen Monat später begann er im Logistikbereich, und in ein paar Tagen jährt sich dort seine Jobaufnahme zum ersten Mal, und ich habe auch das Gefühl, in seiner jetzigen Branche ist er richtiger plaziert als bei den dauerkriselnden Automobilzulieferern.

Hinzu kommt außerdem, daß Arbeitsgelegenheiten und Umschulungsmaßnahmen während Corona unterbrochen bzw. nicht neu begonnen wurden und damit mehr Personen, die sonst in der zweiten maßgeblichen Zahl der "Unterbeschäftigten" zugeordnet würden, nunmehr als arbeitslos gezählt wurden. Die Unterbeschäftigung ist im Vergleich zum 15. Juni 2019 auch deutlich geringer angestiegen als die Arbeitslosigkeit, nämlich um 439.000 Personen. Das legt die Vermutung nahe, daß ungefähr 200.000 Arbeitslose einfach nur aus der Unterbeschäftigungs-Rubrik in die der Arbeitslosigkeit verschoben worden sind.

Ich vermute, wenn die akuten Corona-Folgen auf dem Arbeitsmarkt weitgehend beseitigt sind (vielleicht im September oder Oktober), wird die Arbeitslosigkeit weiterhin etwas höher liegen als im Vorjahresmonat. In welcher Größenordnung das sein wird, kann ich nicht so richtig einschätzen, vielleicht 100.000 bis 200.000 Personen. Also letztlich nicht die Welt. Wir werden mittlerweile ja auch von der demographischen Entwicklung in ungünstigen Konjunkturlagen abgefedert.

Betrachtet man die Zahlen zur Erwerbstätigkeit, die allerdings immer ein bis zwei Monate hinterherhinken (Stand: Mai 2020), bietet sich ein in Teilbereichen überraschendes Bild:

Erwerbstätige 44,71 Mio., minus 531.000 oder 1,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr, also im erwarteten Bereich. Davon macht aus:
  • sozialversicherungspflichtige Beschäftigung: 33,41 Mio., + 30.000 oder 0,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr
  • Selbständige (einschließlich mithelfender Familienangehöriger, Angaben zum Ende des ersten Quartals 2020, also zum 1.4.2020 - somit nur begrenzt vergleichbar) 4,07 Mio., minus 112.000 oder 2,7 Prozent
  • Minijobber 
    • ausschließlich geringfügig entlohnt: 4,23 Mio, minus 377.000 oder 8,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
    • im Nebenjob: 2,80 Mio., minus 114.000 oder 3,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. (Dieser Wert ist aber nicht in der Erwerbstätigkeit enthalten, nur der Hauptberuf.)
Wie man sieht, gab es den großen Absturz also nicht in der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, sondern vor allem bei den Minijobs. Das lag im Grunde aber auch nahe, denn die Gastronomie, die ja von dem Corona-Shutdown besonders stark betroffen war, beschäftigt schon seit fast zwanzig Jahren ungefähr ebenso viele Minijobber wie Festangestellte. Offenbar war es für die Gastronomen eine naheliegende Lösung des Corona-Problems, die Festangestellten eher in Kurzarbeit zu schicken und die Minijobber eher zu entlassen.

Woher die plus 30.000 sozialversicherungspflichtig Angestellten im Vorjahresvergleich kommen, wäre interessant zu wissen, aber so tief bin ich in die Zahlen dann doch wieder nicht eingestiegen. Es sieht jedenfalls so aus, als wäre unser Arbeitsmarkt prinzipiell immer noch aufnahmebereit, nur betrifft das nicht alle Branchen.

Zur Kurzarbeit: Im April wurde für knapp über 8 Millionen Beschäftigte Kurzarbeit angemeldet. Für 6,83 Mio Arbeitnehmer wurde dann tatsächlich konjunkturelles Kurzarbeitergeld gezahlt. Der durchschnittliche Arbeitszeitausfall belief sich dabei auf 50 Prozent.

Hört sich übel an, betrifft aber in diesem Umfang nur den hauptbetroffenen Monat April. Im März, dessen erste Hälfte noch nicht betroffen war, waren es noch 2,49 Millionen, und für Mai liegen zwar keine Zahlen über tatsächlich gezahltes Kurzarbeitergeld vor, aber angemeldet wurde Kurzarbeit "nur" noch für 1,14 Millionen Beschäftigte. Bedenkt man, daß die Gastronomie mehr als den halben Mai lang noch im Shutdown war, ist das ein eindrucksvoller Rückgang. Für Juni lagen bis einschließlich 25.6. Anmeldungen für Kurzarbeit für nur noch 342.000 Personen vor. Für wie viele das dann tatsächlich in Anspruch genommen wird, bleibt abzuwarten.

Zum Vergleich: Im Dezember, also noch vor Corona, erhielten 247.000 Personen Kurzarbeitergeld, davon 97.000 als konjunkturelles Kurzarbeitergeld. Langsam nähern wir uns auf dem Arbeitsmarkt also im Bereich Kurzarbeit wieder den normalen Zuständen.

Alles in allem, finde ich, hätte es wirklich sehr viel schlimmer kommen können. Falls es zu keinen großflächigen Shutdowns mehr kommen sollte, sind wir - gesamtwirtschaftlich betrachtet - mit einem blauen Auge davongekommen. Der Teufel liegt natürlich immer im Detail. Gestern kam ich an einem sehr beliebten Café vorbei, wunderte mich, daß sie dort immer noch geschlossen hatten, und las dann an der Tür einen Aushang, daß sie bis auf weiteres nur am Wochenende öffnen, weil alles andere einen noch höheren Verlust als das Geschlossenbleiben bedeuten würde. Auf diese Weise kann man natürlich nicht dauerhaft existieren, und es gibt bestimmt genügend Unternehmen, die in den nächsten Monaten weiter um ihren Fortbestand kämpfen müssen. Nicht alle werden diesen Kampf gewinnen, und diejenigen, die scheitern, tröstet es gar nicht, wenn "gesamtwirtschaftlich" alles nicht so schlimm gewesen ist.

Noch ein anderer zufälliger Fund aus der Reihe "Zahlen lügen nicht. Aber kann man ihren Interpreten wirklich trauen?" ist eine neue Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Darin steht:
Die Befragung des Jahres 2019 zeigt, dass gegenwärtig insgesamt 7,2 % aller 12- bis 17-jährigen Jugendlichen in Deutschland rauchen. Eine deutliche Mehrheit der Jugendlichen (83,0 %) hat noch nie geraucht. Im Vergleich zu den Jugendlichen sind unter den jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 25 Jahren das Rauchen mit 28,8 % deutlich weiter und das Nierauchen mit 40,5 % deutlich geringer verbreitet.
Woher kommt das eigentlich, daß mehr als die Hälfte der tugendhaften Jugendlichen, die bis zum achtzehnten Geburtstag behaupten, nie geraucht zu haben, sich nach Erreichen der Volljährigkeit vom Pfad der Tugend doch noch abgewandt haben? Das eigentlich Verblüffende dabei sind aus meiner Sicht nicht die ca. 29 Prozent aktiven Raucher, sondern sagenhafte mehr als 30 Prozent Ex-Raucher, von denen wir offenbar glauben sollen, sie hätten vor ihrem 18. Geburtstag niemals und nach ihrem 25. Geburtstag nicht mehr geraucht.

Was mich deprimiert, ist, daß diese Behauptung aus der Pressemitteilung der BzgA, bei der man auf den ersten flüchtigen Blick schon Ungereimtheiten erkennt, von allen "Qualitätsmedien" und ebenso Fachpublikationen bloß stumpf nachgebetet wird, anstatt kritisch hinterfragt zu werden. Das läge alleine deshalb schon nahe, weil es eine eindeutig verzerrende Wirkung hat, die Altersgruppen von 12 bis 17 Jahren zu bündeln, weshalb es naheliegt, zu vermuten, daß genau diese Wirkung auch beabsichtigt wird. Als ich zwölf war, kannte ich gar niemanden meines Alters, der schon rauchte. Als ich 17 war, rauchten um die 50 Prozent meiner Altersgenossen. Das Alter, in dem es ernsthaft losging mit dem Rauchen, lag bei ungefähr 15 bis 16, wobei Rauchen erst ab 16 legal war.


Mit etwas Suchen fand ich dann immerhin eine detailliertere Aufschlüsselung (die freilich nicht an die große Glocke gehängt wurde und sich in der Pressemitteilung zur Studie nicht findet):

Kinder und Jugendliche:
12 und 13 Jahre 96,3 Prozent Nie-Raucher
14 und 15 Jahre 86,2 Prozent Nie-Raucher
16 und 17 Jahre 67,6 Prozent Nie-Raucher

Junge Erwachsene:
18 und 19 Jahre 50,6 Prozent Nie-Raucher
20 und 21 Jahre 43,3 Prozent Nie-Raucher
22 und 23 Jahre 32,5 Prozent Nie-Raucher
24 und 25 Jahre 36,5 Prozent Nie-Raucher
 
Tatsächlich finden sich also die meisten Nie-Raucher in den Altersgruppen, in denen schon vor vierzig Jahren nicht viele Raucher zu finden waren, und in den Altersgruppen, in denen man keine Zigaretten verkauft bekommt (oder jedenfalls bekommen sollte), ist ein deutlicher Anstieg der Nie-Raucher (oder jedenfalls von Jugendlichen, die behaupten, nie geraucht zu haben) festzustellen. Aber bis zum Alter von 25 scheint der Anteil derer, die niemals geraucht haben, immer noch genauso niedrig zu sein wie zu meiner Zeit, als er um die 30 Prozent lag (siehe Grafik S. 32).

Das alles gilt außerdem nur für Zigaretten. Wie man der Studie auf Seite 26 entnehmen kann, muß der Anteil der "Nie-Raucher", die außerdem auch noch nie Wasserpfeife geraucht haben, noch ein gutes Stückchen niedriger liegen. Sogar mein Sohn, der nun wirklich ein in der Wolle gewaschener Zigarettenverächter ist, hat mir erzählt, Shisha hätte er auch schon probiert.

Ich erinnere mich noch daran, wie vor ca. anderthalb Jahrzehnten das geforderte und 2007 dann eingeführte Verbot, Tabakwaren an unter 18jährige zu verkaufen, damit begründet wurde, daß die meisten Raucher vor 18 mit dem Rauchen beginnen, weshalb anscheinend angenommen wurde, wenn man dies im einschlägigen Einstiegsalter verhindere, würden sie dauerhaft nicht mit dem Rauchen anfangen. Sieht so aus, als wäre man durch diese Maßnahme aber nur damit erfolgreich gewesen, das Einstiegsalter beim Rauchen um zwei, drei Jahre nach hinten zu verschieben - oder vielleicht auch dafür zu sorgen, daß jugendliche Raucher ihr Rauchen einfach bei Befragungen nicht mehr zugeben.

Falls sie bei der BzgA wirklich glauben, was sie in ihrer Pressemitteilung geschrieben haben, müßte ich an ihrem Verstand zweifeln, und dann gehört meiner Meinung nach die gesamte Behörde außerdem wegen Inkompetenz aufgelöst. Aber falls sie die Message zu ihren Zahlen wissentlich frisiert haben, damit alles schöner wirkt, als es ist, wäre das ja auch nicht viel besser, denn wofür brauchen wir eine Behörde, die uns fromme Märchen anstelle von realistischen Bestandsaufnahmen vorsetzt?

Daß die Zahlen in ihrer Broschüre stimmen (was ich mal voraussetze) und jeder sich ein eigenes Urteil daraus bilden könnte, wenn er nur wollte, ist für mich keine Entschuldigung, weil ja offenbar niemand außer mir diese Zahlen liest, sondern sich jeder auf das verläßt, was in der Pressemitteilung steht.

Weil mir das nicht nur in diesen drei Fällen, sondern überall, wo Zahlen ins Spiel kommen, regelmäßig auffällt, daß dabei meistens eine Art Paralleluniversum geschaffen wird, das nur auf dem Papier besteht, eine Art statistisches Wolkenkuckucksheim, wundert es mich auch nicht, daß die Politik in so vielen Bereichen keine funktionierenden Lösungen mehr findet. Wo die den Lösungen zugrundegelegten Fakten nicht stimmen, passen natürlich die Lösungen nicht zur tatsächlich gegebenen Situation. Und hinterher wundern sich dann wieder alle, weil die mit viel Propagandafanfaren durchgesetzte Regelung in der Praxis nicht funktioniert hat - wie zum Beispiel damals beim Dosenpfand. Oder natürlich auch wie bei den Empfehlungen, wie man abnehmen sollte.

Gerade in dem letzten Bereich bin ich heilfroh, daß ich schon so lange - beginnend seinerzeit mit ganz anderen Themen - vom Glauben an die Wissenschaft als Ratgeber für Fragen, in denen etwas im richtigen Leben funktionieren soll, abgefallen bin und außerdem einen Weg gefunden habe, mir selbst zu helfen (das hat weiß Gott ja lange genug gedauert). Letztlich interessiert sich dort ja niemand dafür, ob das, was man propagiert, außerhalb des statistischen Wolkenkuckucksheims funktioniert oder nicht, solange man dann nur die Schuld an dem Mißerfolg dem einzelnen gescheiterten Diäthaltenden in die Schuhe schieben kann.

Am Samstag, als ich meinen neuen Tiefststand von 95,1 Kilogramm erreicht hatte, habe ich neugiershalber mal nachgesehen, was das für einen BMI bedeutet. Ich kam bei 33,3 heraus, und bei dem Rechner wurde mir "dringend" empfohlen, doch 5 bis 10 Kilo abzunehmen. Was für §%$$§%, dachte ich bloß. Genau wie dieser blöde Orthopäde, der mir - bei einem Gewicht von 125 Kilo - genau dasselbe empfahl und mir dazu Schwimmen ans Herz legte, ohne mich vorher auch nur zu fragen, ob ich mich zufälligerweise bereits längst um eine Gewichtsabnahme bemühte, was genau ich dabei machte und welchen Erfolg es gebracht habe. Die Antworten hätten gelautet: 1) Ja. 2) Verzicht auf bestimmte Lebensmittel, einmal wöchentlich EMS-Training und täglich eine Viertelstunde Gymnastik. 3) Überhaupt keinen, ich nahm im Gegenteil ständig weiter zu.

Ich bin ja mal gespannt, ob ich dieser Sorte Belästigungen endlich entgehen werde, wenn ich einmal bei 73,5 Kilo angekommen bin, was einem BMI von ca. 25,7 oder 8, also "leichtem Übergewicht" entspricht. Dem ersten Weißkittel oder sonstigen Besserwisser, der mir dann immer noch - und womöglich noch "dringend" - dazu rät, "5 bis 10 Kilo" abzunehmen, springe ich wahrscheinlich mit dem nackten Arsch ins Gesicht.


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