Montag, 29. Juni 2020

Uhu-Nistplatz und private Experimentierfelder

Mein Gewicht heute früh zu Beginn des ersten von drei Fastentagen diese Woche: 99,7 Kilogramm. Damit hat sich der Uhu also dauerhaft bei mir niedergelassen, und das soll auch so bleiben. Deshalb werde ich in den nächsten Wochen mit Argusaugen beobachten, ob es auch wirklich dabei bleibt. Sollte ich die 100 in den nächsten drei Wochen zu Beginn der Fastenwoche wieder überschreiten, werde ich in Woche Nr. 4 meine letztwöchige Aktion mit den fünf Fastentagen wiederholen, allerdings in einer modifzierten Variante, nämlich vier Fastentagen und einem "Aufbautag". Was genau ich an so einem Aufbautag alles essen und was ich lieber bleibenlassen will, muß ich mir noch überlegen (Vorschläge von versierten Fastern sind herzlich willkommen!), die Bouillon mit Ei und viel Schnittlauch, mit der ich am Freitagabend eingestiegen bin, ist bestimmt kein Fehler, aber da gibt es bestimmt noch andere Lebensmittel, mit denen ich meinen Verdauungstrakt an die Wiederaufnahme des Essens gewöhnen kann.

Es ist schon verblüffend, wie durchschlagend die Wirkung dieser letzten Woche gewesen ist. Ich habe mein vorheriges Niedrigstgewicht - das ich einen geschlagenen Monat lang nicht einmal annähernd wiedererreicht hatte - um 2,2 Kilogramm unterboten, und heute unterbiete ich mein Gewicht vom letzten Montag, vor Beginn dieser fünf Fastentage, um 2,1 Kilogramm. Eine so starke Gewichtsabnahme von einer Woche zur nächsten hatte ich schon seit einer Ewigkeit nicht mehr, und obwohl ich natürlich hell begeistert bin, grüble ich doch auch über die Gründe dafür nach. Was habe ich letzte Woche richtiger gemacht als in der letzten Maiwoche, in der ich zweimal zwei Fastentage hatte, was ja auch nicht wenig ist? Und falls ich damals nichts falscher und jetzt nichts richtiger gemacht haben sollte: Was spielte sich in meinem Körper ab, das vor einem Monat zu meinem Ärger bewirkte, daß ich fast ein Kilogramm über meinem Niedrigst-Gewicht blieb und nach zwei Tagen schon wieder über 100 Kilogramm auf die Waage brachte?

Wie ich ja schon wiederholt erwähnt habe, hatte ich auch in den Monaten, in denen die Waage nach dem Wochenende immer stur wieder zum Ausgangsgewicht zurückkehrte, trotzdem das Gefühl, daß sich meine Körperform veränderte. Das müßte eigentlich bedeuten, daß das wiederkehrende Gewicht nicht aus Speicherfett bestanden hat, aber was war es dann? Ich zögere, das auf Muskelaufbau zu schieben (obwohl es nicht ausgeschlossen ist, da ja beim Fasten Wachstumshormone ausgeschüttet werden), weil ich mir das in solchem Umfang nicht so recht vorstellen kann, wenn man keinen Sport treibt, und das mache ich ja nicht.

Irgendwas ist da seltsam, aber es muß eine vernünftige Erklärung dafür geben, denn ich bilde mir das nicht nur ein. Vorhin stand ich in einem meiner neuen Kleider vor dem Spiegel - letzten Freitag gekauft, Größe 40/42 - und grübelte darüber nach, wann ich es zuletzt gewagt hätte, in einem solchen Kleid auf die Straße zu gehen. Zu der Zeit, als ich zuletzt knapp unter 100 Kilo gewogen habe, definitiv nicht. Wann das war, weiß ich zufälligerweise sogar ziemlich genau, das war kurz nach meinem Umzug in meine jetzige Wohnung im Jahr 2000, der ohne Urlaub sozusagen während des laufenden Betriebs stattfand; die Umzugshelfer zogen mir mehr oder weniger den Schreibtisch unter meinen zu bearbeitenden Papierstapeln weg. Ich stand so unter Streß, daß ich Schwindelanfälle bekam, und deswegen war ich beim Arzt, der mich unter anderem auf die Waage stellte. Ich selbst besaß ja lange Zeit gar keine. Die exakte Zahl weiß ich nicht mehr, aber es fehlte meiner Erinnerung nach nicht mehr viel zu den 100 Kilo. 2002 war ich im Krankenhaus, und da wurde ich ebenfalls gewogen und hatte ich 100 Kilo überschritten.

Also, ein Kleid, das so geschnitten ist, hätte ich damals vor zwanzig Jahren keinesfalls getragen, obwohl mein Körpergewicht ungefähr meinem jetzigen entsprochen hat. Ich legte damals großen Wert darauf, meine nichtvorhandene Taille zu kaschieren. Das habe ich jetzt, behauptet mein Spiegelbild, eigentlich nicht mehr nötig, die kleine Wölbung des Bäuchleins, das noch abgetragen werden muß, ist zwar erkennbar, fällt aber nicht wirklich unangenehm auf. Damals war mein Oberkörper auch viel wuchtiger. Irgendwie stimmen die Proportionen jetzt wieder, auch wenn ich noch über 20 Kilo abzunehmen habe, bis ich mein Zielgewicht erreicht habe.

Ein bißchen Statistik:

Ich mache das mit dem Intervallfasten seit 39 Monaten, und mit den 36-Stunden-Fastenintervallen habe ich vor 30 Monaten bei einem Körpergewicht von 127,6 Kilogramm ernsthaft begonnen. Die knappen 20 Kilogramm Abnahme davor - mit sehr viel kürzeren Fastenintervallen - führe ich praktisch ausschließlich darauf zurück, daß sich mein Hormonhaushalt durch das Fasten wieder normalisierte. Die extrem schnelle Abnahme fast exakt des Gewichts, das ich in den Monaten davor so extrem schnell zugenommen hatte, fand ein Ende, als der - wie ich vermute - "krankhafte" (und vermutlich auch eine echte Gesundheitsgefahr signalisierende) Teil meiner Gewichtszunahme wieder abgebaut war.

Ich glaube nicht, daß es mir gelungen wäre, mit meinem alten Fastenrhythmus (dreimal die Woche 18:6 bzw. 21:3 im wöchentlichen Wechsel) eine schleichende Gewichtszunahme zu verhindern, die bei mir offenbar genetisches Erbe ist und die mir, egal, was ich getan habe, bevor ich das Fasten entdeckte, im Jahr ca. ein Kilo plus beschert hat. Der konnte ich nur mit Fastenintervallen beikommen, die lang genug waren, um meinen Organismus zu zwingen, seinen Energiebedarf aus dem "Ersparten" zu decken.

In diesen 30 Monaten hatte ich, Stand heute früh, 331 Fastentage. Als ich letztes Frühjahr die durchschnittliche Abnahme pro Fastentag ausgerechnet habe, lag sie noch sehr viel höher als jetzt, nämlich bei 145 Gramm. Mittlerweile sind es nur noch 85. Ich bin mir aber nicht sicher, wie sich diese geringere Abnahme genau erklären läßt, also ob es wirklich eine geringere Abnahme an Fastentagen oder vielleicht doch eine höhere Zunahme an Eßtagen ist - oder eventuell auch beides. Das Desinteresse in der Epidemiologie am Fasten finde ich gerade dann, wenn ich nach Ansatzpunkten suche, um meine durchschnittliche Abnahme pro Fastentag vielleicht wieder zu erhöhen, wirklich ärgerlich, und in solchen Fragen hilft mir dummerweise auch Dr. Fung nicht weiter.

Es gibt zwei Bereiche, in denen ich Jason Fung mittlerweile kritischer sehe. Der eine ist, daß man bei ihm den Eindruck bekommen könnte, daß es keinen Unterschied macht, ob jemand mit 16 100 Kilo wiegt oder mit 60. Das ist aber eindeutig ein Unterschied, weil 16jährige, die 100 Kilo wiegen, noch vor dreißig Jahren eine ausgesprochene Seltenheit waren, während 60jährige mit diesem Gewicht schon damals - bei einer Körpergröße, wie ich sie habe - ziemlich verbreitet waren. Es sind also zwei verschiedene Problemstellungen, von denen eine schon uralt, aber die andere ziemlich neu ist, die dann wohl auch unterschiedliche Lösungsansätze benötigen. Und das zweite ist, daß man von ihm zwar viel über die anfänglichen Abnehmerfolge hört, aber kaum etwas darüber, wie sich die Abnahme im Lauf der Zeit entwickelt. Das ärgert mich ein bißchen, denn es vermittelt einen falschen Eindruck, und das in derselben Weise, wie es auch die von mir ein einem meiner letzten Posts kritisierten wissenschaftlichen Untersuchungen über die Wirkung von Diäten machen.

Ich vermute, meine Erfahrungen, daß es auch mit Fasten im Lauf der Zeit immer zäher wird, sind nicht untypisch, und wenn dagegen keine Strategien entwickelt werden, besteht die Gefahr, daß die Euphorie nach den Anfangserfolgen bei der Mehrheit der Fastenden in ein resigniertes "Auch nicht besser als andere Abnehmmethoden" umschlägt und Intervallfasten am Ende - wie Atkins, Montignac und andere Ansätze, die eher versehentlich hormonelle Faktoren (mit-)nutzten - auf dem Friedhof der Modediäten landet.

Das fände ich eine katastrophale Fehlentwicklung. Der hormonelle Ansatz hat mich absolut überzeugt, und ich bin vor allem sicher, daß - auch wenn spektakuläre Abnahmen zeitlich begrenzt sind - jedenfalls durch alle Abnehmmethoden, die diese hormonellen Faktoren nutzen (vor allem Intervallfasten und Low Carb) die bislang irrtümlich dem Übergewicht selbst zugeschriebenen Gesundheitsgefahren zu einem großen Teil beseitigt werden können, und zwar sogar dann, wenn das Körpergewicht weiterhin im angeblich gefährlichen Bereich liegen sollte.

Wenn niemand anderes bereit ist, herauszufinden, wie man seine Anfangserfolge beim Fasten erfolgreich fortsetzen kann - Vorschläge wie Kalorienzählen oder Sport treiben lehne ich dabei ab, weil das erste nachweislich innerhalb relativ kurzer Zeit fast bei jedem zum Bumerang wird und die Körperzusammensetzung oft negativ beeinflußt, während das zweite nur dann einen Sinn hat, wenn man es dauerhaft beibehalten will und kann -, werde ich eben weiter experimentieren müssen. Denn nachdem ich mir einmal ein Zielgewicht gesetzt habe, will und werde ich es auch erreichen. Es ist mir auch egal, wie lange ich dafür brauche; wenn man ohne Kompaß unterwegs ist und keine Wanderkarten existieren, muß man sich nun einmal darauf einstellen, daß man für seinen Weg ein bißchen länger braucht. Ich hoffe allerdings, daß ich mich in diesem Bereich als talentierter als beim Wandern herausstellen werde, denn ich bin berüchtigt dafür, mich in freier Wildbahn unweigerlich zu verlaufen und deshalb ein dankbarer Nutzer von GPS-Signalen, mit denen ich meinen Standort orten und wieder auf den richtigen Weg zurückfinden kann.

Im Moment interessiert mich vor allem, wie sich bei mir auswirken wird, daß ich jetzt übers Wochenende nur noch zwei statt drei Tage vor dem nächsten Fastentag esse. Sollte das alleine schon ausreichen, um mich unter 100 zu halten, war es vielleicht ja gar nicht eine geringere Abnahme an Fastentagen, sondern eine höhere Zunahme an den Eßtagen, die bei mir die Abnahme so verringert hat. Mir ist aber auch schon durch den Kopf gegangen, daß die an zwei Tagen gespeicherte Glukose schneller verbraucht sein wird als die von drei Tagen, also mein Körper an Fastentagen nach zwei Tagen, an denen ich gegessen habe, schneller wieder in den Fettverbrennungsmodus switcht als nach drei Tagen. Das würde die Frage aufwerfen, was wohl passieren würde, falls ich testhalber an einem Wochenende mal Low Carb essen würde.

So richtig kann ich mich mit dem Gedanken, Low Carb zu essen, nicht anfreunden, jedenfalls nicht als dauerhafte Lösung. Aber ausprobieren könnte ich es schon mal für ein Wochenende, nur um zu sehen, was dann passiert.

Aber das mache ich irgendwann anders, vorläufig bleibe ich auf dem Pfad, den ich jetzt eingeschlagen habe, und hoffe, daß ich nicht wie beim Wandern plötzlich merke, daß ich auf dem Holzweg gelandet bin. Es bleibt spannend, und mein Ziel bleibt weiterhin ein Gewicht von 73,5 Kilogramm.










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