Mittwoch, 22. Juli 2020

Lieber gar keine Ratschläge als solche

Mein Gewicht heute früh nach zwei Fastentagen: 96,9 Kilogramm. Nicht übel, aber mit 3,6 Kilogramm eine geringere Abnahme als beim letzten Mal. Es ist dennoch ein wirklich befriedigendes Gefühl, die 50-Kilo-Schwelle bei der Abnahme zum zweiten Mal übersprungen zu haben. Ich hoffe, am Freitag knacke ich erstmals die 95 Kilo Lebendgewicht, aber sicher ist das noch nicht. Heute und morgen muß ich ja mit einer deutlich geringeren Abnahme rechnen als in den letzten zwei Tagen.


Das letzte Mal hatte ich nach vier Tagen eine Abnahme von exakt 6,1 Kilogramm, verteilt auf 2 + 2 + 1 +1,1 Kilogramm. Falls ich diesmal wieder um die 6 Kilogramm Abnahme - in der Verteilung 2 + 1,6 + 1,4 + y - zu verzeichnen hätte, müßte ich um 94,5 Kilogramm plusminus herum herauskommen. Aber die Höhe der Abnahme beim letzten Mal hat mich (angenehm) überrascht; ich hatte zuvor mit weniger gerechnet. Vielleicht sollte ich nicht gar zu fest darauf vertrauen, daß ich diesmal wieder so eine Überraschung erlebe?


Wie auch immer, es wäre schön, wenn ich am Freitag unter meinem Niedrigstgewicht vom letzten Mal läge, also weniger als 95,1 Kilogramm auf die Waage brächte. Auch wenn ich dieses Gewicht nicht mit vier, sondern mit fünf Fastentagen erzielt hatte.

Update 23.7.: Heute morgen wog ich 95,5 Kilogramm, damit deckt sich meine Gesamtabnahme nach drei Tagen wahrhaftig exakt mit der vom letzten Mal. :-)

Wie sich der Aufbautag am Freitag auswirken wird, lasse ich mich überraschen. Ideal wäre es, wenn ich das Gewicht vom Freitagmorgen auch am Samstagmorgen noch hätte. Mit einer weiteren Abnahme an diesem Tag sollte ich nicht rechnen, obwohl ich meine erste (bescheidene) Mahlzeit nicht vor der Mittagszeit zu mir nehmen werde.

So ganz sicher bin ich mir noch nicht, was ich am Freitag essen werde. Ich habe ein bißchen rumgegoogelt, war aber von den Empfehlungen, die ich las, nicht so richtig überzeugt. Die bezogen sich alle auf Heilfasten, hinter dem eine völlig andere Philosophie steckt, und von dem Vollwertgedöns, auf das dabei so viel Wert gelegt wird, halte ich sowieso nicht viel. Meine Schwester, die schon einmal Heilfasten gemacht hat, wollte mich unbedingt davon überzeugen, daß ich mit einem Apfel beginnen solle, aber ich kann mich mit dem Gedanken an Fruchtsäure auf nüchternen Magen nicht so recht anfreunden. Dagegen könnte ich eine relativ salzarme Kost an diesem ersten Tag nach dem Fasten tatsächlich einmal ausprobieren, um zu sehen, ob das meine "Wasserpumpe" ein bißchen bremst.

Die Bouillon mit Ei beim letzten Mal bekam mir gut, damit fange ich wohl mal an. Vielleicht schnipsle ich noch eine Karotte rein, und natürlich viiiiel Schnittlauch. Abends kämen Kartoffeln mit Käuterquark in Frage. Vielleicht teile ich den Becher Quark dabei auf ... einen Teil mit Kräutern zu den Kartoffeln, einen Teil mit Honig und Nüssen als Nachtisch.

Aus der Rubrik "Wissenschaft zum Abgewöhnen" verdarb mir gestern dies hier die Laune:





Wie ich diese Kakophonie von einander widersprechenden Neuigkeiten aus der Wissenschaft hasse, insbesondere wenn sie mit Vokabeln wie "könnte" versteckt alles doch wieder für ganz unverbindlich erklären. Meine Mutter läßt sich von Radiomeldungen dieser Art extrem beeinflussen, und so werde ich bei jedem Besuch mit anderen Ernährungsregeln konfrontiert, die sie gerade erfahren hat, und sie glaubt daran immer so fest, als hätte es ihr der Pfarrer von der Kanzel herunter gepredigt ... jedenfalls für ein paar Tage, bis neue Meldungen die alte zu überlagern beginnen. Ich weiß nicht, was diese Leute sich vorstellen, welche Wirkung sie damit erzielen könnten, wenn sie die Leute durch ständige widersprüchliche Verhaltensempfehlungen in einen solchen Ernährungs-Zickzack bringen.

Speziell diese Meldung hätte meiner Mutter aber sicherlich eingeleuchtet, denn das Frühstück war bei uns - wie in vielen Familien - eine heilige Kuh. Noch dazu wurde von mir ziemlich lange auch noch erwartet, morgens ein Marmeladebrot zu essen, jedenfalls so lange, bis ich alt genug war, um wenigstens ein Wurstbrot durchzusetzen. Rückblickend schaudert es mir bei der Vorstellung, wieviele Jahre lang ich morgens Marmeladebrot gegessen habe. Süß am hellen Morgen, igittigitt. Ich trinke auch meinen Kaffee schwarz. Mein Pech, daß meine Mutter immer so viel Marmelade kocht. Ich wünschte manchmal - ganz ehrlich -, ich wüßte das mehr zu würdigen. Aber Marmelade hat in meiner Ernährung irgendwie keinen vernünftigen Platz. Nachmittags zum Kaffee ein Stück Hefezopf mit Marmelade, das könnte ich mir gerade noch vorstellen, und eine Zeitlang gab es das bei uns auch wirklich, nachdem mein Schwager einmal einer Kollegin den Computer repariert hatte und sie sich mit einem Dutzend Gläsern Marmelade revanchierte, die natürlich irgendwie verbraucht werden mußten. Aber seit die weg sind, mach ich zum Kaffee lieber ein paar Muffins oder am Wochenende einen Kuchen. Zitronenkuchen war es letzte Woche, davor Erdbeer-Tiramisu ... das wechselt.

Daß ich morgens in Wirklichkeit gar kein Bedürfnis nach Essen habe, ist mir nach dem Ende meiner Schulzeit klargeworden, als ich mit dem Zug zur Arbeit fuhr und dafür so früh aufstehen mußte, daß ich noch kaum ansprechbar war und nur schwarzen Kaffee als "Augenöffner" gebrauchen konnte. Nachdem ich dann ein paar Jahre später daheim ausgezogen war, habe ich nie wieder gleich nach dem Aufstehen gefrühstückt - es sei denn bei Besuchen bei meiner Mutter oder im Urlaub beim Hotelbüffet, aber das ist dann meistens auch schon zu einer Uhrzeit, zu der ich auch daheim langsam Hunger bekommen würde.

Aber wie kommen die "Experten" eigentlich auf das schmale Brett, mir weismachen zu wollen, um abzunehmen, bräuchte man ein Frühstück? Ich habe also mal den Link in dem Tweet angeklickt und las dies hier: Viele übergewichtige Menschen versuchen abzunehmen, indem sie auf das Frühstück verzichten und tagsüber weniger essen. Am Abend überwältigt sie dann der Hunger und/oder sie belohnen sich für ihre Tapferkeit am Tag mit einem reichhaltigen Abendessen. 

So, so. Es geht also in Wirklichkeit gar nicht um das Frühstück, sondern darum, sich krampfhaft beim Essen zurückzuhalten, und das den ganzen Tag über? Das ist allerdings eine ganz andere Baustelle.

Warum diese Strategie selten aufgeht, zeigt eine Studie von Lübecker Psychoneurobiologen.

Spoiler: Nein, das zeigt sie nicht. Hier die zugehörige Inhaltsangabe:

Die Forscher luden 16 normalgewichtige Männer ein, im Abstand von 2 Wochen jeweils 3 Tage im Labor zu verbringen. Nach einer ausgeschlafenen Nacht erhielten sie bei einem Besuch ein reichhaltiges Frühstück, das 69 % der Tageskalorien enthielt. Dafür fiel nach einem normalen Mittagessen (20 % der Kalorien) das Abendessen mit einem Anteil von 11 % der täglichen Kalorien spärlich aus. Beim 2. Besuch gab es nur 11 % der Kalorien am Morgen, 20 % am Mittag, dafür aber ein hoch-kalorisches Dinner (69 %) am Abend. ... Das Team um Kerstin Oltmanns von der Sektion für Psychoneurobiologie an der Universität Lübeck fand heraus, dass die nahrungsinduzierte Thermogenese (DIT) am Morgen deutlich höher ausfällt. Über den Tag verbrauchten die Teilnehmer 2,5 Mal so viel Energie, wenn sie morgens reichhaltig gefrühstückt hatten, als wenn sie die gleiche Kalorienmenge am Abend zu sich nahmen.

Der Grund für die erhöhte DIT am Morgen ist nicht ganz klar. Die Untersuchung des Glukosestoffwechsels ergab, dass der Anstieg des Blutzucker- und Insulinspiegels nach dem Frühstück im Vergleich zum Abendessen deutlich geringer war. Hinzu kommt, dass das niederkalorische Frühstück über den Tag hinweg zu stärkeren Hungergefühlen führte.
Die Neigung, sich über den Tag nebenbei mit Süßigkeiten zusätzliche Kalorien zuzuführen, dürfte deshalb größer sein, als wenn man am Abend mit leerem Magen ins Bett geht.

Diese Beweisführung kann ich nicht nachvollziehen.

Punkt 1: Die Probanden der Studie benötigten keine Diät, da sie normalgewichtig waren. Ob derselbe Effekt, der bei Normalgewichtigen auftritt, auch bei Übergewichtigen aufträte, müßte erst noch untersucht werden, und ebenso, ob sie dann tatsächlich abnehmen würden.

Punkt 2: Ebenso ist nicht klar, ob der Effekt bei beiden Geschlechtern auftritt.

Punkt 3: Noch weniger ist bekannt, ob und wie weit sich dieser Effekt verändert, wenn man seine Ernährung nicht nur drei Tage lang, sondern dauerhaft so verändert. Der menschliche Stoffwechsel huldigt immerhin dem Prinzip der "Homöostase" und paßt sich Veränderungen an. Eine Ernährungsweise, die nicht der gewohnten entspricht, aber nur drei Tage lang umgesetzt wurde, verändert so schnell natürlich noch nichts. Die Wirkung kann somit eine ganz andere sein, wenn man das nicht nur drei Tage lang, sondern dauerhaft so macht.

Punkt 4: Angenommen aber, alle drei Punkte träfen zu, dann hätte man damit nur herausgefunden, daß ein frugales Frühstück diesen Effekt hat. Darüber, welchen Effekt gar kein Frühstück hat, wäre damit überhaupt nichts ausgesagt.

Punkt 5: In der Studie mit ihrer kurzen Dauer von nur zweimal drei Tagen sollte es eigentlich möglich gewesen sein, jede Nahrungsaufnahme über die Mahlzeiten hinaus zu verhindern. Über einen möglichen Einfluß von Süßigkeitenkonsum herumzuspekulieren, wenn dieser in der Studie nicht stattgefunden hat, finde ich nicht unbedingt wissenschaftlich.

Punkt 6: In dem Experiment fiel nicht nur das Frühstück, sondern auch das Mittagessen frugal aus. Was herausgekommen wäre, wenn das Mittagessen die üppigste Mahlzeit des Tages gewesen wäre, wurde nicht untersucht.

Ich glaube, ich weiß aber, was dann herausgekommen wäre. Alle paar Monate gehen mein Mann und ich nämlich sonntags zum Brunchen, und zwar in der Regel zwischen 13 und 13.30 Uhr, und selbstverständlich, ohne zuvor gefrühstückt zu haben, denn am Wochenende frühstücken wir nie vor 12 Uhr. Da wir der Kalorienlogik nicht huldigen, schlagen wir uns bei dem Brunch traditionell immer den Bauch voll, bis wir nicht mehr können. (Das hört sich schlimmer an, als es ist. Es geht in der Regel um einen Teller vom kalten Büffet, einen vom warmen und einen Teller mit Nachtisch. Das sind gut gefüllte Teller, aber es ist uns beiden schlicht unmöglich, uns nach dem Nachtisch noch einmal von einem der anderen Büffets zu bedienen ... die Mitarbeiter kommen vor dem Abräumen, so gegen 14.30 Uhr, noch einmal vorbei, um das anzubieten.) Danach haben wir abends keinen Hunger und verzichten ganz auf das Abendessen. Weil das an Brunch-Sonntagen IMMER passiert, kalkulieren wir das inzwischen von vornherein mit ein und planen von vornherein gar kein Abendessen mehr ein, weder ein üppiges noch ein frugales. Wir haben nicht einmal das Bedürfnis zu naschen.


Das ist also in etwa derselbe Effekt. Nur, er hat gar nichts mit der Uhrzeit der üppigen Mahlzeit zu tun, sondern damit, daß die erste Mahlzeit des Tages nicht frugal, sondern üppig ist. Das muß also kein Frühstück sein. Wer das Frühstück ganz ausfallen läßt, etwa beim 16:8-Fasten, der verdirbt sich diesen Effekt nicht, im Gegensatz zu dem, der sich morgens zu kalorienarmer Kost zwingt.

Eine Zeitlang haben wir unser spätes Wochenendfrühstück, das nicht ganz so üppig, aber dennoch keineswegs frugal ausfällt, ebenfalls erst gegen 13 Uhr gemacht. Das ging eigentlich problemlos, nur hatte ich dann abends auch keinen so richtigen Hunger, und das mißfiel mir, weil unsere gemeinsamen Mahlzeiten mir heilig sind, und dann sollen sie auch einen hohen Spaßfaktor haben, der mir fehlt, wenn ich bloß ein bißchen im Essen herumstochere. Also haben wir es auf 12 Uhr verschoben. 

In einer Folgestudie wollen die Forscher jetzt prüfen, ob sie die Beobachtung in eine effektive Diät ummünzen können.

Das wäre somit der vergebliche Versuch Nummer wieviel, so etwas wie eine "effektive Diät" zu erfinden? 

Alles, was die Forscher herausgefunden haben, kann im Prinzip richtig sein, nur wird es in der Praxis keinen Nutzen bringen, weil nach dem Prinzip "Garbage in, garbage out" der entscheidende Erfolgsfaktor fehlt, nämlich sich vor der Studie zu fragen, welche Fragen, auf die man Antworten suchen könnte, sich in der praktischen Anwendung als relevant erweisen könnten. Wer durch die Untersuchung von Normalgewichtigen herausfinden will, wie man Übergewicht bekämpft, dem kaufe ich von vornherein nicht ab, daß er ein ernsthaftes Interesse an der untersuchten Thematik hat. Dabei wäre dieses Thema wirklich wichtig, für den einzelnen Abnehmwilligen persönlich wie auch gesellschaftlich und gesundheitspolitisch. Wenn ich dann so einen Pipifax lesen muß, ein Glasperlenspiel ohne Erkenntniswert, das vortäuscht, Wissenschaft zu sein, weiß ich manchmal nicht mehr, ob ich lachen oder heulen soll. 

Zum Glück kann ich mir selbst helfen, denn wer auf solche Leute als Ratgeber angewiesen ist, der ist doch von Gott und der Welt verlassen. Lieber gar keine Ratschläge als solche, kann ich da nur sagen.


Ich hätte mir die Studie selbst ja auch noch im Volltext durchgelesen, um zu vergleichen, ob die Wiedergabe im Ärzteblatt wenigstens ihren Inhalt korrekt wiedergibt (denn darauf kann man sich ja ebenfalls nicht verlassen), wenn sie schon Schlußfolgerungen zieht, die dermaßen neben der Sache sind, allerdings liegt sie hinter einer Bezahlschranke, und für so einen offensichtlich unbrauchbaren Stuß gebe ich natürlich kein Geld aus, also kenne ich nur den Abstract, der die Grundlage für diesen nutzlosen Bericht gewesen ist.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen