Donnerstag, 16. Januar 2020

Organspende, Diabetes und Intervallfasten

Heute morgen war ich über das Gewicht, das die Waage anzeigte, zugegebenermaßen etwas frustriert: 103,3 Kilogramm. Nach 100,7 Kilogramm am Morgen davor (nach zwei aufeinanderfolgenden Fastentagen) hatte ich einen solchen Gewichtssprung von sage und schreibe 2,6 Kilogramm einfach nicht erwartet. Aber mich plagen heute ziemlich fiese Blähungen und allgemeines Gegrummel im Gedärm, vielleicht liegt es ja daran, daß ich so mit Gas aufgepumpt bin. Was ich heute noch auffallend fand, war, daß zu keiner Tageszeit irgendein Hungergefühl aufgekommen ist. Jetzt hoffe ich halt, daß meine Abnahme am heutigen Fastentag ähnlich überproportional ausfallen wird wie die vorausgegangene Zunahme und am Ende alles wieder im Lot ist. Immerhin habe ich diese Woche ja deshalb als eine mit vier Fastentagen gestaltet, um zum Wochenende wieder unter 100 zu liegen. Wenn das nicht gelingen würde, wäre das eine ziemlich große Enttäuschung.

Eine Sache beschäftigt mich heute gedanklich sehr, nämlich die - meinem Empfinden nach - gerade nochmal gutgegangene Abstimmung um die künftige Organspende-Regelung im Bundestag, bei der der Gesetzentwurf des Gesundheitsministers, der die sogenannte Widerspruchslösung einführen wollte, eine relativ deutliche Niederlage erlitten hat. Nun wird es also nicht dazu kommen, daß jeder, der nicht ausdrücklich widerspricht, künftig als Organspender gelten wird, und darüber bin ich doch ziemlich erleichtert.

Warum?

Weil es meiner Meinung nach in einem Staat, der seine Bürger respektiert, einfach nicht angehen kann, das "Abofallen-Prinzip" (gegen das von anderen Ministerien völlig zu Recht immer wieder neue Verbraucherschutzgesetze entwickelt werden, um Ahnungslose vor der Heimtücke der zugehörigen Anbieter zu schützen) plötzlich im Gesundheitsbereich für legitim - ja, sogar für alternativlos - zu erklären. Denn es ist doch eine brechreizerregende Heuchelei der einschlägigen Gesundheitspolitiker, so zu tun, als wolle man damit sozusagen nur den implizit erklärten Willen der Betroffenen umsetzen, wie das in der heutigen Bundestagsdebatte mehr als einer der Befürworter der Widerspruchslösung behauptet hat und sich dabei auf einschlägige Umfrageergebnisse berufen hat. Als ob diese Herrschaften im Ernst glauben würden, eine unverbindliche Antwort in einer anonymen Telefonumfrage drücke den Willen eines Menschen klarer aus als seine Reaktion (oder Nichtreaktion) auf die gesetzlich vorgeschriebenen Briefe von der Krankenkasse! In Wirklichkeit spekulieren Spahn, Lauterbach und Konsorten darauf, bei Vorliegen der Voraussetzungen die "verwertbaren Teile" der Dummen, der Leichtsinnigen, der mit ihrem Alltag Überlasteten ungefragt abgreifen zu können. Und nebebei auch die derjenigen, deren Unbehagen oder Angst vor dem eigenen Tod so groß sind, daß sie sich mit ihm gedanklich vorsichtshalber gar nicht befassen.

Welche bedeutende Rolle diese Faktoren Angst und Unbehagen spielen, zeigt sich daran, daß die 36 Prozent der Bevölkerung, die nach aktuellen Umfragewerten  einen Organspendeausweis haben, aus dieser Richtung betrachtet sogar noch vergleichsweise viel sind, denn nur rund 30 Prozent der Bevölkerung haben ein Testament, was ja auch nicht ganz unwichtig zu haben ist.

Aus meiner Sicht wäre sogar eine ausnahmslose Organspendepflicht noch weniger unerträglich als die Widerspruchslösung, dann wären die geistig oder psychisch dem Thema nicht Gewachsenen nämlich wenigstens noch den Klügeren und Reflektierteren gleichgestellt, anstatt daß der Staat speziell die bei ihnen vorhandenen Defizite erst schamlos ausnutzt und dann auch noch die Unverfrorenheit besitzt, vorzutäuschen, dies wäre ihr eigener Wille gewesen.

Für diesmal hat sich im Bundestag noch eine Mehrheit gefunden, die das grundsätzlich Inakzeptable an diesem Vorschlag gespürt und ihn für den Moment wieder von der Tagesordnung heruntergestimmt hat. Die Debatte um Organspenden wird aber seit etlichen Jahren in regelmäßigen Abständen immer wieder neu hochgekocht, und das wird wohl kein Ende finden, bis entweder die erwünschte Regelung durchgesetzt wurde oder sich das unbestreitbar reale Problem mit den fehlenden Spenderorganen auf irgendeine andere Weise erledigt hat. Dasselbe passiert ja in anderen Bereichen auch, in denen schlagkräftige Interessengruppen hinter politischen Forderungen stehen. Schon diesmal wurde im Vorfeld der Abstimmung im Bundestag so massiv Lobbyarbeit pro Widerspruchslösung betrieben, daß ich mir nicht sicher war, wie sie ausgehen würde. Niemand sollte jedenfalls glauben, mit dem heutigen Abstimmungsergebnis wäre die Sache endgültig vom Tisch. In zwei, drei Jahren wird der nächste Vorstoß kommen, davon bin ich überzeugt. So lange, bis das gewünschte Ergebnis herausgekommen ist.

Wobei aber nicht einmal eine ausnahmslose Organspendepflicht, geschweige denn die Widerspruchslösung, dazu führen würde, daß den Patienten auf der Warteliste eine ausreichend hohe Zahl von Spendern gegenüberstünde. Daß das Problem uns so oder so erhalten bleiben wird, bis künstliche Organe oder andere medizinischen Entwicklungen die Transplantation von Organen Hirntoter überflüssig machen, wird von den Befürwortern  nämlich meistens unterschlagen. Und das Problem wird sich aller Voraussicht nach bis dahin ständig weiter verschlimmern. Einer der Gründe dafür heißt "Diabetes".

Über den Zusammenhang zwischen Diabeteserkrankungen und Organspenden wird merkwürdigerweise so gut wie gar nicht gesprochen, dabei drängt er sich regelrecht auf, wenn man erst einmal weiß, daß
  • drei von vier Patienten auf der Warteliste für Organspenden eine Niere benötigen und
  • etwa 40 % aller Fälle von Nierenversagen eine Diabeteserkrankung als Ursache haben. Das kann man möglicherweise nicht 1:1 in Transplantationsfälle umrechnen, aber andererseits kann Diabetes ja auch bei anderen Organversagen eine Rolle spielen. Rein rechnerisch auf Basis dieser Daten betrachtet könnte bei ca. einem Drittel der Patienten, die ein Spenderorgan benötigen, Diabetes der entscheidende Auslöser sein.






Die ständig steigende Zahl von Diabeteserkrankungen wird somit einen erheblichen sehr ungünstigen Einfluß auf die künftig zu erwartende Zahl der Fälle von Nierenversagen und damit der Zahl der Patienten haben, die auf eine Spenderniere warten. Umgekehrt würde sich das Mißverhältnis zwischen wartenden Patienten und Spendern deutlich verringern, falls eine bessere Diabetes-Prävention zu einem Rückgang der Neuerkrankungen erst an Diabetes und im Lauf der Zeit an daraus resultierendem Nierenversagen führen würde. Die durchschnittliche weitere Lebenserwartung derer, die gar nicht erst krank werden, dürfte die der Empfänger von Spenderorgane, die nach der Transplantation lediglich zehn bis 15 weitere Lebensjahre erhoffen können, bei weitem übersteigen. Von ihrer sehr viel höheren Lebensqualität und den vermiedenen Leiden gar nicht erst anzufangen.

Kurz, wenn man am Diabetes statt an der Transplantationsnotwendigkeit ansetzt, würde das allen Beteiligten helfen können. 

Möglicherweise sind Diabeteskranke vom Typ 1, der meistens früher im Leben auftritt, häufiger betroffen. Dennoch wären das eigentlich hervorragende Gründe, sich auf gesundheitspolitischer Ebene mit den Thesen des Nierenfacharztes Dr. Jason Fung zur Vorbeugung und sogar zur Möglichkeit, Diabetes vom Typ 2 rückgängig zu machen, näher zu befassen.

Nach aktuellem Stand gilt Diabetes Typ 2 als eine chronische Erkrankung und als nicht heilbar. Insbesondere Patienten, bei denen diese Erkrankung in jüngeren Jahren auftritt, sind gefährdet, früher oder später in der Dialyse sowie auf der Warteliste für Spenderorgane zu landen. Wie kann das also sein, daß so effektive Lobbyarbeit geleistet wird, um denen, die bereits in diese unglückliche Lage gekommen sind, noch ein paar weitere Lebensjahre durch ein Spenderorgan zu verschaffen, während niemand daran interessiert zu sein scheint, ihnen von vornherein ihre Gesundheit zu erhalten und dadurch nebenbei auch noch mittelfristig das Mißverhältnis zwischen benötigten und verfügbaren Spenderorganen vielleicht nicht zu beseitigen, aber doch wenigstens zu verringern?

Ich bin ganz zuversichtlich, daß sich Dr. Fungs Herangehensweise früher oder später durchsetzen wird, mit der er ja immerhin bei seinen eigenen Patienten sehr erfolgreich gewesen ist, aber ich befürchte, die Trägheit des Apparates, bis er wenigstens einmal damit beginnt, sich mit einer möglichen Neuerung in diesem Bereich auseinanderzusetzen, kostet sehr viel mehr Menschenleben, als Jens Spahn und ein Karl Lauterbach heute retten zu wollen behauptet haben. Und sollte sich diese Annahme bestätigen, würde das ihrer Heuchelei noch die Krone aufsetzen.

In der heutigen Bundestagsdebatte, die ich zeitweise verfolgt habe, war von den Gegnern der Widerspruchslösung, die sich am Ende durchgesetzt haben, auch vom Vertrauensverlust die Rede, den diverse Skandale um Spenderorgane erzeugt hatte und der durch die Umsetzung von Spahns Gesetzesentwurf voraussichtlich noch verschlimmert würde. Daran war viel Wahres, aber mein eigenes Vertrauen in unser Gesundheitssystem ist auf eine noch viel tiefgreifendere Weise zerstört: Ich glaube nämlich schon seit langem nicht mehr daran, daß meine Gesundheit irgendwen in diesem System ernsthaft interessiert - nicht nur, aber auch wegen des geradezu besessenen Festhaltens an nachweislich erfolglosen Herangehensweisen zum Schaden der Patienten im Bereich Adipositas und Gewichtsreduktion.

Deshalb treffe ich meine Entscheidungen zu solchen Fragen grundsätzlich nur noch selbst und auf eigene Verantwortung. Ich werde niemandem daran die Schuld geben, sollte ich dabei folgenschwere Fehlentscheidungen treffen, aber ich verlasse mich auch keinesfalls mehr auf das Urteil von Leuten, deren Experteneinschätzungen und -empfehlungen ich es zu verdanken habe, daß ich überhaupt erst in die Lage gekommen bin, mich von 147 Kilo Lebendgewicht wieder herunterarbeiten zu müssen.





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