Freitag, 6. September 2019

"So kann man doch nicht abnehmen!"

Am Morgen meines heutigen Fastentags brachte ich 103,3 Kilogramm auf die Waage, genausoviel wie vorgestern. Damit bleibt die Sache spannend: Werde ich morgen endlich die 102 Kilogramm unterschreiten oder muß ich das schon wieder auf nächste Woche verschieben? Denn gestern hatte ich nach dem Fastentag 102,1. Vielleicht habe ich das morgen auch wieder. *grummel* Aber oft nehme ich am dritten Fastentag der Woche doch ein bißchen mehr ab als am zweiten, wenn bei dem die Abnahme unterdurchschnittlich war. Der morgige Tag wird es zeigen.

Gestern habe ich mich dazu hinreißen lassen, mir ein eng anliegendes schwarz-weiß gestreiftes langärmliges Shirtkleid (Material: Viskose und Elasthan) in Größe XL zu kaufen. Ohne Anprobieren und alles, es hing vor dem pakistanischen Billigladen am Kleiderständer und war stark im - ohnehin niedrigen - Preis reduziert. Ich kann mich nicht erinnern, daß ich dort jemals etwas gekauft hätte, obwohl ich die Ständer gelegentlich durchschaue, wenn ich auf den Bus warten muß; möglicherweise hatte der Händler deshalb mit mir solches Pech, weil ich dabei so oft fluchtartig zum heranfahrenden Bus rennen muß. Aber dieses Kleid gefiel mir so gut, daß ich es spontan "auf Verdacht" mitgenommen habe, und es hat gute Chancen, in Kombination mit Leggings mein neues Lieblingsteil in der kälter werdenden Jahreszeit zu werden, wenn ich am Schreibtisch sitze, denn es paßt nicht nur, sondern hat sich auch als superbequem erwiesen. Im Moment sehe ich darin zwar noch ziemlich "schwanger" aus, aber das ist gleichzeitig eine gute Möglichkeit, die Veränderungen um den Bauch herum kritisch zu verfolgen.

Bei meiner Art von Glück sollte ich mich wohl darauf einstellen, daß von Stund an die Fettpolster an allen möglichen anderen Stellen erst mal vor denen am Bauch weiterschrumpfen. Aber was soll's. Ich habe einen längeren Atem als das fiese "Schrumpf an der falschen Stelle"-Hormon, und früher oder später geht es mir bestimmt ebenso wie mit dem Jeans-Trägerkleid und auf einmal sieht die Sache genauso gut aus, wie sie sich anfühlt.

Spiegel Online brachte heute einen langen Artikel über "Cheat Days", also Tage, an denen man während einer Diät "freinimmt" und ißt, was man will, und stellte darin Experten die Frage, ob man so wirklich abnehmen könne. Die Antworten fielen alle, wenn auch auf unterschiedliche Weise, kritisch aus, zwischen "So kann man nicht abnehmen" und "Nur bei entsprechend viel Bewegung" sowie "Das führt zu Ernährungsstörungen".

Intervallfasten kam dabei gar nicht vor. Dabei ist gerade Intervallfasten ein eindrucksvolles Beispiel dafür, daß das alles Unsinn ist. Wenn man so will, ist bei mir jeder einzelne Eßtag ein Cheat Day, weil ich esse, ohne mir darüber irgendwelche Gedanken zu machen, und damit habe ich ungefähr doppelt so viele Cheat Days wie Fastentage zu verbuchen. Aktuelle Gewichtsabnahme: ca. 1 Kilogramm im Monatsdurchschnitt. Damit bin ich zwar nicht so ganz zufrieden und hoffe, es steigert sich nun, da ich meine Gallen-OP hinter mir habe, wieder auf 1,5 Kilo im Durchschnitt, aber trotzdem steht es im Widerspruch zu den angeblich wissenschaftlich fundierten Behauptungen der zitierten Experten. Nach zweieinhalb Jahren Intervallfasten und ca. 43 Kilogramm gesamter Gewichtsabnahme fühle ich mich qualifziert zu behaupten, daß diese Experten allesamt auf dem Holzweg sind.

Ich habe mir diese Experten, die offensichtlich nicht recht haben können, aber auch einmal näher angeschaut.

  • Sven David Müller, Erfinder der "Müller-Diät". Zitat von seiner Website: "Nur durch eine kombinierte Ernährungs- und Bewegungstherapie, die einen verhaltenstherapeutischen
    Ansatz hat und auch die Entspannung durch autogenes Training einschließt, ist es laut Sven-David Müller möglich, dauerhaft schlanker zu bleiben."
    Man beachte die Wortwahl. Nicht etwa "schlank", nein, mehr als "schlanker" zu bleiben, traut er sich nicht zu versprechen.
  • Professor Hans Hauner, Leiter des Else-Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin in Weihenstephan. Zitat aus einem Zeitungsinterview: "Beim Fasten stellt der Körper auf "Hungerstoffwechsel" um - und bleibt auch hinterher noch in diesem Sparmodus. Wer dann wieder ißt wie zuvor, hat daher nicht nur bald wieder die abgehungerten Kilos drauf. Oft kommen auch noch welche dazu." - Schockierend, daß jemand, der das, was im Gegenteil beim Kaloriensparen fast immer passiert, kurzerhand dem Fasten zuschreibt, wo es gerade nicht passiert, Professor im Fach Ernährungsmedizin ist und ein Forschungszentrum leitet. Ich weiß schon, warum ich keinem Experten mehr über den Weg traue und jede Ehrfurcht vor akademischen Weihen verloren habe.
  • Günter Wagner aus dem Vorstand des Deutschen Instituts für Sporternährung in Bad Nauheim. Über den fand ich beim Googeln etwas sehr Interessantes heraus: Sein Laden verfaßt Auftragsstudien für die Lebensmittelindustrie. Ich glaube, was so jemand sagt, kann man getrost genauso ignorieren wie Verlautbarungen von Dr. Marlboro über das Rauchen. 
  • Marina Lommel, Ernährungswissenschaftlerin und Inhaberin der digitalen Ernährungsberatung Foodpunk aus München: Sie fällt in dieser Reihe aus dem Rahmen, denn Foodpunk konzentriert sich auf Ernährungsweisen, die im weiteren Sinne alle unter Low Carb fallen (Low Carb, Keto, Paläo) und damit - auf Basis meiner Grundannahmen über die Gründe, warum meine Methode funktioniert - deutlich erfolgversprechender als alles, was die drei über ihr genannten Herren empfehlen würden; allerdings ist seit anno Atkins bekannt, daß die Erfolge auch solcher Diäten selten dauerhaft sind - vermutlich nicht, weil sie nicht wirksam wären, sondern weil sie für viele doch zu schwer durchzuhalten sind. (Aber um das sicher sagen zu können, müßte ich mich erst noch vertieft mit der Sache befassen.)


Und was meine ich selbst nun zu Cheat Days bei Diäten auf Basis meiner Grundannahmen? Das ist eine Zwickmühle, denn nach meinen Grundannahmen ist von Diäten ja von vornherein nicht viel zu halten. Aber wenn Diät gehalten wird, sollte die Wirkung von Cheat Days eigentlich positiv sein, und zwar egal, ob sie mit Sport kombiniert werden oder nicht, und egal, ob es nun "maßvolle" kleine Sünden oder Schlemmerorgien sind. Sie können das, was der Herr Professor aus Weihenstephan - fälschlicherweise in Bezug auf Fasten - beschrieben hat, verhindern, weil sie den Jojo-Effekt reduzieren. 

Schlemmerorgien kommen bei mir durchaus gelegentlich auch einmal vor, wenn auch nicht gerade jetzt nach meiner Gallen-OP, bei der ich in der letzten Woche schon eine gewisse Vorsicht walten ließ. Gestern habe ich mein erstes Bier getrunken und war erfreut, daß es mir gut bekommen ist. 

Dazu fiel mir jetzt dieser Prozeß um eine kleine regionale Brauerei ein, der bescheuerterweise gerichtlich verboten wurde, ihr Bier als "bekömmlich" zu bezeichnen. Also, mir bekommt Bier normalerweise gut, nur nach der OP war ich mir nicht sicher, ob ich meiner Leber vielleicht noch ein paar Tage länger Schonfrist hätte geben müssen. Aber gegen das Bier hatte sie ausweislich der körperlichen Reaktionen nichts. Womit ich dagegen noch vorsichtig sein sollte, ist Kuchen, bei dem merke ich, daß meine gallenblasenlose Leber ein bißchen unwirsch wird - nichts weiter Schlimmes, vor allem muß ich dauernd aufstoßen, aber doch merkbar genug, daß ich den Zusammenhang registriert habe. 

Ich habe die bei Schlemmerorgien verzehrten Kalorien noch nie zusammenzurechnen versucht, aber das können leicht auch mal 2000 bis 3000 oder noch mehr geworden sein; so was hat man ja schneller zusammen, als viele glauben. Ich gehe im Moment davon aus, daß die Kalorien eine Art "durchlaufender Posten" sind und der Körper das, was er an Energie nicht braucht, einfach "zum Fenster hinausheizt", etwa durch Schwitzen. Wer jemals versucht hat, wie die Schauspielerin Elena Uhlig das in ihrem Buch beschreibt, durch Essen zwanzig Kilo zuzunehmen, wird nämlich rasch feststellen, daß die Kalorienrechnung bei so einem Vorhaben genauso schlecht aufgeht wie beim Abnehmen. Ihr Buch fiel mir im Krankenhaus in die Hände, wo auf der Abteilung ein Wagen mit Büchern stand, an dem man nach Belieben rausnehmen und reinstellen konnte, und ich habe es teilweise überflogen, während ich auf die Entlassung wartete.  (Wie es mir gefallen hat? Na ja, sagen wir: so lala. An vielen Stellen ist das Buch so komisch, wie es sein will, aber es erinnert mich an ein Mädels-Treffen mit zu viel Prosecco ... neunzig Prozent von dem, was erzählt wird, könnte man auch ungesagt lassen, ohne daß die Menschheit daran viel verloren hätte.)

Was sich auf den Hüften niederläßt und dort eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung beantragt, sind überschüssige Kohlenhydrate, vor allem Zucker, und unter den Zuckern wohl am schlimmsten Fructose, weil der Körper mit ihr nichts anderes anzufangen weiß, als sie in Fett umzuwandeln. 

By the way: Das ist überhaupt kein Grund, nun Obst für einen Dickmacher zu halten, wie das manche unter den sogenannten Experten neuerdings suggerieren. Solange man Obst in Form von realem Obst verzehrt, sollte sich die Fructosemenge in Grenzen halten, weil man sich an Obst nur mit Mühe und viel Leidensbereitschaft überessen kann. Wer jemals versucht hat, ein Pfund Erdbeeren, Kirschen oder, der Jahreszeit vielleicht angemessener, Weintrauben auf einmal zu verzehren, weiß doch genau, was dann passiert: Man bekommt den flotten Otto. Was in kurzer Zeit zur Kloschüssel durchmarschiert, das landet aber nicht mehr auf den Hüften.

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