Montag, 2. September 2024

Das Grauen hat einen Namen: Sparda Baden-Württemberg

Mein Gewicht heute früh zu Beginn des nächsten dreitägigen Fastenintervalls: 79,9 Kilogramm. Puh, gerade noch so an der 80 vorbeigeschrammt. Aber mir schwante gestern abends schon Böses, weil mir nämlich nach dem Abendessen plötzlich die rechte Mandel anschwoll und ziemlich wehtat, also mußte ich mit etwas Zusatzgewicht rechnen. Aktuell liegt mein Gewicht also 4,4 Kilogramm höher als direkt nach dem Abbruch des Endspurts, und mit zwei bis drei Kilo hatte ich eigentlich von vornherein gerechnet, weil ich damit ja rechnen mußte. So gesehen, ist das also alles noch kein Drama. Hätte es beim Endspurt mit dem Zielgewicht geklappt, läge ich damit immer noch knapp unter dem Punkt, an dem ich gegensteuern wollte. Trotzdem ist es ärgerlich, weil ich im Moment eigentlich genügend andere Aufgaben habe, mit denen ich mich viel dringender befassen muß.

Unglaublich, aber wahr: Ich habe von meiner verdammten Bank immer noch keine Finanzierungszusage, obwohl die Finanzierungsanfrage am 16. Juli gestartet wurde, also morgen vor sieben Wochen. Der Beurkundungstermin beim Notar diese Woche wurde für diese Woche Donnerstag terminiert. Auch wenn mir unsere Immobilienberaterin letzte Woche hoch und heilig versprochen hat, daß die Unterlagen noch rechtzeitig kommen werden, so eine Zitterpartie hätte sich eigentlich vermeiden lassen, wenn dieser Bank ihre Kunden nicht so durch und durch gleichgültig wären. Ich lasse mich jetzt überraschen, ob das wirklich klappen wird. Wenn nicht, werden wir den Notartermin verschieben müssen, ebenso den Notartermin mit dem Käufer meiner Wohnung sowie den vereinbarten Termin für den Umzug. Und es ist leicht möglich, daß es sich dabei um eine Verschiebung von ca. vier Wochen handeln wird. Kurz, es ist zum ...

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Auf dem Seyfried-Charity-Kanal war ich vor etwa zwei Wochen komplett mit allen Videos durch, aber es werden so schnell neue hochgeladen, daß ich längst wieder weiterschauen kann. Weil ich durch andere Quellen auf einen eindeutigen Scharlatan, einen gewissen Lothar Hirneise (der Name ist prädestiniert für den Tippfehler "Hinreise"), hingewiesen wurde (seine Website verlinke ich lieber nicht), brachte mich das ins Sinnieren, auf welche Weise jemand, der verzweifelt auf der Suche nach verläßlichen Informationen ist, offensichtlichen Unsinn von Außenseiter-Annahmen unterscheiden kann, die dennoch seriös sind und eine wissenschaftliche Grundlage haben. Denn ich war ein bißchen in Verlegenheit, weil der Link von einer ehemaligen Mitpatientin kam. Ich überlegte eine Weile hin und her und entschied mich dann, ihr meine unverblümte Meinung zu schreiben. Seither habe ich leider nichts mehr von ihr gehört. Ich hoffe, ich habe sie nicht zu sehr brüskiert.

Ein Faktor ist der wissenschaftliche oder medizinische Background der Person, mit der man es zu tun hat. Dieser Background alleine macht noch längst nicht das, was sie an Ratschlägen gibt, empfehlenswert, aber er ist schon mal ein Indiz dafür, daß ein solide Ausbildungsgrundlage vorhanden ist. Der Hinreise fiel mir in dieser Hinsicht schon in den ersten fünf Minuten seines Videos unangenehm auf, weil er hartnäckig von "das Traumata" sprach, also offensichtlich nie Latein gelernt hatte, wie das bei einem Mediziner obligatorisch gewesen wäre. Damit war er schon bei mir durchgefallen, aber sicherheitshalber sah ich mir seine Website auch noch ein bißchen an. Er hat wohl eine Ausbildung als Krankenpfleger und ein Näschen dafür, auf welche Schlagwörter und Begrifflichkeiten hin Krebspatienten bereit sind, den Geldbeutel aufzumachen. Ein paar von ihnen erinnerten mich fatal an Rainer Klement, dem freilich der Lapsus mit dem Trauma bestimmt nicht passiert wäre. Was Klement mit dem Hinreise gemeinsam hat, ist, daß sein Gesamtkonzept in manchen Teilbereichen nicht zusammenpaßt, vor allem, wenn er auf spirituellem Wege gen Pferdekopfnebel entschwebt, und daß sich der Sinn dessen, was bei ihm ein Gesamtkonzept ersetzen soll, im Grunde am leichtesten erklären ließe, wenn man ihn ähnlich wie den Hinreise einsortiert. Dem Hinreise allerdings mit seinem Schwurbel-Gemischtwarenladen hat er einen ziemlich soliden Ernährungs-Ansatz als Schwerpunkt voraus. 

Das Konzept von Hinreise bietet dabei viel weniger bestimmte einzelne Angriffsflächen, weil es so nebulös und damit nicht überprüfbar ist. Für Leute ohne Fachwissen macht das aber oft keinen Unterschied, da sie ja auch grundsätzlich Überprüfbares nicht ausreichend beurteilen können, sondern nach ihrem Vertrauen in den jeweiligen Experten urteilen. Das geht ja auch oft gar nicht anders. Was man sich aber auch ohne Fachwissen aneignen könnte, wäre eine Vorab-Prüfung der Frage, was an den Therapievorschlägen des Experten eigentlich in der zu erwartenden Wirkung überprüfbar ist und was bei dieser Überprüfung herauskommt. Man kann es sich vielleicht ja wenigstens aneignen, herauszufinden, ob eine Sache überprüfbar wäre oder nicht. Und dabei sollte man nicht aus den Augen verlieren, daß eine Sache tatsächlich wirksam sein kann, wie das 3-Bromopyruvat, aber eine Behandlung bei dem Heilpraktiker, der die zugehörige Krebstherapie anbot, bevor ihm mehrere Patienten an der Behandlung verstarben, trotzdem keine kluge Idee gewesen wäre.

Die Krebsbehandlungskonzepte auf Basis der Krebsentstehungstheorie von Thomas Seyfried haben den eindeutigen Vorzug, daß ihre Grundlagen überprüfbar sind und die Behandlungsansätze auf diesen Grundlagen beruhen. Es gibt mittlerweile ja eine Plattform für den Austausch von Krebspatienten, die das Press-Pulse-Verfahren anwenden bzw. sich in Teilbereichen ihrer Therapie daran anlehnen. Unglaublich, aber wahr, ich habe es bislang noch nicht so richtig über mich gebracht, dort zu stöbern, weil ich gegenüber dem Initiator, einem gewissen Johnny Rockermeier (der auch für die Summarys von Seyfried verantwortlich zeichnet, die wohl nicht so toll sind, jedenfalls hat Seyfried selbst sich in einem Video von ihnen distanziert), so ein paar Berührungsängste habe. Daran war dieses Video von ihm schuld, das in Teilbereichen im Widerspruch zu Seyfrieds Annahmen steht und noch dazu grottenschlecht ist. Irgendwann nach dem Umzug werde ich mich wohl mal mit den anderen Inhalten der Plattform befassen. 

Das unangenehmste an Thomas Seyfried sind einige von den Leuten, die sich für ihn begeistern. Das heißt aber nicht, daß Seyfried selbst in allem, was er sagt und schreibt, richtig liegt. Ich habe ihn ja in einigen Teilbereichen bereits kritisiert. Das betrifft fast immer Fragen, in denen er denselben Fehler macht wie andere aus anderen Fachgebieten in seinem eigenen Fachgebiet, nämlich nicht hinterfragt, ob das, was in dieser Frage "jeder weiß" womöglich ähnlich grundlegende Fehler enthält, wie er sie in der Frage der Krebsentstehung richtigzustellen versucht. In seinem eigenen Fachgebiet halte ich ihn für ausgesprochen vertrauenswürdig, und nicht zuletzt hat er durch die Veränderungen in seinem Konzept ja auch bewiesen, daß er bereit ist, alles zu korrigieren, was doch nicht so funktioniert, wie er es zunächst dachte.

Beim Nachhören seiner Podcasts, als ich zum gefühlt hundertsten Mal hörte, 50 Prozent der Krebspatienten stürben nicht an ihrer Erkrankung, sondern an der Therapie, kam mir nun der Gedanke, daß ich diese Behauptung doch langsam auch einmal überprüfen sollte. Es ergab sich, daß ich eine Untersuchung fand, in der immerhin von "mehr als 25 %" Chemotherapiepatienten sprach, bei denen der Tod durch die Therapie verursacht oder beschleunigt worden sein soll. Vermutlich hat Seyfried zu diesen Todesfällen noch die Fälle der "Hyperprogressive Disease" hinzugerechnet, ein Anteil von um die 15 % aller Immuntherapiepatienten, die also mit monoklonalen Antikörpern behandelt werden, bei denen diese Art der Behandlung den Tod nicht nur nicht verhindert, sondern das Wachsen des Tumors sogar noch beschleunigt. Was nun noch fehlt, sind natürlich die Todesfälle durch Bestrahlung, die es ebenfalls geben wird, für deren Bezifferung ich aber auf Anhieb keine Quelle fand. Alle drei Faktoren zusammengenommen könnten diese 50 Prozent möglicherweise ausmachen. Trotzdem sind alle diese Werte natürlich mit Vorsicht zu genießen, und ich hätte mir gewünscht, Seyfried hätte "dreißig bis fünfzig Prozent" gesagt - denn ein Drittel durch Therapien ausgelöste oder beschleunigte Todesfälle, das sollte die alleräußerste Untergrenze des auf Basis der verlinkten Ergebnisse Erwartbaren zu sein. 

Ein Drittel Therapietote bei Krebs, das ist außerdem trotzdem bereits schockierend viel, mehr, als ich vermutet hätte. Die Leute, die all diese Alarmismen bezüglich angeblicher damit verbundener Risiken man Krebspatienten davon abzuhalten versucht, zu fasten oder sich ketogen zu ernähren, sollten sich angesichts dessen in Grund und Boden schämen, denn es ist sehr unwahrscheinlich, daß dieser Horrorwert durch ketogene Ernährung nennenswert erhöht werden könnte.

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Beim Bücherverpacken geriet mir ein Buch in die Hände, das ich vor vielen Jahren gelesen hatte, "Krebs" von Werner Schneyder, einem Wiener Kabarettisten. Ich erinnerte mich nur noch nebelhaft daran, daß ich es damals ziemlich verstörend gefunden hatte, also las ich es mit meinem heutigen anderen Blickwinkel noch einmal neu. Schneyder beschreibt darin die Blasenkrebserkrankung seiner damals um die sechzigjährigen Frau, an der sie nach ca. zwei Jahren starb, und zwar nach genau dem qualvollen langen Siechtum, das man sich spontan vorstellt, wenn man das Wort "Krebs" hört. Überhaupt bot mir dieses Buch ein Bild von Krebs, das gute Gründe lieferte, mich damit lieber gar nicht erst zu befassen, weil es einem die eigene Hilflosigkeit so sehr vor Augen führt, dieses vollständige Den-Boden-unter-den-Füßen-Verlieren und die panische Angst, die das auslöst. 

Interessanterweise habe ich all dies, die Hilflosigkeit, Panikanfälle und so weiter selbst erlebt, aber nicht bei meiner Krebserkrankung, sondern in der häßlichsten Phase unseres Hauskaufs im Juni. Beim Krebs hatte ich nie das Gefühl eines solchen Kontrollverlusts wie in dieser Zwickmühle zwischen einer lahmarschigen und gleichgültigen Bank, einem ständig aggressiver werdenden Verkäufer und einem Mann neben mir, der sein Herz noch viel mehr als ich, in mancher Hinsicht mit fast beängstigender Intensität, an dieses Haus gehängt hatte, so daß mir klar war, das DURFTE einfach nicht schiefgehen. 

Trotz der neuerlichen oben beschriebenen Probleme mit der Bank habe ich dieses Gefühl jetzt nicht mehr, weil ich die Möglichkeit, daß meine Bank zu blöd ist, um die Finanzierungszusage rechtzeitig zu geben, nie ganz ausgeschlossen hatte und auch den Hauseigentümer entsprechend gebrieft und ihm die Unzuverlässigkeit in Terminfragen dieser Bank verdeutlicht habe. Sogar wenn der Termin verschoben werden muß,der wird jetzt nicht mehr absagen, nicht wegen drei, vier Wochen hin oder her. In diesem Fall halte ich auch die mit einer Verschiebung verbundene Peinlichkeit notfalls eben aus. Aber das wird meiner Bank noch leid tun, mich dieser Peinlichkeit ausgesetzt zu haben.

So wie im Juni in Sachen Haus war es beim Krebs bei mir tatsächlich nie, nicht einmal in der unangenehmen Phase zwischen der Biopsie und dem Laborergebnis. Ich hatte nicht einmal da das Gefühl, keine Kontrolle zu haben, sondern habe mir in dieser Woche eine ganze Menge lästigen Kram vom Hals geschafft, von dem ich mir nicht sicher war, ob ich danach noch Zeit dafür haben würde. Das hielt mich lange genug beschäftigt. Und anschließend konnte ich zwar die Sache mit der Chemo ja auch nur abnicken, denn woher sollte ich mir denn in der kurzen Zeit ein Urteil darüber bilden, welche Alternativen es daneben noch gäbe? Und wir hätte ich beurteilen sollen, welche besser ist, falls es mehrere gegeben hätte? Das einzige, bei dem ich mir völlig sicher war, daß es vernünftig war, war das chemobegleitende Fasten, und bei dem habe ich mir auch nicht reinreden lassen. Also habe ich ein Stück Kontrolle behalten, und ich bin immer noch sicher, daß mir das eine weit unangenehmere Erfahrung mit der Chemotherapie erspart hat.

Aber natürlich habe ich gut reden, ich wußte ja außerdem, daß meine Prognose ausweislich der auch längerfristigen Überlebensraten in Studien ziemlich gut war. Schneyder und seine Frau hatten es von Anfang an mit einer Diagnose zu tun, die sie als mutmaßliches baldiges Todesurteil verstanden, woran auch alle Bemühungen, Hoffnung aus dem zu ziehen, was Ärzte ihnen sagten, letztlich nichts änderte. Dem Buch läßt sich entnehmen, daß beide Ehepartner dem jeweils anderen gegenüber mehr Hoffnung vortäuschten, als sie wirklich empfanden. So etwas anzunehmen, dafür hatte ich spätestens, als die diversen Untersuchungen absolviert waren und keine Hinweise auf Metastasen sich daraus ergaben, keinen wirklichen Grund mehr. Schneyder beschreibt diese Hilflosigkeit und den Kontrollverlust und auch den Verlust der eigenen Würde jedenfalls sehr eindringlich, und ebenso, was für eine Farce es ist, als "mündiger Patient" in Fragen Entscheidungen treffen zu sollen, obwohl man doch kaum etwas anderes tun kann, als dem Fachwissen des Arztes zu vertrauen und das Beste zu hoffen.

Das Problem bei Krebserkrankungen ist, daß auch die richtigstmögliche Therapie - jedenfalls nach den aktuellen Leitlinien - meist keine Heilung und oft noch nicht einmal eine für den Patienten erkennbare Lebensverlängerung bedeutet, und am Ende hadert man dann natürlich fast zwangsläufig mit seiner Entscheidung. In Schneyders Falle gab es für das Hadern immerhin bessere Gründe als üblich, denn bei seiner Frau war tatsächlich - nach einer operativen Beseitigung des Tumors - längere Zeit nicht erkannt worden, daß ihre nach einer kurzen Phase, in der das Paar die Illusion hegen konnte, wenigstens für einige Zeit zu einem krebsfreien neuen Normal zurückzufinden, auftretenden und stetig zunehmenden Beschwerden auf Metastasen zurückzuführen waren. Daß die neuen Ärzte an dem, was die vorherigen getan oder unterlassen hatten, allerhand herumzukritisieren hatten, nehme ich als Außenstehende weniger ernst als der als Partner der Patientin von jeder Fehlentscheidung mitbetroffene Autor. Seit meiner Kindheit ist mir schon klar, daß Männer, die ihren Beruf ausüben oder hobbymäßig handwerklich tätig sind, das, was gleich qualifizierte andere Männer vorher am selben Objekt getan hatten, immer für Pfusch halten und schärfstmöglich kritisieren. Von meinem Vater aufwärts habe ich das unzählige Male erlebt - niemand macht solche Dinge richtig mit der einzigen Ausnahme des jeweils gerade die Arbeit des anderen Kritisierenden. Warum sollte das bei Ärzten anders sein, noch dazu in einer Situation, in der man ja heilfroh sein kann, die Schuld am - in Wirklichkeit beinahe zwangsläufig erfolgenden - ungünstigen Verlauf jemand anders in die Schuhe schieben zu können? Also, was auch immer da an Fehlern bei der Behandlung passiert sein mag, ich kann mir nicht vorstellen, daß sie der entscheidende Faktor gewesen sind, ohne den Frau Schneyder vielleicht heute noch leben würde.

Schneyder macht in seinem Buch kein Geheimnis daraus, daß er seinen Promi-Status bestmöglich nutzte, um seiner Frau eine Behandlung durch die angesehensten Ärzte zu verschaffen. Das Ergebnis war für ihn ernüchternd. Aber das lag halt an der Art der Erkrankung. Bei Krebs bedeuten Geld und Beziehungen nicht zwangsläufig eine erfolgreichere Behandlung. Sogar das Gegenteil kann zutreffen, denn wer die allerneuesten Krebstherapien bekommt, riskiert - siehe oben - alle damit verbundenen zusätzlichen Risiken, etwa das der "hyperprogressive disease". Umgekehrt könnte die schiere Unmöglichkeit, die Behandlungskosten aufzubringen, wie das in Amiland ja passieren kann, und das daraus resultierende Ausweichen auf kostenlos mögliche ernährungsbasierte Verfahren eher als Verlegenheitslösung, wie unvollkommen auch immer die Umsetzung sein mag, wenn man dabei auf eine fachliche Begleitung verzichten muß, tatsächlich lebensverlängernd wirken oder wenigstens zu weniger krankheitsbedingten Beschwerden führen. Kebs ist also im Moment der große Gleichmacher von reich und arm, was die Erfolgsaussichten der Behandlung betrifft, und wird das jedenfalls so lange weiter bleiben, wie Krebsbehandlungen auf Basis der aktuellen Grundannahmen erfolgen. Alles Geld der Welt würde etwa einem Elon Musk nicht zu einer erfolgreicheren Krebsbehandlung verhelfen können, falls er an Krebs erkranken würde (was ich ihm, auch wenn ich ihn für ein §$"$"!&§ halte, nun wirklich nicht wünsche). Wenn überhaupt, wäre dies nur in Kombination mit seiner berüchtigten Dickschädeligkeit zu erwarten, falls er sich als sprunghafter und leicht begeisterungsfähiger Mensch, der er nun einmal ist, darauf versteifen würde, eine Behandlung nach dem perfekt optimierten Press-Pulse-Verfahren zu bekommen. Denn natürlich würde jemand mit sehr viel Geld das tatsächlich durchsetzen können. Andererseits kann jemand mit viel Geld und noch mehr Sturheit aber auch besonders tief ins Klo greifen, wie das ja Steve Jobs passiert ist. Das ist schon eine zweischneidige Sache, sich an den Reichen und Berühmten und dabei Willensstarken zu orientieren, das kann auch fürchterlich in die Hose gehen.

Ich weiß nicht so recht, ob ich die Lektüre dieses Buches empfehlen soll oder nicht. Es vermittelt eine so tiefgreifende Hilflosigkeit gegenüber dem unheimlichen Feind Krebs, daß es jemanden, der selbst an Krebs erkrankt ist oder wegen der Krebserkrankungen einer nahestehenden Person darüber lesen will, doch meinem Empfinden nach über Gebühr psychisch herunterziehen würde. Sicherlich war es aber für den Autor wichtig, sich die Sache von der Seele zu schreiben, und da er nicht nur ehrlich zu sich und seinen Lesern zu sein bemüht ist, sondern auch wirklich schreiben kann, ist es auch gut geschrieben und mit Blick auf das, was man als naher Angehöriger eines Krebspatienten mitmacht, tatsächlich lesenswert. Für jemanden, der überzeugt davon ist, daß er selbst gegen seinen eigenen Krebs bessere Mittel einsetzen kann und auf diese Weise viel bessere Chancen hat, bietet es einen guten Einblick, wie trostlos es sich anfühlt, nicht auf diese Überzeugung als psychische Ressource zurückgreifen zu können. 

Diese Trostlosigkeit war und ist bei verdammt vielen Krebspatienten eine kaum vermeidbare Begleiterscheinung ihrer Erkrankung. Vermeidbar ist sie nur entweder bei ehrlicher Hoffnung auf Heilung bzw. dauerhaftes Krankheitsmanagement mit verkraftbaren Begleiterscheinungen oder aber, wenn man die Vorstellung eines absehbar nahenden Lebensendes akzeptieren kann. So viel Abgeklärtheit bringen aber verständlicherweise nur die wenigsten auf. Was vielleicht am ehesten noch klappen könnte: Sich von Beginn an bewußt zu bleiben, daß alles, was man entscheidet, ein tödlicher Fehler sein kann, aber ebenso, die Entscheidungen dann anderen zu überlassen. Am Ende muß man das Ergebnis, egal wie beschissen es ausfällt, eben auch als Folge der eigenen Entscheidung akzeptieren. Deswegen muß es einem ja noch lange nicht gefallen. 

Was ich schwer zu akzeptieren finde, ist, daß überhaupt zugelassen wurde, Krebs zu einem so unheimlichen Leiden zu machen und ihn gleichzeitig mit so viel Moralsoße zu überfrachten, daß die Leute bei einer solchen Diagnose regelrecht austicken. Dabei ist Krebs ja nicht die einzige Krankheit, die einen vorzeitigen Tod sehr wahrscheinlich macht, das können auch Herzkrankheiten, Diabetes oder COPD. Wieso lösen solche Krankheiten eigentlich nicht diese überwältigende Panik aus, wenn man die Diagnose bekommt, wie sie bei Krebs üblich ist? Ich nehme an, das hat etwas damit zu tun, daß sie als behandelbar gelten. Das ist Krebs im Prinzip zwar nicht weniger, aber jeder hat dazu Bilder von gräßlichem Siechtum und langem Leiden vor dem geistigen Auge, die man für die anderen Krankheiten nicht abrufen kann. Werner Schneyder etwa, der seine 2004 verstorbene Frau um 15 Jahre überlebte, starb am Sekundenherztod im Alter von 82. Das war sicherlich schlimm für diejenigen, die die Todesnachricht bekamen, aber für ihn selbst war es die Sache eines Augenblicks.

Die Wirkung, die sich ergeben würde, wenn es gelingen sollte, Krebs in eine typischerweise behandelbare chronische Erkrankung zu verwandeln, ist alleine deshalb nicht zu unterschätzen. Das ginge weit über ein längeres Leben bei besserem Allgemeinbefinden der betroffenen Patienten hinaus, es würde im Lauf der Zeit auch das Bild, das Nichterkrankte sich von Krebs machen, dramatisch verändern. Und dieses Bild von Krebs war es auch, das Werner Schneyders Buch so beklemmend zu lesen macht, es vermittelt das Grauen, das die Diagnose seiner Frau bei ihm auslöste, mit jedem Wort, die Hilflosigkeit als Laie, der sich auf Fachleute verlassen muß, obwohl deren Werkzeugkasten für die Aufgabe, die eine Krebsbehandlung darstellt, so kläglich wenig taugliche Instrumente enthält.

Mein Grauen hatte freilich einen anderen Namen, siehe Überschrift. Aber ich werde es exorzieren, sobald mein Mann und ich endlich in unser Haus eingezogen sind. 💀





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