Sonntag, 19. März 2023

Sechs Jahre Intervallfasten: Ein Hoch auf meine Unvernunft!

Mein Gewicht heute früh, einen Tag, bevor sich der Start des Intervallfastens für mich zum sechsten Mal jährt, sowie außerdem dem Beginn meines nächsten langen Fastenintervalls: 84,7 Kilogramm. Das liegt ungefähr im erwarteten Bereich, aber ob ich morgen wieder mit einem Gewicht unter 85 Kilogramm ins Fasten starten werde, muß ich noch abwarten. Es wird außerdem mein letztes langes Fastenintervall, das Chemotherapie-begleitend ist, weil am Dienstag meine letzte Chemo-Sitzung sein wird, und es sieht so aus, als könne ich nächste Woche Freitag nicht nur ein neues Tiefstgewicht erwarten, sondern sogar ziemlich in der Nähe der 80 aufschlagen. Es ist nicht einmal ausgeschlossen, daß ich sogar zum ersten Mal seit meiner Schwangerschaft anno Domini 1986/87 auf der Waage die Sieben an erster Stelle sehen könnte ... wobei ich das aber erst glaube, wenn es mir die Waage tatsächlich anzeigt. Es wäre mir außerdem zu einem späteren Zeitpunkt eigentlich sogar lieber, wenn ich nämlich aus der Low-Carb-Phase wieder raus bin. Ich wiege gerade ja immer ein bis zwei Wasser-Kilos weniger, als ich realistischerweise sonst wiegen würde, und ich hätte die Sieben gerne erst dann, wenn ich mir sicher sein kann, daß ich sie anschließend wirklich auch regelmäßig wiedersehen werde und freudig begrüßen kann. - Aber natürlich begrüße ich sie auch am Freitag schon freudig, wenn sie sich dann schon zeigen sollte. 😊

Obwohl mich die Krebstherapie noch bis zum Jahresende beschäftigen wird und jedenfalls noch bis ungefähr Ende Mai, dem mutmaßlichen Zeitpunkt, an dem auch die Bestrahlung beendet werden wird, absoluten Vorrang hat, ist es doch erfreulich, daß ich mein Zielgewicht jetzt wieder aktiv anpeilen kann und voraussichtlich mit ungefähr einem Jahr Verspätung, gemessen an meiner letzten Planung vor der Krebsdiagnose, auch erreichen werde. 

Schon in den letzten Beiträgen ist ja mein Abnahmeziel gegenüber den Beiträgen zu meiner Chemotherapie wieder schleichend mehr in den Vordergrund gerückt. Vielleicht wirkt das ein bißchen wie verschobene Maßstäbe, aber mir ist ja auch erst, als ich den Krebs einmal hatte, so richtig klargeworden, daß das, was man vor so einer Diagnose mit dem Schreckenswort "Krebs" verbindet, einen nicht daran hindert, dennoch weiterhin den größten Teil seiner Tage ganz alltägliche Dinge zu tun - nicht einmal in der anstrengenden ersten Phase. Hinzu kommt noch, daß man sich während einer Krebserkrankung in einem so frühen Stadium ohne die Chemotherapie eigentlich noch völlig gesund fühlen würde und auch damit rechnen kann, sich, sobald die Chemotherapie und jedenfalls spätestens, wenn die Bestrahlung mal vorbei ist, wieder völlig gesund zu fühlen - mit sehr guten Chancen darauf, daß das dauerhaft so bleiben wird. Interessanterweise kann laut einer Studie mehr als die Hälfte aller Brustkrebspatientinnen sogar dann mit so etwas für den Zeitraum wenigstens der nächsten fünf Jahre rechnen, wenn ein Brustkrebs ausschließlich mit alternativen Methoden behandelt wird. Bei konventioneller Therapie liegt die statistische Wahrscheinlichkeit dafür so hoch, daß ich keinen Grund sehe, mich nach Abschluß von Chemo, Operation und Radiotherapie nicht wieder so zu verhalten, als wäre ich gesund. 

Ich greife der Sache also gerade bloß ein bißchen vor. Dazu habe ich auch einen aktuellen Anlaß: Morgen jährt sich, wie erwähnt, der Tag, an dem ich mit dem Intervallfasten begonnen habe, zum sechsten Mal. Weil ich morgen aber keine Zeit haben werde, um mich mit dem Blog zu befassen, schon heute eine grafische Darstellung meiner Gewichtsabnahme in diesen sechs Jahren.

Die Delle kurz vor dem Schluß sind die sechs Wochen Dezember/Anfang Januar. Ohne Low Carb hat die Chemo mir eine eindrucksvolle Gewichtszunahme beschert. Aber inzwischen ist das Zusatzgewicht schon wieder weg, und ab nächster Woche peile ich wieder neue Tiefstgewichte an.

Datengrundlage ist meine Excel-Tabelle, die ich allerdings in den ersten sechs Monaten nicht täglich aktualisiert habe, sondern nur dann, wenn mein Gewicht runtergegangen war - das heißt, der Zeitraum bis zu der Abnahme der ersten zwanzig Kilogramm waren in Wirklichlichkeit nicht ca. 80 Tage wie in der Grafik dargestellt, sondern knapp 200 Tage. Seit November 2017 habe ich aber wirklich jeden Tag erfaßt, und die Verzerrung durch die fehlenden 100+x Tage am Anfang fällt, glaube ich, nicht mehr sonderlich ins Gewicht. 

Die ersten sieben Monate, von März bis November 2017,  habe ich pro Woche dreimal gefastet, und zwar im wöchentlichen Wechsel mit meiner ersten Mahlzeit des Tages um 15 Uhr bzw. um 18 Uhr, also pro Fastentag 18 bzw. 21 Stunden lang. Ansonsten habe ich so gegessen wie immer. Daß ich auf diese Weise in sechs Monaten zwanzig Kilogramm Gewichtsabnahme erreichte - und das, nachdem ich in den anderthalb Jahren davon mit genau der gleichen Ernährung, nur ohne die Fastenintervalle, 22 Kilogramm zugenommen hatte - hat mich dann nebenbei auch noch für immer vom Glauben an die Energiebilanz kuriert, denn nach der hätte das überhaupt nicht geschehen sein können. Da es aber dennoch geschehen war, mußte etwas anderes der Grund dafür sein. 

Ein Hoch auf meine Unvernunft! Dahinter wäre ich nämlich niemals gekommen, wenn ich damals das mit dem Intervallfasten so angefangen hätte, wie jeder vernünftige Mensch das getan hätte. 😁

Ich würde auch Dr. Eenfeldt ein bißchen von meiner Unvernunft wünschen, vielleicht würde er dann schneller merken, daß er sich mit seinem Satiety-Index (über den ich hier schon geschrieben hatte) auf einen Holzweg begeben hat. Der Grundgedanke - man müsse so essen, daß man dabei pro gegessener Kalorie möglichst viel Sättigung erzielen kann - führt in exakt die falsche Richtung, nämlich zurück zur Kalorienlogik. Ich bin mir aber sicher, daß es in Wirklichkeit piepegal ist, wieviele Kalorien man sich zuführt. Wichtig ist es eher, die Zeiträume mehr zu beachten, die man voraussichtlich benötigen wird, um sein Gewichtsziel zu erreichen, um den Anpassungen des Stoffwechsels gegensteuern zu können, wenn sie nach sechs bis zwölf Monaten eintreten. Hätte ich das von Beginn an gewußt, hätte ich mir einige Irrwege ersparen können. Aber meckern will ich jetzt auch wieder nicht, denn ich bin ja glücklicherweise alleine dahintergekommen, daß man dann, wenn man viel Gewicht abnehmen will, immer dann, wenn die Wirkung des anfangs verwendeten Mittels nachläßt, etwas daran verändern muß. 

Schon kurios, daß ausgerechnet so kurz nachdem ich dahintergekommen bin, daß "intermittierendes Low Carb" als Zusatzbaustein zu Intervallfasten eine so durchschlagende Wirkung hat, daß ich keinerlei Zweifel mehr daran habe, bis spätestens nächsten Sommer am Ziel anzukommen, ausgerechnet die Diet-Doctor-Website und Dr. Eenfeldt plötzlich wieder anfangen, gedanklich um die Kalorien zu kreisen. In der Low-Carb-Community auf Twitter hat das, wie zu erwarten war, prompt eine Art Glaubenskrieg ausgelöst. 

Das Merkwürdige daran ist, daß beide Seiten einen Elefanten im Raum beschweigen. Der Elefant in Dr. Eenfeldts Raum ist die Frage, warum er es überhaupt für erforderlich gehalten hat, sich diesen Satiety Index auszudenken. Das wäre ja kaum nötig gewesen, wenn der zuvor verfolgte Low-Carb-Ansatz wirklich bei allen oder wenigstens einer Mehrheit der Patienten dieser Plattform dauerhaft so gut wirksam gewesen wäre, wie das die Diet-Doctor-Website zuvor immer suggeriert hatte. Nur, das wird nach wie vor nicht offen ausgesprochen, und implizit wird das Problem im Schwachwerden der Patienten gesehen, genau wie einem das bei jedem konventionellen Ernährungsberater unweigerlich unterstellt wird. Daß es nicht mit Vorwürfen an die Adresse des Patienten verbunden, sondern als ein durch eine bestimmte Art der Ernährung lösbares Problem angegangen wird, ändert nichts daran, daß dieser Ansatz meiner Meinung im Vergleich zu Low Carb nichts verbessern wird, weil die Ursache an der falschen Stelle vermutet wird. 

Aus der Art der Lösung - dem Satiety Index - kann man rückschließen, daß aus Dr. Eenfeldts Sicht zu viele Patienten im Lauf der Zeit Low Carb wieder aufgegeben haben. Dafür sucht er einen Grund und glaubt, ihn in - gemessen an ihrem Energiegehalt - zu schlecht sättigenden Bestandteilen der Low-Carb-Ernährung gefunden zu haben, etwa Nüssen, während man außerhalb des orthodoxen Low-Carb-Bereichs auf höheres Sättigungspotential verzichtet. Ich bin der Meinung, daß er hier Ursache und Wirkung verwechselt. Dem Satiety Index liegt nämlich auch eine Annahme zugrunde, die ebenfalls ein Klassiker bei konventionellen Ernährungsberatern ist und die ich für falsch halte: daß jemand seine Diät bzw. Low Carb nicht durchhält und deshalb auch sein Gewichtsproblem nicht lösen kann. 

Manchmal mag das auch stimmen. Ich halte es aber für sehr wahrscheinlich, daß die Sache weitaus häufiger genau umgekehrt läuft: Die Abnahme kommt, noch bevor man den Punkt erreicht hat, den man erreichen wollte, zu einem Stillstand, und irgendwann geht das Gewicht sogar vielleicht wieder nach oben. Dann fängt die Selbstkontrolle aber fast zwangsläufig früher oder später an zu bröckeln und man hadert mit den Verzichtleistungen, die man erbringen muß. Wofür verzichtet man denn, wenn es nicht das erhoffte Ergebnis bringt? In so einer Situation Versuchungen zu widerstehen, wird immer schwieriger, je länger sie anhält. Und diese Situation trifft einen auch bei Low Carb im Durchschnitt nach einem halben Jahr, wie das eine von Dr. Eenfeldt selbst heute gepostete Grafik bestätigt: 

Bild

Der Elefant im Raum der anderen Seite des Glaubenskriegs um Low Carb hier und Satiety Index dort besteht darin, daß so getan wird, als gäbe es bei RICHTIG angewandtem Low Carb dieses Problem mit der Plateaubildung und, Gott behüte, sogar Wiederzunahmen gar nicht. Die zugehörigen Vertreter erklären sich den Erfolg mit Low Carb mittels einer Theorie, in der nicht nur die "falschen" Lebensmittel generell falsch sein müssen, sondern auch eine Verlangsamung und ein Stocken der Abnahme ohne eine fehlerhafte Anwendung der Sache überhaupt nicht vorkommen dürfte. Diese vermeintlichen Anwendungsfehler werden gerne als Sucht nach Zucker/Kohlenhydraten/hochverarbeiteten Lebensmitteln wegerklärt - damit ist die Schuld für das vermeintliche Versagen des Patienten wirkungsvoll auf die pöse Lebensmittelindustrie abgewälzt. 

Allerdings löst auch dies das Problem nicht. 

Dieses Plateau mit anschließender Wiederzunahme nach typischerweise sechs und maximal zwölf Monaten findet sich in so gut wie allen Studien zu allen Arten von Diäten und ist außerdem etwas, was nahezu jeder Abnehmende schon am eigenen Leib erfahren hat. Wieso wird diese Konstante bei allem Bemühungen um Gewichtsreduktion mit den unterschiedlichsten Ansätzen so hartnäckig übersehen?

Theorien taugen nur dann etwas, wenn sie das, was in der Realität passiert, auch erklären können. Ich glaube, Dr. Eenfeldt versucht gerade herauszufinden, warum Low Carb weniger gut funktioniert, als es das der Theorie nach eigentlich müßte, aber er bewegt sich dabei von der richtigen Erklärung weg, statt sich ihr weiter zu nähern, und früher oder später wird ihm das hoffentlich selbst auffallen.

An der Theorie, die hinter Low Carb steckt, muß nämlich vieles richtig sein. Es ärgert mich, wenn so getan wird, als seien die guten bis spektakulären Anfangs-Gewichtsabnahmen, die mit Low Carb eine deutliche Mehrheit unter den Anwendern ja wirklich vorzuweisen hat, etwas, das sich nach eigenem Belieben dauerhaft weiter fortsetzen ließe, da es ja längst genügend Hinweise darauf gibt, daß dies mehrheitlich nicht der Fall ist. Aber es ärgert mich nicht weniger, wenn das Ausbleiben weiterer Abnahmeerfolge nach dieser ersten Zeit dann dazu führt, daß diese Anfangserfolge plötzlich auch nicht mehr wahr gewesen sein sollen und Strategien, mit denen diese Erfolge erreicht wurden - etwa besonders fettreiche Ernährung und der berüchtigte Bulletproof Coffee -, auf einmal wieder verteufelt werden. 

Natürlich sind die Anfangserfolge auf dieser Basis trotzdem weiterhin wahr. Und natürlich haben sie auch eine Ursache, die weiterhin wahr bleibt, auch wenn die bisherigen Annahmen möglicherweise ganz oder teilweise nicht korrekt sind. Und selbstverständlich bedeutet es außerdem, daß man diese anfänglichen sechs bis zwölf Monate in eine funktionierende Herangehensweise an eine gewünschte Gewichtsabnahme einbauen kann. Auch dann, wenn man absehbar einen längeren Zeitraum benötigt und mit dieser Entwicklung rechnen und sie irgendwie einplanen und ihr gegensteuern muß.

In meinen Low-Carb-Phasen esse ich übrigens auch immer fettreicher als sonst, auch wenn ich mir nicht vorstellen könnte, meinen leckeren schwarzen Kaffee, wie ich ihn bevorzuge, seit ich 16 bin, mit Butter zu verhunzen. Wäre Fett aber wirklich ein Problem bei der Abnahme, hätte ich die Low-Carb-Phasen schon längst aufgegeben, weil ich dann damit natürlich nicht meine Abnahme hätte beschleunigen können. Aber die Low-Carb-Phasen funktionieren nach wie vor genau so, wie sie es sollen, jedenfalls dann, wenn ich sie nur zweimal im Jahr für ein paar Wochen gezielt dafür einsetze. 

Würde ich dauerhaft so essen, dann bekäme ich nach einem halben Jahr genau dasselbe Problem wie Dr. Eenfeldts Patienten. Glücklicherweise bin ich aber nie auf diese Idee gekommen, weil ich mir nicht vorstellen kann, dauerhaft auf so viele meiner Lieblingsgerichte zu verzichten. Und auch in diesem Punkt hat mich meine vermeintliche Unvernunft, nämlich die Weigerung, mich dauerhaft einer Verzichtslogik zu unterwerfen, auf die richtige Spur gebracht. 

Man sollte sich wohl viel öfter unvernünftig verhalten. 😎

Mir soll es jetzt aber genügen, öffentlich vorzumachen, wie ich das anfange, die letzten knapp 12 Kilogramm, die ich jetzt noch loswerden will, auch noch abzunehmen. Irgendwann nächstes Jahr werde ich von mir sagen können: Ich habe mein Gewicht von 147 Kilogramm auf 73,5 Kilogramm reduziert und damit halbiert. Und werde nun auch nicht wieder zunehmen. Auf diesen Moment freue ich mich schon. 





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