Freitag, 3. März 2023

Chemotherapie: Das Nebenwirkungskarussell

Mein Gewicht heute früh nach dem Ende des viertägigen Fastenintervalls: 81,9 Kilogramm - das sind 2,3 Kilogramm weniger als vor drei Wochen und vierhundert Gramm über meinem allertiefsten Tiefstgewicht von Anfang November letzten Jahres. Meine Erwartungen hat das getoppt, ich bin sehr zufrieden mit den fünf Kilogramm Gesamtminus in vier Tagen. Es läßt mich außerdem in drei Wochen ein neues Allzeit-Tiefstgewicht erwarten. 

Inzwischen sind die Nebenwirkungen wieder angelaufen, und so bin ich auch wieder inspiriert, etwas darüber zu schreiben, wie das bei der TCHP-Chemo (Docetaxel, Carboplatin, Trastuzumab und Pertuzumab) abläuft, wie es sich von dem, was ich bei der EC-Chemo (Epirubicin/Cyclophosphamid) erlebt habe, unterscheidet, und was ich dagegen alles mache. Ich mache aber relativ wenig, was vor allem daran liegt, daß die Nebenwirkungen zwar ein bunter Strauß unterschiedlicher Zipperlein sind, aber die meiste Zeit von überschaubarer Intensität. Das meiste davon läßt sich problemlos einfach aussitzen.

Bei meiner letzten Chemo habe ich mitbekommen, daß meine Liegennachbarinnen, die sich in Überlautstärke miteinander unterhielten, sich, allerdings mit einer etwas anderen Chemo, denn sie waren schneller fertig als ich, schon um einiges schwerer als ich tun. Eine erwähnte, daß mit ihr nach Chemo-Ende für den Rest des Tages rein gar nichts mehr anzufangen sei. Also, entweder habe ich eine Roßnatur oder es liegt wirklich am Fasten (eventuell auch an der Kombi Low Carb plus Fasten), denn am Tag null, also dem Chemo-Tag selbst, und am Tag 1 merke ich rein gar nichts von Nebenwirkungen. Das war auch bei der EC-Chemo schon so, da war ich sogar immer am Tag 1 ungewöhnlich fit und manchmal sogar wie aufgezogen. Während der Chemo-Session selbst bekomme ich allerdings kurz nach dem Anfang ein Medikament, das mich vorübergehend ziemlich müde macht und stark frösteln läßt. Da kann es schon dazu kommen, daß ich für ein, zwei Stunden Schwierigkeiten habe, mich weiter auf meinen mitgebrachten Schmöker zu konzentrieren. Gegen die Kälte ziehe ich mir meine mitgebrachte Strickjacke über. Beides ist aber, wenn die Chemo vorbei ist, bei mir längst wieder verflogen.

Am Tag 2 setzen die Nebenwirkungen dann langsam ein, erreichten den Höhepunkt am Tag 4 (erster Zyklus) oder 5 (zweiter Zyklus) – zwei Tage vor dem Peak, den ich bei der EC-Chemo immer hatte – anschließend läßt der Großteil der Nebenwirkungen nach, allerdings kommen an Tag 6 und 7 mit Durchfall und Kältegefühl noch zwei Nachzügler neu dazu. Ich vermute, diese beiden Komponenten hängen mit Trastuzumab/Pertuzumab zusammen, der Durchfall, wie bereits in früheren Posts erwähnt, ist nicht isoliert zu betrachten, sondern zählt zu einigen ineinandergreifenden Magen-Darm-Symptomen, die mir während des ganzen Zyklus – wenn auch in abnehmender Intensität und am Ende nur noch erkennbar, weil ich sie davor mit höherer Intensität erlebt habe – erhalten bleiben, allerdings zum Glück ohne dauerhaften Durchfall. Alles andere ist ab Tag 10 bis spätestens 12 nicht mehr oder kaum noch spürbar.

Die Nebenwirkungen im einzelnen, grob chronologisch nach Auftreten im Laufe eines Zyklus:

Muskelschmerzen

Setzen an Tag 2 ein und halten bis ca. Tag 7 an, vor allem im Rücken und Nacken, aber manchmal auch an Armen und Beinen. Bei TCHP halten sie länger an, als ich das bei EC erlebt habe, aber ich finde sie weniger störend, weil ich bei EC drei von vier Malen am Abend oder mitten in der Nacht davon überfallen wurde und deshalb eine Nacht lang häufig aufgewacht bin und mir eine andere Liegeposition suchen muß. Das ist mir bislang in den zwei TCHP-Zyklen noch nicht passiert.

Bei EC habe ich nichts dagegen unternommen, weil es nach dieser einen Nacht, in der ich wenig anderes dagegen tun konnte, als es eben hinter mich zu bringen, eigentlich immer leicht auszuhalten war. Bei TCHP habe ich Wärme als gutes Hilfsmittel entdeckt. Am Tag, an dem die Muskelschmerzen - noch relativ leicht - einsetzen, verwende ich deshalb mein Heizkissen zum Umbinden, das hilft super und verhindert möglicherweise auch, daß sie an den Folgetagen stärker werden - denn das war im zweiten Zyklus sehr viel weniger der Fall als im ersten -, und da die Muskelschmerzen nachlassen, wenn die Fröstelphase eintritt, verwende ich es dann gleich dafür weiter.

Trockene und wunde Nasenschleimhaut

Die habe ich auch unabhängig von der Chemo öfter mal (trockene Heizungsluft und so, obwohl ich einen Luftwäscher verwende), aber sowohl bei EC als auch bei TCHP verstärkt sich das immer ab Tag 2 deutlich im Vergleich zum Gewohnten. Es hält auch vergleichsweise lange an, ungefähr bis Tag 10.

Meine beiden Mittel dagegen:

1) Nasenspülung mit Kochsalzlösung, auch als Wunderwaffe bei Erkältungen zu empfehlen, bei denen ich es schon jahrzehntelang einsetze: Wasser aufkochen, eine relativ kleine Menge in ein geeignetes Gefäß gießen, einen Teelöffel normales Tafelsalz darin auflösen, dann genügend kaltes Wasser nachgießen, damit man sich nicht verbrüht, auf eine kleine Garnierspritze aufziehen (so eine wie die hier) und in die Nase einspritzen. Je stärker es ist, desto öfter wiederhole ich es. Auf dem Höhepunkt mache ich es vier- bis sechsmal am Tag, immer wenn ich merke, daß es wieder unangenehm trocken wird, und ich mache es eigentlich auch dann, wenn es längst nachgelassen hat, fast immer morgens, nur zur Sicherheit und weil es mir so guttut. 

Es gibt Leute, die schüttelt es beim bloßen Gedanken an so was wie Nasenspülungen vor Ekel, aber es hilft echt super. Man merkt sofort, wie man sich danach besser fühlt, und sogar, wenn eine Matschbirne besteht, ist es, als würde danach im Hirn ein Rolladen hochgezogen.

Das Geniale an dieser Methode besteht darin, daß die Kochsalzlösung Krankheitserreger ganz simpel auf mechanischem Wege herausspült und damit dem Immunsystem seine Arbeit erleichtert: Je weniger Keime, desto leichter wird es mit den restlichen fertig. Damit überstehe ich Erkältungen wesentlich besser als mit jedem anderen Mittel. Besonders wichtig ist das, wenn man gerade ein auf halber Kraft laufendes Immunsystem hat. Vermutlich gehört dieses Mittel zu denen, die mich in den letzten Monaten auch vor Infektionen mitbewahrt haben, aber es ist auch toll, sich dadurch einfach von einem Moment zum nächsten deutlich besser zu fühlen.

2) Eukalyptusbalsam (z. B. der von Klosterfrau bei DM): Abends, bevor ich das Licht ausmache, tupfe ich mir immer eine sehr (!) kleine Menge zwischen Oberlippe und Nase. Auf diese Weise trocknet die Nase auch über Nacht nicht aus.

Damit habe ich schon ein paar Wochen vor der Diagnose begonnen, weil ich seit dem Sommer immer wieder morgens aufgewacht war und es in meiner Kieferhöhle unangenehm und manchmal leicht schmerzhaft schwappen fühlte. Auch wenn die Nasenspülungen, Gurgeln sowie Mundspülungen mit Chlorhexamed das innerhalb von ca. zwei Tagen jedes Mal wieder vertreiben konnten: Es gar nicht erst zu kriegen, war noch besser, und das gelang mir zu meinem Entzücken mit diesem Mittel. Als ich im Beipackzettel las, daß man es keinesfalls im Gesicht verwenden sollte, war es schon zu spät, denn ich wußte, daß es auf diese Weise hilft, und dachte natürlich nicht mehr daran, es wegen so eines blöden Beipackzettels wieder aufzugeben. Man darf es halt mit der Menge nicht übertreiben und sollte darauf achten, das Zeug nicht in die Augen zu bekommen – und ebensowenig direkt in die Nase.

Wunde Mundschleimhaut

Was ich nur während der EC-Chemo in nennenswertem Maße bekam, war ein Wundheitsgefühl auch an der Mundschleimhaut. Ganz schwach bemerke ich es auch jetzt manchmal, aber ich hatte noch kein Bedürfnis, es zu bekämpfen, denn es ist nicht besonders intensiv und vergeht von alleine wieder. Bei EC habe ich es durch Mundspülungen mit Chlorhexamed gut bekämpfen könne, und für einen etwaigen Bedarfsfall jetzt steht die Flasche ja bereit. 

Trockene Haut generell

Schübe von Hauttrockenheit am oberen Rücken, verbunden mit einem gewissen Juckreiz, habe ich auch sonst manchmal und ich bin es eigentlich gewohnt, das einfach zu ignorieren, weil es von alleine wieder vorbeigeht. Bei der EC-Chemo kam das regelmäßig ab ca. Tag 3 und war zwar ein wenig stärker, als ich das sonst kannte, aber auch da habe ich es eben mit Nichtachtung gestraft. Bei TCHP hingegen war es aber so viel stärker, breitete sich außerdem auch auf andere Körperteile aus und führte außerdem an den merkwürdigsten Körperstellen dazu, daß der kleinste Kratzer, wenn man unvorsichtig  war und sich etwa kratzte, weil es juckte, zu bluten anfing, daß ich jetzt eine Creme für„trockene und sehr trockene Haut“ verwende, die ich außerdem schon vor dem Einsetzen der Hauttrockenheit mindestens einmal am Tag anwende – und natürlich, wenn sie voll im Gange ist, mehrmals. Die Wirkung hat meine Erwartungen bislang übertroffen, das kann ich also empfehlen und werde das auch über die Chemo hinaus für Trockenheitsanfälle am Rücken verwenden. Ich habe mal das Produkt verlinkt, das ich verwende, aber es war mehr oder weniger Zufall, daß ich speziell dieses gekauft habe - es war das erste passende, das mir in die Hände fiel. Bestimmt gibt es vergleichbar gute andere Produkte mit ähnlichen Inhaltsstoffen.

Geschmacksveränderungen/Geruchsveränderungen

Das hatte ich bei EC in Form eines metallischen Geschmacks im Mund, der aber weder beim Essen noch beim Trinken auf mich sonderlich störend wirkte. Bei TCHP ist die Sache anders, ich merke es ab Tag 2 ein bißchen und an Tag 5 relativ intensiv beim Trinken. In Zyklus 1 schmeckten sowohl Sprudel als auch Kaffee an den Tagen 4 und 5 richtig ekelhaft, aber weil ich parallel dazu einen Riesendurst hatte, trank ich halt, obwohl es eklig schmeckte. In Zyklus 2 war es weitaus harmloser, und so hoffe ich, daß das weiter so bleibt. Beim Essen fiel es mir weniger auf, allerdings scheine ich mehr würzen zu müssen, denn einmal beschwerte sich mein Mann über das versalzene Essen, das mir eigentlich immer noch ein bißchen fad schmeckte. Das war sogar nach dem Abklingen der meisten Nebenwirkungen, also relativ spät im Zyklus, die meiste Zeit bemerke ich beim Essen gar keinen Unterschied.

Dagegen mache ich gar nichts, ich nehme es halt, wie es kommt. 

Relativ spät im Zyklus bekam ich besonders in Zyklus 1 von TCHP den Eindruck, einen unangenehmen Körpergeruch zu haben. Mein Mann hat mir geschworen, daß er gar nichts davon riecht, also nehme ich an, es ist mein Geruchsempfinden, das anders ist. 

Da das Empfinden maßgeblich ist, um sich unwohl zu fühlen, rücke ich mir in dieser Phase öfter mal mit dem Waschlappen zu Leibe, um meine Nase nicht unnötig zu beleidigen, auch wenn sie nur irgendwelche Wahnvorstellungen haben sollte.

Durst

Am Tag null habe ich überhaupt keinen Durst, was an einem Fastentag eigentlich untypisch ist, aber da werde ich ja auch intravenös mit Flüssigkeit bis zum Anschlag vollgepumpt. An Tag 1 normalisiert sich mein Trinkbedürfnis wieder, und ab Tag 2 steigert es sich stärker als außerhalb der Chemo gewohnt. Das hält bei mir bis ca. Tag 10, 11, 12 an. Sicherlich wird es auch verstärkt durch die viertägigen Fastenintervalle, wenn die beendet sind, brauche ich immer zwei bis drei Tage lang mehr Flüssigkeit. Auch die Durchfallphase löst natürlich zusätzlich Durst aus. Bei EC hatte ich diesen Riesendurst nicht.

Die richtige Lösung für dieses Problem lautet natürlich: Trinken, trinken, trinken. Und in dieser Phase niemals ohne eine Wasserflasche aus dem Haus gehen und auch über Nacht eine Wasserflasche in der Nähe behalten, denn bei Flüssigkeitsmangel drohen Wadenkrämpfe.

Müdigkeit/Erschöpfung/Matschbirne

So etwas hatte ich bei EC gar nicht, aber TCHP hat mir im ersten Zyklus zwei Tage und im zweiten einen Tag beschert, an denen ich nach einem noch relativ normalen früheren Morgen zunehmend wie in Zeitlupe durch den Tag geschlichen bin, alle Verrichtungen in kleine bis winzige Teilschritte zerlegen mußte, weil ich anders nicht vorwärts kam, und gegen Nachmittag ganz unvermittelt innerhalb von zwei Minuten so total platt war, so sehr, daß ich mich hätte einfach zu Boden sinken lassen können.

Als das zum ersten Mal passierte, habe ich mich ins Bett gelegt und war mindestens zwei Stunden lang außer Gefecht und hinterher immer noch relativ unfit, obwohl es besser geworden war. Dann bin ich dahintergekommen, daß ich – ähnlich wie bei einem normalen Mittagsschlaf – mich besser aufs Sofa legen sollte, wo ich das sprichwörtliche Viertelstündchen schlafen kann und dann von alleine wieder aufwache und dann auch richtig munter bin. Es zeigte sich, daß das auch bei dieser Sorte Erschöpfung besser als im Bett funktionierte, wenn auch die Munterkeit unter dem sonst üblichen Level liegt, und so werde ich das beibehalten. Ansonsten mache ich gegen die Matschbirne nicht viel, ich tue halt ein bißchen langsam bei allem und lasse meinen Mann das Kochen übernehmen. Ach ja, und am Wochenende vorher verwandle ich mich in eine Art Putzteufel und sehe zu, daß ich alle nötige Vorarbeit leiste, um mir das nächste Wochenende von allem, was mich überfordern könnte, weitgehend freihalten zu können.

Schwindel

Bei der EC-Chemo hatte ich immer mehrere Tage lang eine Phase, in der es mir leicht bis maximal mittelschwer schwindelig wurde. Das ist bei TCHP viel weniger ausgeprägt, aber ab und zu eine leichte Schwindelattacke kommt zwischen den Tagen 3 und 7 schon vor, vor allem, wenn ich mich zu abrupt bewege, mich bücke oder nach vorne recke.

Das habe ich schon bei EC eben hingenommen, und genau das mache ich jetzt ebenfalls. Allenfalls achte ich darauf, mich unter der Dusche, vor allem beim Rausgehen, immer gut festzuhalten und das mit den abrupten Bewegungen etc. möglichst bleibenzulassen.

Das Magen-Darm-Gas-Gesamtkunstwerk: Verstopfung, Durchfall, Übelkeit und Aufstoßen

Durchfall ist normal, wenn man vier Tage lang fastet, mal kommt er schon am zweiten, mal am dritten oder vierten, mal auch erst am Tag danach nach der ersten Mahlzeit. Diese Art von Durchfall läßt sich jedenfalls bei mir leicht von dem aus dem „Pertuzumab-Magen-Darm-Gesamtkunstwerk“ unterscheiden: Die Sache kündigt sich mit leichtem Schwindel an, dann weiß ich schon, daß ich mich nicht zu weit von meinem Klo entfernen sollte. Bis ich rennen muß, dauert es meistens zwischen fünf Minuten und einer Viertelstunde, und danach funktioniert meine Verdauung meistens sofort wieder völlig normal. Manchmal muß ich zuvor noch ein zweites Mal notfallmäßig rennen, weil beim ersten Mal nicht alles herausgekommen war. Seltener - aber genau heute passiert, das ist wohl der Vorführeffekt - vergeht der Schwindel auf einmal wieder, ohne daß ich den Thron besteigen mußte, und setzt dann irgendwann später noch einmal ein.

Der Pertuzumab-Durchfall hingegen setzte in beiden bisherigen Zyklen am Tag 6 ein und hielt ca. drei Tage lang an, und zwar nach einer Verstopfungsphase, die beim ersten Mal richtig unangenehm wurde, aber im zweiten Zyklus dann glücklicherweise halb so schlimm war. Diese Art von Durchfall kündigt sich durch – bei mir glücklicherweise nur leichter – Übelkeit an, Schwindel findet in diesem Fall nicht statt.

Den ganzen Zyklus über merke ich, wenn auch mit nachlassender Intensität, daß in meinem Verdauungstrakt irgendwas nicht ganz in Ordnung ist, vor allem muß ich dauernd aufstoßen, was ich sonst nie habe. Dem geht sicherlich bis Tag 12 außerdem immer wieder das leichte Gefühl von Übelkeit voraus – wobei ich aber nie so genau weiß, ob diese Übelkeit ein Entweichen von Gas diesmal nach oben oder nach unten vorankündigt, denn wenn die Durchfallphase vorbei ist, drückt das Gas auch immer wieder im Gedärm und kommt mit einem meist geradezu enttäuschend schwachen Pupser heraus.

Mit einer einzigen Ausnahme war diese Übelkeit so schwach ausgeprägt, daß ich sie nicht problematisch gefunden habe, und in jedem einzelnen Fall verging sie umgehend, nachdem das Gas mal heraus war, egal an welchem Ende. Die Schachtel des Medikaments, das mir gegen Übelkeit gegeben wurde, habe ich immer noch nicht angebrochen. Allerdings habe ich mich mit einem starken Abführmittel versehen, nur für den Fall, daß die Verstopfung doch noch einmal so unangenehm wird wie im ersten Zyklus. Außerdem habe ich mich sicherheitshalber mit den dicksten Damenbinden, die ich auftreiben konnte, versehen, um nicht in den Nächten der Durchfalltage versehentlich nachts mein Bett zu beschmutzen, da das mit den Durchfallattacken verflixt schnell gehen kann. 

Update 10.3.23

Im dritten Zyklus ist es mir gelungen, den Durchfall fast komplett zu verhindern, und zwar mit Hilfe von roten Linsen.

Ich habe mich nämlich entschieden, einige eingefrorene Linsenpfannkuchen zu verbrauchen, weil ich dringend Platz im Gefrierschrank benötigte. Irgendwie hatte ich in den letzten Wochen bei den Portionsgrößen kein so glückliches Händchen, und so ist mehr im Gefrierschrank gelandet als sonst üblich. 

So ein bißchen machte mir das Explosionspotential der Linsen Sorgen, und so aß ich am Dienstag nur eine kleine Portion. Das rächte sich am Mittwoch, denn ich hatte auch sonst relativ wenig gegessen und so hatte ich - was sehr selten vorkommt - den gesamten Fastentag lang Hunger. Am Donnerstag gab es deshalb nicht nur großzügigere Portionen, sondern auch den größeren Teil der Linsenpfannkuchen. 

Meine Verdauung entschied sich, daß sie die Linsen lieber behalten wollte, und so blieb ab Dienstagabend jeder weitere Durchfall aus und insgesamt fühlte sich meine Verdauung normaler an als die beiden Zyklen davor. Ob ich das noch einmal machen sollte, bin ich mir aber noch nicht schlüssig, denn ich habe das Gefühl, es wäre trotzdem besser gewesen, wenn manches aus meinem Verdauungstrakt nicht drinnen geblieben wäre, denn dafür hielten das Kältegefühl und so eine gewisse Wackeligkeit auf den Beinen die Woche über länger als erwartet an. Ob ein Zusammenhang besteht oder nicht - keine Ahnung. Es kann auch an den Temperaturschwankungen liegen. Also, vielleicht will's ja wer die Wirkung von Linsen selbst ausprobieren.

Kälteattacken

Das Kältegefühl war auch eine neue Errungenschaft der TCHP-Chemo und es setzt später ein als alle anderen Nebenwirkungen, nämlich an Tag 7, hält aber nur ein bis zwei Tage an, bevor es besser damit wird – allerdings hatte ich in den ersten zwei Zyklen das Pech, daß die innere Kälte sich mit der Kälte stark gesunkener Außentemperaturen verbunden hat und ich im ersten Zyklus jämmerlich gefroren habe. Für die nächste Woche ist schon wieder ein Sinken der Temperaturen gemeldet worden, also habe ich wieder kein Glück mit einem Wetter, das dabei mithilft, die Kälte von innen abzumildern. Ich bekämpfe das Frieren tagsüber mit meinem Heizkissen und in der Nacht mit meinem extradicken Schlafanzug sowie Socken und Bettschuhen. 

Kribbeln und Taubheitsgefühl in Händen und Füßen

Auch das ist eigentlich ein alter Bekannter von mir, das hatte ich nämlich vor ca. zehn Jahren mal in sehr unangenehmer Form in den Fingern und Unterarmen. Erst tippte ich auf ein Karpaltunnelsyndrom, das hat sich aber nicht bestätigt, und nach einer längeren Odyssee bei diversen Fachärzten wurde mir am linken Ellbogen ein angeblich verklebter Nerv operativ befreit, was das Problem aber nicht befriedigend gelöst hat, es kam immer mal wieder. Daraufhin habe ich Ärzte Ärzte sein lassen und mich mit der Sache arrangiert. Nach einiger Zeit kam ich dahinter, daß Druck auf der Schulter, etwa durch einen schweren Rucksack, es auslösen kann, und trug deshalb jahrelang auch in der größten Sommerhitze immer eine dickere Weste, um es zu verhindern, und das klappte auch ganz gut. 

Ich nahm schon damals an, daß da irgendein Nerv an einer ungünstigen Stelle verläuft, und das hatte wohl mit meiner Gewichtszunahme zu tun, denn als ich wieder auf ca. 105 Kilo runter war, merkte ich auf einmal, daß das Problem nicht mehr bestand, und es kam danach auch nie wieder, was natürlich ein perfektes Ergebnis war.

Das Chemo-Taubheitsgefühl, das ich sowohl bei EC als auch bei TCHP wahrnehme (und zwar an Händen und Füßen), ist im Vergleich zu dem, was sich damals erlebt habe, so geringfügig, daß ich es einfach mit Nichtachtung strafe. Es vergeht nach zwei bis drei Tagen wieder, und ich kann mir nicht vorstellen, daß davon irgendwelche Dauerschäden zurückbleiben, wie sie wohl manchmal auch vorkommen können.

Schmerz in der Brust und im Lymphknoten

Wahrnehmbar, aber nie sonderlich stark, während des gesamten Zyklus ab und zu spürbar, mal häufiger, mal seltener, aber nie sonderlich lange. Ich freue mich sogar darüber, weil ich mir einbilde, das ist ein Zeichen dafür, daß gerade der Krebs bekämpft wird, und genau das soll ja auch passieren.

Was mir außerdem aufgefallen ist, ist, daß schon ab Tag 1 gewisse Veränderungen im Gewebe der Brust wahrnehmbar sind, es fühlt sich an, als schwinde da Substanz, und da der Tumor so stark geschrumpft ist, dürfte es auch die richtige Substanz sein, die sich da auflöst. Es entsteht ein tastbares „Loch“, das sich dann im Lauf des Zyklus – ich nehme an, mit gesundem Gewebe – wieder nach und nach füllt. Man erkennt dieses Loch auch ein bißchen von außen, die Haut wirkt, wenn es sich auftut, ein bißchen faltig im Vergleich zur anderen Brust. Aber das vergeht dann wieder, wie gesagt, da das „Loch“ sich wieder füllt.

Blutwerte

Über die Blutwerte und ihre Bedeutung habe ich ja schon früher einiges geschrieben. Ich lasse mir immer, wenn ich zur Blutabnahme gehe, die Werte der Vorwoche ausdrucken. Im ersten TCHP-Zyklus schienen sie mir länger etwas schlechter zu sein als bei EC, aber im zweiten war das nicht mehr so, die Thrombos, wichtig wegen der Blutgerinnung, waren schon in der Woche vor dem Setzen des Clips im Normalbereich gewesen – andernfalls wäre der Clip vielleicht doch nicht gesetzt worden, was mich echt geärgert hätte. Auch die Chemo-Schwester sprach schon an, daß sie erstaunt über meine guten Blutwerte sei, die wohl vor allem vom Carboplatin normalerweise stärker in Mitleidenschaft gezogen werden. Ob ein Zusammenhang mit der Verschiebung des vierten Fastentags auf Tag 2 bestehen könnte, kann ich nicht sicher sagen, aber möglich wäre es schon. 

Die Haare

Bei EC kam es zum fast immer üblichen Haarausfall bei mir, und zwar ab Tag 14 oder 15 im ersten Zyklus. Die Chemo-Schwester hatte mir ab Januar in Aussicht gestellt, daß meine Haare wieder wachsen werden, und das tun sie auch, aber relativ langsam. Bis ich mich ohne Perücke oder Kopfbedeckung, nur mit meinem eigenen Haupthaar, wieder auf die Straße trauen kann, das kann schon noch zwei Monate dauern. Meinen Kopf bedeckt immer noch eine Art dünner Babyflaum, und auch wenn die vorhandenen Haare tatsächlich länger werden, sehe ich damit noch lange nicht präsentabel aus. 

Schlafstörungen

Schlafstörungen als Chemo-Nebenwirkung (oder eher als Neben-Nebenwirkung) hatte ich nur bei EC, und das exakt immer eine Nacht lang pro Zyklus, nämlich als Folge der abends oder nachts einsetzenden recht starken Muskelschmerzen.

Aber tatsächlich habe ich schon seit der Krebsdiagnose häufiger erlebt, daß ich nachts aufgewacht bin und längere Zeit nicht mehr einschlafen konnte. Das führe ich vor allem darauf zurück, daß ich tagsüber meist doch ziemlich eingespannt bin und dann wenig Gelegenheiten habe, mich gedanklich richtig zu sortieren. Ich nutze diese nächtlichen Gelegenheiten, um gewissermaßen "spazieren zu denken", lasse meinen Gedanken freien Lauf, was zu einer Art freiem Assoziieren führt, das mich oft auf ganz neue Ideen bringt, die am nächsten Tag oder irgendwann später sehr wohl nützlich sein können. Das ist also etwas ganz anderes, als sich in sinnlose Grübeleien zu verhaken und sich dabei in Panik hineinzusteigern. Ich finde es eher nützlich als schädlich, auch wenn es mich ein bißchen Schlaf kostet. Meistens merke ich am Tag danach den fehlenden Schlaf gar nicht, und wenn doch, habe ich ja mein Sofa für einen kurzen Mittagsschlaf. 

***

Update 4.3.23:

Augen

Was mir tatsächlich auch schon bei EC passiert ist und weil ich es heute wieder ein wenig merke, fiel mir noch als Nebenwirkungs-Ergänzung ein: Morgens sehe ich ab Tag 3 oder 4, manchmal auch erst ein bis zwei Tage später, zwei bis drei Tage lang ein bißchen schlechter als sonst, ich merke es, wenn ich morgens etwas lesen will. 

Als das zum ersten Mal auftrat, hat mir das echte Sorgen gemacht, weil bei mir vor einiger Zeit ein Grauer Star in seinen ersten Anfängen diagnostiziert wurde, von dem der Augenarzt aber meinte, es werde noch sicherlich mindestens zehn Jahre dauern, bis er mir echte Probleme machen könne. Was, wenn die Chemo das beschleunigt hätte, dachte ich. Also war ich sehr erleichtert, als diese leichte Sehstörung jedes Mal nach zwei bis drei Tagen wieder weg war und alles wieder normal aussah.

***

Was mir bislang an besonders unangenehmen Nebenwirkungen ganz erspart geblieben ist

  • Erbrechen
  • abbrechende oder ausfallende Finger- oder Fußnägel
  • Folgen von sehr schlechten Blutwerten, von Verzögerungen oder Dosisreduzierungen der Chemotherapie über Kurzatmigkeit und dauernder Erschöpfung bis zu Nierensteinen oder Infektionen oder Organschäden
  • Ödeme
  • Chronische Erschöpfung oder Brain Fog
  • Überempfindlichkeitsreaktionen

 Was ich nicht für die Bekämpfung der Nebenwirkungen nutze

  • Sport und Bewegungsprogramme aller Art, aus grundsätzlichen Erwägungen. Ich bewege mich so viel oder wenig wie sonst auch.
  • Nahrungsergänzungsmittel
  • Ernährungsumstellungen aller Art (Low Carb zählt dabei nicht, weil ich das ohnehin zweimal jährlich einsetze)
  • Selbsthilfegruppen, Beratung, Psychoonkologie etc., weil derzeit kein Bedarf, aber das sehe ich nicht ideologisch - hätte ich das Gefühl, es werde mir helfen, hätte ich da keine Berührungsängste
  • Alternative Behandlungsmethoden wie Misteltherapie etc. 
  • Entspannungstechniken - ich finde mich eigentlich entspannt genug
  • Medikamente, die über das Minimalprogramm (Dexa etc.) hinausgehen. 
  • Kältetherapie

***

So, mehr fällt mir gerade nicht ein – aber ich befinde mich ja noch am Anfang des gerade wieder anlaufenden Nebenwirkungskarussells, das in der Woche vor dem nächsten Zyklus nahezu vollständig ausklingt, bevor es dann wieder von vorne losgeht – aber nächstes Mal wird es für mich das letzte Mal sein, denn ich habe nur noch einen weiteren Zyklus vor mir. Wie die Nebenwirkungen bei der Bestrahlung dann für mich ausfallen werden, das wird wieder ein neues Abenteuer. Ich habe mich mittlerweile entschieden, während dieser ca. vier Wochen wieder meinen gewohnten Fastenrhythmus aus der Zeit vor der Chemotherapie aufzunehmen und mir anzuschauen, ob das gut oder schlecht mit dem zusammenpaßt, was in diesen vier Wochen abläuft. Falls es nicht passen sollte, kann ich es ja unterbrechen oder modifizieren.

Falls ich irgendetwas an Nebenwirkungen vergessen haben sollte, die bei mir nach dem heutigen Tag 3 n. Ch. aufgetreten sind, werde ich es in den nächsten Tagen ja merken und dann ggf. ergänzen.

Natürlich fallen die Nebenwirkungen bei jedem anders aus, also will ich niemandem versprechen, daß die Nebenwirkungen bei ihm - auch mit meinen Methoden kombiniert - genauso harmlos wie bei mir ausfallen. Aber ich hoffe, ein paar nützliche Strategien für den Umgang mit ihnen, ggf. in abgewandelter Form bei höherer Intensität, sind trotzdem dabei gewesen. Und ich glaube, speziell bei der TCHP-Chemo fehlt es im Web noch ein bißchen an etwas strukturierteren Informationen über Erfahrungen mit Nebenwirkungen, also sollte das eine Wissenslücke füllen. 

Ich vermute, einen weiteren Vorteil habe ich davon, daß ich zwar ein Verächter des berüchtigten "Positiven Denkens" als bewußte Herangehensweise ans Leben bin, aber letztlich in dieser Hinsicht einfach ein glückliches Naturell habe. Ich habe eigentlich in nahezu allen Lebenslagen immer irgendetwas, worüber ich mich gerade freuen kann - etwa im vorliegenden Fall, wenn die Nebenwirkungen harmlos bzw. harmloser als erwartet ausfallen -, oder mindestens etwas, worauf ich mich freuen kann - etwa wenn die Nebenwirkungen gerade auf ihrem Höhepunkt sind und ich weiß, ab morgen wird es jetzt wieder besser. Wenn jemand sich nicht über die geringeren Beschwerden jetzt freuen kann, weil er dauernd über die stärkeren, die morgen drohen, nachdenkt, aber dann morgen noch mehr leidet, ohne sich auf die Besserung am nächsten Tag freuen zu können, ist das natürlich eine zusätzliche Belastung, und die habe ich glücklicherweise nicht. Vermutlich klappt es auch deshalb bei mir so gut mit dem Fasten, mit dem sich ja, wie ich erstaunt feststellte, längst nicht jeder so leicht tut wie ich.

Vielleicht hat das ja etwas damit zu tun, daß ich eigentlich schon immer mehr im "Hier und Jetzt" lebe, obwohl ich andererseits auch vorausplane. Aber mir ist bewußt, daß ich die Zukunft nur bedingt beeinflussen kann, weil alle Pläne immer auf unvollständigen Informationen beruhen und alles deshalb auch ganz anders kommen kann. Es war eigentlich schon immer eine Stärke von mir, daß ich auf neue Umstände sehr schnell reagiere und manchmal sämtliche Pläne vom Tag davor von jetzt auf gleich umstoße und etwas anderes, manchmal sogar das exakte Gegenteil, mache. 

Ich nehme an, das Wichtigste ist, die Grenzen der Kontrollierbarkeit dessen, was künftig geschehen wird, zu begreifen und in diesem Rahmen das nicht Kontrollierbare loslassen zu können. Ich habe mir das irgendwie von alleine angeeignet, ohne daß ich sagen könnte, wie das zugegangen ist, denn so war ich nicht immer in meinem Leben. Möglicherweise hatte es etwas mit zunehmendem Selbstvertrauen zu tun, denn ich hatte tatsächlich, rückblickend gesehen, einen Moment in meinem Leben, in dem Dinge, die vorher immer mühsam und zäh waren und mich zum Kämpfen zwangen, nach einer einzigen richtigen Lebensentscheidung auf einmal viel leichter waren und plötzlich vieles von alleine funktionierte. Auf einmal war mein Leben in so vieler Hinsicht viel "richtiger", daß alles plötzlich viel weniger anstrengend zu sein schien. Das macht natürlich vieles leichter, und es entspannt einen auch ganz gewaltig.

Wenn jemand dieses Selbstvertrauen bzw. dieses Gefühl, schon immer irgendwie zurechtzukommen, fehlt und deshalb dieses Loslassen des Unkontrollierbaren im Leben sehr schwer fällt, kann vielleicht ja wirklich ein Psychoonkologe dabei helfen, sich das anzueignen. Es wäre meiner Meinung nach jedenfalls einen Versuch wert.



 

 

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