Mein Gewicht heute früh am ersten von zwei nicht zusammenhängenden Fastentagen diese Woche: 85,9 Kilogramm. Nicht schlecht, über ein Kilogramm weniger als vor zwei Wochen und jetzt auch wieder - vorübergehend lag ich nämlich "nur" noch bei 8,x - 9,6 Kilogramm weniger als vor einem Jahr. Falls ich den Abstand zum Gewicht vor 14 Tagen halten und dann mit weniger als 86,6 Kilogramm ins nächste lange Fastenintervall starten kann, bin ich mehr als zufrieden.
Gestern stieß ich in der ZEIT auf den Wissenschaftsjournalisten Christoph Drösser, der die Menschheit darüber belehren zu können glaubt, daß Intervallfasten nur wegen eines etwaigen Kaloriendefizits funktioniert und nur dann sinnvoll ist, wenn es auch erzeugt wird. Die Kolumne befindet sich hinter einer Paywall, aber ich fand den Volltext an anderer Stelle. Darin heißt es:
Wer nur zu bestimmten Zeiten isst, der hat zumindest eine gute Chance, dem Körper insgesamt weniger Kalorien zuzuführen. Etwa am Abend, wenn es vor dem Fernseher weder Chips noch Bier gibt. Man muss sich halt verkneifen, sich nach Ablauf der täglichen oder wöchentlichen Fastenzeit den Magen randvoll zu stopfen.
Was mich daran noch mehr als der inhaltliche Bullshit geärgert hat, ist die Art, wie es formuliert ist. Dieses Abfällige, mit dem zu essen, bis man satt ist, als etwas Verwerfliches abqualifiziert wird. Der quasireligiöse Ansatz also mal wieder. Tugendhaft ist nur, wer sich selbst quält, und warum sollten die Lasterhaften denn nicht zur Strafe in ihren Abnahmebemühungen scheitern müssen, wenn sie bei der Selbstkasteiung "schummeln"? Aber ich habe auch eine Ahnung, daß Herr Drösser hier vor allem von sich selbst spricht, also davon, daß er mit seiner eigenen Tugendhaftigkeit gewisse Probleme hat. Denn der werte Herr scheint ja nicht einmal eine so harmlose Sache wie 16:8-Fasten durchhalten zu können:
Da beschränkt man die tägliche Nahrungszufuhr auf acht Stunden, beispielsweise zwischen 12 und 20 Uhr – in der restlichen Zeit sind nur Wasser und andere kalorienfreie Getränke erlaubt. Ich habe es selbst probiert, aber ich habe es nicht durchgehalten: Die Verlockungen des Kühlschranks waren zu groß.
Das deutet mir doch sehr darauf hin, daß Herr Drösser es gewohnt ist, sich bei den Mahlzeiten niemals wirklich satt zu essen. Würde er das ändern, dann würde der Kühlschrank ihm auch während des Fastens keine sonderlichen Verlockungen bieten. Ich war an meinem heutigen Fastentag schon zweimal am Kühlschrank, einmal habe ich meinen Wespen ein Stückchen Schinken geholt, das zweite Mal Kaffeesahne für meinen von der Frühschicht heimkommenden Mann. Ich sah, hörte, roch und spürte keinerlei Verlockungen, gegen die ich hätte ankämpfen müssen, obwohl mein Kühlschrankinhalt durchaus erfreuliche Anblicke und Gerüche bietet (Geräusche dagegen eher nicht).
Vorfreude - das schon. Morgen früh mache ich mir zum Frühstück ein paar leckere Pfannenbrötchen, und ich sah die guten Sachen, um sie zu belegen, durchaus mit angenehmen Gefühlen. Mittags gibt es dann den Rest vom gestrigen Abendessen, als ich mit Schinken und Käse gefüllte Kroketten mit Rahmchampignons gemacht hatte, die wir nicht ganz geschafft hatten, und als Nachtisch Joghurt mit Orangensirup und Zwetschgen. Abends kocht, mittlerweile fast schon eine Seltenheit, mal wieder mein Mann, der eine Pasta-Eigenkreation ausprobieren möchte. Was ich noch nicht weiß, ist, was ich zum Kaffee backen will. Mal sehen, ob mein kulinarisches Kopfkino heute abend die nötige Inspiration bringt.
Aber ich schweife ab. Zurück zu dem bedauernswerten freßattackengeplagten Christoph Drösser und seinen Weisheiten. Er hatte für seine These nämlich auch einen wissenschaftlichen "Beweis" zu bieten, eine Studie (diese hier im leider ebenfalls hinter einer Paywall befindlichen Volltext), in der zwei Gruppen von Patienten eine kalorienarme Diät entweder in der üblichen Form oder eben innerhalb eines 16:8-Zeitfensters zu sich nahmen. Immerhin mehr als nur die üblichen vier Wochen oder vier Monate, sondern ein ganzes Jahr lang. Das ist zwar immer noch zu kurz, da die Wiederzunahme und deren Intensität das Jahr 2 zum entscheidenden Zeitraum machen, um Erfolg oder Mißerfolg beurteilen zu können. Aber eine interessante Sache fiel mir auf, obwohl ich nur diesen Abstract und eine reichlich verschwommene Grafik zu Gesicht bekam. Um sie "scharfzustellen", müßte man berappen, aber worauf ich hinauswill, ist auch so deutlich genug erkennbar:
Die Intervallfasten-Gruppe nahm stärker ab als die andere,
wenn auch nicht viel stärker. Interessant ist aber der Abnahmeverlauf, der trotz allem deutlich genug zeigt, daß
beide Gruppen zunächst ungefähr gleich viel abgenommen hatten - aber die
Gruppe mit der normalen Diät hatte im letzten Monat eine erkennbar höhere Wiederzunahme
als die 16:8-Gruppe zu verzeichnen. Zuvor hatten beide Gruppen im üblichen Zeitfenster nach ca. 6 Monaten ein Plateau zu beklagen, das zwischen Monat 6 und Monat 12 immer deutlicher erkennbar in einen leichten Gewichtsanstieg überging.
Einen Vergleich dieser beiden Gruppen in einem Follow-up nach einem weiteren Jahr (in dem die Studienteilnehmer aber wieder in ihren gewohnten Ernährungsalltag zurückkehren) fände ich höchst interessant. Mein Tipp würde lauten: Beide Gruppen hatten eine weitere Zunahme zu beklagen, die aber bei der "normalen" Diätgruppe höher ausgefallen ist.
Mich ärgert das immer wieder, so auch dieses Mal, daß die Schlußfolgerungen der Autoren mit dem Ausgangs- und dem mehr oder weniger willkürlich gewählten Endpunkt der Studie begründet werden, aber den Verlauf in der Zwischenzeit ignorieren, obwohl der meistens gewisse Annahmen über den weiteren Verlauf nach Ende der Studie zulassen würde. Das muß doch sogar einem Wissenschaftler vermittelt werden können, daß es einen Unterschied macht, ob jemand zehn Kilo abgenommen hat und dann fünf wieder zunimmt und vermutlich nun noch weiter zunehmen wird, oder ob er in gemächlicherem Tempo fünf Kilo abgenommen hat und nun eine weitere Abnahme wahrscheinlich ist.
Gut, in dieser Studie war der skizzierte weitere Verlauf ausweislich der Grafik nicht zu beobachten, vielmehr ist bei beiden Gruppen ein mehr oder weniger schleichende Wiederzunahme zu erwarten. Aber das eigentlich Interessante wurde in dieser Studie ja gar nicht untersucht. Ich hätte nämlich gerne auch die Ergebnisse einer dritten Gruppe gesehen, die sich alleine auf 16:8 beschränkt, ohne daß eine Kalorienrestriktion damit verbunden ist. Mein Tipp: Wahrscheinlich hätte sie weniger abgenommen als die beiden anderen Gruppen, wäre aber nach zwei Jahren am besten von allen drei Gruppen dagestanden. - Was natürlich nicht bedeutet, daß sie unbedingt von einer Wiederzunahme ganz verschont geblieben wäre. Auch ihr Stoffwechsel paßt sich ja an.
Ein Wechsel von 7 x 16 = 112 Fastenstunden pro Woche auf 72 Fastenstunden pro Woche, aber verteilt auf zwei vollständige Fastentage von 36 Stunden (eine Nacht - ein Tag - eine Nacht) würde dann die Abnahme schon wieder auf Trab bringen, nur hat sich das leider noch nicht so richtig herumgesprochen. Aber ohne Kalorienrestriktion wäre sie wenigstens von pausenlosen Hungersignalen ihres Stoffwechsels verschont geblieben - dieselben, die Herrn Drösser bei einer 16stündigen Essenpause so sehr zu schaffen machen und mir bei einer vier- bis zu fünftägigen überhaupt nicht. 😜
***
Ach ja, meine erhöhte Infektanfälligkeit der letzten Wochen ist immer noch nicht vorbei, gestern lief ich den ganzen Tag mehr oder weniger mit dem Kopf unter dem Arm herum. Einen ersten Arztbesuch zur Abklärung habe ich bereits hinter mir, dem sicherlich noch weitere folgen werden, denn bislang ist die Suche nach der Ursache noch nicht erfolgreich gewesen. Wir arbeiten uns im Ausschlußverfahren erst einmal durch die gruseligeren der möglichen Erklärungen durch, bis hin zu Krebserkrankungen. CT und Mammographie sind terminiert, die Laborwerte sprechen allerdings eher gegen Krebs - was mich aber nicht weiter überrascht. Ich bin nämlich meine Excel-Tabelle mit meiner Gewichtsentwicklung noch
einmal durchgegangen und habe festgestellt, daß ich erst seit Anfang
Juni ziemlich auffällig geringere Abnahmen an Fastentagen hatte, auch in Phasen, in denen ich völlig wohlauf war. Das
läßt sich so genau eingrenzen, daß es schon dafür spricht, daß mein
Wasserhaushalt seitdem im "Infektionsmodus" ist und ich schon ein
geschlagenes Vierteljahr mit diesem Wasauchimmer herumlaboriere, das
irgendwie nicht weggehen will, obwohl ich jetzt kein Vierteljahr lang am Stück krank war, nur eben öfter, als ich das bislang so gewohnt war.
Wenn man so will, wird diese Sache für die Arzt-Patienten-Beziehung zu meinem Hausarzt eine Art Stunde der Wahrheit, denn diesmal hat er nicht spontan sofort gewußt, was ich habe (was mich beim letzten Mal so an ihm beeindruckt hat), und auch wenn das noch lange nicht gegen ihn spricht, hat es mich doch ein bißchen geärgert, daß er unter solchen Umständen gar so wenig wissen wollte von dem, was ich über die Symptome zu sagen hatte, womit ich ja die Suche nach der Ursache erleichtern wollte. Seine Rückfragen bezogen sich aber ausschließlich auf Verdachtsmomente, die für Brustkrebs oder für eine obskure und seltene Krankheit namens Sarkoidose bezogen waren, und da mußte ich jedesmal passen. Irritiert hat mich auch, daß die Laborwerte nur mit Zielrichtung auf diese beiden Erkrankungen erhoben worden zu sein scheinen. Was, wenn aber gerade die nicht erhobenen Werte den eigentlichen Fingerzeig gegeben hätten?
Aber einstweilen sehe ich es im Grunde genommen schon ein, daß immer als Erstes die häßlichsten unter den denkbaren Gründen untersucht werden müssen. Also, sobald wir Brustkrebs, Aids, Pest sowie Maul- und Klauenseuche mal ausgeschlossen haben und sofern bis dahin noch keine andere Ursache gefunden ist oder die Krankheit sich vielleicht ja doch freiwillig wieder vom Acker gemacht hat, würde ich meinem Doc schon gerne noch mit mehr Details über meine erhöhte Anfälligkeit für Infekte erzählen und hoffen, daß sich daraus ein Aha-Effekt für ihn ergibt. Ich würde nämlich ganz gerne abends wieder auf dem Balkon essen können, ohne dafür jedes Mal mit zuschwellenden Nebenhöhlen und zwei Tagen Matschbirne bezahlen zu müssen.
***
Schon seit Wochen habe ich diese "Fremdkörperpflanze" bei meinen Radieschen beobachtet und war gespannt, als was sie sich herausstellen würde. Und schau an, eine Sonnenblume ist es geworden. Symbolträchtigerweise ist sie ausgerechnet am Tag aufgeblüht, als die ukrainische Gegenoffensive in die Gänge kam und die guten Nachrichten so schnell in meinem Twitter-Feed aufschlugen, daß ich an das WM-Spiel gegen Brasilien anno 2014 denken mußte. Da kam mein Mann von der Spätschicht beim Stande von 2:0, und bis er sich einen Imbiß aus der Küche geholt hatte, waren wir schon bei 5:0.
Mein Mann meinte außerdem beim Anblick der Sonnenblume ganz trocken: "Die wurde bestimmt von einer Blaumeise gepflanzt". Das wäre eine hübsche Pointe, nicht umsonst habe ich bei Twitter mein Profilbild nach dem Überfall auf die Ukraine in dieses hier geändert:
"Sie säen nicht, sie ernten nicht, und der liebe Gott ernährt sie doch" - so ganz stimmt das also doch nicht, jedenfalls was Meisen betrifft. 👀 Eine von den Meisen war es nämlich bestimmt, ich habe sie den ganzen Sommer über immer wieder auf meinem Balkon beobachtet, wie sie die angebotenen Nüsse und Sonnenblumenkerne geholt haben. Aber meistens sehe ich auf meinem Balkon Kohlmeisen, nicht Blaumeisen.
Die Sonnenblume hatte schon Bienenbesuch. Ob ich vielleicht sogar noch eigene Sonnenblumenkerne ernten kann? Ich fürchte allerdings, dafür ist es schon zu spät im Jahr, daß sie aufgeblüht ist. Aber falls es doch klappen sollte, ist das wohl ein Fall von: Gebt den Meisen, was der Meisen ist.
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