Dienstag, 2. August 2022

Adipositas bei Katzen: Sind Kalorien oder Kohlenhydrate schuld?

Mein Gewicht heute früh zu Beginn von Fastentag 1 von zweien diese Woche: 87,9 Kilogramm. Das ist wohl in etwa mein aktuelles realistisches Gewicht, elf Tage nach dem Ende meines letzten langen Fastenintervalls vor der Sommerpause. Ob ich in drei Wochen zu Beginn des nächsten langen Fastenintervalls wohl weiterhin die 88 Kilo unterbieten werde? Ich hoffe es, aber sicher bin ich mir nicht, dafür bin ich viel zu nahe dran an der 88.

Heute morgen war das Ende eines vierwöchigen Katzensittereinsatzes bei einer Nachbarin, die in stationärer Behandlung war und heute nachmittag wieder nach Hause kommt. Ich muß gestehen, ich bin ganz froh darüber, daß es vorbei ist. Auch wenn ich mich auf zwei ca. halbstündige Visiten pro Tag beschränkt habe - was eigentlich viel zu wenig war -, diese beiden halben Stunden haben mir in meinem Arbeitsalltag schon gefehlt. Vor allem in den Wochen, in denen mein Mann Frühschicht hatte, hatte ich das Gefühl, daß diese beiden zusätzlichen halben Stunden für Alltagskram der Strohhalm zusätzlich waren, der einem Esel das Kreuz brechen kann. Ich kam speziell in diesen Frühschichtwochen mit Glück auf fünf bis sechs Arbeitsstunden am Tag: 

7.00 aufstehen - 8.00 Katze versorgen und ein bißchen bespaßen - 8.30 Uhr meine Pflanzen gießen, ggf. um die Spülmaschine kümmern etc., duschen, mich umziehen - 9.00 Arbeitsbeginn - arbeiten bis ca. 12 Uhr - Muffins oder ähnliches backen - 13.00 bis 14.30 arbeiten - 14.30: Kaffee machen, Zeitung der Nachbarin reinholen, evtl., bis mein Mann aufkreuzt, noch ein bißchen weiterarbeiten - 15.00 Kaffee mit meinem Mann trinken - 15.30 bis 16.00 arbeiten - 16.00 meine Mutter anrufen - 16.30 bis 17.00 ein bißchen arbeiten - 17.00 Katze versorgen und ein bißchen bespaßen - 17.30 kochen - 18.30 Abendessen - 19.30 - Küche aufräumen und saubermachen - 20.00 noch ein bißchen arbeiten. 

Ein bißchen "warmlaufen" muß ich aber auch, bevor ich produktiv arbeiten kann, sagen wir, so zehn Minuten oder so. Wie zum Teufel soll man auf diese Weise also auf einen grünen Zweig kommen? Kein Wunder, daß ich heute, theoretisch mein zweiter Urlaubstag, noch allerhand Restarbeiten zu erledigen habe. Morgen fahren wir das erste Mal weg, am Donnerstag habe ich eine private Verabredung alleine, und am Freitag faste ich dann wieder - an diesem Tag möchte ich meine Steuererklärung fertigstellen, damit ich die endlich auch mal aus dem Haus habe.

Ich HOFFE, bis zum nächsten Wochenende habe ich dann endlich "richtig" frei.

Hochinteressant an der Katzenversorgung fand ich aber, daß die Nachbarskatze, ein schon seit Jahren stark übergewichtiges Tier, in den letzten vier Wochen abgenommen haben muß. Vor zwei Wochen war ich mir noch nicht sicher, ob ich mir das vielleicht nur einbilde, aber seitdem ist es jeden Tag deutlicher geworden. Das ist nicht nur an ihrem Aussehen erkennbar - ihr Bauch ist viel kleiner und man erkennt sogar wieder eine Art Taille -, sie verhält sich jetzt auch anders, irgendwie aktiver und lebhafter. Sie putzt sich auch häufiger - früher hat sie das so gut wie nie gemacht, jedenfalls nicht in meinem Beisein. Ich vermute aber, sie kam mit der Hinterpfote schlicht nicht mehr an verschiedene Körperteile, etwa das Ohr, weil ihr Bauch so dick war. Dieses Problem kenne ich ja auch aus eigener Erfahrung noch aus meinen schwersten Zeiten. Wenn der Bauchumfang wächst, stellt man fest, daß die Länge der Arme sich keineswegs daran anpaßt ...

Bewußt auf Diät gesetzt hatte ich die Nachbarsmieze aber gar nicht. Ich habe sie ja schon öfter betreut, wenn auch noch nie über einen so langen Zeitraum. Auch diesmal habe ich alles so gemacht wie sonst immer, gemäß der Anweisung meiner Nachbarin.

Eigentlich können es nur zwei Dinge gewesen sein, die ich anders gemacht habe als die Besitzerin der Katze. Das eine ist, daß ich wirklich nur zweimal am Tag gefüttert habe, weil ich einfach nicht die Zeit hatte, mehr als das zu tun, und weil ich ja wußte, das das ausreichend ist. Sie füttert dreimal, aber das weiß ich erst seit kurzem. Zu mir hat sie damals, als ich das erste Mal einsprang, weil sie übers Wochenende wegfuhr, ausdrücklich gesagt, ich solle zweimal füttern. Morgens ein "Döschen" (wobei die Nachbarin gar keine Dosen, sondern so komische Quetschbeutel kauft) und abends "Brekkies", also Trockenfutter.

Das zweite, was ich anders mache als meine Nachbarin, ist, daß ich solche Zweifel an der physiologischen Tauglichkeit dieses komischen Trockenfutters habe, daß ich es - und zwar auch schon immer - ziemlich sparsam dosiere, vermutlich deutlich sparsamer als es meine Nachbarin macht, die außerdem, so meine neuesten Erkenntnisse, diese "Brekkies" zweimal am Tag füttert, gleich frühmorgens und dann wieder abends; mittags gibt es dann Dosenfutter. Von dem gibt sie aber oft genug die Hälfte oder mehr nach ein paar Stunden in den Abfall, weil ihre Katze so schleckig ist. Als ich mit der Betreuung angefangen habe, fand ich zu meinem Erstaunen ausschließlich Thunfisch als Naßfutter vor. Angeblich mag die Katze alles andere nicht. Testhalber habe ich dann bei Lidl ein paar Katzenfutter-Dosen unterschiedlichsten Inhalts mitgenommen, weil mir das so einseitig vorkam. Und siehe da: Bei mir hat sie alles gegessen. Nur halt nicht alles sofort.

Wenn ich morgens die Nachbarswohnung verlassen habe, war von der Fleischnahrung nahezu immer noch zwischen der Hälfte und drei Viertel übrig, und das habe ich dann eben stehen gelassen. Wenn ich abends wiederkam, war das Schälchen mit der Fleischnahrung dann immer leer oder beinahe leer. Unter dem Strich meine ich deshalb, daß die Nahrungsmenge, die der Stubentiger zu sich genommen hat, bei mir in etwa die gleiche gewesen sein sollte wie immer. Nur der Fleischanteil war höher und der Trockenfutteranteil niedriger. 

Ich brächte es nicht übers Herz, der Katze gar kein Trockenfutter zu geben, dafür ißt sie es ersichtlich zu gerne. Was ich mir aber schon öfter überlegt habe: Katzen sind ja kleine Raubtiere, keine Allesfresser wie wir Menschen. Der Verdauungsapparat einer Katze ist auf Getreideprodukte, jedenfalls in solchen Mengen, wie es bei Trockenfutter der Fall ist, von vornherein nicht eingerichtet. Auch wenn es zutreffen mag, was die Herstellerfirma auf ihrer Website dazu schreibt, daß Katzen, die Mäuse etc. jagen und sich damit selbst ernähren, durch das von ihren Beutetieren verzehrte Getreide schon auch ein bißchen Körnerzeug abkriegen, muß das doch ein weitaus geringerer Anteil an der gesamten Ernährung sein, als ihn so ein Schälchen Trockenfutter pro Tag ausmacht, von zwei oder noch mehr gar nicht erst anzufangen. 

Wenn Low Carb sogar bei uns Allesfressern den Stoffwechsel auf Touren bringt - und nebenbei die Pfunde purzeln läßt -, müßte es dann bei den als Fleischfresser geborenen Katzen nicht erst recht so sein? 

Ich habe versucht, mich im Internet zu dieser Frage schlau zu machen, und es gibt tatsächlich einige Stimmen, auch von Fachleuten, die für eine reine Fleischernährung von Katzen plädieren. Aber sie sind gegenüber denen deutlich in der Minderheit, die Trockenfutter als gute Nahrungsquelle für Katzen nicht in Zweifel zu ziehen scheinen, und die, warum wundert mich das nicht, für übergewichtige Katzen genau dasselbe empfehlen, was schon bei Menschen das Zunehmen typischerweise nicht verhindern kann: Weniger essen, mehr bewegen.

Von ihrer Tierärztin hat meine Nachbarin natürlich auch schon wiederholt gehört, daß ihre Katze zu dick sei und abnehmen müsse. Das nimmt sie auch absolut ernst. Deshalb füttert sie, vermutlich auch auf Empfehlung der Tierärztin (direkt gefragt habe ich allerdings nicht), schon seit mindestens ein bis zwei Jahren nur noch kalorienreduzierte "Brekkies". Dieses kalorienreduzierte Zeug enthält aber noch MEHR Kohlenhydrate als das normale: 36 Prozent. Kalorienreduziert bedeutet ja, daß man vor allem das kalorienreiche Fett einspart, und mit irgendwas anderem muß das dann ersetzt werden. Beim Einkaufen habe ich mir mal die Nährstoffangaben auf einer normalen Trockenfuttertüte angeschaut; hier waren es weniger KH, allerdings auch ungefähr um die 30 Prozent, wenn ich mich nicht verrechnet habe, was ja ebenfalls verflixt viel für so ein kleines Raubtier mit Raubtierstoffwechsel ist. 

Falls das Problem bei Katzen mit Übergewicht - ihr Anteil unter Hauskatzen hierzulande gilt wahrhaftig als ungefähr genauso hoch wie der bei Menschen - tatsächlich gar nicht die Kalorien, sondern die Kohlenhydrate und der dafür nicht vorgesehene Stoffwechsel der Katze sein sollten, könnte es also sein, daß kalorienreduzierte Brekkies ihr Übergewicht unter Umständen sogar noch verschlimmern. Bei meiner Nachbarskatze war zumindest kein positiver Effekt der Diät-Trockennahrung erkennbar, aber wenn ich mich recht erinnere, hat sie immerhin nicht weiter zugenommen.

Daß die Hersteller des Trockenfutters ihre eigenen Erzeugnisse anpreisen, ist ja keine allzu große Überraschung, aber daß sogar Tierärzte typischerweise gegen Trockenfutter nichts einzuwenden haben, hätte mich vielleicht an meinen Überlegungen zweifeln lassen, wenn ich nur einen Grund wüßte, warum ich an der Ernährungskompetenz von Tierärzten weniger Zweifel als an der meiner eigenen Ärzte haben sollte. Offenbar ist Low Carb bei Katzen ebenso eine Außenseitermaßnahme wie bei Menschen, obwohl sie bei ihnen ja sogar noch um einiges naheliegender ist. Nachdem ich mich außerdem persönlich von der Wirksamkeit von Low Carb bei mir selbst überzeugen konnte, wüßte ich gar keinen vernünftigen Grund, warum es bei einer Katze nicht ebenfalls funktionieren sollte. 

Wie auch immer, die Katze ist wirklich in den letzten vier Wochen erkennbar schlanker geworden, und dabei habe ich sie ja noch nicht einmal wirklich Low Carb ernährt, ich habe nur den Anteil des kohlehydratreichen Trockenfutters reduziert. Wieviel weniger als ihre gewohnte Ration ich ihr gegeben habe, kann ich dabei noch nicht einmal so genau sagen. Vielleicht halb so viel? Im Gegenzug, wie erwähnt, frißt sie aber mehr von der Fleischnahrung. Ich habe, wie erwähnt, nicht das Gefühl, sie auf Diät gesetzt zu haben. 

Hunger scheint sie außerdem nicht zu leiden. Abends füttere ich gegen 17.30 Uhr mit Brekkies, morgens gegen 8 Uhr mit einem Döschen. Weil sie die Brekkies meistens schon fast komplett vertilgt hat, wenn ich sie um 18 Uhr alleine lasse, kann man von einer ungefähr vierzehnstündigen Eßpause vor der nächsten Mahlzeit ausgehen. Trotzdem macht sie morgens aber keinen wirklich ausgehungerten Eindruck. Die Fleischnahrung hält nämlich in der Regel sehr viel länger vor als das Trockenfutter, das sie abends wegfrißt wie unsereins Kartoffelchips. Auf das Fleisch stürzt sie sich morgens zwar mit derselben Begeisterung, aber sie frißt dann nur ein paar Bissen, danach will sie schmusen, bis sie nach ein paar Minuten wieder ein paar Happen ißt und dann wieder kommt und gekrault werden will. Wenn ich nach einer halben Stunde gehe, ist das Schälchen meistens noch mindestens halb voll. Aber es kann keine Rede davon sein, daß sie dieses Futter nicht mag, sonst wäre es abends ja nicht weg. Vielleicht würde sie es aber stehenlassen, wenn man ein Schälchen Brekkies danebenstellen würde? Auf dieses Trockenfutter ist sie ja tatsächlich ganz wild. 

Ist das vielleicht so zu werten wie bei einem Kind, das nachmittags eine Tüte Kartoffelchips oder eine Tafel Schokolade verspeist und dann beim Abendessen im Brokkoli mißmutig herumstochert? 

Obwohl ich darüber schon etwas erleichtert bin, daß die vier Wochen rum sind, siehe oben, bedrückt mich daran eines: Vermutlich wird die Katze in weiteren vier Wochen wieder ihr altes "Kampfgewicht" erreicht haben. Meine Nachbarin liebt ihre Katze nämlich zwar ganz aufrichtig, aber sie wird wahrscheinlich mit dem weitermachen, was sie gewohnt ist, egal, was ich ihr sage - und ich habe mir fest vorgenommen, mit ihr noch einmal zu sprechen (es ist nicht das erste Mal) - weil es ihr von der Tierärztin empfohlen wurde und weil auf den Trockenfutter-Verpackungen ja eine schriftliche Erfolgsgarantie steht: In 90 Prozent der Fälle würden angeblich übergewichtige Katzen abnehmen, wenn man ihnen speziell dieses kalorienarme Futter gibt. 

In der Praxis begegnen einem vermutlich immer nur die zehn Prozent, bei denen es nicht klappt.

Das ist eine der Merkwürdigkeiten unserer Zeit: Die Leute vertrauen jemandem, der sich ein Schild "Experte für ..." um den Hals hängt, aus irgendwelchen Gründen meistens nicht nur mehr als dem, was simple Logik und gesunder Menschenverstand einem sagen, sondern sogar dem, was sie mit eigenen Augen sehen können. Drücken wir der Katze also die Daumen, die sie nachher mit eigenen Augen zu sehen bekommen wird, daß es diesmal doch andersherum ist.





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