Donnerstag, 19. November 2020

Gedanken zum neuen Buch von Jason Fung (das ich noch gar nicht gelesen habe)

Mein Gewicht heute früh zu Beginn des vierten von vier Fastentagen: 95,4 Kilogramm. Damit bin ich innerhalb des erwarteten Rahmens ... obwohl ich am Montag - völlig unerwartet, noch am Sonntag entsprach mein Gewichtsverlauf absolut meinen Erwartungen - wahrhaftig doch wieder mit 100,6 Kilogramm gestartet war, demselben Gewicht wie vor zwei Wochen, anstatt das zu erwartetende eine Kilo weniger als Anfangsgewicht auf die Waage zu bringen. Allerdings wog ich vor zwei Wochen am Morgen des Donnerstags 95,9 Kilogramm, also 500 Gramm mehr als heute, also will ich mich jetzt nicht länger darüber entsetzen. Daß ich morgen weniger als vor zwei Wochen wiegen werde, als ich nach den vier Fastentagen 95 Kilogramm auf die Waage brachte, ist sicher, auch wenn mein Niedrigstgewicht von 94,3 Kilogramm kaum zu unterbieten sein wird. Am Montag allerdings hat mir das alles schon ein bißchen aufs Gemüt geschlagen. Dieses lästige Herbstphänomen mit dem abrupten Anstieg beim Gewicht versaut mir jeden Oktober und November ein- bis zweimal so richtig die Laune, und die ist bei mir im November sowieso nie so besonders, auch ohne Corona. 

Aber im Moment ist meine Laune wieder besser. Und gar so lange dauert der November nun ja glücklicherweise auch nicht mehr. Außerdem werde ich morgen nachmittag das Fasten brechen und freue mich jetzt schon auf Rührei mit Schinken und dazu einen leckeren Gurken-Paprika-Salat mit Feta.

Passend zu so einem unangenehmen Monat wie dem November geht mir gerade auch ein eher unangenehmes Thema durch den Kopf, nämlich Krebserkrankungen. Anlaß ist das neue Buch, das Dr. Jason Fung über dieses Thema geschrieben hat, "The Cancer Code", und das, obwohl ich es noch gar nicht gelesen habe. (Natürlich werde ich es noch lesen, aber im Moment habe ich zu viel andere Lektüre.) Aber ich habe immerhin bereits eine ungefähre Vorstellung, worauf es hinauslaufen wird. Er schrieb ja im Blog auf seiner Website auch schon etliche Male über das Thema Krebs.

Ich nehme an, daß Dr. Fung seine Theorie über die Rolle des Stoffwechsels, vor allem der beteiligten Hormone und wohl wieder ganz besonders Insulin, nach Adipositas und Diabetes in Bezug auf Krebs ausgeweitet hat. Da Adipositas als Risikofaktor für eine Reihe von Krebserkrankungen gilt, ist das auch nicht ganz unlogisch. Worüber ich dieses Mal gestolpert bin, war freilich ein anderes Online-Dokument aus Dr. Fungs Feder, das wohl Interesse und Aufmerksamkeit für sein neues Buch auslösen soll, ein Artikel mit der schlichten Überschrift "Nutrition and Cancer", also "Ernährung und Krebs", und darin weckten eine Grafik und eine verlinkte Studie meine Aufmerksamkeit. Ich komme weiter unten auf beides noch zurück.

Ich bin schon ziemlich gespannt auf das Buch, auch wenn ich es wahrscheinlich erst irgendwann nächstes Jahr kaufen werde. Es ist nämlich noch gar nicht so lange her - sicher nicht länger als ca. ein Jahr -, daß ich den Bestseller "Der König aller Krankheiten" las, in dem die Geschichte der Krebsbekämpfung beschrieben wurde. Vermutlich war das gar nicht die Absicht des Autors, aber gerade dieses Buch hat mir die Augen darüber geöffnet, wie erschreckend ahnungslos unsere Wissenschaft in Wirklichkeit bis heute ist, was die Entstehung von Krebs betrifft. Mir ist außerdem klar geworden, daß genau dies einer der Gründe ist, warum sie auch bei der Behandlung von Krebs so wenig Fortschritte macht. 

Die Entwicklung der Krebstherapien in den letzten Jahrzehnten und bis in die Gegenwart hinein ist nämlich nach wie vor dominiert von der Ausschöpfung der Möglichkeiten, die sich aus Zufallsentdeckungen ergeben haben. Nach wie vor wird also vor allem Stochern im Nebel praktiziert, was die Behandlung betrifft. Der größte Teil der Forschung erschöpft sich ohnehin nur darin, Risikofaktoren zu finden und sie, wenn möglich, zu beseitigen, um Krebserkrankungen präventiv entgegenzuwirken. Das ist zwar durchaus ein einleuchtendes Vorgehen, aber erstens keineswegs zureichend, und zweitens ist auch mit Irrtümern aufgrund falscher Schlußfolgerungen aus eigentlich richtigen Ergebnissen zu rechnen, wie sich das auch in anderen Bereichen der sogenannten nichtübertragbaren Erkrankungen immer wieder herausstellt, etwa beim Cholesterin oder bei der Rolle des Salzes.

Der bekannteste Risikofaktor für Krebserkrankungen ist etwa das Rauchen, und es ist natürlich absolut folgerichtig, anzunehmen, daß die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu sterben, bei Nichtrauchern wesentlich niedriger ist als bei Rauchern. Aber eine von Dr. Fung verlinkte Studie - ihr eigentliches Thema waren die Krebshäufigkeiten in Zusammenhang mit Übergewicht und Adipositas - enthielt neben der Darstellung eines bei höherem BMI steigenden Krebsrisikos auch dazu eine nur auf näheren Blick erkennbare Merkwürdigkeit in einer gesonderten Auswertung, die nur Nichtraucher berücksichtigte, die nach eigenen Angaben niemals geraucht hatten: Bei Frauen ist das sehr viel weniger ausgeprägt als bei Männern. 

Die Sterblichkeit an allen Krebsarten bei Männern betrug ca. 8 Prozent innerhalb des Untersuchungszeitraums von 16 Jahren (404.576 Studienteilnehmer, Durchschnittsalter 57 Jahre, 32.303 Krebs-Todesfälle). Bei Nichtrauchern waren es nur 5 Prozent (107.030 nichtrauchende Studienteilnehmer, 5.314 Krebs-Todesfälle). Es gab somit in dieser Studie 297.546 Raucher und Ex-Raucher, auf die 26.989 Krebs-Todesfälle entfielen, also waren es in dieser Gruppe 9 Prozent.

Bei Frauen lag die Sterblichkeit an allen Krebsarten bei ca. 5 Prozent (495.477 Studienteilnehmer, 24.842 Krebs-Todesfälle). Bei Nichtrauchern lag sie bei ca. 4,2 Prozent (276.546 Nichtraucherinnen, 11.648 Krebs-Todesfälle). Auf die 218.937 Raucherinnen und Ex-Raucherinnen entfielen somit 13.194 Todesfälle; das entspricht ziemlich genau 6 Prozent. 

Es fällt auf, daß Frauen sowohl bei den Rauchern als auch den Nichtrauchern seltener von Krebs betroffen sind als Männer, aber der Unterschied bei den Rauchern ist mehr als zweimal so hoch wie bei den Nichtrauchern (4 Prozentpunkte vs. 1,8 Prozentpunkte).

Es gibt unterschiedliche denkbare Erklärungen (etwa durch die Mutmaßung, daß das daran liege, daß Frauen weniger am Tag rauchen als Männer), aber daß Rauchen bei Frauen anscheinend weniger Krebs auslöst als bei Männern, ergibt sich auch daraus, daß die oft zitierten 90 Prozent der Lungenkrebsfälle, die auf Rauchen zurückzuführen sind, nur für Männer gültig sind, während bei Frauen immer von "bis zu 60 Prozent" die Rede ist. Meines Wissens hat dennoch noch niemand eine befriedigende und auch mit entsprechenden Belegen versehene Erklärung angeboten; ich habe deshalb immer angenommen, daß auch mit aller Gewalt nicht mehr als 60 Prozent Raucherinnen unter den Lungenkrebspatientinnen zu finden gewesen sein müssen. 

Spätestens seit Corona und dem auffälligen Totschweigen der Tatsache, daß Raucher in einer hohen dreistelligen Zahl von Studien (vielleicht mittlerweile auch schon vierstellig) praktisch immer auffallend viel seltener schwere Covid-Verläufe als Nichtraucher aufwiesen und ebenso auffallend seltener seltener daran starben, habe ich den Eindruck, daß immer dann, wenn Rauchen im Spiel ist, gewisse Hemmungen bestehen, irgendetwas zu sagen, das die Folgen des Rauchens "verharmlost", also offenbar auch "etwas weniger schreckenerregend" als das absolut oberste gerade noch vertretbare Maximum des Schreckens darstellt. Über Rauchen, das scheint ein unausgesprochener Konsens zu sein, darf nichts gesagt werden, womit die damit verbundenen Gesundheitsrisiken auch nur in bestimmten abgegrenzten Teilbereichen minimal geringer erscheinen könnten. Falls das so ist, müssen die Corona-Studien der Fachwelt auch wegen des unpassenden Teilergebnisses für Raucher die Schweißperlen auf die Stirn getrieben haben.

Ich weiß also sehr wohl, daß ich mich gerade auf vermintem Gelände bewege, aber gerade deshalb liegt mir etwas daran, dieses Thema auch einmal gegen den Strich zu bürsten. Denn Tatsachen gehen nun einmal nicht davon weg, daß man angestrengt von ihnen wegschaut.

Eine der möglichen Erklärungen über den Unterschied beim Krebstod-Risiko von rauchenden Männern und rauchenden Frauen, über die ich noch nie irgendwo gelesen habe, könnte nämlich sein, daß so, wie bei Corona-Toten unterschieden wird zwischen "Tod an Corona" und "Tod mit Corona" es neben dem "Krebstod durch Rauchen" auch einen "Krebstod mit Rauchen" gibt, bei dem das Rauchen also in Wirklichkeit nur eine Nebenrolle spielte. In dem Fall würde es viel Sinn ergeben, wenn wir annehmen würden, daß unter den Männern ein deutlich höherer Anteil der Fälle von "Krebstod mit Rauchen" enthalten ist als bei den Frauen. Das würde bedeuten, daß bei Männern ein weiterer, bei Frauen nicht oder seltener zu verzeichnender Faktor besteht, der im Moment unterschätzt oder vielleicht auch ganz übersehen wird.

Damit das jetzt nicht mißverstanden wird: Mir geht es gerade nicht darum, das Rauchen für harmlos zu erklären. Krebserkrankungen sind aber multifaktorielle Erkrankungen, das unterscheidet sie von einer Virusinfektion wie Corona. Dies bedeutet, es ist eher unwahrscheinlich, daß eine einzelne Ursache als alleiniger Auslöser einer einzelnen Krebserkrankung gelten kann. Es ist eher ein Zusammenspiel mehrerer, möglicherweise vieler zusammenwirkender Faktoren anzunehmen. Rauchen dürfte in der Tat eine wichtige Rolle in diesem Ursachenbündel spielen, wenn ein Raucher an Krebs erkrankt. Mindestens der Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs etwa ist ja so eindeutig belegt, daß er als über jeden Zweifel erhaben gelten kann. 

Aber was, wenn Rauchen - als einer von mehreren auslösenden Faktoren - vor allem beeinflussen würde, welche Art von Krebs ausgelöst wird? Das fände ich keine unlogische Annahme, wenn man davon ausgeht, daß bei Krebs immer eine ganze Reihe von Faktoren zusammenwirkt. Entfällt der eine Faktor, ist man dann natürlich nicht etwa vor Krebs sicher, sondern laboriert trotzdem mit einer Reihe von anderen weiterhin vorhandenen Faktoren, die alle Krebs auslösen können. Unerkannte weitere Faktoren, die hinzukommen, können die Krankheit dann trotz Vermeidung des Risikofaktors Rauchen auslösen. Eventuell reichen auch die vorhandenen anderen Faktoren aus, um eine Krebserkrankung, vielleicht mit etwas Zeitverzögerung, doch noch auszulösen. Und dann trifft es vielleicht auch nicht die Lunge, sondern irgendein anderes Organ, das unter diesen anderen Bedingungen das anfälligste im Körper ist (Bauchspeicheldrüse, Eierstöcke, Prostata ...).

Der stärkste Risikofaktor für alle Krebserkrankungen ist übrigens das Lebensalter, das gilt auch für Lungenkrebs, bei dem die hauptbetroffene Altersgruppe inzwischen die über 80 ist, ein Alter, in dem aktive Raucher kaum noch anzutreffen sind. Gleichzeitig läßt gerade dieser Faktor sich aber auch nicht ändern, denn ihn könnte man nur dann vermeiden, indem man jung stirbt. 

Balkendiagramm Neuerkrankungen Lungenkrebs

Insgesamt, möchte ich außerdem festhalten, ist das Gesamtrisiko für Raucher, an irgendeinem Krebs zu sterben, dem Augenschein nach höher als bei Nichtrauchern, aber doch nicht so hoch, wie uns das täglich suggeriert wird, falls die Ergebnisse der von Dr. Fung verlinkten Studie repräsentativ sein sollten, denn es handelt sich sowohl bei Männern (9 vs. 5 %) als auch bei Frauen (6 vs. 4,2 %) um ein bißchen weniger als eine Verdoppelung des Gesamtrisikos. 

Um die Sache so auszudrücken: 

Bei Männern sind in dieser Studie 9 von 100 Rauchern und 6 von 100 Raucherinnen an irgendeiner Art von Krebs gestorben. Im Umkehrschluß bedeutet das, 91 Raucher und 94 Raucherinnen von hundert waren davon nicht betroffen. Unter den Nichtrauchern gilt für 95 Männer bzw. ca. 96 Frauen jeweils von hundert dasselbe gilt. Damit entspricht das zusätzliche Risiko (wenn ich diese Studie als Maßstab zugrunde lege) bei Männern im Vergleich zu den Nichtrauchern vier zusätzliche Todesfälle und bei Frauen weniger als zwei zusätzliche Todesfälle je 100 Personen.

Noch nicht berücksichtigt habe ich dabei die Frage, wie dann das Verhältnis bei Krebserkrankungen anstelle von -todesfällen wäre. Es heißt ja oft, daß Nichtraucher bei nicht tödlich verlaufenden Krebsfällen überrepräsentiert seien (das recherchiere ich jetzt aber nicht). Nicht auszuschließen, daß die Verteilung der Erkrankungen sogar ungefähr gleich ist. 

Ich will das jetzt aber nicht weiter vertiefen. Es ist ja eigentlich nicht die Hauptsache, über die ich schreiben wollte, aber es verdeutlicht, hoffe ich, wie viele Fragen im Detail auch eine scheinbar so eindeutige Sache wie Rauchen und Krebs aufwirft, wenn man die Details einmal näher anschaut.

Als Bestandteil der Prävention gibt es natürlich auch noch die Krebsfrüherkennung, mit deren Hilfe - so die Idee dahinter - Krebserkrankungen in einem so frühen Stadium entdeckt werden können, daß ihre Behandlung bessere Erfolgsaussichten hat. Aber ihr Nutzen wird nicht ganz grundlos von manchen Kritikern angezweifelt. Ein Teil der scheinbar erkannten Tumoren erweist sich nämlich als falsch positive Ergebnisse, und es gibt außerdem auch Zweifel daran, ob alle in einem sehr frühen Stadium entdeckten Fälle wirklich im Lauf der Zeit aggressiv und lebensbedrohlich werden oder vielleicht doch teilweise im "Schlummerstadium" bleiben, ohne je eine Gefahr zu bedeuten. 

Ich bin übrigens alt genug, um mich noch daran zu erinnern, wie massiv die BILD-Zeitung (mein Vater kaufte sie immer am Samstag) in den Siebzigern Julius Hackethal angefeindet hat, der das schon vor über vierzig Jahren bezogen auf Prostatakrebs behauptet hatte.

Unabhängig davon hat mich aber an der Krebsfrüherkennung schon lange eines ganz besonders irritiert: Typischerweise wird das Überleben einer Krebserkrankung auf Basis der 5-Jahres-Überlebensrate gemessen. Aber es sollte doch wohl auch bei der Messung des Überlebenszeitraums einen großen Unterschied machen, ob eine Krebserkrankung entdeckt wurde, weil und nachdem erste Beschwerden aufgetreten sind, oder im Rahmen einer Routineuntersuchung in einem sehr viel früheren Stadium. Eigentlich müsste man bei Fällen, die durch Früherkennung in einem frühen Stadium entdeckt wurden, standardmäßig mindestens ein oder zwei weitere Jahre hinzurechnen, damit die Zeiträume in diesen beiden Fällen überhaupt vergleichbar sind. Die Jubelarien über die gestiegene Lebenserwartung nach Brustkrebserkrankungen seit Einführung des Mammographie-Screenings sehe ich deshalb mit sehr gemischten Gefühlen.

Als Konsequenz habe ich mich jedenfalls entschieden, selbst auf alle Krebsvorsorgeuntersuchungen zu verzichten. Alle damit verbundenen Risiken gehen natürlich - wie auch alle sonstigen Risiken, die ich wissentlich eingehe - ausschließlich auf meine eigene Kappe. Ich mache das deshalb, weil ich der Meinung bin, daß ich im Gegenzug damit auch die Risiken vermeide, die mit Fehl- oder Überdiagnosen verbunden sind, und ob nun die eingegangenen oder die vermiedenen Risiken schwerer ins Gewicht fallen, lasse ich dabei offen. Mein Grundgedanke: Im Zweifelsfall ist es mir immer noch weniger unangenehm, durch eigene Fehleinschätzung einen Schaden zu erleiden als durch die Irrtümer anderer Leute. Und die möglichen Irrtümer anderer Leute, die beim Screening entstehen können, lassen sich durch mich selbst nicht auf andere Weise vermeiden.  

Eine Krebserkrankung entsteht, wenn Zellen des eigenen Körpers anfangen, sich unkontrolliert zu teilen, dabei in anderes Körpergewebe eindringen und es auf diese Weise beschädigen sowie im Lauf der Zeit zerstören, und sich nebenbei auch über den Körper ausbreiten (sogenannte Metastasen) und dabei diesen Schaden vergrößern. Der dabei angerichtete Schaden ist es, der am Ende einer Krebserkrankung tödlich wirkt. Eine Körperzelle, die in eine Krebszelle mutiert, benimmt sich nicht mehr, wie es eigentlich für sie vorgesehen ist, sondern läuft gewissermaßen Amok. Irgendwo las ich mal den Satz, die wirtschaftspolitische Wachstumsideologie folge der Logik der Krebszelle, und das erscheint mir gar keine so unpassende Analogie. Was aber bringt die Zelle dazu, sich so verrückt zu verhalten? 

In Jason Fungs Online-Artikel fand ich dazu eine Grafik, die mir zu denken gab. Nach ihr nämlich sind jeweils ein Drittel der Krebsfälle auf Rauchen und auf die Ernährung zurückzuführen, das restliche Drittel verteilt sich auf alle anderen Faktoren, unter anderem Infektionen.

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Was aber, ging mir durch den Kopf, wenn sich bei näherer Betrachtung für ALLE Krebsfälle Infektionen, nämlich chronische Infektionen, als eigentliche krankheitsauslösende Ursache hinter den bekannten Risikofaktoren nachweisen ließen? Immerhin, die Rolle von Infektionen bei bestimmten Krebserkrankungen (etwa mit Papillomviren bei Gebärmutterhalskrebs oder mit Helicobacter bei Magenkrebs) ist ja noch gar nicht so lange bekannt und trotzdem machen sie in der Grafik ihre zehn Prozent aus. Speziell im Fall der Magengeschwüre, die Helicobacter auslöst und die wiederum, wenn sie chronisch sind, in Magenkrebs münden können, wurde auch sehr lange das Verhalten der Patienten irrtümlich für hauptsächlich maßgeblich für die Behandung gehalten. Ich hatte selbst schon einmal Helicobacter im Bauch, und diese Mistviecher haben mir regelrechte Löcher in die Magenwand gefressen. Ich bezweifle sehr, daß ich diese Infektion alleine mit den früher üblichen Standard-Ernährungs- und Verhaltensempfehlungen hätte stoppen können, und so hätte ich dann wohl dauerhaft mit wiederkehrenden Magengeschwüren und einem erhöhten Magenkrebsrisiko leben müssen, und zwar ohne irgendetwas Wirksames dagegen tun zu können. Antibiotika haben den ungebetenen Untermietern aber schnell und wirkungsvoll den Garaus gemacht. 

Genau so etwas verstehe ich als einen echten wissenschaftlichen Fortschritt, wenn eine konkrete Ursache entdeckt und eine gezielte Bekämpfung dieser Ursache ermöglicht wird. Es ist auch auffällig, daß es keine groß angelegten Anti-Helicobacter-Präventionsprogramme gibt, sondern diese bakterielle Infektion nur dann bekämpft wird, wenn sie diagnostiziert wurde ... nur wird das mittlerweile bei Magengeschwüren mehr oder weniger routinemäßig gemacht, seit ihre Rolle dabei bekannt ist. Aber natürlich ist die unverzügliche Vernichtung einer Helicobacter-Besiedlung nach der Diagnose wiederum eine Präventionsmaßnahme gegen Magenkrebs, und zwar eine verblüffend simple.

Daß Adipositas das Risiko auf Krebs erhöht, könnte aber ebenfalls etwas damit zu tun haben, daß Adipositas mit chronischen entzündlichen Prozessen in Verbindung gebracht wird. Im Falle des Rauchens sind chronische Entzündungen durch die eingeatmeten Partikel genauso plausibel. Sollte sich dies eines Tages belegen lassen, würde das zwei Drittel aller Krebserkrankungen betreffen und neue  Präventionsansätze möglich machen, die sich auf die Behandlung der Infektionen fokussieren. 

Aber natürlich kann der Körper nebenbei auch noch weitere entzündliche Prozesse beherbergen. Zähne und Zahnfleisch (Parodontose!) sind vermutlich dabei ein von den meisten unterschätzter Faktor. Rheumatische Erkrankungen fallen mir noch ein. Aber bestimmt gibt es noch eine ganze Reihe mehr, die mir bei längerem Nachdenken außerdem noch einfallen würden. Vielleicht wird es sich ja eines Tages als der entscheidende Schlüssel erweisen, in der Krebsprävention in stärkerem Maße bei solchen Faktoren anzusetzen, und vielleicht sogar schwerpunktmäßig bei denen, die oft nur vergleichsweise erträglich erscheinende Beschwerden verursachen und teils deshalb häufig sogar ganz unbehandelt bleiben. (Meinen Mann bekomme ich zum Beispiel trotz allen guten Zuredens schon seit mehr als zehn Jahren nicht mehr zum Zahnarzt.)

Freilich sollte dabei klar bleiben, daß alle diese Prozesse in mehr oder weniger starkem Maße auch mit dem Alter zu tun haben. Bis zu einem gewissen Grad muß man sich einfach auch damit abfinden, daß mit zunehmendem Alter der Körper und seine Organe sich abnutzen und die Zahl der chronischen Entzündungsprozesse im Körper zunimmt. Auch die Zellerneuerung verschlechtert sich mit zunehmendem Alter und erhöht das Risiko, daß dabei Zellen in Krebszellen mutieren können. Wir sind einfach von unserer gesamten Konstruktion her nicht auf das Erreichen eines möglichst hohen Lebensalters des einzelnen Individuums optimiert, das seine Aufgabe aus Sicht der Evolution vielmehr bereits erfüllt hat, wenn es den nötigen Nachwuchs zur Bestandserhaltung der Art in die Welt gesetzt und erfolgreich großgezogen hat.

Fasten und der damit verbundene Autophagie-Mechanismus, mittels dem während des Fastens alle möglichen beschädigten Zellen und sonstige Zellabfälle (samt der Entzündungsgefahren, die sich darin verbergen) beseitigt werden, könnten also eine wichtige Rolle in der Krebsprävention spielen. Daß Fasten den Prozess der Autophagie auslöst, ist jedenfalls nachgewiesen. Aber taugt es auch als Mittel zur Prävention von Krebserkrankungen? Ich nehme an, auf diesen Bereich wird Dr. Fungs Buch unter dem Strich hinauslaufen und bin schon gespannt darauf, was er alles zu diesen Fragen herausgefunden hat. Natürlich werde ich aber auch noch eine "echte" Rezension schreiben, sobald ich das Buch wirklich gelesen habe. 

Auch wenn es wirklich so funktionieren würde, wie ich das gerade zusammenspekuliert hatte: Unsterblich macht Fasten natürlich genausowenig wie jede andere Präventionsmaßnahme. Aber den physischen Alterungsprozeß mittels regelmäßiger gezielt eingesetzter Autophagie-Phasen etwas zu verlangsamen und dadurch typische Alterskrankheiten ebenfalls hinauszuzögern, das könnte ich mir eigentlich schon vorstellen. 


1 Kommentar:

  1. Hey,

    ich habe mich mit der Recherche zu Autophagie beschäftigt und bin auf deinen Beitrag gestoßen. Es ist ein wirklich guter Artikel!

    Darin ist mir aufgefallen, dass du auf den Artikel vom Ärzteblatt (2016) verweist, der einige großartige Informationen zu Autophagie enthält. Ich habe in diesem Bereich weitere Nachforschungen angestellt und habe herausgefunden, dass es viele neue wissenschaftliche Studien in diesem Bereich gibt, die neue Erkenntnisse über die Autophagie enthalten.

    Auf der Grundlage dieser Forschung habe ich einen Artikel mit dem Titel Autophagie | Der körpereigene Recyclingprozess geschrieben. Der neue Artikel könnte eine gute Quelle sein, die du in deinem Blog erwähnen kannst. Wenn du daran interessiert bist, finden du hier den Link: https://the-healthy-body.com/blog/autophagie/

    Wie auch immer, dein Artikel über Intervallfasten fand ich großartig, deshalb wollte ich mich bei dir melden und mich für das Teilen bedanken!

    Beste Grüße und ein erfolgreiches Jahr,
    Marvin Schmitt

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