Freitag, 17. April 2020

Lob des Flickenteppichs

Mein Gewicht heute morgen zu Beginn des dritten von drei aufeinanderfolgenden Fastentagen: 99,9 Kilogramm. Über Ostern hatte ich mir ja sieben Tage fastenfrei genommen, und diesmal hat das frühjahrsuntypisch richtig bei meinem Gewicht reingehauen, und ich habe am Mittwoch mit frustrierenden 104,3 Kilo das Fasten begonnen. Auf der positiven Seite stehen die überdurchschnittlichen 4,4 Kilogramm Abnahme in zwei Fastentagen, die darauf hindeuten, daß es sich mal wieder vorwiegend um ein Wasserproblem gehandelt hat. Auf das Knacken der ominösen 98 werde ich aber wohl ein weiteres Mal weiter warten müssen.

Ganz sicher bin ich mir aber nicht, ob da nicht dieses Mal doch nebenbei auch noch eine "echte" Zunahme erfolgt ist. Der Stoffwechsel orientiert sich ja am normalen Bewegungsverhalten, und wenn man sich weniger bewegt als sonst, kann ich mir eine Zunahme schon vorstellen. Auch wenn sich an meinem Alltag nicht viel verändert hat, ich gehe schon weniger raus als sonst. Das EMS-Training, das ich seit vier Wochen nicht mehr gemacht habe, könnte außerdem doch stärker zu Buche geschlagen haben, als ich das angenommen hatte, und fehlt mir jetzt. Mehr gegessen als sonst habe ich eigentlich nicht, obwohl ich schon gut gegessen habe - aber das mache ich im Grunde immer.

Schauen wir mal, das muß ich erst einmal beobachten. Einstweilen genieße ich mein Drei-Tages-Fastenintervall, das angenehm einfach und praktisch überhaupt nicht von Hunger begleitet war, nicht einmal am ersten Tag. Da ich morgen wieder essen werde, denke ich mittlerweile auch schon über das nach, was ich morgen essen will. Gestern und vorgestern habe ich dagegen keinen Gedanken an Essen verschwendet.

Fürs Frühstück habe ich ein Ciabatta geplant. Das habe ich schon ein oder zweimal gemacht, aber ich war mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Geschmeckt hat es zwar gut, aber der Teig wies nicht die üblichen großen Blasen auf. Das, behauptet Tante Google jedenfalls, lag offenbar daran, daß der Teig eine sehr lange Ruhezeit benötigt, also werde ich den Teig für das Ciabatta, das ich morgen backen will, heute abend noch machen. Außerdem darf ich den Teig dann morgen nicht kneten. Und der Teig muß wohl auch für meine Verhältnisse ungewohnt weich bleiben. Das alles werde ich jetzt mal ausprobieren, und ich hoffe, das war die richtige Lösung und wir essen morgen zum Frühstück ein richtiges Traum-Ciabatta.

Was für einen Kuchen ich backen will, weiß ich noch nicht so genau. Letztes Wochenende habe ich Orangen-Muffins gemacht, mit denen ich noch nicht hundertprozentig zufrieden war. Irgendwie fehlte mir da eine leicht säuerliche Note, also hätte ich vielleicht ein bißchen Zitronensaft ergänzen sollen. Da ich noch zwei Orangen übrig habe, könnte ich das ja mal machen, um zu sehen, ob es das war, was gefehlt hatte. Diese Orangen waren ein bißchen ein Fehlkauf, ich finde sie zum So-Essen nicht so toll, also muß ich dafür eine Verwendung finden, deshalb habe ich auch schon beim Kochen mit ihnen experimentiert. Zur Entenleber am Samstag, fand ich, paßte Orange ganz hervorragend. Orangen filetieren ist allerdings eine Arbeit, nach der meine ganze Küche einschließlich meiner Wenigkeit ziemlich klebrig ist, also wird das bestimmt kein neues Hobby von mir, viel mit Orangen zu kochen und zu backen.

Das Abendessen hole ich mir morgen aber ganz simpel in meinem Lieblingslokal ab. Weil es morgen so schönes Wetter zu werden verspricht, nehme ich vermutlich einen Wurstsalat, aber ganz sicher bin ich mir noch nicht. Falls auf der Tageskarte - das sind immer drei wechselnde Gerichte - irgendetwas steht, das mich besonders anmacht, nehme ich natürlich das. Normalerweise bestelle ich ja, wenn ich essen gehe, am liebsten irgendetwas, das ich nie oder nur sehr selten selber mache. Auf Wurstsalat trifft das natürlich nicht zu, aber ich möchte die Wirtsleute jetzt regelmäßiger (mindestens jeden zweiten Tag) unterstützen, denen jetzt ja erst mal weitere zwei Wochen Schließung bevorstehen. Da ich ohnehin einkaufen gehen sollte, kann ich es auch gut arrangieren, daß ich einen Schlenker dort vorbei mache und das Essen mitnehme, andernfalls würden sie aber auch liefern.

Am Sonntag weiß ich noch nicht, was wir kochen werden. Vielleicht mach ich einfach mal wieder eine Pizza, das habe ich schon länger nicht mehr gemacht. Aber vielleicht hat mein Mann auch noch eine ganz andere Idee.

***

Zur Corona-Lage:

Vor zwei Wochen oder so habe ich irgendwo geschrieben, wenn wir unter 3000 bis 4000 Todesfällen bleiben sollten, wären wir in Deutschland richtig gut gewesen. Heute wurden die 4000 Todesfälle allerdings überschritten, also waren wir wohl nur mittelgut. Falls wir - was ich hoffe - im Moment gerade mit 200 bis 300 Todesfällen am Tag den Höhepunkt erreicht haben sollten, müßte es eigentlich im Lauf der nächsten Woche deutlich sinkende Todesfallzahlen geben, dann bleiben wir mit ein bißchen Glück bei weniger als 5000 Todesfällen bis zum Sommer. Statistisch gesehen, würde das, wenn man das Gesamtjahr mit seinen durchschnittlich um die 900.000 Todesfällen betrachtet, dann nicht einmal sonderlich ins Gewicht fallen. Was ab dem Sommer passiert, hängt davon ab, ob es gelingt, das Infektionsgeschehen zu kontrollieren, oder ob es unkontrollierbare Ausbrüche gibt.

In den meisten anderen Ländern beneiden sie uns trotzdem, obwohl wir nicht super-, sondern nur mittelgut weggekommen sind; in Nachbarländern wie Frankreich oder Belgien sieht es ja weitaus schlimmer aus.

Die spannende Frage lautet, wie es weitergehen soll, denn der Shutdown kann ja nicht ewig dauern, auch nicht in einer gelockerten Form, und bis ein Impfstoff zur Verfügung steht, kann es noch dauern. Vorgestern habe ich mir dazu die Pressekonferenz der Bundeskanzlerin angehört und gestern und heute diverse Medienmeinungen dazu gehört. Was mich dabei manchmal irritiert hat, sind die Forderungen nach möglichst umfassend einheitlicher Vorgehensweise, damit kein "Flickenteppich" entstehe.

Das halte ich für eine bemerkenswert dumme Forderung. Was stört die überhaupt an einem Flickenteppich? Müssen denn unbedingt alle im Gleichschritt marschieren? Gerade in einer Situation, in der alle noch ziemlich im Nebel stochern müssen - was auch jeder Experte bereitwillig zugibt -, ist es sogar völliger Blödsinn, alle gleichzuschalten, womit im Zweifelsfall auch alle dieselben Fehler machen, die dann zu unnötig vielen Todesfällen führen. Im Gegenteil finde ich es wichtig, daß zwar auf Bundesebene ein grober Rahmen vorgegeben wird, aber die Bundesländer dabei Gestaltungsspielräume haben. Wie sonst könnte man die Wirkung bestimmter Einzelmaßnahmen vergleichen und sich an besonders erfolgreichen Maßnahmen später überall orientieren?

Falls die frühe Schulöffnung in NRW (wohl wegen der dortigen frühen Sommerferien erforderlich) einen negativen Einfluß auf die Entwicklung der Fallzahlen haben sollte, wird man das im Vergleich mit anderen Bundesländern, die eine Woche länger warten, sicherlich sehen können. Interessant finde ich auch die bislang zwei oder drei Städte (und evtl. irgendwann Bundesländer), die eine Maskenpflicht beim Einkauf oder in öffentlichen Verkehrsmitteln eingeführt haben. Eine ganze Reihe asiatischer Länder ist ja verglichen mit Europa viel besser mit der Infektion zurechtgekommen. Dafür fallen mir mehrere mögliche Gründe ein, und einer davon sind die Masken, die dort im Alltag schon vor Corona ziemlich verbreitet waren. Zu Feinjustierung finde ich also gerade die kleinen Unterschiede von Bundesland zu Bundesland wichtig, und dafür brauchen wir eben diesen Flickenteppich! Unbedingt sogar! Den würde ich gegen Gleichschaltungsversuche notfalls bis zum letzten Blutstropfen verteidigen, denn er ist eine Stärke, keine Schwäche unseres Lands.

Auch von den Nachbarländern kann man natürlich etwas lernen. Schweden wird ja gerne wegen seiner besonders moderaten Beschränkungen als nachahmenswertes Beispiel genannt, allerdings haben sie dort von Tag zu Tag mehr Todesfälle, mittlerweile so viele, daß mir dieses Beispiel eher abschreckend vorkommt und ich es nur für eine Frage der Zeit halte, bis Schweden den Beispielen der anfangs ebenfalls "moderaten" Länder Niederlande und Großbritannien folgt und die Maßnahmen verschärft. Da wirkt es fast schon skurril, wenn manchmal immer noch Berichte, die schon zwei Wochen alt sind, als angeblicher Beweis für den Erfolg des Modells von Schweden angeschleppt werden. Zwei Wochen sind im Moment eine halbe Ewigkeit. Schon zwei Tage hin oder her können ja einen Riesenunterschied ausmachen.

Im Moment wächst die Zahl der Todesfälle in Schweden nicht exponentiell (Infektionen zu zählen, wo so wenig getestet wird, hat dummerweise wenig Sinn), aber es ist zu befürchten, daß das in einer Art Slow-Motion-Variante auch noch kommen wird; die Kurve wird dann weniger steil ausfallen, aber immer noch zu steil. Schwedische Forscher haben mittlerweile davor gewarnt, daß mit dieser Strategie bis zum Sommer eine hohe fünfstellige Zahl von Toten zu erwarten sei. Ich gebe zu, diese Prognose kommt mir ein klitzekleines bißchen übertrieben vor, aber mit einer kleinen fünfstelligen Zahl rechne ich dort ebenfalls.

Interessant finde ich vor allem die unterschiedlichen Exit-Strategien, die sich in den Nachbarländern doch erheblich voneinander unterscheiden. Was von dem, was sie jetzt umzusetzen begonnen haben, besonders gut und was besonders schlecht wirkt, wird man in ca. zwei Wochen einschätzen können. Praktischerweise genau zu der Zeit, wenn bei uns die nächste Entscheidung ansteht, ob, und wenn ja, was in der nächsten Etappe weiter gelockert wird. Es lohnt sich also, die Augen offen zu halten, ob Österreichs Maskenpflicht oder Dänemarks Kita-Öffnung die Entwicklung in diesen Ländern verbessert, verschlechtert oder gar nicht tangiert.

Ich hoffe ja schon, daß diese Entscheidung Anfang Mai dann meinem Lieblingslokal ab der zweiten Maiwoche die Öffnung wieder erlaubt, wenigstens in eingeschränktem Umfang. Vielleicht hat es sich bis dahin ja herausgestellt, daß die Virenverbreitung im Freien längst nicht so stark ist wie in geschlossenen Räumen (wie ich das vermute)*, und mit ein bißchen Glück auch, daß warmes Wetter den Viren nicht so richtig bekommt und dies ihre Verbreitung weiter reduziert. Damit sollte dann zumindest Außengastronomie wieder gestattet werden können. Am ersten Öffnungstag werde ich mir dann dort einen Wurstsalat genehmigen. Notfalls im Regenmantel. ;-)

* Nachtrag 18.4.2020: Ich hatte entsprechende Spekulationen gelesen, die ich ganz plausibel fand. Jetzt gibt es aber ernstzunehmendere Indizien: Eine japanische Studie, die ich erst heute sah, kam zu dem Ergebnis, daß die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung des Coronavirus in geschlossenen Räumen 18,7-mal so hoch war als im Freien.



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