Mittwoch, 18. März 2020

Ein bißchen wie bei Stephen King: Einkaufen in Zeiten von Corona

Mein Gewicht heute früh, am Morgen des ersten Eßtags nach zwei Fastentagen: 98,5 Kilogramm. Das sind beachtliche 4,4 Kilogramm minus, was darauf hindeutet, daß die 102,8 am Montag - mit denen ich ja auch nicht so recht warm werden konnte - aus irgendeinem Grund überzeichnet waren. Ich habe mal mit früheren zweitägigen Fastenintervallen verglichen. Meistens hatte ich eine Gesamtabnahme, die irgendwo zwischen 3 und 4 Kilogramm lag. Nur beim allerersten Mal - im Oktober letzten Jahres - lag meine Abnahme mit 5,1 Kilogramm noch höher, sogar ziemlich deutlich. Aber da hatte ich auch übers Wochenende einen besonders ungewöhnlich hohen Sprung nach oben gehabt, und das kann ich für diesmal nicht behaupten.

Ich bin ganz optimistisch, morgen in die zweite Zweierserie von Fastentagen mit einem Startgewicht unter 100 Kilo zu starten. Und dann mal sehen, wo ich am Samstag früh aufschlagen werde.

Heute habe ich, weil meine Vorräte eines strategisch unverzichtbaren Artikels, nämlich Zigarettenhülsen, unter mein Frühwarn-Limit gefallen waren, mehrere Supermärkte und Discounter hintereinander aufgesucht. Im ersten gab es keine Hülsen mehr, im zweiten fand ich nur noch die letzten armseligen Reste, und nahm mir dann bloß zwei Packungen, damit der Nächste, der kommt, auch noch zum Zuge kommt. Damit bin ich aber wieder für eine Weile versorgt, und ich bin ganz optimistisch, daß die Hamsterphase bereits vorbei sein wird, wenn ich wieder Nachschub benötige. Hamstern ist ein menschlicher Trieb, der unweigerlich spätestens dann ein Ende findet, wenn man seine Wohnung vollständig mit gehamstertem Zeug zugestellt hat.

Den dritten Laden, einen Discounter, habe ich dann nur deshalb auch noch heimgesucht, weil er direkt an der Bushaltestelle liegt und ich wissen wollte, ob es bei ihm genauso aussieht. Am Ende habe ich dort dann aber auch noch mehr als 30 Euro liegengelassen - wie das eben so läuft, wenn man hungrig einkaufen geht und außerdem einen kleinen Mann im Ohr hat, der einem dauernd zuflüstert: Wenn du das nicht jetzt kaufst, kriegst du es nächste Woche vielleicht nicht mehr.

Es waren aber alles Sachen, die ich wirklich brauchte. Gut, der große Serrano-Schinken am Stück hätte vielleicht doch nicht sein müssen, aber der hatte mich schon in den Prospekten so angemacht. Seit einiger Zeit kaufe ich Schinken und Salami am liebsten am Stück und schneide sie zum Wochenendfrühstück dann erst auf. Serrano-Schinken hatten wir dabei noch nie.

Dieser Einkaufsvormittag war ein ziemlich surreales Erlebnis. Das galt ganz besonders für den zweiten Supermarkt, den ich aufsuchte, der im Untergeschoß eines Kaufhauses sitzt. Das Kaufhaus selbst war geschlossen, aber an einem der Eingänge wurde man von - immerhin wirklich freundlichem - Wachpersonal und Absperrbändern zum Rest der Verkaufsfläche durch den größtenteils unbeleuchteten EG-Bereich - ein leicht gruseliger Anblick, der an Stephen-King-Dystopien denken ließ - zur Rolltreppe geschleust.

In allen drei Läden sind dieselben Artikel komplett ausverkauft:

- Klopapier
- Desinfektionsmittel
- Druckerpapier
- Mehl (alle Sorten einschließlich mittlerweile auch Bio und Vollkorn)
- Trockenhefe
- Reis
- Hackfleisch

(Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Manche Lücken waren so groß, daß man sie beim besten Willen nicht übersehen konnte, andere fielen mir auf, weil ich die betreffenden Artikel gekauft hätte, wären sie erhältlich gewesen.)

Fast komplett ausverkauft waren:
- Konserven fast aller Art
- Nudeln


Ich bin eigentlich mit allem, was ich brauche, gut versorgt, also bereitet mir das keine schlaflosen Nächte. Das einzige, was mich etwas beunruhigt, ist das Druckerpapier, denn das sollte ich demnächst wirklich wieder aufstocken, andernfalls bekomme ich Probleme. Bei mir brummt der Laden nämlich gerade eher noch mehr als sonst, was vielleicht damit zu tun hat, daß ich von Haus aus im Home Office arbeite. Verglichen mit anderen Leuten hat sich deshalb an meinem Alltag weniger geändert als bei den meisten. Und auch meine Kunden fragen so zahlreich bei mir an wie sonst auch.

Beide Supermärkte waren ziemlich spärlich besucht, wie überhaupt auch die Straßen auffallend menschenleer waren. Mir fielen einige kleine Läden auf, die offen hatten, obwohl sie eigentlich hätten geschlossen sein müssen, aber die meisten hatten zu, und die geöffneten werden angesichts der wenigen Leute auf der Straße kaum einen Vorteil gehabt haben. Eine kleine Kneipe weckte im Vorbeilaufen deshalb meine Aufmerksamkeit, weil sie die Fenster verdeckt hatte. Ob sich da die Stammgäste vielleicht trotz des Verbots heimlich treffen? Vorstellen könnte ich mir das schon, und vermutlich ist das noch nicht einmal tragisch, auch wenn es für den Wirt Ärger geben wird, falls es herauskommen sollte. Wenn das nämlich Leute sind, die vor der Schließung auch schon jeden Tag beisammen waren, werden sie sich gegenseitig schon längst angesteckt haben.

Ich denke gar nicht daran, "soziale Kontrolle" (sprich Denunzieren) in solchen Fällen als meine Bürgerpflicht zu betrachten, obwohl das in meiner Tageszeitung mehr oder weniger zu einer solchen erklärt worden ist. Bin ich denn ein Blockwart? In den Medien wird von manchen Kommentatoren mittlerweile schon nach Ausgangssperren gerufen, "weil sich sonst niemand an die Regelungen hält". Tatsache ist, auch gegen Ausgangssperren würde es Übertretungen geben, denn wie sollte man das konsequent kontrollieren können? Der einzige Unterschied bestünde darin, daß manche Leute Bußgelder bezahlen müßten, und die wären mehr oder weniger willkürlich ausgewählt.

Mit einer gewissen Anzahl an Leuten, die sich unvernünftig verhalten, muß man einfach leben. Ich halte es da mit Professor Alexander Kekulé, der - ohne die Lage zu bagatellisieren - empfiehlt, es auch nicht umgekehrt zu übertreiben mit den Schutzmaßnahmen. Sofern man nicht zu einer Risikogruppe oder zum medizinischen Personal gehört, sind 90 Prozent vom Optimum des Schutzes seiner Meinung nach völlig ausreichend. Das gilt meiner Meinung nach nicht nur für jeden persönlich, sondern auch für die Gesellschaft als Ganzes, und deshalb halte ich Ausgangssperren als generelle Maßnahme für falsch. (Punktuell, also räumlich auf kleinere Gebiete begrenzt, könnte es unter bestimmten Voraussetzungen vorübergehend sinnvoll sein.)

Kekulé hat seit ein paar Tagen beim MDR täglich einen ca. halbstündigen Podcast, den ich sehr empfehlen kann, auch weil man aus ihm sehr viele Zusammenhänge erfährt, die in den Medien untergehen oder mißverständlich beschrieben werden, deshalb hier auch ein Link zu diesem Podcast. Ich habe aus ihm schon viel Informatives erfahren, das ich bis dahin nicht gewußt hatte, zum Beispiel, daß es egal ist, ob man sich die Hände mit kaltem oder warmem Wasser wäscht, solange man Seife verwendet und darauf achtet, nicht nur alle Finger, sondern auch die Handgelenke zu waschen. Jetzt mal ehrlich: Wer von euch hat bislang beim Händewaschen auf die Handgelenke geachtet? Also, ich nicht. Aber jetzt, da ich es gehört habe, fällt es mir jedes Mal sofort ein, sobald ich die Seife in die Hand nehme. Wahrscheinlich hat sich die Art, wie ich meine Hände wasche, für immer verändert.

Nicht zur Schließung verdonnert, sondern unter Auflagen mit eingeschränkten Öffnungszeiten weiter offen sind Restaurants, allerdings haben die nicht viel davon, denn die Gästezahlen müssen heftig eingebrochen sein. Ein Teil hat sich deshalb schon jetzt entschlossen, lieber ebenfalls vorübergehend zu schließen. Das wichtigere Geschäft ist für Restaurants ja ohnehin abends, und wenn das (bei Schließung um 18 Uhr) wegfällt, können es viele Lokale genausogut ganz bleiben lassen. Ich lief heute aber auch an einem McDonalds vorbei, der zu meinem Erstaunen gähnend leer war. Den hatte ich, egal zu welcher Tageszeit, noch nie anders als gut voll bis brechend voll erlebt.

Der Discounter dagegen war so voll wie immer, was vermutlich mit seiner strategischen Lage direkt an der Haltestelle zu tun hatte. Da gehe ich normalerweise meistens nur dann rein, wenn ich irgendwas beim eigentlichen Einkauf Vergessenes beschaffen muß.

Möglicherweise habe ich mir COVID-19 sogar schon selbst eingefangen, denn ich hatte letzte Woche tatsächlich einen leichten, aber im Lauf der Woche zunehmenden Reizhusten mit Höhepunkt am Wochenende und einem leichten Krankheitsgefühl am Montagmorgen, was beides inzwischen aber wieder abgeklungen ist. Mit unserer derzeitigen Seuche hatte ich das gar nicht in Verbindung gebracht, weil ich ja in meinem Home Office nicht so wahnsinnig viele Kontakte habe, bis mir mein Mann gestern früh erzählte, bei ihm am Arbeitsplatz gäbe es einen Corona-Verdachtsfall. Schutzmaßnahmen im Betrieb? Nada. So lange sich der Verdacht nicht bestätigt, läuft alles so weiter wie immer. Ich mache mich darauf gefaßt, daß mein Mann vielleicht im Lauf der nächsten Tage zur Quarantäne verdonnert werden könnte, und habe im Geiste schon eine Liste an zu erledigenden Arbeiten im Haus erstellt, mit der er sich dann befassen darf. 😏

Aber falls ich tatsächlich Corona gehabt haben sollte, waren die Symptome harmlos, und ich sollte die ansteckende Phase auch schon hinter mir haben: Laut Robert-Koch-Institut sind acht Tage nach Beginn der Symptome keine vermehrungsfähigen Viren mehr vorhanden. Und wer weiß, vielleicht war es ja doch nur eine stinknormale Erkältung. Sollte der Coronaverdacht beim Kollegen meines Mannes sich bestätigen, werde ich vielleicht ja auch getestet, andernfalls werde ich es wohl nie erfahren.

Ab morgen wird für mich dann die Wirkung meiner bevorstehenden beiden Fastentage dann doch wieder interessanter sein als die aktuelle Corona-Lage.



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