Sonntag, 22. März 2020

Corona-Alltag: Mangelware, Einkaufsstrategien und die Klopapier-Massenpsychose

Mein Gewicht heute früh: 99,3 Kilogramm, nachdem ich gestern - wie zuvor bereits befürchtet - mit 98,4 Kilogramm nicht, wie noch zu Wochenbeginn gehofft, die 98 unterschreiten konnte. Daß ich von gestern auf heute nun wiederum nur 900 Gramm mehr auf die Waage gebracht habe, kam ein wenig überraschend, da ich nach zweitägigen Fastenintervallen meistens nach einem Tag Essen deutlich mehr als ein Kilogramm mehr zu verzeichnen habe, und gar nicht so selten sogar mehr als 2 Kilogramm, aber das nehme ich natürlich gerne mit und werte es als weiteres Zeichen, daß ich nichts Grundsätzliches an meiner Herangehensweise verändern muß. Über den Grund für die geringe Zunahme kann ich nur spekulieren; möglicherweise hat es mit dem Temperatursturz gestern zu tun, aber das ist nur aus dem Kaffeesatz gelesen. Und es ist außerdem ziemlich wahrscheinlich, daß der Sprung um weitere 2 Kilogramm dann eben von heute auf morgen geschieht.

Meine Alltagspläne bezüglich COVID-19 haben aktuell eine ähnlich geringe Halbwertzeit wie die der Bundesregierung; ich habe mich nämlich umentschieden, was meinen Plan vom Mittwoch betrifft, nächste Woche gar nicht einzukaufen. Stattdessen will ich gleich am Montag früh einkaufen gehen. Der Grund ist das Hackfleisch, das ich am Mittwoch nicht bekommen habe und das ich vermutlich vorläufig nirgends bekomme, wenn ich zu meinen üblichen Einkaufszeiten losgehe, also will ich ausprobieren, ob das besser funktioniert, wenn ich es so früh wie möglich morgens nach dem Kaffee mache. Ich kaufe eigentlich immer zwei, drei Päckchen Hackfleisch und friere die dann ein. (Einstweilen kaufe ich das immer noch im Discounter.) Weil ich aber keine Ahnung habe, wie der Arbeitsanfall nächste Woche sich im Timing gestalten wird, also morgen der einzige Tag ist, bei dem ich ganz sicher weiß, daß ich keine superdringende Deadline am Vormittag einzuhalten habe, mache ich es doch am besten gleich dann.

Natürlich habe ich, wenn ich schon einmal losgehe, dann auch eine Reihe anderer Artikel notiert, die für meinen Haushalt "systemrelevant" sind und bei denen die Grenze zur "strategischen Reserve" unterschritten wurde. Das mache ich im Prinzip immer, weil ich es hasse, auf den letzten Drücker losrennen zu müssen, nur habe ich gemerkt, daß mein "Nachkaufen!"-Frühwarnsystem den aktuellen Verhältnissen nicht ausreichend angepaßt ist. Wenn man heute nicht sagen kann, was nächste Woche vielleicht auch nicht mehr zu bekommen ist, sollte man mindestens bis übernächste Woche ausreichend Vorräte haben, und das habe ich jetzt auf einige weitere Zutaten ausgedehnt, auf die ich notfalls ggf. vorübergehend verzichten könnte, aber ohne Notfall nicht verzichten möchte, zum Beispiel Parmesan, Schlagsahne und Vanillezucker.

Da ich gestern und heute ohnehin den Kühlschrank und mein Regal mit den Lebensmittelvorräten geputzt habe, hatte ich mit Ausnahme der Tiefkühlsachen alles einmal in der Hand, was gerade vorhanden ist, und fand, daß ich manches doch noch aufstocken sollte. Außer dem Hackfleisch ist glücklicherweise nichts dabei, das gerade als "Mangelware" zu betrachten ist, also bin ich guter Hoffnung, das auch alles zu bekommen.

Zusätzlich werde ich natürlich, da ich schon einmal so früh einkaufe, auch nach einigen Artikeln Ausschau halten, die man neuerdings kaum noch bekommt: Mehl, Trockenhefe und Klopapier. Bin mit allem eigentlich noch im grünen Bereich, aber was das Klopapier betrifft, fängt mein Mann jetzt auf einmal auch an, Panik zu schieben. Gestern wurde ich von ihm gerügt, weil ich seiner Meinung nach im Anschluß an meine Verrichtung zu viel davon verbrauche. Ich wies ihn auf die noch fast volle XXL-Packung Küchentücher hin, die er sich vor Monaten eingebildet hatte, unbedingt kaufen zu müssen und auf die man im Notfall ja auch noch zurückgreifen könnte (und dann würde sie immerhin nicht mehr all diesen Platz wegnehmen, also wäre das aus meiner Sicht gar kein so unerwünschtes Szenario), aber das half nichts.

Dieses Land hat mittlerweile echt eine Klopapier-Psychose. In Stuttgart bekommen mindestens die Drogeriemärkte neuerdings tatsächlich Polizeischutz durch eine Streife, allerdings nur, bis das Klopapier alle ist (was nach ungefähr einer Viertelstunde der Fall sein sollte). Ein Händler im Westerwald hatte die bislang beste Idee, um Klopapier-Hamstern zu unterbinden: Er verlangt für die zweite und jede weitere Packung Klopapier, die von einer Person gekauft wird, einen gesalzenen Aufschlag. Einbrecher haben neben Geld und Schmuck Klopapier als stehlenswerte Wertsache entdeckt. Nur unsere Bundeskanzlerin, die bekanntermaßen - und zum Erstaunen internationaler Beobachter - selbst einkaufen geht und dies auch in Zeiten von Corona weiterhin tut, fand in ihrem Supermarkt das begehrte Gut, anders als wir normalen Sterblichen, offenbar weiterhin ganz selbstverständlich noch im Regal vor. Mein Mann, zu dessen Zeit als Werktätiger in der DDR vor Betrieben schon mal die unansehnlichen Rasenflächen grün gefärbt wurden, wenn der Besuch eines höheren Würdenträgers bevorstand, und der sich mit unerklärlichen Phänomenen dieser Art deshalb auszukennen behauptet, nickte nur wissend und mutmaßte, das volle Klopapier-Regal, aus dem Frau Merkel auswählen durfte, sei vermutlich ins Lager zurückgefahren worden, gleich nachdem sie mit ihrem Einkaufswagen in die nächste Reihe gegangen war.

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Update gegen 20 Uhr: Frau Merkel, erfuhr ich inzwischen, mußte sich nun selbst in häusliche Quarantäne begeben, nachdem der Arzt, der sie gegen die bei COVID-19 gefürchtete mögliche Komplikation einer Pneumokokken-Infektion geimpft hatte, nun selbst positiv getestet wurde. Von hier aus die besten Wünsche, daß sie sich nicht infiziert haben möge!

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Also, aus meiner Sicht ist die strategische Reserve an Klopapier in unserem Haushalt noch längst nicht unterschritten, und wenn wir Küchentücher und Tempos auch noch mit einbeziehen, sollten wir frühestens Mitte/Ende Juni zu Zeitungspapier übergehen müssen, was ich aber auch noch nicht als Untergang der Zivilisation betrachten würde. Ich seh also das Problem nicht so recht. Aber sollte ich morgen früh wider Erwarten tatsächlich auf gefüllte Klopapier-Regale stoßen, greife ich zu, damit der Hausfrieden und der ruhige Nachtschlaf meines Mannes gewahrt bleiben. Aber mehr als ein Paket nehme ich nicht. Klopapier horten ist nun wirklich unter meiner Würde. Außerdem weckt man damit im Moment wahrscheinlich unnötig die Aufmerksamkeit von Straßenräubern.

Mit dem morgendlichen Beginn der Öffnungszeiten von Discountern und Supermärkten hatte ich mich zuvor noch nie befaßt, also hat es mich umgehauen, als ich die zwei Läden recherchierte, die ich morgen früh heimzusuchen gedenke: Machten die schon immer morgens um 7 Uhr auf oder ist das neu und coronabedingt? Wie auch immer, das bringt mich in die glückliche Lage, morgen früh tatsächlich in Ruhe kurz vor den Sieben-Uhr-Nachrichten aufzustehen, gemütlich meinen Kaffee zu trinken, mich anzuziehen und dann so zwischen 8 und halb neun in aller Ruhe loszugehen. Damit hoffe ich einerseits den Ansturm der Klopapier-Jäger zu vermeiden, andererseits aber mein Hackfleisch noch zu bekommen; falls nicht im ersten, dann in dem zweiten Laden. Und weil ich schon einkaufen gehe, werde ich nachher noch den auf die achtzig zugehenden Nachbarn im ersten Stock anrufen und sagen, falls ich ihm irgendwas mitbringen soll, soll er morgen früh einfach einen Zettel an seine Türklinke hängen.

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