Freitag, 9. Februar 2024

Universaldilettantin und hartherziges altes Weib

Mein Gewicht heute früh nach dem vierten von vier Fastentagen: 74,1 Kilogramm. Mist, knapp neben dem, was ich eigentlich angepeilt hatte. Aber mir ist schon klar, daß daran vor allem der Beton in meinem Gedärm schuld ist. Mittlerweile tanzt es dort nämlich nicht mehr Tango, sondern fühlt sich eher an wie eine Zusammenballung von Wackersteinen, und kurz spielte ich mit dem Gedanken, ein Abführzäpfchen zu nehmen, aber das wäre ja gemogelt gewesen, und zum Mogeln habe ich eigentlich ja trotz des Scheiterns an der 74-Kilo-Grenze überhaupt keinen Grund, denn jetzt, da ich wieder esse, wird sich das schnell von alleine erledigen. Nächstes Mal kann die Überraschung außerdem andersherum ausfallen, also mal sehen, was in zwei Wochen sein wird.

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Ich habe mich schon öfter gefragt, nach welchen Kriterien eigentlich die Redaktionen der Radio-Nachrichten auswählen, worüber sie berichten, weil es mich manchmal doch sehr in Erstaunen setzt, was diese Redaktionen ausweislich des Inhalts ihrer Nachrichtensendung für wichtig und was für unwichtig gehalten haben. Heute morgen beispielsweise wurde des Langen und des Breiten über das Interview berichtet, das ein US-Journalist, der sogar dem rechtspopulistischen Sender Fox-News zu rechtsradikal gewesen war und deshalb bei ihm rausgeflogen ist, in Moskau von Wladimir Putin, dem dortigen Quasi-Zaren, gewährt worden war. 

Was führte dazu, daß die Radionachrichten in - für dieses knappe Format - geradezu epischer Breite darüber berichteten, daß Putin einen Angriff auf Polen oder andere Natoländer in diesem Interview ausgeschlossen habe? Denn welchen Nachrichtenwert soll das haben? Putin sagt viel, wenn der Tag lang ist. 2008 hat er nach dem Angriff auf Georgien beispielsweise einen auf die Ukraine ausgeschlossen. Wenn Putin etwas sagt, ist das völlig bedeutungslos, weil er in den vergangenen zwanzig Jahren viele Male irgendwelche Dinge gesagt, aber dann das Gegenteil getan hat. Man kann seine Äußerungen aber noch nicht mal nutzen, um sich darauf vorzubereiten, daß er das Gegenteil tun wird, denn immer ist das auch nicht der Fall. 

Kurz, was Putin sagt, ist einfach bedeutungslos. Es läßt keine Rückschlüsse auf das zu, was er tun wird.

Schon vor Jahren hätte deshalb jeder vernünftige Nachrichtenredakteur irgendwelche gezielt in die westliche Öffentlichkeit geschickte Äußerungen Putins nur noch in begründbaren Ausnahmefällen überhaupt zur Verbreitung in den Nachrichten aufgegriffen - aber das Gegenteil ist der Fall, über so was wird in der Regel sogar in den Radionachrichten mit ihrer winzigen Auswahl an Nachrichten immer besonders ausführlich gesprochen, was wiederum bedeutet, daß andere Nachrichten deshalb nicht gebracht werden können.

Mir geht es hier noch nicht einmal um eine Bezichtigung des Senders, absichtlich oder unabsichtlich Propaganda zu verbreiten (obwohl auch das seine Berechtigung hätte), sondern um die Verschwendung der Lebenszeit ihrer Hörer an reine "Nicht-Nachrichten" - so sinnloses Zeug, als würden sie im Wetterbericht sagen: "Entweder es regnet oder es bleibt trocken." Oder auch "Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder e bleibt, wie es ist." 

Das betrifft auch nicht nur Putin, sondern alle möglichen Themen. Obwohl ich einsehe, daß es tricky ist, die richtige Mischung zu finden, ärgert es mich doch, daß auch in ganz offensichtlichen Fällen wie diesem Nachrichtenzeit verschwendet wird, in der man genausogut auch relevantere Neuigkeiten hätte weiterverbreiten können.

Ich würde deshalb echt gerne mal erfahren, wer diese Nachrichten immer auswählt und was für Gründe er hat, seine Auswahl so und nicht anders zu treffen.

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Als Universaldilettantin, die mit einiger Neugier gesegnet ist (oder mit ihr geschlagen, wie ich das werte, hängt von meiner Tagesform ab), habe ich neben Low Carb, Intervallfasten, Krebs und Flohmärkten sowie der notorischen Unfähigkeit unserer Medien, ihre Informationspflichten zu erfüllen, und etlichen Interessengebieten, die ich hier überhaupt noch nie oder nur nebenbei angesprochen habe, als ein weiteres meiner Hobbys den Immobilienmarkt. Der regt mich manchmal zu Blogbeiträgen zu diesem Thema an. Insbesondere wenn ich mal wieder mit dem Expertenwissen konfrontiert werde, wie es so häufig durch die Medien verbreitet wird. Prognosen aus diesen Kreisen kranken nämlich genau an denselben Defiziten wie etwa Klimaprognosen oder viele epidemiologische Studien: Sie berücksichtigen nur einen Teil der Faktoren, die zwar für sich genommen richtig sein mögen, aber weil andere Faktoren fehlen, deren Einfluß ebenfalls - und je nach konkreter Fragestellung manchmal auch eine wichtigere - Rolle spielt, trotzdem keine vernünftige Handlungsgrundlage für diejenigen bieten, die über einen Immobilienkauf oder -verkauf eine Entscheidungsgrundlage suchen. Mir tun die Leute deshalb immer ein bißchen leid, denen in diesem Bereich die eigene Erfahrung fehlt, weshalb ihnen gar nichts anderes übrig bleibt, als sich auf Experten zu verlassen.

Die Tagesschau trompetete jüngst etwa mal wieder durch die Welt: Hurra, der Abwärtstrend bei den Immobilienpreisen sei nun aber wirklich und endgültig seit dem letzten Quartal 2023 gestoppt. Diesmal sei es auch - unausgesprochen, aber zutreffend: anders als bei gleichlautenden früheren Prognosen - wirklich wahr, so die Tagesschau am 1.2.2024. Das hätten die Experten des IW herausgefunden.

Den Abwärtstrend bei den Immobilienpreisen wurde von den Medien samt den Experten, auf die sie sich beriefen, erst mit reichlich Verspätung wahrgenommen. Er setzte mit den steigenden Hypothekenzinsen (siehe Grafik weiter unten) bereits kurz nach dem Jahreswechsel 2021/2022 ein und war einige Wochen später, als dieser Zinsanstieg immer steiler wurde, für mich schon so deutlich erkennbar, daß ich die Sache am 1. April 2022 in meinem Blog angesprochen habe, als davon bei Experten noch nicht die Rede war. Zu diesem Zeitpunkt war ein Sinken der Angebotspreise zwar noch nicht erkennbar, aber sehr wohl ein rascher Anstieg bei der Zahl der angebotenen Objekte: Die Anbieter bekamen ihre Immobilien zu den noch Ende 2021 akzeptierten Preisen nunmehr nicht mehr verkauft.

Warum diese Entwicklung plausibel ist und von mir bereits erwartet worden war, darauf komme ich später noch zurück. 

Die Experten und ihre Sprachrohre, die Medien, sahen diese Entwicklung indes erst ein, als sie sich an sinkenden Preisen in Kaufverträgen und - ungefähr um die gleiche Zeit - erstmals auch in niedrigeren Angebotspreisen bemerkbar machte und deshalb nicht mehr abstreiten ließ. Aber abfinden mochten sie sich damit aus irgendwelchen Gründen trotzdem noch lange nicht. Die erste Trendwende zurück zu steigenden Preisen rief die Tagesschau im Frühjahr 2023 aus, mußte aber schon wenige Wochen später wieder zurückrudern, weil die Verkaufszahlen das Gegenteil belegen konnten.Wieder ein paar Wochen später verkündete sie erneut die Trendwende, die in der Praxis allerdings wieder nicht eintrat

Nun wurde also die dritte Trendwende ausgerufen. Was steckt dahinter? Und ist es diesmal wirklich wahr?

Die Antwort ist ganz einfach. Dafür braucht man weder ein Prophet zu sein noch Experten zu bemühen, und die Tagesschau schon gar nicht. Es reicht völlig, die Entwicklung der Hypothekenzinsen seit Ende 2021, dem Preishöchststand bei Immobilien, anzuschauen:

 

Im Jahresvergleich des Gesamtjahrs 2023 sind die Hypothekenzinsen gegen Jahresende auf einem niedrigeren Stand als den größten Teil des Jahres davor. Das führte dazu, daß Immobilienkäufer, die ohnehin schon in Kontakt mit ihrer Bank wegen eines Hypothekendarlehens waren, schneller zuschlugen, weil sie ihr Darlehen zu günstigeren Konditionen als bei der ursprünglichen Verhandlung bekommen konnten. Das hätten sie außerdem nicht getan, wenn sie weiter sinkende Zinsen erwarten würden. Ob es zu einem weiteren Sinken kommen wird, darüber sind sich übrigens auch die Experten nicht einig. Tatsache ist, die Zinsen bewegten sich auch Ende 2023 noch im Rahmen der Spektrums des Gesamtjahrs, wenn auch am unteren Ende. Bis Stand heute haben sie sich auch nicht weiter nach unten bewegt. Meine Hausbank verlangt für zehnjährige Zinsbindung nach wie von 3,2 Prozent. Aber immerhin, seit gut einem Jahr nervt sie mich in regelmäßigen Abständen mit Angeboten für eine Anschlußfinanzierung des Darlehens, das ich im Herbst durch einen Wohnungsverkauf ablösen möchte, und die dabei geforderten Zinsen lagen auch schon um bis zu einen halben Prozentpunkt höher.

Was merkwürdigerweise von den Experten nur selten oder nur ganz nebenbei angesprochen wird: Die Preise auf dem Markt für Wohnimmobilien hängen zum größten Teil von den Hypothekenzinsen ab, und zwar deshalb, weil nur ein Bruchteil aller Immobilienkäufer den Kaufpreis einfach aus seiner Portokasse nehmen kann, also die meisten ein Hypothekendarlehen in Anspruch nehmen müssen. Wie zentral deshalb die Rolle der Zinshöhe ist, anhand eines vereinfachten Rechenbeispiels mit einem Darlehensbetrag von 400.000 Euro und 2 % anfänglicher Tilgung. Ich unterstelle dabei, der Kaufpreis entspricht dem Darlehensbetrag und die Kaufnebenkosten werden durch das Eigenkapital abgedeckt. 

Den Faktor, daß 100 % Finanzierung auch höhere Zinsen bedeutet, lasse ich der Einfachheit halber hier ebenso unberücksichtigt wie die Frage der Zinsbindungsfrist. Gehen wir einfach mal von den reinen Prozentzahlen aus.

  • Hypothekenzinsen bei 4 %: 2000 Euro monatliche Belastung (24.000 Euro jährlich, davon 8000 Euro Tilgung und 16.000 Euro Zinsen)
  • Hypothekenzinsen bei 3 %: 1670 Euro monatliche Belastung (20.000 Euro jährlich, davon 8000 Euro Tilgung und 12.000 Euro Zinsen)
  • Als ich 2019 meine letzten beiden Wohnungen gekauft haben, lagen die Zinsen aber bei um die 1 %, und das wären für dieselbe Finanzierung nur 12.000 Euro pro Jahr, also 1.000 Euro monatliche Belastung, gewesen (8000 Euro Tilgung und 4000 Euro Zinsen). 
  • Allerdings liegen die Immobilienpreise aktuell immer noch höher als 2019. Für ein Objekt, das jetzt 400.000 Euro kosten würde, hätte ich damals höchstens 350.000 Euro bezahlt, wahrscheinlich sogar noch ein bißchen weniger.  Bei einem Kaufpreis von 350.000 Euro hätten sich die jährlichen Kosten für dasselbe Objekt so zusammengesetzt: 7000 Euro jährliche Tilgung. 3500 Euro Zinsen - finanzieller Gesamtaufwand pro Jahr 10.500 Euro, das sind 875 Euro monatliche Belastung
  • Im ersten Halbjahr 2022 hätte dasselbe Objekt aber nicht 400.000, sondern zwischen 500.000 und 600.000 Euro gekostet, als Ergebnis einer irrationalen Geisterbahnfahrt am Immobilienmarkt zwischen 2019 und 2021, die die Immobilienpreise in eine Höhe getrieben hatten, die ohne die Niedrigzinsen von weniger als 1 % schlicht nicht mehr finanzierbar waren. Bei 4 % Zins hätte das auch bei einem vergleichsweise vorteilhaften Kaufpreis von exakt 500.000 Euro einer monatlichen Belastung von 2500 Euro (30.000 Euro jährlich, davon 10.000 Euro Tilgung und 20.000 Euro Zinsen) entprochen. So hoch lagen die Zinsen im ersten Halbjahr 2022 aber noch nicht. Aber auch bei 2,5 %, die ab dem Frühjahr mindestens verlangt wurden, lag die monatliche Belastung bei 1875 Euro (22.500  jährlich, davon 10.000 Euro Tilgung und 12.500 Euro Zinsen)
  • Zum Vergleich: Nur einen Monat früher, im Dezember 2021, als die Zinsen bei ca. 0,7 bis 0,8 Prozent lagen, hätte derselbe Kaufpreis eine monatliche Belastung von 1166 Euro bedeutet (14.000 pro Jahr, davon 10.000 Euro Tilgung und bei 0,8 % Zins 4000 Euro Zinsen)

1875 Euro monatlich, das lag ein gutes Stückchen höher, als zu diesem Zeitpunkt auch von richtig raffgierigen Vermietern an Kaltmiete für vergleichbare Objekte verlangt wurde. Im Dezember wäre der Käufer trotz der hohen Kaufpreise noch besser als ein Mieter drangewesen. 

Die Immobilienpreise mußten also sinken, denn niemand, der bei Verstand ist, würde unter solchen Umständen kaufen wollen, anstatt zu mieten. Das galt noch mehr, als die Zinsen auf zwischen 3 und 4 % weiterstiegen.

Auch mit den aktuell etwas niedrigeren Zinsen und den gesunkenen Kaufpreisen liegt die monatliche Belastung für dieselbe Immobilie heute fast doppelt so hoch wie 2019, wenn auch immerhin um fast ein Drittel niedriger als in der ersten Jahreshälfte 2022. Mit den Mietern - die Mieten sind ja in der Zwischenzeit weiter gestiegen - sind die Käufer ihre Kosten betreffend fast wieder auf Augenhöhe. Da Banken Hypothekendarlehen aber nur dann vergeben, wenn sie überzeugt davon sind, daß der Darlehensnehmer die finanzielle Belastung auch stemmen kann, bedeutet das, daß immer noch weniger Kaufinteressenten von ihrer Bank einen Daumen hoch bekommen werden als 2019. Denn bei wem hat sich das Einkommen zwischen 2019 und heute denn verdoppelt?

Eine Trendwende ist die Entwicklung im vierten Quartal 2023 aber auch aus anderen Gründen noch nicht. Die gibt es - behaupte ich - erst, wenn sich der Wohnungskauf auch für Kapitalanleger rechnet, und das ist im Moment noch nicht der Fall. Anders als für Eigennutzer kommt es hier ausschließlich auf die erzielbare Rendite an, und die ist im Moment im Vergleich zu risikolosen Anlageangeboten der Banken noch zu niedrig. Meine Hausbank zum Beispiel bietet gerade 2,6 Prozent für 24 Monate Festgeld. Weniger als 3,6 Prozent Nettorendite bei Vermietung, mit der ja immerhin auch gewisse Risiken verbunden sind, macht eine Kapitalanlage in Mietwohnungen deshalb im Moment zu einer eher nicht empfehlenswerten Geldanlage. 

Bei Neuvermietung einer leerstehenden Wohnung kann das unter Umständen klappen, da auch die Mieten in den letzten Jahren gestiegen sind. Aber die Miete, die man für eine ausreichende Rendite verlangen muß, liegt immer noch am oberen Rand des möglichen Spektrums und ist damit mit zusätzlichen Ausfallrisiken verbunden, etwa durch längere Leerstände zwischen zwei Mietverhältnissen. Sogar dann, wenn kein Darlehen erforderlich ist, sondern der Kaufpreis bereits auf dem Konto ist, liegt es aus meiner Sicht nicht sonderlich nahe, bei den aktuellen Preisen zuzuschlagen. Ich jedenfalls würde lieber das 24-Monate-Angebot meiner Bank wählen und abwarten, ob die Relationen sich nach Ablauf dieser Zeit vielleicht doch verbessert haben.

Der Marktbericht des IW nimmt deshalb meines Erachtens den Mund zu voll, wenn er auf Basis der Kaufverträge eines einzelnen Quartals von einer "Bodenbildung" der Immobilienpreise und gar von einer "Kehrtwende" am Immobilienmarkt schreibt. Falls die Mieten so weitersteigen wie im Moment, wäre das bei gleichbleibenden Immobilienpreisen meiner Meinung erst in einigen Jahren zu erwarten. Falls die Immobilienpreise weiter sinken sollten, nähern sich die beiden Variablen einander von beiden Seiten an, dann könnte es schon 2026 oder 2027 der Fall sein.

Das ist wie beim Stoffwechsel: Der Markt strebt eine Homöostase an und bewegt sich so lange, bis sie erreicht wird. ;-)

Es gibt noch einen weiteren Faktor, der gegen eine Kehrtwende auf dem Immobilienmarkt - jedenfalls in meiner Stadt - spricht: Die Zahl der Angebote ist nur geringfügig, ungefähr um zehn Prozent, zurückgegangen und steigt mittlerweile wieder an. Sie ist weiterhin mehr als doppelt so hoch wie Anfang 2022. Das kann in anderen Regionen freilich anders ausehen, und mein Interesse ist regional begrenzt, also kann ich für andere Städte und deren Einzugsgebiete nicht viel sagen. Aber für eine Kehrtwende müßte man einen kontinuierlichen Rückgang beobachten können, ähnlich wie 2022 ein kontinuierlicher Anstieg der Zahl der Angebote zu sehen war.

Interessanterweise ist der Preissturz bei kleineren Wohnungen deutlich geringer ausgefallen und fällt bei der, die ich im Herbst verkaufen will, verblüffenderweise sogar kaum ins Gewicht. Ich beobachte dieses Preissegment natürlich besonders genau, und meine Preisvorstellung zur Zeit des Preishöchststands bei Niedrigstzinsen vor zweieinhalb Jahren lag gerade mal 10.000 Euro höher als meine jetzige. Daß ich preislich im marktüblichen Rahmen liege, erkenne ich daran, daß Wohnungen dieser Größe im angebotenen Preisbereich immer nur eine Handvoll sind und ein solches Objekt auch immer wieder sehr schnell aus den Angeboten verschwindet, also wohl meistens schnell verkauft worden ist. Da ich den Verkauf wieder selbst organisieren werde, ohne einen Makler dafür zu bemühen, ist mein Angebot ja auch für den Käufer finanziell vorteilhafter als viele von den Objekten, die bei Immoscout ständig kommen und rasch wieder gehen. Falls bis zum Herbst keine Gamechanger alles wieder auf den Kopf stellen, bin ich zuversichtlich, daß das reibungslos funktionieren wird.

Möglicherweise spielt bei der relativen Preisstabilität kleiner Wohnung ja eine Rolle, daß an Wohneigentum Interessierte aufgrund der Grenzen, die ihnen die Finanzierungsbereitschaft ihrer Bank setzt, jeweils auf die nächstkleinere Objektgattung ausweichen und so auch kleine Objekte dafür interessant geworden sind, und vielleicht auch, daß preisgünstige Objekte häufiger erworben werden können, ohne dafür ein Darlehen zu benötigen. Speziell meine Wohnung liegt renditetechnisch ziemlich genau an der Grenze dessen, ab dem eine Vermietung für den Erwerber beim von mir angedachten Kaufpreis schon ein wenig rentabler wäre als Festgeld, wobei bei der Miete außerdem noch Luft nach oben ist. Angesichts der Knappheit kleinerer Objekte, die ja auch von wohlhabenden Eltern gerne für ihre studierenden Kinder erworben werden, fürchte ich aber, daß mein Mieter eine Eigenbedarfskündigung bekommen wird, falls er die Wohnung nicht selbst kaufen kann.

Es wäre ein echter Glücksfall, falls die aus welchem Kaffeesatz auch immer gelesene Prognose des IW, die Hypothekenzinsen würden dieses Jahr tatsächlich noch weiter sinken, zum Zeitpunkt meines Wohnungsverkaufs eingetroffen sein sollte. Denn das erhöht die Chancen, die Wohnung einfach an meinen Mieter zu verkaufen, und davor haben die Götter natürlich die Bereitschaft seiner Bank gesetzt, ihm das zu finanzieren. Ich bin mir nach wie vor nicht sicher, ob das wirklich klappen wird - aber je niedriger die Zinsen, desto näher ist seine monatliche Belastung dann seiner Mietbelastung, und mit den Mietzahlungen, das kann ich bestätigen, hat es bislang immer reibungslos geklappt. Falls er schufatechnisch keine mir unbekannten Leichen im Keller hat, sehe ich also eigentlich keinen Grund, warum seine Bank ihm das nicht finanzieren sollte.

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An der kulinarischen Front habe ich heute zur Feier der Nahrungsaufnahme nach dem Fasten eine Art Hybridversion aus der Keto-Variante der türkischen Pogacsa und der ungarisch-donauschwäbischen Pogatschen meiner Großmutter ausprobiert, einer Mischung aus Mehl und Grieß, Butter und saurer Sahne (ohne Hefe oder Backpulver). Mehl und Grieß ersetzte ich durch eine Mischung aus gemahlenen Mandeln und geraspeltem Mozzarella und ergänzte das Ei und das Backpulver aus der türkischen Fassung in der Annahme, daß Ei unverzichtbar ist, damit das Ergebnis nicht zu bröselig wird.

Der Teig erwies sich mit den ursprünglichen Mengenangaben freilich als viel zu weich - ich glaube, die saure Sahne lasse ich nächstes Mal ganz weg, zumal die Eier vom Wochenmarkt so groß sind, daß das eine Ei alleine schon den Teig zu weich macht, weshalb ich nachträglich noch mehr Mandeln gebraucht habe. Und von der Butter nehme ich nächstes Mal nur noch halb so viel. Aber die Butter ist es, die dem Geschmack den letzten Pfiff gibt. Das Ergebnis schmeckt tatsächlich sehr ähnlich wie das Original (womit ich gar nicht ernsthaft gerechnet hatte) und hat sogar eine ähnliche Konsistenz (was sicherlich am Grieß im Originalrezept liegt), allerdings ist es bröseliger, als ich mir das eigentlich erhofft hatte. Also mehr Mozzarella, damit die Sache richtig klebt? Ich bleibe dran, denn dieses Rezept hat gute Chancen, wochentags mein Standard-Keto-Frühstück zu werden, falls ich herausfinde, wie ich es anstellen muß, die Pogatschen in einen Zustand zu bringen, in dem man sie auch aufschneiden und belegen kann.

Ich wüßte gerne, was meine Großmutter von Pogatschen aus gemahlenen Mandeln gehalten hätte. Vermutlich hätte sie darüber verständnislos den Kopf geschüttelt und einen ihrer legendären Sprüche losgelassen. Ihr Kommentar zur ersten Jeansjacke meiner Schwester, "Für das Geld hättest du auch eine neue bekommen", geistert noch heute durch unseren familiären Sprachschatz.

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Vorhin habe ich die letzten Päckchen meiner Ebay-Auktionen fortgebracht, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich mir das weiter antun will, da ich vor ein paar Tagen von einem Altkleidercontainer ganz in meiner Nähe - an relativ unauffälliger Stelle im Hof einer Kirche - erfahren habe. Ebay frißt mir doch zu viel Zeit, gemessen an dem, was dabei herumkommt, und wenn irgendwas dabei schiefgeht - was immer mal passieren kann - ist der Aufwand noch höher. Heute habe ich mich vergewissert, daß dieser Container, von dem ich gesprächsweise hörte, wirklich existiert, und hatte dabei eine merkwürdige Begegnung. Eine junge Frau, ganz in Schwarz gekleidet, mit einem auffälligen silbernen Kreuz an einer Kette, sprach mich an. Ich tippte auf eine Osteuropäerin, aber ihr Deutsch war gut und sogar fast akzentfrei. Ob hier der Eingang zum Friedhof sei, wollte sie wissen. Ich zeigte ihr, wo sie den Eingang finden würde, und nahm an, daß sie auf dem Weg zu einer Beerdigung sei. Aber sie ging nicht weiter, sondern fragte, etwas zögernd, ob ich nicht eine Haushaltshilfe bräuchte, zum Putzen und was sonst so anliege. 

Das kam so überraschend, daß ich auch einen Moment zögerte. Jahrelang hatte ich eine sehr nette Putzhilfe und habe mir vor allem deshalb keine neue gesucht, als sie zu unser beider Bedauern krankheitshalber den Beruf aufgeben mußte, weil es wirklich schwierig ist, jemanden zu finden, der das nicht auf Schwarzarbeitsbasis oder als Minijob macht, und ich beides nicht wollte. Inzwischen komme ich aber ganz gut ohne aus, es hat sich in meinem Alltag ein praktikabler Putzrhythmus gefunden. Andererseits klappt es mit dem Treppendienst bei uns im Haus so schlecht, daß ich wirklich schon überlegt habe, ob die saumseligen Nachbarinnen und ich nicht zusammenlegen und uns wenigstens für eine regelmäßig geputzte Treppe jemanden engagieren sollten.

Aber doch nicht einfach jemanden, der mich auf der Straße angesprochen hat! Warum suchte sie sich außerdem nicht übers Wochenblatt oder, falls das ihr auch noch zu teuer ist, über ein Gratisportal oder einen Handzettel an einer Straßenlaterne einen Job? Putzfrauen werden schließlich händeringend gesucht. Das fragte ich sie, und sie antwortete, weil sie keine gültigen Papiere habe. Aber illegal im Land sei sie nicht, sie habe ein Drei-Monats-Visum. Angeblich fährt sie bei Ablauf des Zeitraums immer wieder zurück in ihre Heimat Bosnien und beantragt nach gegebener Zeit ein neues, und das, sagte sie, mache die Arbeitssuche schwierig, denn niemand wolle jemanden beschäftigen, der nach drei Monaten nicht mehr verfügbar sei.

Von dem Moment an war die Sache mir suspekt. Wieso soll ich glauben, daß jemand, der eine Schwarzarbeit sucht, indem er auf der Straße Leute anspricht (denn etwas andere wäre ja gar nicht möglich gewesen), sich so penibel an das Aufenthaltsrecht hält? Und wo hat sich die Frau eigentlich ihr fließendes Deutsch angeeignet, wenn nicht in Deutschland, wo sie dann schon entsprechend lange leben müßte? Und dann ihre seltsame Aufmachung. Das Kreuz, das sie trug, hätte eigentlich eher zu einer Ordenstracht gepaßt, und ihre schwarze Kleidung erinnerte in der Tat auch ein wenig an eine Klosterschülerin. 

Vom Friedhof oder daß sie dort hinmüsse, war nun auf einmal auch keine Rede mehr. Der Friedhof war offenbar nur ein Vorwand gewesen, um mich anzusprechen. Und die schwarze Kleidung war Teil dieses Vorwands. Trotzdem sah ich keinen Grund, nicht weiter freundlich mit ihr zu sprechen, aber ich wappnete mich nun bereits dafür, daß sie am Ende Geld von mir haben wollen würde, weil ich mir beim besten Willen nicht vorstellen konnte, aus welchem anderen Grund sie diese sonderbare Scharade aufführte. Ich empfahl ihr, sich von Bosnien aus um eine Ausbildung in ein paar deutschen Kliniken oder Altenheimen zu bewerben. Ihr gutes Deutsch biete ihr ja überdurchschnittlich gute Grundvoraussetzungen. Das sei in Bosnien schwierig, sagte sie. Erstens ist es ja kein EU-Land und zweitens seien die Behörden dort alle korrupt, ohne Schmiergeldzahlungen laufe da nichts. Aber niemand in einer bosnischen Behörde könne sie doch daran hindern, sich online irgendwo in Deutschland zu bewerben, wandte ich ein. Und so verzweifelt, wie unser Gesundheitssystem nach Mitarbeitern sucht, könne ich mir gut vorstellen, daß manche Kliniken - oder auch Altenheime - ihr diesen Teil des Problems abnehmen würden. Vielleicht hätten manche ja sogar schon Erfahrung damit, die Personalknappheit sei ja schon länger ein Problem. Ja, lenkte sie ein, das werde sie mal ausprobieren. Aber nach Bosnien fahre sie erst in einem Monat bei Ablauf ihres Visums zurück. Im Moment sei sie in Deutschland, und es sei unglaublich schwer für sie ...

Sie ließ mir dabei ausreichend Sprechpausen übrig, daß ich hätte einhaken können, sie etwa fragen, wo sie eigentlich im Moment wohne und von was sie lebe. Aber den Gefallen tat ich ihr nicht, denn das war erkennbar die Überleitung, um nun zu der Sache mit dem Geld übergehen zu können. So einfach wollte ich es ihr dann doch nicht machen. Und so wurde sie in den nächsten Sätzen immer deutlicher und weil ich nicht darauf einging, sprach sie es schließlich ganz direkt an: Ob ich ihr denn nicht "helfen" könne. Das Wort "Geld" sprach sie nicht aus, aber es ging ihr eindeutig um genau diese Art von Hilfe. Denn auch vom Putzen war nun nicht mehr die Rede.

Ich sagte freundlich, aber bestimmt nein. 

Ich habe das auch nicht begründet, weil ich mich ja nicht dafür rechtfertigen muß, jemandem, der mich auf der Straße um Geld bittet, kein Geld zu geben. Und danach verabschiedete sie sich dann auch sehr schnell - und höflich, das sei zu ihren Gunsten gesagt - und ging ihrer Wege. Wieder in Richtung Friedhof, wo sie, so meine Vermutung, nach einer anderen Person suchte, der ihr nicht etwa eine Putzstelle - denn wer macht sowas denn, jemanden, den er nicht kennt, von der Straße weg in die eigene Wohnung hinein zu engagieren? -, aber vielleicht ja aus Mitleid oder schlechtem Gewissen wegen seines Mißtrauens, das sie daran hindert, sich durch ehrliche Arbeit ein paar Euro zu verdienen, einen Zehner oder Zwanziger geben würde. Ist ja nicht jede so ein hartherziges altes Weib wie ich.

Jetzt frage ich mich, wer diese Frau wohl wirklich war und was hinter dieser Sache steckt. Ist das eine neue Strategie, die bandenmäßig eingesetzt wird, oder war das ihre eigene Geschäftsidee? Und angenommen, ich hätte ihr eine Putzstelle angeboten, was wäre dann wohl passiert? Hätte sie sie vielleicht doch angenommen oder sich, wie ich vermute, irgendwie herausgeredet? Und im ersten Fall: Wäre das gutgegangen oder hätte mir das einen Besuch einer Einbrecherbande beschert?



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