Mein Gewicht heute früh: 82,7 Kilogramm, nachdem ich vorgestern nach drei Fastentagen, wie ja schon vorher erwartet, mit 80,1 knapp über der 80 geblieben war. Die Sieben werde ich voraussichtlich erst in zwei Wochen im Anschluß an das erste viertägige Fastenintervall seit der letzten Chemo im März wiedersehen, aber das ist völlig okay. Worauf ich aber schon richtig gespannt bin, ist, in welchem Tempo ich während der Bestrahlung abnehmen werde, weil ich außerhalb der Fastentage zwar Low Carb essen werde, aber nicht ununterbrochen, sondern nur montags bis freitags. Ich nehme deshalb mal an, jedenfalls das Körperwasser wird sich übers Wochenende jedesmal wieder nach oben regulieren.
Rein theoretisch sollte ich für die Monate Juni und Juli zusammengenommen aber eigentlich ein bißchen mehr als die obligatorischen zwei bis maximal drei Kilo minus einplanen können, mit denen ich andernfalls gerechnet hätte: Erstens weil die vier Fastentage am Stück für meinen Stoffwechsel nach fast drei Monaten nun wieder etwas Neues sind und deshalb stärker reinhauen müßten, und zweitens, weil Low Carb nach mehr als zwei Monaten ebenfalls wieder neu ist.
Was tatsächlich passieren wird, werden wir dann ja sehen.
Inzwischen habe ich entschieden, daß ich ab jetzt keine Perücke mehr tragen werde, obwohl meine Haare immer noch extrem kurz sind. Es hat sich aber gezeigt, daß mir rappelkurze Haare viel besser stehen, als ich das erwartet hatte. Es paßt zu meiner in den letzten Jahren ja ebenfalls veränderten Gesichtsform.
So ein bißchen sehe ich auf dem Kopf gerade schon noch nach Sinead O'Connor aus. Aber eigentlich gefällt es mir schon jetzt mindestens halbwegs, wie ich aussehe (obwohl ich optisch gegen Sinead O'Conner zur Zeit ihres Mega-Hits natürlich nicht anstinken kann), und ich bin am Überlegen, ob ich vielleicht sogar dauerhaft bei einer Superkurz-Haarlänge bleiben soll. Einen Kurzhaarschnitt habe ich ja schon lange, aber natürlich entspricht das, was ich jetzt habe, einer ganz anderen Definition von "kurze Haare".
So was nennt man einen "Buzz Cut", habe ich mir sagen lassen, also einen Haarschnitt, bei dem man einfach mit der Haarschneidemaschine drüber"buzzt" und fertig ist der Lack. Hört sich ja auch vom Handling her gut an. Als ich meinen Mann aber fragte, ob er mir das dann mit seiner Haarschneidemaschine bearbeiten könne, reagierte er geradezu panisch und lehnte total entsetzt ab. Er rasiert sich die Haare immer komplett bis zur Kopfhaut ab, weil er, so seine Begründung, mit den Aufsätzen der Maschine nicht zurechtkommt und sich beim Schneiden zu leicht verhaut und dann total verboten aussieht. Wenn er sich eine richtige Platte rasiert und es dann wieder zwei, drei Wochen wachsen läßt, sei die Sache wenigstens gleichmäßig.
Nun gut. Dann soll er mir eben erklären, wie es theoretisch funktionieren sollte, und dann probiere ich es halt selber. So schwierig kann das doch eigentlich nicht sein, schließlich habe ich seit Coronazeiten meine Haare bloß mit Schere und Augenmaß geschnitten, und das ging auch - falls es einmal nicht so toll aussah, dauerte es halt ein paar Tage, bis man davon nichts mehr bemerkte. Einstweilen dürfen meine Haare aber gerne noch ein bißchen weiterwachsen, und ich beobachte erst einmal nur, welche Länge mir am besten gefällt und ab wann ich das Gefühl habe, jetzt müßte ich langsam mal abmähen. Es dürfen im Moment natürlich gerne noch ein paar Millimeter mehr werden.
Mir haben so viele Leute schon erzählt, daß die Haare nach einer Chemo erst einmal lockig wiederkommen, aber dafür erkenne ich im Moment bei mir keine Anzeichen. Ich habe allerdings das Gefühl, es ist mehr Grau enthalten als vorher - aber das kann täuschen, denn die allerersten Haare, die herausgekommen sind, waren komplett weiß, und dann kam immer mehr meine normale Haarfarbe, Dunkelblond, dazwischen. Inzwischen sehe ich ziemlich graumeliert aus, und meinem Gefühl nach wird es jeden Tag ein bißchen dunkler. Also mal sehen. Über meine Augenbrauen bin ich ja fast schon erschrocken, als sie wiederkamen, denn so dunkle Augenbrauen habe ich meiner Lebtag noch nie gehabt. "Wer sind Sie und was machen Sie in meinem Spiegel?", hätte ich die Fremde am liebsten gefragt, die mich morgens aus dem Spiegel heraus eine Zeitlang immer so streng angesehen hat. Aber entweder habe ich mich mittlerweile daran gewöhnt, oder die Farbe fängt jetzt langsam doch an, auf den Vorher-Farbton auszubleichen.
Erst jetzt fällt mir außerdem auf, wo überall am Körper ich sonst noch Behaarung verloren hatte, die gerade wiederkommt, vor allem an den Unterarmen und sogar auf den Fingern fallen mir feine Härchen auf, deren Verlust ich während der Chemo überhaupt nicht bemerkt hatte. Auch im Gesicht habe ich eine sehr feine Behaarung, die jetzt wieder wächst, ich bemerke sie, wenn ich darüberstreiche, obwohl sie nur zu sehen ist, wenn ich die Brille abnehme und so nahe an den Spiegel gehe, daß ich praktisch meine Nase hineinbohre. Apropos Nase: Worauf ich eigentlich verzichten könnte - aber natürlich ist mir klar, daß das auch wiederkommen wird -, sind diese lästigen Nasenhaare.
Gestern bin ich zwar ohne Perücke, aber dafür mit einem Sommerhut um Wochenmarkt gegangen, nicht weil ich meinen Kopf noch verstecken wollte, sondern weil sich das bei so sonnigem Wetter einfach anbietet. Bislang habe ich den Hut immer nur zu Flohmärkten aufgezogen, das hat sich irgendwie zu einer Tradition verfestigt, weil es einfach angenehmer ist, wenn man gut behütet ist, wenn man von vornherein weiß, man wird lange, womöglich bei strahlendem Sonnenschein, unterwegs sein. Mein Mann, der ja Erfahrung mit einem Kopf ohne bzw. mit sehr kurzem Haupthaar hat, wies mich nämlich auf die Sonnenbrandgefahr hin, und das möchte ich natürlich nicht, meine Kopfhaut anrösten. Es stellte sich allerdings heraus, daß der Hut mit rappelkurzen Haaren viel lockerer sitzt, als ich das gewöhnt bin. Zwei- oder dreimal mußte ich ihn wieder einfangen, weil eine Bö ihn mir vom Kopf riß.
Gut eingekauft habe ich trotzdem. Sonst bin ich ja nur in Notfällen samstags auf den Wochenmarkt gegangen, aber jetzt, da wir unsere einzige Mahlzeit des Tages am Wochenende erst um 14:30 haben, läßt sich das leichter einplanen, und vielleicht behalte ich das ja bei, denn letztlich ist es längst nicht so überfüllt dort, wie ich dachte - vielleicht ist das ja abhängig von der Uhrzeit. Außerdem habe ich gestern auch nicht gebacken, sondern in dem sündhaft teuren französischen Feinkostladen ein Baguette, etwas Käse und Paté und Eclairs gekauft. Hat mich doppelt so viel gekostet wie die Äpfel, Erdbeeren, neuen Kartoffeln, Eier und das Gemüse auf dem Wochenmarkt, an denen ich mich halb zu Tode geschleppt habe, während die Sachen aus dem Laden in eine kleine Papiertüte paßten. Aber ich weiß ja, daß das, was ich dort kaufe, immer jeden Cent wert ist. Dort kriegt man außerdem Käsesorten, die man sonst nirgends bekommt. Viele davon kenne ich überhaupt nicht, deshalb lasse ich mich immer beraten, wenn ich alle paar Monate meinen Anfall bekomme und unbedingt dort einkaufen muß.
Wir haben gestern also gefrühstückt wie Gott in Frankreich. Vor allem die Eclairs waren ein Traum. :-)
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Twitter ist und bleibt eine wichtige Informationsquelle, aber leider auch ein ständiger Quell der Ärgernisse. Zum Beispiel dies hier:
"Calories matter", soso. Der Dr. Eenfeldt ist offenbar nicht aus Versehen, sondern tatsächlich bewußt auf den Kalorientrip zurückgekehrt. Ich würde mir jetzt wohl die Haare raufen, wenn sie dafür nicht noch viel kurz wären, verzichte aber darauf, jetzt lang und breit zu erklären, warum er sich auf einen Holzweg begeben hat, denn darüber habe ich ja schon lange Episteln geschrieben. Aber die Laune hat es mir schon verhagelt, daß jetzt das zu passieren scheint, was ich bereits befürchtet hatte: Daß die Einsicht, daß an der Theorie hinter Low Carb irgendetwas nicht stimmen kann, weil man in der Praxis früher oder später an einen toten Punkt kommt, die Adipositas-Behandler sofort wieder in "ihre alten Verhaltensmuster" zurückfallen läßt, oder genaugenommen: in alte Erklärungsmuster, die noch nie die erhofften Ergebnisse gebracht haben.
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Was mich immer wieder verblüfft, sind solche Äußerungen:
Das Oberarztgehalt, las man ein paar Posts vorher, liegt bei 150.000 Euro.
Ganz ehrlich, ich kann es nicht beurteilen, ob ein solches Gehalt angemessen für einen Oberarzt ist, und ich habe außerdem keinerlei Zweifel daran, daß Klinikärzte zu viele Stunden für ein Gehalt arbeiten müssen, das bei einer Vierzig-Stunden-Woche angemessen wäre. Und das gefällt mir alleine schon deshalb nicht, weil es für Patienten ein unnötig höheres Risiko bedeutet, von einem Arzt behandelt zu werden, der chronisch übermüdet ist.
Aber komisch, darüber beklagte er sich gar nicht. Für das doppelte Gehalt würde er offenbar so weiterarbeiten wollen.
Ich könnte so etwas gar nicht, ohne meinen ausreichenden regelmäßigen Nachtschlaf und sonstige Erholungszeiten ist mit mir rein gar nichts anzufangen. Als stärksten schlägt mir fehlender Schlaf immer aufs Sprachzentrum, ich bringe am Telefon keinen geraden Satz mehr heraus. Deshalb achte ich aus schierem Selbsterhaltungstrieb darauf, daß das nicht zu kurz kommt. Und in übernächtigtem oder chronisch überarbeiteten Zustand einen Patienten behandeln zu müssen und deshalb vielleicht Schaden anzurichten, das fände ich eine richtige Alptraum-Vorstellung. Aber dafür hätte ich wiederum gar kein Problem damit, ein Haus für 700.000 Euro zu finanzieren (in meiner Gegend bekommt man dafür übrigens nur unsanierte Objekte mit Mängeln oder Reihenhäuser), obwohl mein Mann und ich zusammen viel weniger als 150.000 Euro Einkommen haben. Das würde auch meinen Nachtschlaf nicht beinträchtigen, mit Immobilienfinanzierungen habe ich genügend Erfahrung.
Das ist schon kurios, daß jemand, der so einen verantwortungs- und anspruchsvollen Beruf hat, im Umgang mit Geld einen so unbeholfenen Eindruck macht, daß man froh ist, nicht in seiner Haut steckend durch die Welt stolpern zu müssen, sondern seine Angelegenheiten einigermaßen unfallfrei selbst regeln zu können.
Keine Frage aber, in unserem Gesundheitssystem ist der Wurm drin, und das nicht erst seit Corona. Die Ausbeutung von Krankenhausmitarbeitern hat ja schon System, seit ich denken kann, und deren Bereitschaft zur Selbstausbeutung ist, glaube ich, auch schon seit Florence Nightingales Zeiten als Ressource fest im Gesundheitswesen eingeplant. Umso positiver war ich bei meinem Krankenhausaufenthalt überrascht darüber, daß man als Patient überhaupt nichts davon zu spüren bekommen hat und im Gegenteil die Beschäftigten, von den Ärzten über die Pflegekräfte bis zu den Putzfrauen, alle sogar einen ausgesprochen gut gelaunten Eindruck machten. Mit dem besonders fidelen OP-Personal habe ich die ganze Zeit über Witze gerissen, vom Hereinrollen in den OP über die kurze Wartezeit hinweg bis zum Moment, als es ernst wurde. Ich habe noch herumgeblödelt, als die Narkosewirkung einsetzte - ich hoffe, danach lief mein Mundwerk nicht einfach weiter, sondern ich habe wenigstens, während an mir herumgeschnippelt wurde, die Klappe gehalten. ;-)
Habe ich Glück gehabt und die Klinik, in der ich behandelt wurde, ist von der allgemeinen Problematik einfach geringer betroffen? Oder ist das typisch für Menschen in Gesundheitsberufen, daß sie sich mit eigentlich untragbaren Zuständen zu arrangieren bereit sind?
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