Freitag, 16. Juni 2023

Neues Tiefstgewicht und Vitamin-D-Supplementierung

Mein Gewicht heute früh nach vier Fastentagen: 79,1 Kilogramm - das erwartete neue Tiefstgewicht, und sogar einen Ticken tiefer als erhofft. So darf es weitergehen. :-) 

Freilich war es wieder ein bißchen "gemogelt", denn mich hat vom Abend des ersten Fastentags an bis heute früh eine mir bislang unbekannte Variante des flotten Ottos heimgesucht, die ich weder so richtig  dem Fasten noch den Antikörpern zuordnen konnte, es hatte ein bißchen was von beidem, aber auch ein paar neue Elemente. Der ärgerliche Teil daran ist, daß bei Durchfall natürlich wegen des zusätzlichen Wasserverlusts auch Wadenkrämpfe in der Nacht wahrscheinlicher werden, und vor lauter Lauern darauf habe ich letzte Nacht relativ schlecht geschlafen, aber andererseits habe ich es jedes Mal rechtzeitig gemerkt, wenn sich da was anbahnte, und daraufhin einen großen Schluck aus der Wasserpulle am Bettrand genommen, und das hat zuverlässig geholfen. 

Es hätte also schlimmer kommen können. Einmal während der zweiten Chemo-Hälfte ist es mir wahrhaftig passiert, daß ich träumte, ich hätte einen besonders gemeinen Wadenkrampf, der einfach mit nichts wegzukriegen war, und als ich aufwachte, hatte ich wirklich einen, und zwar einen derart fiesen, daß ich ein Weilchen braucht, bis ich überhaupt aus dem Bett und auf die Füße kam. Seine Nachwirkungen konnte ich am Tag darauf noch bis zum Abend spüren.

Inzwischen habe ich meine erste Mahlzeit hinter mir - Käse, Salami, gekochte Eier, Gurke, Paprika und Kohlrabi mit einem Dip, zum Nachtisch griechischen Joghurt mit frischen Erdbeeren - und nehme an, jetzt beruhigt sich die Sache rasch wieder. Falls nicht, probiere ich es heute zum Abendessen mit Linsenpfannkuchen, die haben beim zweiten Teil der Chemo immer super gegen hartnäckiges Grollen im Gedärm gewirkt. 

Heute hatte ich die zweite von 28 Bestrahlungen und kann jetzt den damit verbundenen Zeitaufwand realistisch einschätzen: 1,5 bis 2 Stunden pro Bestrahlungstag kostet mich das schon - 1,5 Stunden nur, wenn die Wartezeiten besonders kurz sind. Und falls ich, wie gestern und heute, hinterher noch andere Erledigungen anhänge,werden es auch leicht drei Stunden und mehr, stellte ich zu meinem Verdruß fest. Aber andererseits, dafür kosten mich jene anderen Erledigungen ja weniger Zeit als sonst. Die Bestrahlung selbst dauert nur zehn Minuten - ich habe heute extra dafür, um das zu messen, meine Armbanduhr drangelassen, weil meine Mutter das wissen wollte. Aber dazu kommen noch Hin- und Rückfahrt, Wartezeit, zweimal Umziehen, und das läppert sich schon zusammen.

Die Bestrahlung ist halb so wild, im Prinzip wie Röntgen, nur dauert es länger, aber da die Sache im Liegen passiert, ist es auch einfach, sich zehn Minuten lang nicht zu bewegen. Während dieser zehn Minuten kommt man sich vor wie bei einer Karussellfahrt, nur fährt das Karussell um einen herum, während man selbst stillliegt. Das sieht ungefähr so aus. Nebenwirkungen bemerke ich bislang keine, aber das war jetzt auch noch nicht zu erwarten. Falls ich welche bekommen sollte, passiert das in ca. zwei bis drei Wochen, so jedenfalls sagte mir das gestern die Ärztin im kurzen Vorgespräch vor der ersten Session.

***

In meinem vorletzten Beitrag hatte ich erwähnt, daß mein Hausarzt mir ein Vitamin-D-Präparat verschrieben hat und daß ich gerne meinen derzeitigen Vitamin-D-Wert im Blut wissen möchte, bevor ich anfange, das zu nehmen. Also habe ich mich in meiner gynäkologischen Praxis mal anzapfen und das Blut - ebenfalls auf eigene Rechnung - nach diesem Wert untersuchen lassen. Eigentlich wollte ich das Ergebnis telefonisch erfragen, aber leider sind die in letzter Zeit personell unterbesetzt und deshalb schwer telefonisch zu erreichen, und es ist mir seit Freitag nie gelungen, zu ihnen auf diese Weise durchzudringen. Also habe ich gestern, nach meiner ersten Bestrahlung, einen Schlenker dort vorbeigemacht - das ist ja gleich gegenüber auf der anderen Straßenseite - und den betreffenden Ausdruck bekommen.

Also, mein Vitamin-D-Wert liegt bei 16,3 Mikrogramm pro Liter (entspricht in der zweiten gebräuchlichen Meßart 40,75 nmol pro Liter) und damit bin ich zwar nicht besorgniserregend stark mangelversorgt, aber es ist doch nicht in einem Bereich, der völlig okay wäre, das gilt ganz besonders in dieser Jahreszeit, in der man ja eigentlich ausreichend Vitamin D von der Sonne bekommt. Wie eigentlich bei allen Meßwerten dieser Art finden sich ganz unterschiedliche Angaben dafür, was noch okay ist und was nicht mehr, aber von allen für optimal gehalten werden Werte zwischen 40 und 60 Mikrogramm. Also werde ich die Tabletten erst mal nehmen, aber beim nächsten oder vielleicht auch übernächsten Besuch bei meinem Hausarzt mein Blut noch einmal untersuchen lassen, um den Wert nach ca. sechs Wochen Einnahme mit dem vor der Einnahme vergleichen zu können. 

Falls ich keine überzeugenden Gegenargumente dafür finde (das halte ich aber für unwahrscheinlich), werde ich mit der Einnahme bis zum nächsten Frühjahr weitermachen. Danach entscheide ich neu, denn eigentlich bin ich kein Fan von dauerhafter Medikamenteneinnahme und will auch das nur weiterverwenden, falls ich gute Gründe dafür habe. Denn es ist gut möglich, daß das jetzige Defizit an Vitamin D noch eine Nachwirkung der Chemotherapie  ist. Komisch, daß ich erst jetzt darauf gestoßen bin, aber sicherlich stand das irgendwo in diesen Broschüren, nur eben mitten in einem ganzen Wust anderer, von mir bewußt sofort überblätterter Dinge, die ich in meinem Fall von vornherein nicht zu machen beabsichtigte, von Atemübungen über psychoonkologische Betreuung bis Yoga. Aber das mit dem Vitamin D ist ja schon etwas anderes: eine offenbar längst bekannte unerwünschte Nebenwirkung von Zytostatika, der in der einen oder anderen Weise gegenzusteuern ich mich bestimmt nicht gewehrt hätte, wäre sie mir nur klar genug gewesen. Diese Begründung hätte mich vielleicht sogar zu Spaziergängen motivieren können, wenn ich auch nicht so weit gegangen wäre, deswegen zu joggen.

Komisch außerdem, daß einerseits nahezu alle sich einig zu sein scheinen, daß Vitamin-D-Mangel bei Krebs vermieden werden sollte, aber andererseits eine Supplementierung beispielsweise von meiner speziellen Freundin, der DGE, sogar ausdrücklich abgelehnt wird, sofern der Patient sein Vitamin D wenigstens theoretisch auch aus natürlichen Quellen beziehen könnte. Vermutlich ist eine Supplementierung auch aus solchen Erwägungen heraus noch keine Kassenleistung, und bis hierhin sehe ich die Sache im Prinzip auch noch halbwegs ein. Absurd finde ich es aber, daß auch die Blutuntersuchung nicht von der Krankenkasse bezahlt wird und deshalb häufig von vornherein gar nicht vorgenommen wird, die Patienten also nicht ahnen können, ob sie einen Vitamin-D-Mangel haben und ihr Arzt vielleicht nicht einmal erwähnt, daß dies eine Bedeutung haben könnte, weil, warum sollte man sich mit Dingen befassen, die man sowieso nicht abrechnen kann?

Es kann aber natürlich auch sein, daß ich generell zu wenig Vitamin D abkriege, bei einem Schreibtischtäter wie mir ist das ja nicht ganz unwahrscheinlich. Womit ich mich deshalb auch noch etwas tiefergehend befassen möchte (sobald meine Kunden mir dafür Zeit lassen), ist die Frage, welchen Einfluß ein zu niedriger Vitamin-D-Spiegel generell auf die Gesundheit hat, sowie, welchen Einfluß eine Supplementierung mit Vitamin-D-Tabletten auf die Gesundheit hat.

Grundsätzlich leuchtet es mir ja ein, daß zu wenig Vitamin D mindestens ein Anzeichen dafür sein muß, daß etwas nicht stimmt, und daß dies Ursache von allerhand Problemen sein kann, die ich allesamt nicht haben möchte - vor allem nicht ausgerechnet jetzt. Mich interessiert aber erstens, wer eigentlich wann und mit welcher Begründung diese Grenzwerte festgelegt hat und ob ich seine Meinung überhaupt teile, und zweitens, ob der Vitamin-D-Mangel wirklich so sicher Auslöser oder vielleicht doch in einigen Bereichen im Gegenteil die Folge eines bestimmten gesundheitlichen Problems ist.

Diese Sache interessiert mich auch deshalb, weil sie zu den unzähligen Faktoren gehört, die innerhalb des Stoffwechsels zusammenwirken, wobei Vitamin D unter Umständen ja bei einer ganzen Reihe von Problemen mit eine Rolle spielen könnte, die dann aber leicht einer anderen Ursache zugeschrieben werden könnten. Zum Beispiel: Wer regelmäßig joggen geht, bekommt sicherlich mehr Vitamin D ab als jemand, der das nicht tut, und die zugehörige gesundheitliche Wirkung wird vielleicht dann doch typischerweise dem Joggen mit zugerechnet. Das Vitamin D ist also ein Faktor, der leicht auch unterschätzt sein kann. Daß ich mich jemals dazu entschließe, zu joggen, halte ich unabhängig davon für absolut ausgeschlossen, für tägliche Spaziergänge fehlt mir die Zeit und, ehrlich gesagt, auch die Lust, aber regelmäßige Aufenthalte an der frischen Luft könnten beispielsweise auch in Gartenarbeit bestehen. Auch wenn es noch ein paar Jährchen dauern wird, bis wir uns unser Häuschen zulegen, ist es gut möglich, daß ich damit das Vitamin-D-Problem dauerhaft erschlagen und nebenbei mindestens von einem vielleicht ja sogar größeren Teil als erwartet derselben Vorteile profitieren könnte, die der Jogger sich von seinem Tun erhoffen kann, das mir einfach zu langweilig wäre, um es selbst zu machen.

Was mich jedesmal so zermürbt, ist, daß das alles so kompliziert ausgestaltet wird, denn einerseits soll man wegen des Vitamin D mindestens dreimal die Woche für ca. zwanzig Minuten mit unbedecktem Gesicht und Armen ohne Sonnenschutz in der Sonne sein, andererseits aber auch nicht allzu viel länger am Stück, weil man sonst sein Hautkrebsrisiko erhöht. Prävention als eine lebenslange Bastelaufgabe mit einem Terminkalender, in dem alle möglichen Präventionsmaßnahmen aufeinander abgestimmt werden müssen - auf dieselbe Weise erbsenzählerisch und teilweise einander widersprechend bzw. nur mit viel Aufopferungswillen miteinander vereinbar, wie mir das schon beim Ernährungsthema so auf die Nerven geht. Daß ich einen solchen Terminkalender garantiert nicht einhalten könnte, weiß ich von vornherein, und so fange ich so etwas gar nicht erst an. Aber ob ich zum Vitamin D mir noch irgendwas ausdenke, das dann allerdings nach der Implementierung in meinen Alltag von alleine funktionieren müßte, das halte ich mir mal offen.

Grinsen mußte ich ja, als die Damen an der Empfangstheke der gynäkologischen Praxis mir mit dem Ausdruck des Blutwerts eine weiteres Rezept für Vitamin-D-Tabletten überreichten, unterschrieben von meinem ersten gynäkologischen Onkologen, der ja nebenbei auch noch Ernährungsmediziner ist, mit dem ich wegen des Fastens so wüst aneinandergeraten bin. Ich weiß nicht, warum er meine Unterlagen überhaupt in die Hand bekommen hat, aber offenbar habe ich ausnahmsweise doch einmal etwas eigeninitativ unternommen, das auch seinen Beifall fand. Das würde sich vermutlich rasch ändern, wenn ich mit ihm anfangen würde, über meine Erkenntnisse über Vitamin D und meine eigenen Schlußfolgerungen zu philosophieren.

Ich will also nicht hoffen, daß mein Neu.doc sich womöglich aus der Praxis zurückzieht und ich auf einmal wieder bei Alt.doc lande, sondern daß er gerade vielleicht im Urlaub ist oder so. Daß in der Praxis Veränderungen ab Juli anstehen, hatte die Chemo-Schwester gesagt, aber keine Details herausgelassen, und es wäre bedauerlich, wenn ich den Onkologen meines Vertrauens verlieren würde. Andererseits, die Nachsorge läuft ja eh über meinen Hausarzt, und ich bin ja weitgehend durch mit dem, wofür ich eine Betreuung durch einen Onkologen benötige, und optimal durch alles durchgekommen. Es hätte vielleicht sogar einen Reiz, meinen vorherigen Onkologen mit der erfreulichen Wirkung meines von ihm so vehement abgelehnten Tuns auf die Chemo-Nebenwirkungen zu konfrontieren. Er hatte übrigens, fällt mir gerade auf, mir gegenüber auch kein Sterbenswörtchen über Vitamin D verloren.

In der aktuellen Situation finde ich eine der möglichen Wirkungen von Vitamin-D-Mangel speziell interessant, nämlich eine erhöhte Infektionsanfälligkeit, die ich seit Ende der Chemo ja tatsächlich habe. Also ist für mich auch von Interesse, ob die Supplementierung dem vielleicht ein Ende machen kann und ich dann in diesem Punkt endlich wieder meine Ruhe habe. Ich werde also beobachten und ggf. berichten.

***

And now for something completely different: 

Ich war ziemlich hingerissen von dem noch gut wahrnehmbaren schwäbischen Akzent Albert Einsteins in einem neu aufgetauchten Film aus dem Jahr 1930, eine Rede zur damaligen Funkausstellungseröffnung. 


Das erinnert mich an "onser Cemle von Bad Urach", denn dem Özdemir hat die Bundeshauptstadt das latente Schwäbisch ja auch in über 20 Jahren nicht austreiben können. (Im Gegensatz zu meinem Bruder, der wohnt ungefähr gleich lange in Berlin und hat gar keinen schwäbischen Akzent mehr.)

Ich habe mal gelesen, daß Schillers "Kabale und Liebe" ums Haar keinen Verleger gefunden hätte, weil der Verleger, der es dann publizierte, in Mannheim saß und sein erster Eindruck von dem Werk darin bestand, daß Schiller ihm persönlich daraus vorgetragen hat, und zwar in breitestem Schwäbisch. Später las er das Stück zum Glück dann auch noch, und der Rest ist Literaturgeschichte. Seit ich diese Geschichte kenne, habe ich eine ganz andere Vorstellung davon, wie sich die Gespräche angehört haben müssen, die die beiden Freunde Goethe und Schiller, ein Hesse und ein Schwabe, in Weimar so führten. Wahrscheinlich ganz anders als die Briefe, die sie sich schrieben!


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