Freitag, 21. April 2023

Therapeutisches Traumergebnis: pCR

Mein Gewicht heute früh nach Fastentag 3 von 3 diese Woche: 80,8 Kilogramm. Da ich wegen meines Klinikaufenthalts sieben Tage lang mit dem Fasten ausgesetzt hatte, war ich gespannt, ob ich wirklich noch mit einem Gewicht unter 85 Kilo ins Fasten starten würde, und das war erfreulicherweise der Fall: Am Dienstag, zu Beginn, wog ich 84,8 Kilogramm. 

Zur Erinnerung: Zu Beginn meines letzten langen Fastenintervalls, noch im März, also noch während der Low-Carb-Phase, wog ich 85,5 Kilogramm. Eigentlich hätte ich deshalb damit rechnen müssen, daß mein Gewicht nach dem Low-Carb-Ende die 86 Kilogramm wieder überklettern würde. Ich glaube schon, daß diese Durchfall-Phasen eine Rolle dabei gespielt haben, daß meine Abnahme mir erhalten geblieben ist, eventuell spielte auch die hartnäckige Erkältung dabei eine Rolle. Ich fürchte, ich habe tatsächlich seit Januar kontinuierlich ein Energiedefizit gehabt, denn im Krankenhaus fiel mir beim Blick in den Spiegel im Bad auf, daß ich erstmals doch um den Bauch herum ziemlich schlaffe Haut habe. Noch keine echte Fettschürze, aber trotzdem ein ungewohnter Anblick. Ich hoffe mal, daß sich das Problem löst, wenn sich die Fastenintervalle wieder mit normalen Lebensmittelmengen abwechseln und der Abbau von fettfreier Masse wieder mehr wird.

Da ich übernächste Woche mein erstes viertägiges langes Fastenintervall seit der letzten Chemo beginnen werde, spekuliere ich jetzt aber außerdem darauf, daß ich an dessen Ende das erste Mal auf der Waage eine Sieben sehen werde.

Die Operation liegt also jetzt hinter mir (lieben Dank an dieser Stelle an Birgit für die guten Wünsche im Kommentar zu meinem letzten Blogbeitrag!) und ich habe Teile dieses Blogartikels schon am Montagabend geschrieben, wollte ihn aber doch erst freischalten, nachdem ich die Laborergebnisse erfahren habe. Das war heute der Fall, und es war das bestmögliche Ergebnis (daß im Arztbericht von einem "exzellenten Ansprechen" des Tumors die Rede war, ist für ein solches Dokument, das ja immer strikt sachlich bleibt, fast schon einem Gefühlsausbruch zu vergleichen): eine pathologische Komplettremission, also, es waren keine aktiven Krebszellen zum OP-Zeitpunkt mehr vorhanden. Darauf hatte ich gehofft, aber weil in den Lymphknoten doch noch ein wenn auch stark geschrumpfter Rest bei der Mammographie zu sehen war, war ich mir halt doch nicht ganz sicher gewesen. Dieser Rest war aber offenbar doch schon totgeschlagen und bloß noch nicht kleingehäckselt worden.

Die OP habe ich so problemlos weggesteckt, wie ich das gehofft hatte, so daß ich am Montag entlassen wurde - nachdem ich schon am Sonntag immer ungeduldiger in der Klinik herumgetigert war, weil eine Schwester leichtfertigerweise eine Entlassung bereits am Sonntag in Aussicht gestellt hatte. Zu der kam es dann aber nicht, weil die Halbgötter in Weiß vor die Entlassung eine Reihe von Formalitäten gestellt hatten, die erst am Montagvormittag möglich waren, so etwa einen Besuch der Psychoonkologin des Hauses sowie die Anpassung eines Kompressions-BHs, der sich übrigens als überraschend bequem herausgestellt hat. Eigentlich muß ich ihn nur ein paar Wochen lang tragen, aber den halte ich mir wohl dauerhaft in Reserve für Oberteile, bei denen es besser aussieht, wenn die Oberweite ein bißchen geringer ist. ;-)

Kurioserweise lag ich nicht auf einer onkologischen, sondern auf der orthopädischen Station - so ganz habe ich immer noch nicht kapiert, warum - und hatte eine sehr nette Zimmergenossin, eine junge Frau in den Zwanzigern, die am selben Tag wie ich operiert wurde, allerdings an der Wirbelsäule. So merkwürdig das klingt, ich war manchmal heilfroh, daß ich "nur" Brustkrebs hatte und nicht dasselbe wie die Mehrheit der Patienten auf meiner Station, weil das zum einen extrem viel schmerzhafter nach chirurgischen Eingriffen sein muß, sondern auch häufig in der Behandlung ziemlich übel verpfuscht zu werden scheint. In dieser Klinik scheint man aber ziemlich fit in diesem Punkt zu sein, beschwert hat sich über seine chirurgische Behandlung in dieser Klinik in meinem Beisein kein einziger. Außerdem habe ich von mehreren Mitpatienten gehört, daß bei ihnen der Schaden, der anderswo bei solchen OPs angerichtet wurde, hier erfolgreich nachbehandelt werden konnte.

So auch bei meiner Zimmergenossin, deren verklebte Nervenstränge operativ entwirrt wurden, woraufhin sie zum ersten Mal seit fast einem Jahr ihren linken Fuß wieder spüren und das Fußgelenk bewegen konnte. Sie hatte sich eigentlich schon damit abgefunden, daß die Schiene, die sie tragen mußte, und das mühsame Nachziehen des unbeweglichen Fußes ihr lebenslänglich erhalten bleiben würde und hatte sich von der OP vor allem versprochen, daß die ständigen Schmerzen noch nicht einmal ganz aufhören, aber wenigstens beherrschbarer würden. Jetzt kann es sein, daß sie vielleicht sogar vollständig wiederhergestellt werden kann. Das hatte sie nicht erwartet und die Ärzte hatten ihr in dieser Hinsicht auch nichts versprochen, also hat sie von der OP sogar noch viel mehr gehabt, als sie selbst in ihren kühnsten Träumen erwartet hatte. 

Dafür nimmt man natürlich auch die oben erwähnten fiesen Schmerzen in den ersten Tagen gerne in Kauf, die ich mit meiner viel geringfügigeren OP glücklicherweise nicht hatte. Ich habe nicht mal am OP-Tag und in der darauffolgenden Nacht Schmerzmittel benötigt und war an diesem Tag natürlich auch schon einige Male auf Achse, um den Raucherbereich im Garten aufzusuchen. Das zog mir übrigens eine kleine Rüge durch meinen Doc zu, der fand, ich wäre am Operationstag zu viel unterwegs gewesen. Ich nahm sie als verdient hin, denn mir war es selber ein bißchen peinlich, daß jedes Mal, wenn ich in mein Zimmer zurückkehrte, irgendwer in der Zwischenzeit nach mir gesucht hatte. Aber am Rauchen lag das nicht immer, ich hatte auch mit der Telefonkarte zu kämpfen und mußte deshalb ein paarmal zur Ausgabestelle, bis alles endlich so funktionierte, wie es sollte.

Der Raucherbereich stellte sich als eine so tolle Informationsbörse heraus, daß ich in Erwägung ziehe, meine Bestrahlungen, die ebenfalls in dieser Klinik stattfinden sollen, immer mit einem Besuch dort und dem einen oder anderen Schwätzchen abzuschließen. Eine Sache aus diesen Gesprächen, die ich hier vor allem erwähnen wollte, kam von einem Patienten, der - neben anderem - auch Diabetes und deshalb einen Blutzuckersensor implantiert bekommen hat. Er hat seine Ernährung umgestellt, indem er anfangs wie immer aß, aber vor und nach jeder Mahlzeit immer seinen Blutzucker überprüfte und entsprechend dem Ergebnis nach und nach alles eliminierte, was den Blutzucker ungebührlich hochtrieb. Dabei stellte er fest, daß Brot/Brötchen/Pizza und anderes Weizenmehlgebäck auf seinen Blutzucker eine unterschiedliche Wirkung hat, je nachdem, ob es sich um klassisch hergestellte Teige handelte oder um vorgefertigte Teiglinge, die beim Bäcker nur noch fertiggebacken werden. Normaler Hefeteig auch mit normalem Weizenmehl läßt bei ihm nämlich den Blutzucker nicht überschnappen, aber aufgebackener Fertigteig schon. Wenn er seine Brötchen bei den richtigen Bäckern kauft, schaden sie seinem Blutzucker nicht, sagt er. Und wenn er nach Italien fährt, kann er dort fast immer seine Pizza unbesorgt genießen, eher kann es in Deutschland mal einen Reinfall geben, wenn er sich nicht an die Pizzerien hält, in denen er gute Erfahrungen gemacht hat. 

Klar, der Blutzucker alleine ist längst nicht so aussagekräftig wie die Frage, was eigentlich parallel dazu mit dem Insulin passiert, was ja nicht immer synchron läuft. Aber bei Weißmehl fand ich seine Erkenntnisse schon verblüffend. Mir kam dazu auch mein letzter Blogbeitrag in den Sinn, in dem es unter anderem ja auch um Weißmehl ging. Ist es möglich, daß die Zusatzstoffe, die in solchen vorgefertigten Teiglingen stecken, eine viel größere Rolle spielen, als die Low-Carb-Gemeinde sich vorstellen könnte - vermutlich deshalb nicht, weil in den USA und überhaupt im angelsächsischen Raum kaum noch vernünftiges Brot zu bekommen ist? Oder liegt das Problem ganz oder teilweise im Verarbeitungsprozeß, bei dem ja der Teig ziemlich wenig Zeit zum Reifen bekommt? Also: Sind es vielleicht gar nicht die Kohlenhydrate als solche, die das Problem sind, sondern die Art, wie sie verarbeitet werden? Industriell gefertigte Nahrungsmittel sind ja in unterschiedlicher Weise schlechter als handwerklich verarbeitete, und es ist gut möglich, daß noch andere Faktoren dabei eine Rolle spielen, die im Moment noch niemand auf dem Schirm hat.

Im Grunde habe ich noch nie verstanden, warum Mehl speziell bei jüngeren Leuten so negativ auf den Stoffwechsel wirken soll, denn Ackerbau gibt es ja schon seit tausenden von Jahren, ohne daß er bei ihnen jemals zuvor dieselbe Wirkung hatte, wie sie dem Weißmehl heute zugeschrieben wird. Es mag schon sein, daß das bei dem Übergewicht der Altersgruppe ab um die fünfzig anders aussieht und man in dieser Altersgruppe diesen Faktor anders beurteilen muß. Ich bin aber immer noch der Meinung, daß es sich bei dicken Jugendlichen und dicken Mittfünfzigern um zwei unterschiedliche Problemkomplexe handelt, die auch unterschiedliche Lösungsansätze bräuchten. Das, was sich seit meiner Kindheit vor allem verändert und damit die heutige Adipositas-Situation auch bei Jüngeren ausgelöst (und die ab den mittleren Jahren sicherlich verschlimmert) hat, könnten also - neben anderen denkbaren Faktoren - auch irgendwelche Zusatzstoffe sein, die leider seit ca. zwanzig Jahren auch in vorgefertigten Backwaren enthalten sind.

Da auch das Mehl selbst mit Zusatzstoffen versetzt worden sein kann, bin ich ganz froh, eine Bezugsquelle für regionales Mehl auf dem Wochenmarkt zu haben, und habe mir vorgenommen, sie noch konsequenter zu nutzen, denn manchmal nehme ich natürlich immer noch das Mehl einfach aus dem Discounter mit, weil ich nicht jede Woche Zeit für den Wochenmarkt finde, und der Lidl ist bei mir halt am nächsten gelegen. Interessanterweise hat es übrigens meine Mutter dazu animiert, ihr Mehl nach Jahrzehnten wieder in der Mühle zu kaufen, so wie früher, als ich ihr von meinem Wochenmarkthändler erzählte. Nur nimmt sie dort jetzt eben kleinere Mengen als früher. Wir hatten in meiner Kindheit immer einen ganzen Sack Mehl in der Vorratskammer, das könnte sie jetzt gar nicht mehr bewältigen, bevor die Motten ihn entdecken und über ihn herfallen.

Die Klinik hat auch eine Abteilung, in der Eßstörungen behandelt werden. Es gab ein paar magersüchtige Kinder, die dort in Behandlung waren - eventuell waren sie auch schon Jugendliche, denn es war schwer zu schätzen, ob sie nun 12 oder vielleicht doch schon 17 Jahre alt waren -, die man fast jeden Tag und bei nahezu jedem Wetter im Garten in flottem Gehtempo ihre Kreise ziehen sah. Sie liefen immer soundso oft um den Innenhof herum, das Smartphone in der Hand, und verschwanden dann irgendwann wieder im Gebäude. Ob das irgendwelche therapeutische Bedeutung hatte oder ob sie damit im Gegenteil die Behandlung zu sabotieren versuchten? Ich tippe auf das zweite, aber, ganz ehrlich, ich weiß es natürlich nicht sicher. Einmal sah ich, wie ein Junge, der sonst immer nur mit verbissener Miene seine Kreise gezogen hatte, stehenblieb, etwas mit dem Smartphone fotografierte und sich dann bückte. Als er näher an mir vorbeikam, sah ich, daß er eine Pusteblume in der Hand hielt. Auch sein Gesichtsausdruck war anders als sonst. Er hatte wohl etwas gefunden, über das er sich einen Moment lang wie, nun ja, eben wie ein Kind freuen konnte. Ich freute mich deshalb auch für ihn. Wahrscheinlich können solche Momente Leben retten, aber wieviele davon braucht man, daß es wirkt, und wie oft?

Diese Kinder jedenfalls mit ihren schlotternden Jeans und ihren steinernen Mienen waren das Kontrastprogramm zu den Leuten im Raucherpavillon, die teils viel schwerer als ich krank waren, und trotzdem war die Stimmung dort eigentlich nie so bedrückt, wie man das erwarten sollte. Ich mußte an diese Psychoonkologin denken, die davon sprach, daß Raucher mit Krebserkrankungen abgeklärter umgehen, weil sie wissentlich ein höheres Risiko eingegangen seien. Ich bin mir ziemlich sicher, daß die Magersucht der Kinder durch Selbst- und Fremddisziplinierung mitausgelöst worden war, und wer krank durch Disziplinierung im Übermaß wird, hat vorher ja noch nicht einmal ein bißchen Spaß gehabt. Raucher sind entschieden besser im Spaßhaben, das habe ich auch aus diesem Klinikaufenthalt mitgenommen, denn es wurde tatsächlich im Raucherbereich auch recht viel gelacht.

***

Ob das Fasten während der vier Zyklen seit Januar mit zu der supererfolgreichen Antikörpertherapie beigetragen hat - was wegen seines nachweislichen Einflusses auf das Immunsystem bei einer Antikörpertherapie durchaus möglich ist -, werde ich leider nie herausbekommen. Aber jedenfalls hat es augenscheinlich nicht geschadet, denn ein besseres Therapieergebnis hätte es ja nicht geben können. Ab übernächster Woche, wenn der Schichtrhythmus meines Mannes sich wieder normalisiert, werde ich wieder meinen gewohnten Fastenrhythmus aufnehmen, also je nachdem, wie Feiertage oder andere Ereignisse fallen, ein- bis zweimal im Monat vier Tage lang am Stück und ansonsten zwei nicht zusammenhängende Tage pro Woche fasten. Da ich jetzt ja krebsfrei bin, werde ich also darauf verzichten, die Fastenintervalle weiter an die Antikörperbehandlungen anzupassen. 

Was ich ebenfalls erfreulich finde, ist, daß ich bis zum Ende der Antikörpertherapie nur noch mit Trastuzumbab behandelt werde. Nicht nur, weil das die Infusionsdauer auf nur noch vierzig Minuten alle drei Wochen verkürzt, sondern ich spekuliere auch darauf, daß dann auch das "Magen-Darm-Gesamtkunstwerk" endlich aufhört. Wie ich vermutet hatte, wurde es nicht von der Chemotherapie, sondern tatsächlich von der Antikörpertherapie ausgelöst, denn diesen Mittwoch setzte mit einem Tag Verspätung im Vergleich zu früheren Zyklen der Durchfall wieder ein. Davor war die Verstopfung aber so moderat ausgefallen, daß ich mir nicht einmal sicher war, ob ich sie mir nur eingebildet hatte, also hatte ich mich der Hoffnung hingegeben, auch dem Durchfall entgehen zu können, und das leider vergeblich, wie sich zeigte. 

Aber neuer Zyklus, neues Glück: Pertuzumab eilt der Ruf voraus, Durchfall auszulösen, also ist es natürlich mein Hauptverdächtiger, und das entfällt künftig. Gut möglich, daß Trastuzumab alleine diese Wirkung nicht hat. Genau erfahren werde ich es ca. eine Woche, nachdem ich das erste Mal Trastuzumab alleine bekommen habe, also erst Mitte Mai. 


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