Mein Gewicht heute früh nach dem ersten von zwei nicht zusammenhängenden Fastentagen diese Woche: 74,6 Kilogramm. Damit bin ich in etwa in dem Gewichtsbereich, in dem ich seit Ende der letzten LC-Phase Ende Februar gewesen bin, und also weiterhin auf dem angepeilten Kurs. Am liebsten würde ich die LC-Phase in ca. sechs Wochen mit einem Gewicht unter 77 Kilo starten können, aber das hängt neben dem Faktor Glück/Pech auch davon ab, ob meine Herbstzunahme schon vor Beginn einsetzt. Eigentlich hatte ich einen Start am Montag, 20.10., geplant, aber nach einem nachdenklichen Blick in den Kalender habe ich entschieden, das um eine Woche vorzuverlegen, um in einer Frühschichtwoche meines Mannes anfangen zu können.
Na, das sind, glaube ich, echte Luxusprobleme. Ein Zitat eines Experten aus einem neuen TAZ-Interview: "Adipositas ist eine chronische, fortschreitende Erkrankung, die nicht geheilt werden kann." Und schwupp, schon ist auch Matthias Blüher in meinem Expertentest durchgefallen. Im März 2017 lag mein BMI bei 51. BMI 30 hatte ich zuletzt im März 2023, und heute bin ich bei 27, und wenn ich mein Gewichtsziel erreicht habe, liege ich bei BMI 25,x, also immer noch nicht im Normalgewichtsbereich - und das ist mir auch ganz recht so. Wenn ich schon mit meinem Gewichtsziel 73,5 Kilogramm selbst einer Art von Zahlenfetischismus huldige, dann ist es doch immerhin ein selbst ausgedachter, nicht der, den uns andere einzureden versuchen.
Noch wichtiger: Innerhalb von acht Jahren habe ich keinen Jojo im eigentlichen Sinne erlebt. Die höchste Wiederzunahme war im Dezember 2022/Januar 2023 während der Chemo, nachdem ich meine Low-Carb-Phase beendet hatte und nur eingeschränkt fastete, und auch das waren nicht einmal fünf Kilogramm plus gewesen, die nach vier Wochen Trastuzmab/Pertuzumab plus normales Fasten plus Low Carb wieder weg waren.
Chronisch und fortschreitend, my ass. Wer rettet die Dicken vor dieser Art von Experten, die auf ganz unterschiedliche Weise ständig alles nur noch schlimmer machen? Dabei glaube ich noch nicht mal, daß speziell der Herr Blüher es irgendwie böse meint.
Auf Bluesky bekommt man alle Facetten dieses "Hilfe, ich bin zu dick"-Trauerspiels mit, von Schlanken, die trotzdem um jedes Pfund hin oder her verbissen kämpfen, bis zu Leuten mit BMI jenseits von gut und böse, die längst aufgegeben haben und kein Wort zur Figurfrage mehr hören wollen, schon gar nicht irgendwelche Ratschläge. So was respektiere ich, trotzdem denke ich darüber nach, vorsichtshalber eine solche Protagonistin stummzuschalten, nur damit ich nicht in Versuchung geführt werde. Immerhin bin ich sicher, daß das, was bei mir funktioniert hat, vielleicht nicht bei jedem, aber doch bei vielen ebenfalls funktionieren würde. Und so bin ich irgendwie in die Situation gekommen, daß ich mich weiter aus dem Fenster gelehnt habe, als es diese Person aushalten konnte, und habe es erst gemerkt, als das Kind schon in den Brunnen gefallen war.
Wenn ich eines nicht wirklich sein will, dann einer dieser Missionare einer bestimmten Abnehmmethode. Ich will nur beschreiben, was passiert, wenn ich dies oder jenes tue, damit andere Leute - falls sie wollen - ausprobieren können, was bei ihnen passiert, wenn sie dasselbe tun.
Freilich, die wenigsten, die Fasten oder Low Carb ausprobiert haben, haben tatsächlich dasselbe oder auch nur etwas ähnliches wie ich getan. Vermutlich hatte ich ziemlich viel Glück, daß ich zuvor schon jahrelang herumexperimentiert habe, aber ohne dabei den Versuch zu machen, ein Kaloriendefizit zu erzeugen. Ich nehme an, Fasten ist viel schwieriger, wenn man einen Stoffwechsel hat, der darum ringt, die Nährstoffe zu bekommen, die ihm ständig vorenthalten werden. Das können Mikronährstoffe sein, aber sehr wahrscheinlich auch Fett. Es wäre nicht allzu verwunderlich, wenn das den Einstieg ins Fasten massiv erschweren würde, und es könnte erklären, warum es mir so unverschämt leicht gefallen ist.
Es ist bestimmt nicht unmöglich, es trotzdem zu versuchen. Aber ich kann auch jeden verstehen, der sich jahrelang mit unterschiedlichsten Methoden vergeblich bemüht hat, wenn er irgendwann einfach nicht mehr kann und nicht mehr will, keine Tips mehr sehen kann und auch keine Methoden mehr wissen will.
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Kürzlich erwähnte ich, daß ich Vollmilch nicht trinken kann, ohne fiese Blähungen zu bekommen, aber Rohmilch schon, und sinnierte ein wenig darüber, was die Gründe dafür sein könnten. Jetzt stieß ich auf einen Bericht zu einer Studie, die jedenfalls bestätigte, daß Rohmilch bei Kindern immerhin so viele Erkrankungsrisiken senkt, daß man nun herauszufinden versucht, wie dieser Vorteil der pasteurisierten Vollmilch erhalten bleibt. Dies nur für die möglicherweise ja auch existierenden Leser, die denken, ich hätte mir da irgendwas eingeredet. Rohmilch verliert beim Pasteurisieren offenbar wirklich irgendwas Wichtiges. Für unverzichtbar muß man sie trotzdem nicht halten. Und ich würde sie außerdem auch dann unabgekocht trinken wollen, wenn es nicht der Fall wäre. Sie schmeckt nun einmal besser als Vollmilch. Leute, die vor den - tatsächlich möglichen, aber sehr seltenen - Infektionen durch etwaige enthaltene Bakterien Angst haben, dürfen das gerne anders halten. Ich lache sie dafür nicht aus, obwohl es mich befremdet, daß dieselben Leute auch so gerne gegen diejenigen herumätzen, die sich vor Impfschäden fürchten. Impfschäden sind ja ebenfalls tatsächlich möglich, wenn auch sehr selten.
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Können wir uns unseren Sozialstaat nicht mehr leisten? Der Bundeskanzler behauptet das. Und die SPD widerspricht nur ganz leise, obwohl sie das eigentlich nach ihrem behaupteten Selbstverständnis sehr lautstark tun müßte. Aber die entwurzelte und desorientierte, in der Wählergunst allmählich auf dem Weg zu einer einstelligen Prozentzahl befindliche, aber dennoch weiterhin sehr gerne an Regierungen beteiligte Nach-Schröder-SPD tut das natürlich schon lange nicht mehr. Ihre Ampel-Maßnahmen im sozialen Bereich, die unter dem Strich 90 Prozent der Agenda 2010 zurücknahmen, sollten ihren beleidigte Wähler zurückverschaffen, nicht einen als sachpolitischen Fehler begriffenen Fehler korrigieren. Tatsächlich hat die SPD bis heute nicht verstanden, was sie falsch gemacht hat, und das wiederum ist es auch, was sie so überflüssig gemacht hat - und was außerdem dazu führt, daß die CDU sie nun doch wieder auf den verlassenen Agenda-Pfad zurückführen wird.
Eine SPD, die für ihre Stammwähler wieder wählbar wäre, müßte es verstanden haben, was ihr zentraler Fehler bei der Agenda 2010 war und warum das, was sie in der Ampel tat, nicht ausreichte, um sie ihr zurückzuverschaffen. So bleiben ihnen einige Gewohnheitswähler, etwa meine Mutter, aber die werden aus Altersgründen immer weniger, und ein gewisser Anteil an taktischen Wählern. Die SPD hat durch die Agenda 2010 ihre Seele verloren, und geblieben ist ihr weltanschauliche Beliebigkeit, die sich tendenziell viertellinksmitteoben verortet. Niemand braucht eine SPD, wie sie jetzt ist.
Niemand braucht freilich auch eine CDU, die einem Polit-Untoten wie Friedrich Merz, den Frau Merkel seinerzeit mit der linken Hand ausmanövrieren konnte, als ihrem Heilsbringer zugejubelt hat. Das war fast so gaga wie die Republikaner, die eine Figur wie diesen Trump zu ihrem Präsidentschaftskandidaten machten. Halten wir also fest: Nicht nur die Wähler verhalten sich irrational, die Parteien ebenfalls. Die CDU sucht ihr Heil in einer wandelnden Kommunikationskatastrophe, die SPD verzichtet darauf, ihren einzigen Politiker mit Popstar-Qualitäten Boris Pistorius zum Spitzenkandidaten zu machen, um lieber mit dem hölzernen Olaf Scholz unterzugehen, die Grünen haben Annalena Baerbock das Amt verschafft, in dem Robert Habeck hätte populär und ein Kanzlerkandidat mit echten Erfolgschancen werden können, und ihn mit den undankbarsten aller denkbaren Aufgaben verheizt, weshalb es kein Wunder ist, daß er die Politik ganz verlassen hat. Und von der FDP, die einem selbstverliebten Christian Lindner bis in die Selbstzerstörung folgte, fange ich gar nicht erst an, da sie voraussichtlich keine zweite Wiederaufstehung schaffen wird, und so kommt es auf sie ja nicht mehr an. Glücklicherweise, denn ihr hoffentlich dauerhaftes Ausscheiden aus dem Bundestag ist, freundlich formuliert, kein allzugroßer Verlust.
Vor ein paar Tagen ging durch die Medien, welche Kosten diversen Regierungsmitgliedern im Bereich Styling entstanden sind. Bei unserem Bundeskanzler sollen es seit seiner Wahl 12.000 Euro gewesen sein. Man fragt sich, wofür eigentlich, denn zu einem gutaussehenden Mann könnte ihn auch der dreifache Betrag nicht machen, also fände ich kostengünstiges Räuberzivil à la Markus Söder für jemanden wie Merz ebenfalls völlig ausreichend. Wenn man dem Söder eines zugutehalten kann, dann, daß er kein Problem damit hat, wie der Strauchdieb herumzulaufen, den er auch sonst als der Räuber Hotzenplotz in der Politik ziemlich überzeugend verkörpert. Der Merz gäbe, glaube ich, neben ihm auch einen halbwegs überzeugenden Zauberer Petrosilius Zwackelmann ab, während es zum Don Corleone kaum reichen würde.
Und wer ist dann eigentlich Wachtmeister Dimpfelmoser? Vermutlich Lars Klingbeil. Was mich betrifft: Ich wähle in diesem Setting die Rolle der Witwe Schlotterbeck. *g*

Aber ich schweife ab. Zurück zum Sozialstaat.
Ich bin, Überraschung, genau wie unser Bundeskanzler der Meinung, daß wir unsere sozialen Sicherungssysteme umbauen und dabei die Gesamtausgaben reduzieren können und reduzieren müssen. Dabei sind die staatlichen Zuschüsse an die Rentenversicherung mit beinahe 200 Milliarden Euro - also 200.000 Millionen - der weitaus größte Teil. Und weil nun allmählich der Übergang der geburtenstarken Jahrgänge (aka "Boomer") in den Ruhestand erfolgt, wird das sicherlich noch zwanzig Jahre lang ständig mehr werden, bevor die Kurve langsam wieder abflacht.
Schon Norbert Blüms "Die Renten sind sicher" hat doch in Wirklichkeit kein Mensch geglaubt. Das Gescheiteste wäre damals der Umstieg auf eine steuerfinanzierte Grundrente gewesen (mit einer entsprechend langen Übergangsphase), aber das hat sich natürlich keiner getraut. Bis vor ca. zwanzig Jahren wäre das wirklich sinnvoll gewesen, um die rententechnischen Folgen des der modernen Verhütung zu verdankenden Geburtenrückgangs abzufedern. Mittlerweile würde es aber die unmittelbar anstehenden Probleme sowieso nicht mehr lösen, denn ein Umstieg, der ja Jahrzehnte Übergangszeit benötigt, hat so kurz, bevor die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand eintreten, kaum noch eine dämpfende Wirkung auf die für etliche Jahre immer höher werdenden Kosten für die Rente. Der Höhepunkt wird wahrscheinlich erst in ca. zwanzig Jahren erreicht sein, bevor sie langsam wieder abflauen.
Es gäbe aber einige andere Stellschrauben, an denen man drehen kann. Die vielversprechendste bestünde darin, alle Erwerbseinkommen einschließlich denen von Selbständigen und Beamten, aber auch von Minijobbern, uneingeschränkt rentenversicherungspflichtig zu machen, und zwar ohne Beitragsbemessungsgrenze. Der Sinn der letzteren hat sich mir ohnehin noch nie erschlossen. Dies würde eine deutliche Verringerung des Bundeszuschusses an die Rentenversicherung ermöglichen und sie im Idealfall sogar auf die diversen Sonderfälle beschränken können, bei denen dem Rentenanspruch keine oder keine ausreichenden Beitragszahlungen gegenüberstehen. Die machen gerade mal etwa ein Drittel des Gesamtzuschusses aus.
Ob es möglich und immer noch sinnvoll ist, dies mit einem Umstieg auf eine Grundrente zu verknüpfen und dadurch sogar die RV-Beiträge senken zu können, müßten die Leute ausrechnen, die sich damit auskennen. Bei einem Umstieg auf eine Grundrente für alle (in Höhe der
Rentenansprüche bei das ganze Erwerbsleben langem Bezug des Mindestlohns
in Vollzeit) würden die Renten für diejenigen sich nicht verändern, die
aktuell diese Rente bekämen. Bei denen, die weniger bekommen und
momentan eine Aufstockung auf die Grundsicherung beanspruchen müssen,
bietet es sogar eine Verbesserung, weil der Anspruch automatisch
entsteht und nicht eigens beantragt und belegt werden muß, wovor viele
sich ja scheuen. Wer heute höhere Ansprüche erwirbt, hat künftig geringere zu erwarten, aber dafür immerhin mehr flüssige Mittel, um anderweitig Vorkehrungen zu treffen.
Der
Teufel steckt natürlich in den Details, das betrifft vor allem die
jahrzehntelange Übergangsphase, denn erworbene Rentenansprüche bestehen
nun einmal. Die geburtenstarken Jahrgänge, aka "Boomer", sind aber schon
so nahe an der Rente dran, daß ihre Renten von einer solchen Änderung
kaum noch nach betroffen sind. Andererseits darf man auch nicht übersehen, daß in den Jahrzehnten zwischen 1980 und 2000, in denen ein großer Teil dieser Ansprüche erworben wurde, im Vergleich zu heute viel niedrigere Löhne gezahlt wurden, was natürlich die Höhe der erworbenen Ansprüche vergleichsweise niedriger macht, als sie heute ins Berufsleben Eintretende erwarten dürfen.
Ein weiterer möglicher Baustein wäre eine rundererneuerten Förderung des Erwerbs von Wohneigentum,
da ja eines der wenigen vernünftigen Ziele des Bundeskanzlers jedenfalls gemäß seinen Lippenbekenntnissen darin
besteht, daß Normalverdiener sich Wohneigentum leisten können sollen. Das
Hohngelächter darüber habe ich nicht verstanden, da Merz ja noch nicht
mal behauptete, sie könnten sich zu den jetzigen Bedingungen Wohneigentum leisten, sondern
dies erst herbeizuführen für sinnvoll erklärt hat. Als Ziel ist es gar nicht
falsch, gerade zur Vermeidung von Altersarmut. Was ich allerdings
wichtig fände: Der Anreiz sollte - anders als bei den
Förderungen früherer Jahrzehnte - weniger auf den Neubau von
Einfamilienhäusern abzielen, sondern es am vorteilhaftesten machen,
Gebrauchtimmobilien zu erwerben, und zusätzliche Anreize zum Sanieren
von sanierungsbedürftigen Objekten bieten. Vorstellen könnte ich mir dabei auch einen Tausch von Rentenansprüchen, die die Grundrente übersteigen, gegen finanzielle Hilfen beim Immobilienerwerb.
Ich kenne keine bessere Altersvorsorge, als sich möglichst frühzeitig aus Mietverhältnissen zu verabschieden. Bei den aktuellen Mieten bedeutet Wohneigentum, innerhalb der nächsten zehn Jahre je nach vorheriger Wohnungsgröße zwischen 100.000 und 200.000 Euro NICHT an einen Vermieter bezahlen zu müssen. Dieser gesparte Betrag kann in die Finanzierung mit einfließen, und dieses Geld steht einem für keine andere Art der Kapitalanlage als für selbstgenutztes Wohneigentum zur Verfügung. Es wäre deshalb nützlich, die altbackenen jetzt bestehenden Formen der Förderung von Wohneigentum mal gründlich abzustauben und in etwas Schickes, auch für jüngere Beschäftigte sexy Wirkendes zu verwandeln und vor allem dafür zu sorgen, daß die falsche Vorstellung so vieler, sich Wohneigentum sowieso nicht leisten zu können, in eine zu verändern, in der klar ist, daß ein Wohneigentumswerb empfehlenswerterweise ein paar Jahre Vorlauf braucht, aber durchaus zu stemmen ist.
Natürlich stehen den Mehreinnahmen bzw. Minderausgaben in die Sozialkassen an manchen Stellen auch Mehrausgaben gegenüber. Beamte etwa sind in ihrer aktiven Zeit billiger als Angestellte im öffentlichen Dienst, erst die Ruhegehälter machen sie unter dem Strich teurer. Das heißt, bei einem Umstieg hätte man anfangs Mehrkosten und würde erst nach und nach von den wegfallenden Pensionen profitieren können. Es hat bestimmt noch eine Reihe weiterer Bereiche, in denen den Einsparungen Mehrkosten gegenübergestellt werden müssen, aber unter dem Strich sollte eine Ausweitung der Rentenversicherungspflicht auf alle Erwerbseinkommen die Schieflage der Rente beseitigen können. Entsprechendes gilt natürlich auch für eine analoge Ausweitung der Krankenversicherungspflicht, wobei man hier außerdem analog zur Handhabung bei Brillen und Zahnbehandlungen durchaus noch einige Bereiche, die nicht der medizinischen Grundversorgung zuzurechnen sind, teilweise aus der Versicherung ausklammern sollte, denn niemanden ist ja daran gelegen, die privaten Versicherungen in die Pleite zu treiben, die bislang vom Versichern der Beamten und Selbständigen leben und somit eine Menge Kunden verlieren würden - ihr müssen schon einige Geschäftsfelder für Zusatzversicherungen dauerhaft überlassen bleiben, und die sollen sich für sie natürlich auch rechnen.
Die Kosten der Krankenversicherungen ließen sich meiner Meinung nach außerdem auch ziemlich leicht senken - auf welche Weise, das zählt ja zu den roten Fäden in meinem Blog -,
wenn wir nicht in Endlosschleifen an falschen Vorstellungen sowohl über
die Prävention als auch die Behandlung von stoffwechselbedingten Erkrankungen feststecken würden, aus denen
momentan kein Entkommen ist, weil die Wissenschaft™ bei diesen
Krankheiten über ein Erkenntnisniveau verfügt, das in etwa dem der
Pestärzte über Infektionskrankheiten entspricht, aber so tut, als hätte
sie die Weisheit mit der Suppenkelle in sich reingeschlürft. Aber das walze ich hier nicht noch einmal näher aus, darüber habe ich ja oft genug alle möglichen Teilbereiche im Blog zum Thema gemacht. Eine Menge Fehlsteuerungen auf Kosten der Krankenversicherungen ergibt sich außerdem daraus, daß Arztpraxen und vor allem Kliniken nach Gewinnlogik wirtschaften müssen. Solchermaßen optimierte Versorgung bedeutet nicht, daß der Gewinn sich in Einsparungen der Krankenkassen niederschlägt, die haben davon eher Mehrkosten, und das meist, ohne daß die Patienten einen gesundheitlichen Vorteil davon haben.
Aber eines ist sicher: Das Bürgergeld ist nicht der Faktor, der unseren Sozialstaat zusammenbrechen läßt. Es ist dafür der Faktor, bei dem Verschlechterungen den größten Kollateralschaden erzeugen würden. Die aktuelle Hetzkampagne der Bundesregierung weckt dabei außerdem ungute Erinnerungen an die Zeiten der Regierung Schröder. Friedrich Merz muß aufpassen, sonst geht es ihm noch wie dem Zauberer Zwackelmann aus dem Kinderbuch. Oder wenigstens wie dem Hotzenplotz, der als Gimpel in einem Vogekäfig landet.
Wenn man beim Bürgergeld aber unbedingt etwas einsparen möchte, dann sehe ich vor allem zwei Bereiche:
- "Maßnahmen", die völlig sinnbefreit sind, nicht mehr anzuordnen.
- Übernahme einer Prüfung der Miethöhe auf überhöhte bzw. Wuchermiete durch das Amt nach Vorlage des unterzeichneten Mietvertrags und ggf. dessen Beschreiten des Rechtswegs zur Korrektur des rechtswidrigen Vertrags
Trotzdem habe ich
auch ein Problem mit den Lebenslügen derjenigen, die sich zum Schutz der
Armen formiert haben. Beispielsweise ist es
eine Kommunikations-Vollkatastrophe, wenn gutmeinende
Gutverdiener aus der Großstadt ihre eigenen Konsumgewohnheiten zum
Maßstab
machen und den Eindruck zu erwecken versuchen, Bürgergeld müsse auch für dies
ausreichen. Das kann eigentlich nur nach hinten losgehen, denn eine ganze Menge Erwerbstätige, die einen bescheideneren
Lebensstil pflegen und dies für
sich selbst auch für ausreichend halten, fragen sich bei solchen
Debattenbeiträgen völlig zu Recht, warum sie eigentlich einen
gehobeneren Lebensstil als ihren eigenen für Bürgergeldempfänger
unterstützen sollten. Das belegte Körnerbrötchen in Bioqualität aus dem
schicken
Lifestyle-Café, das sich Hartz-IV-Empfänger nicht leisten konnten (was ein weltfremder Journalist in einem Tränendrüsen-Artikel zu
skandalisieren versuchte), ist für mich schon vor zwanzig Jahren zum
Symbol für Aktivismus geworden, der gesellschaftlich ebenso spaltend wirkt wie die unfairen Faulenzerdebatten.
Das sind im Groben meine Ideen zur Zukunft des Sozialstaats, und es ist mir nicht entgangen, daß die meisten meiner Ideen weder von links noch von rechts in der Debatte enthalten sind, die ich außerdem erscheckend seicht finde. Es hat keinen Sinn, jede Einzelfrage einzeln durchzustreiten, wenn sie innerhalb eines Gesamtrahmens keinen Sinn ergäbe oder nur wenig Bedeutung hat. Nötig wäre vielmehr eine breite öffentliche Diskussion über den Rahmen. Ein grundlegender sozialstaatlicher Umbau muß auf dem Konsensweg geschehen, das heißt, alle (oder jedenfalls eine SEHR deutliche Mehrheit) müssen mit dem Gesamtkonstrukt im Grundsatz einverstanden sein und seine Umsetzung akzeptieren, auch wenn man im Detail nicht alles gelungen findet oder sich in einem Teilbereich gegenüber anderen, relativ gesehen, benachteiligt fühlt, weil man mehr als sie belastet wird. Um einen Konsens zu erreichen, müssen alle Seiten über einen ganz bestimmten Schatten springen: Ihre eigenen Lebenslügen, diejenigen, die sie ehrlich selbst glauben, und diejenigen, die sie als "an den Rändern begradigte" Wahrheiten wissentlich verbreiten, obwohl sie wissen, daß es nicht die ganze Wahrheit ist. Denn es ist nun einmal nicht wahr, daß "mehr Geld für Zweck x" immer zu einer Verbesserung der Lebensverhältnisse für die davon Begünstigten führt. Ebensowenig ist es aber wahr, daß "Wir bezahlen zu viel für x, und daran sind [Lieblingssündenbock einfügen] schuld" allzu häufig zutrifft. Was vor der eigentlichen Arbeit an einem Umbau der Sozialsysteme aber zwingend erforderlich wäre, um überhaupt eine vernünftige Debatte zu ermöglichen:
- Zu vermitteln, daß es unmöglich ist, ein System zu schaffen, das jeder Einzelsituation im Vergleich zu anderen Einzelsituationen hundertprozentige Gerechtigkeit verschafft. Wie auch immer die Lösung für den Gesamtrahmen ausfällt, unser künftiges Sozialsystem sollte so einfach sein, wie es ohne wirklich grobe Ungerechtigkeiten möglich ist - erstens, weil das den Verwaltungaufwand deutlich verringert, und zweitens, weil es die Zahl der möglichen Schlupflöcher reduziert. Grobe Ungerechtigkeiten bestehen nicht, wenn der Nachteil durch den niedrigeren Verwaltungsaufwand für den Benachteiligten ausgeglichen wird, auch wenn jemand anders davon einen noch etwas größeren Vorteil hat. Das Ungerechteste überhaupt sind zu kleinteilige Gerechtigkeitsfitzelausbesserungen an den Sozialsystemen, die immer kleineren Gruppen immer kleinere Nachteile beseitigen sollen und unweigerlich neue Schieflagen für andere Gruppen schaffen.
- Was außerdem kommuniziert und akzeptiert werden muß: Es ist unmöglich, die Zahl Schlupflöcher auf null zu bringen, genausowenig wie die Zahl derjenigen, die versuchen, Schlupflöcher legal zu nutzen oder das Sozialsystem zu betrügen. Aufgedeckter Betrug oder das Skandalisieren von legalem, aber fragwürdigem Ausnutzen des Systems bedeutet keineswegs per se, daß das System Mist ist und ein neues entwickelt werden müßte. Es nervt mich ohne Ende, wie häufig diese Schlußfolgerung bei einer Skandalisierung suggeriert wird. In Wirklichkeit ist so etwas mit keinem System der Welt ganz zu vermeiden. Daß Betrug dennoch geahndet werden muß, versteht sich von selbst.
- Da es unmöglich ist, alle Betrugsfälle aufzudecken, sollte man seine Ressourcen zur Verfolgung von Betrugsversuchen in jedem betroffenen Bereich vor allem auf die Fälle konzentrieren, bei denen es um große Beträge geht. Die Markierung ist wichtig, denn ich habe nie verstanden, warum die unbestritten höheren Beträge bei Steuerbetrug bedeuten sollten, daß man Betrug beim Bezug von Sozialleistungen nicht verfolgt. Nur sollte man auch im letzteren Fall eben die für Überprüfung vorhandenen Mittel auf das fokussieren, was viel kostet und auch das, was besonders dreist ist und möglichst wenig Nachahmer finden soll.
- Perfektion sollte u.a. deshalb nicht angestrebt werden, weil Veränderungen der Rahmenbedingungen zwangsläufig im Laufe der Zeit weitere Änderungen erforderlich machen werden. Dieser 100%-Wahn ist aber auch absolut kontraproduktiv. Eine Aufgabe, die 100 % Umsetzung benötigt, ist eine von vornherein unerfüllbare Aufgabe, weil es diese 100 % immer nur als fiktiven Wert gibt, der in der Realität nie erreicht wird. Wer etwas anderes behauptet oder suggeriert, ist ein Lügner. 80 % Erfüllung sind der anzustrebende Wert. Ist mehr als dies erforderlich, damit die Welt nicht untergeht, dann wird sie untergehen. Finden Sie sich damit ab.
- Über Entbürokratisierung wird viel gesprochen und geschrieben, aber man hat nicht das
Gefühl, daß sonderlich viel dabei geschieht. Vieles davon hat mindestens Überschneidungen mit dem Sozialstaat, also ist es auch für den Rahmen
relevant. Das gilt zum Beispiel für Straftaten im Bagatellbereich.
Beispiel für das, was ich mit dem letzten Punkt meine:
Es gibt Bagatellstraftaten, die man durch einfache Veränderungen drastisch reduzieren könnte, beispielsweise Schwarzfahren. Ich wäre für eine Abschaffung des Deutschlandtickets, wenn es durch ein Regioticket ersetzt wird, das man automatisch für seine Region (Landkreis, evtl. auch Bundesland oder Radius von 50 km um den Wohnort ...) "kostenlos" bekommt. Natürlich ist es in Wirklichkeit aber nicht kostenlos: Es müßte über eine Anhebung der Grundsteuer finanziert werden, die ja jeder bezahlt, da Vermieter sie ihren Mietern als Nebenkosten berechnen, und wäre ähnlich wie die Fernsehgebühr obligatorisch, auch wenn man öffentliche Verkehrsmittel gar nicht nutzen möchte. Die Gebühr entsteht aber für das Angebot, sie zu nutzen, ob man es annimmt oder nicht, ist jedermanns Privatsache. Genau wie die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze wäre die höhere Anzahl derjenigen, die das Ticket finanzieren, der Schlüsselfaktor, um den Preis niedriger als das jetzige Deutschlandticket zu halten.
Für Bürgergeld- und Grundsicherungsempfänger wäre das dann aber wirklich kostenlos, weil ihre Mietnebenkosten ja übernommen werden und dies auch für diesen Teilbereich gelten sollte.
Ich bin mir sicher, daß eine solche Änderung erstens die Zahl der Schwarzfahrer drastisch reduzieren würde, zweitens den Bewegungsspielraum derjenigen, die sich das Deutschlandticket nicht leisten können bzw. für die seine Kosten in keinem Verhältnis zu den benötigten Fahrten stehen, immens vergrößern würde und drittens den Kontrollaufwand in den Öffis sehr vereinfachen würden. Ausreichend wäre anstelle einer Fahrkarte dann ggf. auch der Nachweis über die Wohnadresse, etwa auf dem Personalausweis, als Beleg dafür, daß man die Berechtigung zu dieser Fahrt hat. Die Regelung würde gleich an mehreren unterschiedlichen Stellen viel Aufwand und Kosten sparen, und das könnte sogar den Bereich Bürgergeld mitbetreffen, weil der Gewinn an Mobilität natürlich auch die Erwerbschancen von Bürgergeldbeziehern verbessern würde.
***
Für ein Pflichtjahr à la Fratscher stünde ich persönlich übrigens unter gar keinen Umständen zur Verfügung. Eher würde ich doch noch von dem Schwerbehinderten-Vorschlag meines Hausarztes Gebrauch machen. Seit nunmehr 44 Jahren ist immer alles mögliche andere wichtiger gewesen als meine eigenen Interessen, darunter vor allem die Erwerbsarbeit. Bis ich das Regelalter der Rente erreicht habe, wären es 51, und in fünf Jahren sind es immerhin auch schon 49 Arbeitsjahre gewesen.
Wenn ich ein Ehrenamt übernehme, dann nur, wenn es meinen persönlichen Interessen entspricht. Und keinesfalls als Beitrag für die Gesellschaft™.Es sieht aber tatsächlich so aus, als wäre mir ein Ehrenamt zugelaufen, weil ich mich für den Ort, an dem ich jetzt lebe, tatsächlich interessiere, und einem passenden Verein beigetreten bin. Aktuell organisiere ich am Ort für den Verein einen Flohmarkttag mit Hofflohmärkten, wie ich sie aus der Stadt kenne, und was ich ebenfalls angeregt habe, ist eine Obst- und Gemüse-Verschenkbörse über den Verein, und zwar von privat an privat. Es geht auch hier Obst teils am Baum kaputt, weil die Besitzer aus Alters- oder Krankheitsgründen gar nicht ernten können oder sie nicht die ganze Ernte verbrauchen bzw. verarbeiten können, weil die Zucchinipflanzen gar zu fleißig produzieren, während andere Leute ohne eigenen Garten sich Obst und Gemüse in solcher Qualität gar nicht leisten könnten. Das wird also ein Versuch, Angebot und Nachfrage zusammenzubringen.
Es soll eine Verschenkbörse werden, weil ein Verkauf durch den Verein rechtlich gar nicht zulässig wäre. Verschenken darf man aber, was man will, und so finden sicherlich ein paar Leute mit und ohne Garten auch in anderer Weise zusammen, die vielleicht sonst gar nicht miteinander in Kontakt gekommen wären. Wenn etwa jemand gegen die halbe Ernte einen Apfelbaum aberntet, bekommt er sicherlich am Erntetag auch Kaffee und Kuchen angeboten. Vielleicht ergibt sich ja daraus auch weiterer freundschaftlicher Kontakt, der dazu führt, daß man sich gegenseitig auch in anderer Weise aushilft, wie ich das an meiner Nachbarschaft so sehr schätzen gelernt habe. Inzwischen ist mir übrigens klar, daß wir da auch am Ort Riesenglück hatten. Der alte Ortskern tickt in dieser Hinsicht einfach noch ganz anders als die neueren Wohngebiete an den Rändern.
Was mir besonders gefällt: Das hat etwas Subversives, denn immer, wenn sich die Leute gegenseitig helfen, kann die Wirtschaft™ mit ihren kostenpflichten Angeboten nichts verdienen, aber trotzdem - oder gerade deshalb - geht es den Leuten dann besser.