Freitag, 5. Dezember 2025

Murmeltiertag: Auf ein Jojo mit Dagmar Stöckle

Mein Gewicht heute früh nach vier aufeinanderfolgenden Fastentagen: 71,3 Kilogramm. Knapp am Tiefstgewicht gescheitert. :-( 

Allerdings hatte ich das ja bereits geahnt. Hätte sich meine Darmflora heute morgen noch zum Abmarsch in die Kanalisation entschließen können - was sie aber nicht tat -, dann wäre ich höchstwahrscheinlich doch noch an dem Zwischenziel angekommen, das ich eigentlich erreichen wollte.

Aber jetzt isses halt so. Eine Tatsache. 

Tatsachen stehen außerhalb aller Übereinkunft und aller freiwilligen Zustimmung; alles Reden über sie, jeder auf korrekter Information beruhende Meinungsaustausch wird zu ihrer Etablierung nicht das Geringste beitragen. Mit unwillkommenen Meinungen kann man sich auseinandersetzen, man kann sie verwerfen oder Kompromisse mit ihnen schließen; unwillkommene Tatbestände sind von einer unbeweglichen Hartnäckigkeit, die durch nichts außer der glatten Lüge erschüttert werden kann.

Eine kleine Verbeugung damit vor Hannah Arendt, deren Todestag gestern Bluesky mit viel Arendt-Content füllte. Dieses Zitat aus Wahrheit und Politik hat leider gefehlt, deshalb gefiel es mir, einen Anlaß an den Haaren herbeizuziehen, um es selbst wiederzugebem. Ich liebe den gesamten Text, die Art, wie Hannah Arendt ihn vorträgt, dieses Zitat zitiere ich immer wieder, aber die Formel von der unbeweglichen Hartnäckigkeit der unwillkommenen Tatbestände mag ich ganz besonders. Von Haus aus habe ich immer versucht, mich vor unbegründetem Wunschdenken zu schützen, weil es sinnlos ist, Tatsachen nicht ins Auge zu sehen. Hannah Arendt sei die Schutzpatronin, die mich jederzeit davor bewahren möge, in die Falle der alternativen Fakten zu tappen, auch wenn sie mir eigentlich viel besser gefallen würden. 

***

Der Reportage-"Fortsetzungsroman" um die Bemühungen der SWR-Journalistin Dagmar Stöckle, ihr Gewicht zu reduzieren - frühere Folgen habe ich 20212022 und 2024 in meinem Blog rezensiert - ging in eine neue Runde. Einmal hatte ich schon darüber spekuliert, ob Frau Stöckles nächster Film über ihr Abnehmproblem womöglich eine Magenverkleinerung enthalten würde. Aber zu ihrem Glück ist inzwischen ja die Abnehmspritze in Mode gekommen, also hat sie sich nicht unters Messer gelegt, obwohl der Anfang der neuen Reportage etwas von Murmeltiertag hatte und sie womöglich soweit gewesen wäre, dieses letzte Mittel doch noch zu wählen. Wie zu erwarten war, hatte sie seit dem letzten Film wieder zugenommen. Schlimmer noch, sie hatte ein neues Maximalgewicht (106,8 kg), ihre Leber wies bereits erste Schädigungsanzeichen auf, die über eine "normale" Fettleber hinausgingen, und ein HbA1C von 6,8 verlieh ihr außerdem das höchst unwillkommene Label einer Diabetikerin.

Ich habe echt ein Luxusproblem, wenn ich mich hier über das ausgebliebene neue Tiefstgewicht beschwere. Als ich 2021 Dagmar Stöckles ersten Film besprach, wog ich 97,7 Kilo, 2022 beim zweiten 84,2, 2024 beim dritten 77,8, und heute, beim vierten, liegt mein Gewicht bei 71,3 Kilogramm. Während dieses gesamten Zeitraums von vier Jahren ging bei Dagmar Stöckle vor den Augen des Fernsehpublikums das Gewicht drei Mal runter und sobald es nichts mehr sehen konnte wieder zurück Richtung Ausgangspunkt, der 2021 bei 105 Kilogramm gelegen hatte.  

Man hätte es der sympathischen Journalistin ja wirklich gegönnt, wenn es ihr gelungen wäre, endlich die Lösung zu finden, die dauerhaft ist, aber aus meiner Sicht sprach jedes Mal nahezu alles dagegen. So interessant ich beim letzten Mal, 2024, die Rolle der Zusatzstoffe bei hochverarbeiteten Lebensmittel gefunden habe - die Carragene vor allem -, fand ich doch jedes Mal, daß Frau Stöckle viel zu sehr an anderer Leute (vulgo "Die Wissenschaft™") Weisheiten glaubt, anstatt mal in ihren eigenen Körper hineinzulauschen. Faustregel bei mir: Wenn nicht das passiert, was nach Meinung der Fachleute passieren sollte, wenn ich das mache, was sie mir auf Basis ihres Forschungsstands empfehlen, dann hat irgendetwas an den Anweisungen und damit auch an dem Forschungsstand nicht gestimmt. 

Das gilt noch mehr, weil eigentlich jeder, der Augen im Kopf hat, sehen können sollte, daß dies ein Muster ist, das sich bei mehr als neunzig Prozent der Abnehmenden bei jedem neuen Versuch aufs neue wiederholt. Es ist einfach lächerlich, bei solchen Erfolgs- und Mißerfolgszahlen beim Gewichthalten nach einer Abnahme das Verhalten der Abnehmenden für verantwortlich zu halten. Die Methoden sind es, mit denen etwas nicht stimmt. 

Was daran über Frau Stöckles persönliches Schickal hinaus problematisch ist: Eine Menge Leute greifen auf, was sie in solchen Dokus zu sehen bekommen, und scheitern damit natürlich mit hoher Wahrscheinlichkeit genauso. Das liegt daran, daß solche Geschichten immer mit einem Happy End abgeschlossen werden und die Entwicklungen danach normalerweise keiner mehr mitbekommt. Seltsamerweise bemerkt das im Fall Dagmar Stöckle kaum jemand, obwohl es ja offensichtlich ist, wenn man alle vier Filme nacheinander sieht. Das Irritierende an den Kommentaren zu dem neuesten YouTube-Video ist, daß so gut wie niemand kritisch darauf eingeht, daß die Feiern zum Abschluß der früheren Filme voreilig gewesen sind und dies dafür spricht, daß das diesmal wieder der Fall sein wird ... nur eben wieder außerhalb des Blickfelds eines Fernsehpublikums.  

So - und wie lief es jetzt bei ihr mit der Abnehmspritze? 

Erstens: So, wie bei den meisten: Es funktionierte.

Zweitens: In ein bis zwei Jahren wird es meines Erachtens ein Wiedersehen mit Dagmar Stöckle in einer neuen Folge geben. So, wie sie das anfängt, wird es bei ihr auch mit der Abnehmspritze nicht auf Dauer funktionieren.  

Ganz ehrlich: Wenn ich es Frau Stöckle nicht ohne weiteres abkaufen würde, daß sie an ihrem Körpergewicht verzweifelt und unbedingt abnehmen will, dann würde ich ihre Dokus wohl für Fakes halten. Jeder der insgesamt fünf Filme seit 2017 - der älteste, den ich erst später entdeckte, ist auf YouTube irgendwie nicht mehr zu finden - folgt nämlich demselben Schema: Verzweifelte Dicke sucht Rat bei Fachleuten, setzt um, was sie empfehlen, recherchiert nach dem Motto "Follow the Science", spricht mit Leuten, die dieselbe Methode versucht haben, kämpft mit Höhen und Tiefen, und am Ende scheint (manchmal mit Abstrichen) alles wieder gut zu sein oder jedenfalls neue Hoffnung aufgekommen. In diesem Fall bekam sie zum Schluß die tolle Nachricht, daß ihre Leber nicht mehr verfettet und schon gar nicht mehr auf dem besten Weg zur Zirrhose war und ihr HbA1C auf 5,3, also in den Normalbereich, gesunken. Kein Diabetes mehr! Kein Leberversagen mehr zu befürchten. Wie in einem Märchen. Natürlich hat sie da gestrahlt.  

Bloß, das Leben ist kein Märchen. Oder, wie Kurt Tucholsky es formuliert hätte: "Und darum wird beim Happy End im Film jewöhnlich abjeblendt."

Deshalb war nach allen früheren Filmen schon nach ein bis zwei Jahren eine neue Runde fällig - so, wie bei den meisten, die mit ihren Pfunden ringen. Dagmar Stöckle hat meiner Meinung nach so lange keine echte Chance, wie sie sich von irgendwelchen väterlich lächelnden Gurus im weißen Kittel weiter auf die falsche Spur bringen läßt. Der rote Faden, der sich durch alle Filme zieht: Sie ist selber daran schuld. So sagt ihr das natürlich niemand ins Gesicht. Aber darauf läuft es doch hinaus, wenn sie jedes Mal aufs Neue ihre Ernährungsgewohnheiten und ihr Bewegungsverhalten radikal umstellen soll. Und sonderlich viel sieht an dem neuen Ernährungsprogramm nicht anders aus als an dem vorherigen. Niemand hat sie aber dazu gezwungen, diese Ernährungs- und Bewegungsweisen zwischen den Filmen wieder aufzugeben. Sie tat das von alleine. Wieso fragt sie niemand, was sie daran gehindert hat, dabei zu bleiben?

Eigentlich ist das eine scheinheilige Frage von mir, weil ich mir ja gut genug denken kann, was der Grund dafür ist. Und der nette Onkel Doktor ist die falsche Person, diese Frage zu stellen, der glaubt es ja auch längst zu wissen. Verdammte Charakterschwäche! Rückfall in alte Verhaltensmuster! Aber Frau Stöckle sollte sich das selbst mal fragen, und zwar ausdrücklich ohne Verwendung der üblichen Bullshit-Bingo-Phrasen. Es ist nämlich etwas anderes, sich selbst über solche Dinge Rechenschaft abzulegen, als  von anderen Leuten deren Interpretation übergebraten zu bekommen und sie gläubig zu akzeptieren. Also, worin bestand das Problem bei diesen Ernährungsgewohnheiten aus ihrer eigenen Sicht? 

Meine Meinung: Diese Art von Ernährung war von vornherein nicht nachhaltig, weil geprägt von Verzichtslogik. Wenn jemand lebenslänglich auf einen beträchtlichen Teil des Genusses beim Essen und Trinken verzichten und sich außerdem ständig zu wenig verlockenden Bewegungseinheiten verdonnern soll, dann macht man seinen Alltag ärmer und freudloser. Das Schlimmste ist aber, daß man dafür noch nicht einmal dauerhaft eine Belohnung zu erwarten hat. Der Stoffwechsel weiß genau, daß er das nicht will, was sie da macht, und er hat halt fast immer Mittel und Wege, einen dazu zu zwingen, ihm das zu geben, was er verlangt. Es soll zwar Leute geben, die solche Zwangsprogramme tatsächlich lebenslänglich durchhalten. Aber normal ist das erst recht nicht. Verlockend klingt es für mich auch nicht, deshalb begreife ich einfach nicht, warum so viele Leute bereit sind, solche Programme überhaupt anzufangen, von denen eigentlich jeder wissen könnte, daß kaum jemand das durchhalten wird. 

Die gute Nachricht für Frau Stöckle - daß sie nämlich, Glückwunsch, völlig normal tickt - enthält als schlechte Nachricht, daß sie - mit oder ohne Abnehmspritze - wenig Chancen hat, auf die aktuell praktizierte Weise weiter abzunehmen, und noch nicht einmal, ihr Gewicht auf Dauer zu halten. Wenn sie mich fragen würde, was ich als alter Abnehmhase ihr raten würde, da es mir ja volle acht Jahre lang gelungen ist, den Jojo-Effekt zu vermeiden, dann ginge es mir in der Antwort um zweierlei: Das Was und das Wie. 

Beim Was würde ich natürlich Elemente aus meiner Methode und dem nicht kalorienbasierten Ansatz empfehlen. Aber nicht, indem sie, das, was ich gemacht habe, eins zu eins übernimmt - das wäre sowieso viel zu kompliziert, so viel, wie ich im Lauf der Zeit modifiziert habe -, sondern sie sollte sie individuell an ihre eigenen Gewohnheiten anpassen und nach und nach durch eigenes ergänzen, wenn sich dazu etwas auftut. Das kann ihr aber kein Experte und auch nicht als alter Hase verraten, was diese Elemente sind, sie kann es nur selbst herausfinden, und dazu muß sie es herausfinden wollen. 

Und beim Wie finde ich es zentral, ihre liebgewordenen Gewohnheiten und kleinen Freuden nicht aufzugeben. Das wichtigste im Leben ist, daß man immer etwas hat, worauf man sich freuen kann. Im Moment ist das bei mir das Brot, das ich am Wochenende zum ersten Mal seit fast acht Wochen wieder essen werde. Low-Carb-Brot schmeckt auch gut, aber eben doch anders, und auf den charakteristischen Geschmack eines Bauernbrots freue ich mich jetzt schon. 

Im Film sprach Frau Stöckle auch mit einer Ernährungspsychologin und bemühte sich nach deren Empfehlung, langsamer zu essen. Nicht einmal im Traum wäre es mir eingefallen, so einen Ratschlag aufzugreifen. Von Haus aus bin ich auch ein Schnellesser, aber ich lasse mir das nicht pathologisieren. Wenn mich jemand ermahnt, langsamer zu essen, lautet meine Antwort, daß mein Eßtempo Teil des Genusses und deshalb für mich unverzichtbar ist. 

Alle diese kleinen Tricks, um um die Hüfte rum nicht aus dem Leim zu gehen, die schon in meiner Teenagerzeit durch alle Frauenzeitschriften kolportiert und von jederfrau nachgebetet wurden - also: Treppe statt Fahrstuhl, langsam essen, gründlich kauen und so weiter -, klingen vielleicht plausibel, aber ich mache bis heute nichts von all dem. Am Abnehmen hat mich das nicht gehindert, als ich erst die richtige Methode gefunden hatte. Das Zunehmen hätten sie aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht verhindert, aber einen Beweis kann ich am eigenen Körper nicht erbringen, ich habe mich solchen Dingen nämlich immer aktiv verweigert. Aber bei anderen Leuten, die das gläubig praktizieren, kann man ja sehen, daß diese Faktoren allenfalls kurzfristig erfolgreich wirken. 

Das ist ähnlich wie meine überraschende zusätzliche 2-Kilo-Abnahme, als ich die Uhrzeit unseres Abendessens - aus ganz anderen Gründen - um zwei Stunden vorverlegte. Der Stoffwechsel folgt seiner eigenen Logik, die sich an den gewohnten Rhythmen orientiert. Ändert man diese Rhythmen, braucht er ein Weilchen, um sich dem anzupassen. Aber man kann Gift darauf nehmen, daß er sich anpassen wird. In meinem Fall dauerte das wenige Wochen, aber das nahm mir, da ich ja nebenbei mein normales Fasten weitermachte und schon dadurch abnahm, den Zusatzerfolg nicht mehr weg. Wenn man nur mit Sport abnehmen will, passiert aber etwas anderes: Nach ein paar Monaten stagniert die Abnahme, und danach nimmt man wieder zu. Der Stoffwechsel hat seine Buchhaltung auf den aktuellen Stand der Einnahmen und Ausgaben angepaßt, weil er gerne seinen alten Kontostand wiederhaben möchte. Resultat ist eine allmähliche Wiederzunahme. Und kombiniert man das mit einem Kaloriendefizit, dann erhöht das vor allem seine Anpassungsleistung. Mit Kaloriendefiziten kann man prima abnehmen, nur kann man die Abnahme auf diese Weise nicht halten, es sei denn man findet sich lebenslänglich mit so kleinen Rationen ab, daß anderswo auf der Welt Hilfsorganisationen mit Nahrungsmittelhilfen kämen, um das Leid des Hungernden zu lindern. 

Riccarda (Nachname unbekannt) - über sie gibt es auch eine Fernsehreportage -, die Frau Stöckle zweimal traf, um sich mit ihr über die Abnehmspritze auszutauschen, hat nachvollziehbarerweise einen Abnahmesprung gemacht, als sie zusätzlich zu Abnehmspritze plus aktiver Beschränkung auf 1000 Kalorien am Tag zusätzlich in einem Reiterhof aktiv geworden war. Ricarda hatte anscheinend mehrmals zwischen verschiedenen Abnehmspritzenarten wechseln und ihre Energiezufuhr sehr strikt limitieren müssen, um innerhalb mehrerer Jahre von knapp über hundert Kilo auf ungefähr mein aktuelles Gewicht zu kommen. Der Erfolg einer weiteren Abnahme sei ihr herzlich gegönnt, allerdings hat sie bestimmt auch schon gemerkt, daß das nun nicht dauerhaft so weitergehen würde. Es sei denn natürlich, sie denkt sich wieder etwas Neues aus, um, wie mein Mann das so gerne sagt, den Stoffwechsel zu überraschen. 

Anfangs habe ich meinen Mann dafür ausgelacht. Ich dachte wie jedermann, wenn man mal die wirksame Methode gefunden hat, dann muß man sie nur noch konsequent durchziehen und alles ist und bleibt prima. So stimmt das aber nicht. Die wirksame Methode gibt es nicht, wenn es um dauerhafte Abnahmen geht. Es müssen immer mehrere - und sich verändernde - Elemente sein. Sonst landet man auf einem Plateau, und dann, wenn die Erfolge ausbleiben, schleicht sich auch das kleine Teufelchen ständig ein, das einem zuflüstert, wenn das Kasteien sowieso keinen Sinn habe, könne man sich doch auch mal was gönnen. Nur einmal. Und dann noch einmal. Und irgendwann scheint es dann sowieso keine Rolle mehr zu spielen. Genau dann fallen Leute wie Dagmar Stöckle vom Wagen. Und ich nicht, weil ich etwas, von dem ich nicht sicher bin, daß ich es notfalls bis an mein Lebensende durchhalten würde, von vornherein gar nicht mehr anfange. Die Plateaus erlebe ich natürlich trotzdem, und, nein, Spaß macht mir das auch nicht. Aber das Teufelchen findet bei mir den Punkt nicht, wo es den Hebel ansetzen könnte, weil ich mich mit dem wohlfühle, was ich mache, also gar keinen Grund habe, mich von ihm verführen zu lassen.  

Da Frau Stöckle sich wieder von einem freundlichen Onkel Doktor ein Verhalten hat aufschwatzen lassen, das ihrer Persönlichkeit und ihren Gewohnheiten nicht gemäß ist, werden wir 2027 oder 2028 wohl eine neue Folge der Dokureihe "Auf ein Jojo mit Dagmar Stöckle" sehen, und ich schicke gerade eín kleines Stoßgebet an wen auch immer sich dafür zuständig fühlen mag, für ihre Blutwerte und ihre Leber. Es ist nicht auszuschließen, daß die nächste Jojo-Runde die Sache noch weiter verschlimmert, was ich ihr unter keinen Umständen wünschen würde. 

Die Wirkung der Abnehmspritze war bei ihr ja relativ bescheiden: 15 Kilo in einem Jahr, das ist bei einem Startgewicht von 106,8 Kilogramm echt nicht so richtig berauschend, und sicherlich hatte sie auch darauf gehofft, daß sie zu denen gehören würde, bei denen das Gewicht mit der Spritze spektakulärer runtergeht. Denn die gibt es ja auch. Bei manchen funktioniert das auch, ohne aktiv durch Ernährungsrestriktionen und Bewegungsprogramme mit dazu beizutragen. Das ergibt auch einen Sinn, denn wenn man von alleine keinen Appetit hat, ißt man ja automatisch weniger, und der Faktor Bewegung wird, siehe oben, notorisch überschätzt. 

Aber Frau Stöckle hatte von ihrem guten Onkel Doktor ja die Warnung erhalten, daß die Wirkung der Abnehmspritze nur so lange anhält, wie man sie anwendet (was auch völlig richtig ist) und sie deshalb an einer Ernährungs- und Lebensstilumstellung nicht vorbeikomme. Daran macht mich ratlos und auch ein bißchen sauer, daß das doch dieselbe Adipositasklinik war, die auch schon in früheren Filmen vorkam. Hat dieser Mensch sich eigentlich gar nicht mit der Vorgeschichte seiner Patientin befaßt und mit den früheren Ernährungsumstellungen, die sie auf seinen Rat hin umgesetzt hat? Es läge doch nahe, sich vor neuen Empfehlungen erst einmal mit der Frage zu befassen, wie eine Umstellung aussehen könnte, die sie diesmal auch wirklich dauerhaft durchsteht.

Der Punkt ist aber vor allem der, daß die Ernährungsumstellung natürlich sofort sein sollte und dies ihren Abnehmerfolg verfälscht. Die Wirkung der Spritze war bei ihr also noch schwächer, als dies die Zahl 15 ausdrückt, da ja ein Teil der Abnahme auch auf die Ernährungs- und Bewegungsvorschriften zurückzuführen war. 

Das muß diesem Weißkittel aber spätestens nach drei, vier Monaten aufgefallen sein, daß das vergleichsweise schleppend bei ihr lief! Da hätte ich als verantwortungsbewußter Arzt vielleicht wenigstens den Wechsel auf eines der anderen auf dem Markt erhältlichen Mittel vorgeschlagen. Aus dem Abnehmforum weiß ich, daß das in manchen Fällen die Abnahme tatsächlich erhöht hat. Auch wenn es natürlich nicht sicher ist, ob es in speziell diesem Fall geklappt hätte: Einen Versuch wäre es allemal wert gewesen.  

Im Film hat sie es ja ausgerechnet: Jedes abgenommene Kilo schlug mit mehr als 300 Euro zu Buche. Die Gesundheit mag es ihr wert gewesen sein, aber ich fürchte, die nächsten fünftausend Euro für Abnehmspritzen werden sich auch in gesundheitlicher Hinsicht als nicht so überzeugend eingesetzt erweisen. 

Ich danke diesem Wemauchimmer von weiter oben im Text gerade auf Knien, daß er mich mit dem, nach Terry Pratchett, "dritten Blick und den zweiten Gedanken" versehen hat, was in etwa besagt, daß es schwierig ist, mich mit alternative Fakten zu überzeugen, wenn ich die unbewegliche Hartnäckigkeit unwillkommener Tatbestände direkt vor der Nase habe, daß er mich begleitend dazu so ehrfurchtslos gegenüber Autoritäten gemacht hat, daß er mich durch schieren Dusel das Intervallfasten finden ließ und mir als Bonus sogar noch die kühne Idee eingab, die Methode meinem Lebensrhythmus anzupassen, statt es, wie die meisten, umgekehrt zu machen. Ober er nun als Sahnehäubchen auch noch wirklich aussieht wie Morgan Freeman oder nicht: Hätte auch nur einer dieser Faktoren gefehlt, dann hätte ich mein heutiges Gewicht nie und nimmer erreicht. Hätte ich 2017 mit 147 Kilogramm mein Leben aber einem Experten anvertraut, wäre ich heute höchstwahrscheinlich mindestens schwerkrank, aber vielleicht auch längst tot. Was für ein Glücksfall, daß ich so bin, wie ich bin. 

Glück muß der Mensch haben - aber eben auch bereit sein, seinen eigenen Verstand einzusetzen. Das ist überhaupt immer meine Antwort, wenn mich jemand fragt, wie ich dies oder jenes hingekriegt habe: Glück und Können. Man braucht nun einmal beides. 

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YouTube spült mir derzeit ständig Videos über Altersarmut in die Empfehlungsliste, und zwei davon habe ich mir mal angesehen. Eigentlich mag ich diese reißerischen Formate ja gar nicht, aber es ist ja nicht verkehrt, ab und zu mal zu sehen, auf welche Weise andere Leute sich ihre Meinung bilden. Altersarmut, das ließ sich direkt und indirekt aus diesen Reportagen entnehmen, ist vorwiegend weiblich und hat viel damit zu tun, daß die Rentenansprüche aus dreißig Berufsjahren nicht für eine auskömmliche Rente eines Singles ausreichen. 

Skandalös, was? 

In Wirklichkeit ist es gar nicht skandalös. Mein Berufsleben wird, falls ich es zwei Jahre vor dem regulären Renteneintrittsalter beenden kann, 49 Jahre gewährt haben, und davon war ich nur vier Jahre in Teilzeit, zwei zu 50 % und zwei zu 75 %. Sollte ich noch zwei Jahre bis zum eigentlich vorgesehenen Alter weitermachen, sind es 51 Jahre. 

Dreißig Jahre, davon womöglich noch die Hälfte halbtags, das ist also viel weniger, als es klingt. Niemand sollte überrascht darüber sein, wenn das nicht für eine auskömmliche Rente ausreicht, womöglich noch in einer schlecht entlohnten Tätigkeit. 

Das Szenario, das in einer der Reportagen in etwa so vorkam, betrifft natürlich vor allem Familienmütter. Das spielt freilich dann keine Rolle, wenn die Familie noch besteht. In dem Fall bietet die nicht auskömmliche Rente der nur dreißig Jahre Beitragszahlungen zugrunde liegen zusammen mit der höchstwahrscheinlich auskömmlicheren Rente der zweiten Hälfte eines Ehepaars, bei der insgesamt mehr Jahre zusammenkamen, eine gute Grundlage für einen angenehmen gemeinsamen Lebensabend. Das gilt bei zwei Geringverdienern im Ruhestand vielleicht in einem Mietverhältnis nur mit gewissen Einschränkungen, aber die Rahmenbedingungen müssen schon sehr ungünstig sein, daß es auch dann mit dem Geld wirklich klemmt. 

Daß jemand über Geldmangel jammert, reicht mir übrigens nicht aus, um einen Geldmangel wirklich für gegeben zu halten. Jammern tun ja fast alle, daß sie zu wenig Geld hätten, sogar Oberärzte. Es gibt Leute, die können mit Geld nicht gut genug umgehen, um mit Engpässen zurechtzukommen, und die hätten selbst die Möglichkeit, sich so zu verhalten, daß sie sich nicht arm fühlen müßten. Wenn sie das nicht zuwege bringen, muß man ihnen helfen, es zu lernen. 

Natürlich gibt es auch den echten, objektiv demonstrierbaren Geldmangel derjenigen, die eigentlich alles richtig machen, aber eben so wenig von der Rentenversicherung ausbezahlt bekommen, daß es von vornherein nicht ausreichen kann für das, was man als Ausgaben hat. Ich wollte obige Sache nur mal erwähnen, weil es mich so stört, daß der subjektiv empfundene Mangel die Grundlage der manchmal schockierenden Ergebnisse von Umfragen ist, die dann von den einschlägigen Interessengruppen zur Grundlage politischer Forderungen gemacht werden. 

Back to topic: 

Das Problem mit der Altersarmut entsteht am häufigsten als Folge von Trennung bzw. Scheidung, sofern von der altersarmen Person Kinder großgezogen wurden. Mit anderen Worten: Fast immer sind es Mütter, auf die das Szenario "dreißig Rentenversicherungsjahre, davon die Hälfte in Teilzeit" zutrifft. Dafür ist auch der Fluch der Minijobs mitverantwortlich, die seit Jahrzehnten populär sind, weil es nur geringe (lange Zeit überhaupt keine) Abzüge dabei gibt, was freilich dazu führt, dass kaum (früher gar keine) Rentenversicherungsbeiträge eingezahlt werden. Nach dem Renteneintritt bleibt also bei einer Erwerbsbiographie mit langjähriger Minijobtätigkeit - anderweitiges Einkommen oder Vermögen als nichtexistent vorausgesetzt - nur noch die Wahl zwischen (aufstockender) Grundsicherung oder wieder eine Arbeit aufzunehmen - in der Regel wieder auf Minijobbasis. Putzen ist der Klassiker, aber körperlich auch bei vergleichsweise fitten 67jährigen nicht mehr so leicht zu stemmen. Ein beträchtlicher Teil derjenigen, die nach Renteneintritt nicht wissen, wo sie Geld hernehmen sollen, sind zu körperlich anstrengender Erwerbsarbeit gar nicht mehr in der Lage - und Putzen als Erwerb IST körperlich anstrengend. Ich erinnere daran, daß ich bei Arztbesuchen immer wieder erstaunte Reaktionen erlebe, weil ich kein einziges Medikament regelmäßig einnehmen muß. Chronische Erkrankungen sind bei 60jährigen offenbar die Norm, das heißt, körperliche Unfitness ist es sieben Jahre später erst recht. 

Die Sache mit der Altersarmut erinnert mich daran, daß Leute wie dieser unangenehme Marcel Fratzscher das Narrativ verbreiten, der Generation der "Boomer" (die Leute, die jetzt nach und nach in Rente gehen und für den Anstieg bei der Altersarmut sorgen) gehe es viel zu gut, sowohl gesundheitlich als auch finanziell, sie seien zu fit, um als unnütze Esser ohne Gegenleistung versorgt zu werden, und sie seien der jungen Generation deshalb etwas schuldig, sowohl was zusätzliche Arbeitsjahre als auch was weniger Geld betrifft. Da alle Prognosen eine noch viele Jahre andauernde Zunahme der Altersarmut sehen, betrachte ich Fratzschers Einlassungen als entweder Wichtiguerei - Motto: je kontroverse die These, desto besser die Buchverkäufe und desto häufiger sitzt man in Talkshows - oder aber vielleicht auch interessengesteuert. Sein Lösungsvorschlag enthält jedenfalls keine Lösung, weil er das Problem falsch benennt und im Namen der Gerechtigkeit neue Ungerechtigkeiten schaffen würde. Was Fratzscher meiner Meinung nach auch ganz genau weiß.  

Die Altersarmut von heute und von morgen läßt sich nicht mehr ohne weiteres verhindern. Die Mütterrente ist in diesem Zusammenhang übrigens nichts weiter als ein schlechter Witz: Für die Mütter, die als Rentner in der Armut landen oder dies befürchten müssen, ist sie zu wenig und wird sowieso nur von der Grundsicherung, die sie benötigen werden, wieder abgezogen. Alle anderen kommen auch ohne sie klar. Altersarmut droht aber auch Männern, vor allem im Osten, die häufig Erwerbsbiographien haben, in denen sich etwa zwanzig Jahre lang Phasen der Niedriglohnbeschäftigung mit Phasen der Arbeitslosigkeit abwechselten. Auch im Westen mußte Agenda 2010 sei dank so mancher gut Qualifizierte in mittleren Jahren, der nie mit Arbeitslosigkeit gerechnet hätte, wenn sie doch eintrat, Vermögenswerte verwerten, die eigentlich einen sorgenfreien Ruhestand gewährleisten sollten. Dies war damals politisch gewollt, die Folgen müssen der Regierung bewußt gewesen sein, und sie wurden in Kauf genommen, mit anderen Worten: Es hing vielfach nur von den Faktoren Glück oder Pech ab, ob man den Job und seine Rücklagen behalten konnte oder nicht. Auf die Altersgruppe über 40 hatte das schwerwiegendere Auswirkungen als auf jüngere, weil sie auch im Niedriglohnbereich zeitweise völlig chancenlos bei Bewerbungen waren. Die Betroffenen meiner Generation wurden also wissentlich von der damaligen Bundesregierung in diese Situation gebracht, ebenso wie ein halbes Dutzend Bundesregierungen nichts dabei fand, absehbare Altersarmut für Mütter vom Fortbestand oder dem Scheitern ihrer Ehe abhängig zu machen. Reparieren läßt sich daran jetzt nicht mehr viel, das hätte mit wesentlich mehr Vorlauf vor dem Renteneintritt der Betroffenen geschehen müssen. 

Einer Überdramatisierung des Umfangs des Problems der Altersarmut von heute, wie sie von den einschlägigen Interessenverbänden betrieben wird, möchte ich trotzdem entgegentreten. Die Rentenansprüche der gesetzlichen Rentenversicherung sind ja nur für eine Minderheit das einzige, wovon sie im Alter ihren Lebensunterhalt bestreiten, und das gilt auch für die Mehrheit der Mütter, deren Rentenansprüche nicht existenzsichernd sind. Der wichtigste Faktor nach einer fortbestehenden Ehe (weniger günstig sind Beziehungen ohne Trauschein) ist das Wohneigentum. Sogar unter Rentnern, die 2018 ein Haushaltsnettoeinkommen von unter 900 Euro bezogen, lebte nämlich fast ein Drittel in Wohneigentum. Auch wenn der Anteil der Eigentümer mit steigendem Haushaltsnettoeinkommen natürlich stark steigt, ist das ein beachtlicher Wert. Und: 2018 war das zwar kein üppiges Einkommen, aber vermutlich ausreichend für die Einzelperson, die man sich dabei fast immer vorstellen muß. Wenn ich an meine eigene Mutter denke, dann lebte sie im eigenen Haus zwar von einer bescheidenen eigenen und einer ebenfalls bescheidenen Witwenrente, hatte aber von meinem verstorbenen Vater auch eine Rücklage in seinerzeit fünfstelliger Höhe hinterlassen bekommen - ein Pfund, mit dem sie irgendwann an der Börse zu wuchern begann, was dazu führte, daß sie heute ein ganz ansehnliches Vermögen hat, obwohl sie nie gezögert hat, größere Summen für die Instandhaltung am Haus auszugeben. Armutsgefährdet war sie trotz niedriger Rentenansprüche also nie, auch wenn sie weit entfernt davon war, reich zu sein. Vergleichbare Fälle werden in der niedrigsten Einkommensgruppe mit Wohneigentum nicht gerade selten sein. 

 

Was wir also definitiv nicht brauchen, sind Wohltaten für Rentner, die mit der Gießkanne über alle ausgeschüttet werden. Nötig fände ich aber zielgenauere Maßnahmen, die sich auf die Gruppen von Rentnern beschränken, die heute schon keine existenzsichernden Einkünfte haben, bzw. künftigen Rentnern der nächsten zehn Jahre, bei denen das jetzt schon absehbar und nicht mehr zu verhindern ist. 

Was außerdem möglich wäre und auch getan werden sollte, ist, die Altersarmut von übermorgen zu verhindern, und dies betrifft die Generationen, die Marcel Fratzscher zu ködern versucht, indem er ihnen weismacht, uns gehe es zu gut und ihnen zu schlecht, also solle man doch uns etwas wegnehmen und an sie weitergeben. In Wirklichkeit sind es aber nur die ab Mitte der neunziger Jahren Geborenen, die angeblich im Alter so benachteiligt sein sollen, denen nie zugemutet wurde, für 5 Euro die Stunde zu schuften, wie das 2005 in der Zeitarbeit gang und gäbe war, weil sie erst um die Zeit der Einführung des Mindestlohns herum ins Erwerbsleben eingestiegen sind. Die Rentenansprüche, die man als Angehöriger der GenZ in einem geringqualifzierten Job erworben hat, betrugen bei Start ins Erwerbsleben 2016 von vornherein fast das Doppelte von dem, was ein aus der Arbeitslosigkeit heraus in Arbeit gelangter Mittvierziger ab 2005 möglicherweise jahrelang eingezahlt hat. Sogar dann, wenn hundert Euro von der Rente bei dem GenZler, gemessen an der Inflation, bei seinem Renteneintritt weniger Kaufkraft als die hundert Euro des Boomers, der ab der Wende in Brandenburg oder Sachsen zwanzig Jahre lang nur Mini-Rentenansprüche erwerben konnte, aufweisen sollte, bekommt der GenZler aller Voraussicht nach trotzdem einige hundert Euro mehr, und das sollte die Sache ja wohl wieder ausgeleichen.

Altersarmut entsteht für heutige Mitt- bis Endzwanziger vermutlich am häufigsten, wenn in einem akademischen Beruf erst spät ins Berufsleben eingestiegen wurde, etwa wegen einer Umorientierung im Studienfach, insbesondere in Fachrichtungen mit bescheideneren Gehaltsaussichten und/oder - erneut - durch längere Phasen ohne bzw. mit eingeschränkter Erwerbstätigkeit. Es läßt sich kaum übersehen, daß Kinder weiterhin das Risiko für Altersarmut erhöhen, sofern ihre Eltern keine bis ans Lebensende dauernde Ehe oder sonstige Beziehung führen. Das wäre der Punkt, an dem man in irgendeiner Form ansetzen müßte, um zielgenau gegen Altersarmut bei jüngeren Leuten vorgehen zu können. 

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Meine Low-Carb-Phase ist morgen zu Ende und mein Mann hat sich fürs Wochenende Linsen und Spätzle gewünscht. Er hat auch diesmal konsequent mitgemacht, wie immer mit einer Ausnahme: Zucker im Kaffee. Da er sich - ebenfalls wie immer - geweigert hat, die Waage zu betreten, kann ich aber nicht sagen, ob und wieviel er abgenommen hat. 

Das Wochenende werden wir nicht nur endlich mal wieder Brot, Spätzle und Bier genießen, sondern außerdem unter dem Dach nach dem aktuellen Haupt-Mauseloch suchen. Dank der Kamera können wir einschätzen, daß es sich (ärgerlicherweise) hinter einem Einbauschrank befindet, aber ich hoffe, wir kommen trotzdem direkt ran, weil dahinter der niedrigere Teil der Dachschräge in das Einbaumöbel merkwürdigerweise nicht mit einbezogen worden war. Im Moment ist diese Nische unter der Schräge noch vollgestellt, aber das wird sich jetzt ändern.  

Ich befürchte, wie im Wohnzimmer gibt es auch noch Neben-Mauselöcher. Aber wie im Wohnzimmer werden wir die nach und nach auch noch finden.  

Montag, 1. Dezember 2025

Assistierter Suizid: Frei gewählter Abschied oder Notausgang der schlecht Versorgten?

Mein Gewicht heute früh: 75,8 Kilogramm. Das enttäuscht mich schon ein bißchen, eigentlich hätte ich erwartet, mit weniger als 75 Kilogramm in dieses an die Low-Carb-Phase anschließende lange Fastenintervall zu starten. Aber immerhin, die ganze letzte Woche waren meine Gewichtsschwankungen nach oben wie nach unten völlig unvorhersehbar, und zeitweise befürchtete ich sogar, daß ich heute mehr als 76 Kilo auf die Waage bringen würde, also ist das ein Fall von: Es hätte schlimmer kommen können. Mal sehen, ob mir ein neues Tiefstgewicht zum Freitag trotzdem gelingt; dafür müßte ich in vier Tagen eine Abnahme von 4,8 Kilogramm oder mehr verzeichnen. Das sieht mir keineswegs undenkbar aus, aber in der Low-Carb-Phase diesen Herbst hatte ich bislang immer deutlich geringere Abnahmen. Mal sehen. Ärgerlich ist vor allem, daß ich nun befürchten muß, zum ersten März das Zielgewicht doch erneut zu verfehlen. Wenn das passiert, ist es vermutlich aber nur geringfügig, das spräche dann für einen zweiten Anlauf eines Endspurts. 

Es hätte jedenfalls nicht viel Sinn, im Moment mit Low Carb weiterzumachen, erstens weil ich mich darauf freue, wieder Bratkartoffeln oder Spätzle zu machen, zweitens, weil das Potential, damit das Gewicht zu drücken, jetzt mehr oder weniger erschöpft zu sein scheint. Neues Jahr, neues Glück. 

***

Die diesjährige Ausgabe des alljährlichen Ernährungsreports war mir mal wieder einen Blick wert und ebenso ein paar Sätze hier im Blog. Ich weiß nicht, ob ich diesen Teil in früheren Ausgaben übersehen habe oder ob er in ihnen weniger betont wurde, weil die aktuellen Trends, von vegan aufwärts, von den Vorgängern des aktuellen Landwirtschaftsministers so hervorgehoben wurden, daß diese Sache unterging. Nämlich die Sache mit den Kalorien: 

Dass ihnen kalorienarmes Essen sehr wichtig oder wichtig ist, geben 36 Prozent der  Befragten an. In den vergangenen zehn Jahren ist dieser Wert leicht, aber signifikant
gesunken (2015: 44 Prozent). Frauen achten stärker auf weniger Kalorien (43 Prozent) als Männer (29 Prozent). Mit dem Alter steigt die Bedeutung des Kaloriengehalts: Bei den 14- bis 29-Jährigen finden ihn 24 Prozent (sehr) wichtig, bei den 30- bis 44-Jährigen 31 Prozent, bei den 45- bis 59-Jährigen 40 Prozent und bei den ab 60-Jährigen 43 Prozent.
Der Anstieg spiegelt die zunehmenden Probleme mit Gewichtszunahmen im Laufe des Lebens wider, aber auch bei der jüngsten Altersgruppe finde ich ein Viertel schon bemerkenswert viel. Das gilt noch mehr, weil es da ganz bestimmt erhebliche Geschlechterunterschiede gibt und Mädchen bzw. junge Frauen wahrscheinlich überrepräsentiert sind.  

Was vermeldete der Ernährungsreport sonst noch? Der Anteil derer, die sich als Veganer bezeichnen, liegt bei 2 Prozent, als Vegetarier sehen sich 7 Prozent. Das dürfte aber nicht den Anteil wiedergeben, die das tatsächlich konsequent tun, da solche Selbstbeschreibungen flexibler als die zugehörige Definition zu sein scheinen. Und auch die nach wie vor bestehende Popularität, sich als "Flexitarier" zu bezeichnen (wie das 37 % tun), sagt letzten Endes wenig darüber aus, was die Leute tatsächlich tun. Erwartbar war, daß der Anteil aller drei Gruppen in Großstädten am höchsten ist - mit immerhin 5 %, die sich als Veganer bezeichnen - und bei kleineren Städten und Dörfern umso mehr sinkt, je kleiner der Ort ist. 

Der Fleischersatzprodukte-Hype ist augenscheinlich ein Großstädter-Phänomen, denn gleichzeitig sinkt auch der Anteil derer, die täglich kochen, umso mehr, je mehr Einwohner sein Wohnort hat. Auch wenn "Kochen" ebenfalls eine Definítionsfrage ist und ich mir sicher bin, daß ich einen nennenswerten Anteil dieses Kochens als das Aufwärmen von Fertigfraß bezeichnen würde. Großstädter leben offenbar ungesünder, weil sie mehr Fertigprodukte konsumieren, und glauben vielleicht ja ernsthaft, der mehr oder weniger regelmäßige Verzehr von veganem Fleischersatz könne dem entgegenwirken. 

Noch interessanter für realistische Einschätzungen ist, wer alles - ohne deshalb konsequent vegetarisch oder vegan zu leben - täglich vegane Fleischersatzprodukte zu verzehren angibt. Das haben nämlich im Jahr 2025 von der jüngsten Altersgruppe 14 Prozent und von der ältesten vier Prozent geantwortet. In den beiden Vorjahresberichten von 2023 und 2024 lag der Wert bei den unter Dreißigjährigen allerdings bei 18 Prozent und bei den über 60jährigen bei 5 Prozent. 2022 wurde auf diese Frage noch nicht eingegangen, aber damals bezeichneten sich noch 44 Prozent der Befragten als Flexitarier, 2025 waren es nur noch 37 Prozent. 

Der Reiz des Neuen ist also vorbei, und der soziale Druck ist auch gesunken, denn die Medien haben längst nicht mehr so viel Zeit, um sich für den Segen der veganen Ernährung zu verkämpfen, weil wir genügend echte Krisen haben, über die sie zu berichten haben. Jetzt kommt es bei Befragungen zunehmend darauf an, ob man sich (egal, mit welcher Begründung) wirklich so ernähren will oder nicht. Mal sehen, wie die Zahlen für 2026 aussehen werden. 

***

Kürzlich schrieb ich über die Ideen, die unser aller Drogenbeauftragter über kostspielige Krebstherapien für alte Leute hatte, und erwähnte nebenbei die Problematik des assistierten Suizids, der neben der gewünschten selbstbestimmten und die eigene Würde bewahrenden Eigenentscheidung auch ein Notausgang aus unzureichender Behandlung, Pflege und daraus resultierender Entwürdigung werden kann. Es ist davon auszugehen, daß etwaige Einschränkungen bei der Krebstherapie zu einem Anstieg bei der Zahl derer führen würden, die ihr Leben aus solchen Gründen beenden. Und das wäre dann ein klarer Fall von Notausgang, nicht etwa das, was der Begriff "Freitod" ausdrücken soll. Deshalb interessierten mich die Erfahrungen mit assistiertem Suizid in Kanada, wo er seit zehn Jahren möglich ist und jährlich darüber Bericht erstattet wird. 

Im Lauf der letzten zehn Jahre gab es jedes Jahr mehr Menschen, die ihrem Leben auf diese Weise ein vorzeitiges Ende gesetzt haben, wobei sich der Anstieg inzwischen abgeschwächt hat. Etwa fünf Prozent der Todesfälle des Berichtsjahres 2024 in Kanada, genauer gesagt, 16.499 Todesfälle, beruhten auf einem assistierten Suizid. Anträge auf assistierten Suizid gab es noch erheblich mehr, nämlich 22.535. Knapp über 4000 Antragsteller starben, bevor entschieden werden konnte, knapp 700 zogen den Antrag zurück, abgelehnt wurden exakt 1327 Anträge. Möglicherweise ist dies nur die Spitze des Eisbergs, da es nur die Fälle sind, in denen ein Arzt eine solche Ablehnung gemeldet hat. Wieviele Ablehnungen durch den behandelnden Arzt erfolgten, ohne daß es weitergemeldet wurde, ist kaum zu beziffern. Die Gründe für die Ablehnung waren überwiegend die Einschätzung des Arzts über die Schwere und Irreversibilität der Erkrankung wie auch die Entscheidungsfähigkeit des Patienten. Ein knappes Viertel der als abgelehnt verzeichneten Patienten konnte oder wollte sich aber auch einfach nicht entschließen, die letzte Hürde einer schriftlichen Zustimmung auch noch zu nehmen, war sich also am Ende doch nicht sicher genug. 

Nebenbei sei außerdem noch erwähnt, daß 1) neben dem assistierten Suizid natürlich auch die üblichen Selbstmorde noch bestehen, sie machen in etwa weiter 4500 der Todesfälle in Kanada aus, und 2), daß die assistierten Suizide keine eigene Rubrik in der Todesfallstatistik ausmachen. Zum 3) ist noch zu ergänzen, daß die Zahl der "normalen" Selbstmorde durch die Möglichkeit des assistierten Suizids nicht zurückgegangen, sondern eher noch gestiegen zu sein scheint. Ich habe zwar nicht viel Zeit für die Recherche verwendet, aber 2009 lag die Gesamtzahl unter 4000. 

Die gute Nachricht für Kanada lautet, daß weder bei der Ablehnung des Antrags durch den Arzt noch beim Zurückziehen des Antrags durch die Patienten ein Einfluß durch Druck durch andere Personen besonders häufig vom Arzt wahrgenommen wurde. Die einschränkende schlechte Nachricht lautet, daß etwa die Hälfte der Antragsteller das eigene Gefühl, eine Belastung für Familie, Freunde und Pflegende zu sein, unter den Gründen für ihren Entschluß aufzählt. Das Problem sind also weniger etwaige Erbschleicher, sondern das eigene Gefühl, nicht nur selbst nur noch schlecht zu leben, sondern nebenbei auch Angehörigen das Leben sauer zu machen. 

Den selbstbestimmten Tod bei einer voraussichtlich in absehbarer Zeit tödlich verlaufenden Krankheit suchen ausweislich einer entsprechenden Untergliederung häufiger Menschen in den wohlhabenderen Wohngegenden. Unter der Minderheit der Antragsteller ohne eine solche Erkrankung - in der Regel geht es um eine Behinderung, die das Leben extrem einschränkt - sind dagegen Frauen in den ärmsten Wohngegenden überrepräsentiert. Es fällt mir schwer, dies ebenso als selbstbestimmt zu interpretieren, denn das wirkt auf mich schon eher wie eine Reaktion auf eine Versorgung, die schlechter ist, als sie anderswo geboten werden kann, aber ebenfalls schlechter als die Versorgung, die Männer in derselben Situation, meist eine dauerhafte und schwerwiegende Behinderung, zu erwarten haben. Ich bin sonst nicht so schnell dabei, Frauen für benachteiligt zu erklären, aber das sieht mir sehr danach aus, als fehlte mehr Frauen als Männern die Möglichkeit, ihre Würde auch bei Behinderung durch eine entsprechende Versorgung gut genug wahren zu können, um nicht am Sinn ihres Weiterlebens zu verzweifeln.  

Was sonst noch erwähnenswert war: Bei mehr als 95 Prozent der Antragsteller war der Tod in absehbarer Zukunft zu erwarten, das Medianalter lag bei 78 Jahren - Hendrick Streecks Vater war in diesem Alter - und mehr 60 Prozent von ihnen hatten Krebs. Etwa ein Drittel gab eine körperliche Behinderung an, wobei Behinderungen unter den nur 4,4 Prozent der Fälle, in denen kein baldiges Lebensende absehbar war, fast zwei Drittel ausmachten. Fast 90 Prozent betrafen Menschen, die 65 Jahre alt oder älter, also im oder jedenfalls nahe am Rentenalter waren. Männer und Frauen waren nahezu gleich häufig vertreten. Speziell bei Krebserkrankungen zeigte sich, daß in der Altersverteilung der assistierten Freitode die Altersgruppen zwischen 65 und 84 im Vergleich zur generellen Altersverteilung der Krebstode überrepräsentiert war. Die über 85jährigen und noch älteren nutzten diese Möglichkeit im Vergleich zu allen Todesfällen ihrer Altersgruppe weniger häufig, und das galt bei ihnen für die meisten der anderen untersuchten zum Tode führenden Krankheiten. 

Meiner Meinung nach ist es keine allzu verwegene Annahme, daß eine Beschränkung der Behandlungsmöglichkeiten für Ältere bei Krebs, wie sie Streeck in die Diskussion zu bringen versuchte, dazu führen würde, daß die Wahl des Freitods in der Altersgruppe ab 85 ansteigen, möglicherweise sogar dramatisch ansteigen würde. Dies wäre nämlich ein Signal, das den Betroffenen vermittelt, daß sie nicht nur für die Menschen, die sie lieben (wie das so viele von ihnen ohnehin schon glauben), sondern auch für das Gesundheitssystem nur noch eine Belastung sind. Wie soll diese Vorstellung einen Menschen, dem es sowieso schon selbst schlecht geht, nicht noch weiter demoralisieren? Und womöglich noch, wenn er vielleicht sowieso an der Armutsgrenze herumkrebsen sollte, wie das ja immer mehr Rentnern geht und künftig allen Prognosen nach noch viel mehr gehen wird. 

Das eigentliche Problem mit der alternden Gesellschaft besteht m. E. in dem inneren Widerspruch einer Gesellschaft, in der "Leistung" nicht nur verherrlicht, sondern auch als "durch die Wirtschaft verwertbare Leistung" verstanden wird. Damit reduziert man das menschliche Leben zu einem reinen Wirtschaftsfaktor, und es ist absurd genug, daß ein Teil der wirtschaftlichen Leistung nur deshalb erforderlich wird, weil man weite Teile seines Lebens alles, was diese Leistung schmälern würde, bleibenlassen oder an bezahlte Dienstleister outsourcen soll. Hier stimmt im gesamten mentalen Gefüge etwas Grundsätzliches nicht, über das meiner Meinung nach viel zu wenig diskutiert wird. Streecks unqualifizierte Einlassungen sind da nur die Spitze des Eisbergs. Aber ich muß außerdem gestehen, auch viel von dem empörten Widerspruch an seine Adresse mißfiel mir, weil es aus hohl tönenden Phrasen bestand, mit denen man diesen realen inneren Widerspruch zu überschreien versuchte. Davon geht er aber nicht weg, der innere Widerspruch. 

In so einer Gesellschaft, und auch das ist ein innerer Widerspruch, soll ich andererseits aber wieder auf vieles, was mir jetzt im Moment Spaß macht, verzichten, nur um möglichst alt zu werden. Mache ich das, muß ich aber darauf gefaßt sein, daß mir - falls die Sache überhaupt klappt, ich also steinalt werde - dann von allen Seiten - und vielleicht dann ja nicht einmal mehr sonderlich subtil - vermittelt wird, daß meine Existenz überflüssig ist und eigentlich auch von niemandem mehr so richtig gewünscht wird. 

So alt wie möglich zu werden, wird uns einerseits als Bürgerpflicht verkauft (und vorzeitiger Tod als persönliches Versagen), ist aber andererseits so kostspielig, daß wir uns für das Altgewordensein dann erst recht schämen sollen. Diese inneren Widersprüche sind es, an denen unsere Gesellschaft vor die Hunde geht, und zwar deshalb, weil sie von allen immer nur beschwiegen werden. 


Freitag, 28. November 2025

Gibt es eine richtige Wissenschaft in der falschen?

Mein Gewicht heute früh nach dem zweiten von zwei nicht aufeinanderfolgenden Fastentagen diese Woche: 74,1 Kilogramm. Tja - da ist es passiert. In Woche sieben von sieben mit Low Carb kam die Abnahme zum Stillstand, das Gewicht ging sogar um ein paar hundert Gramm rauf. Ich bin zwar der Meinung, daß das wasserbedingt war, denn gestern mußte ich andauernd "für kleine Mädchen" (und ohne das läge mein Gewicht wohl noch höher). Aber eine weitere Abnahme gab es definitv nicht, das kann ich mir nicht schönreden. 

Nun ja. Das soll mir eine Lehre sein. Sechs Wochen Low Carb sind wohl die perfekte Dauer, wenn es mir dabei vor allem um die Wirkung auf das Körpergewicht geht. In die Verlängerung gehen, lohnt sich im Grunde nicht. Die eine Woche früher habe ich aber sowieso nur angefangen, um nicht mit einem langen Fastenintervall einzusteigen, weil ich mich erst auf die geänderte Ernährungsweise einstellen wollte. Das hat auch gut geklappt. Ich habe tatsächlich in der ganzen Zeit nie ernsthaftes Verlangen nach irgendwas "Verbotenem" gehabt, mit einer Ausnahme: vorgestern beim Einkauf, als ich mir Schaumzuckermäuse gekauft und daheim gleich an einer geheimen Stelle gebunkert habe, wo ich sie ignorieren kann, bis ich wieder "darf". 

Mit den Mäusen will ich meinen Mann überraschen. 

Ich habe ja schon länger nicht mehr über unser Mäuseproblem im Haus geschrieben, aber es besteht nach wie vor. Im Sommer, nachdem wir die Therme unters Dach verlegt haben, endete es, was die Küche betrifft. Seitdem haben wir in der Küche keine einzige Maus mehr in der Falle gehabt. Dafür gingen sie von da an mit derselben Regelmäßigkeit im Wohnzimmer in die Falle, und in den letzten Wochen, als es kälter wurde, nahm ihre Zahl so merklich zu, daß mein Mann acht neue Fallen bestellte, weil bei den alten der Schnappmechanismus doch schon ein bißchen ausgeleiert ist. 

Wir brauchten eine Weile, bis wir das Mauseloch - präziser: die Mauselöcher - gefunden hatten, weil wir anfangs dauernd auf der falschen Raumseite nach ihm suchten, wo es aber, wie wir jetzt wissen, gar kein Mauseloch gibt. Mit Hilfe der Webcam mit Bewegungsmelder konnten wir uns, nachdem wir sie mehrmals im Raum anders hingestellt hatten, davon überzeugen, daß das offene Gebälk am Boden in der Mitte des Wohnzimmers, wo es an die Wand zur Küche angrenzt, ein mit bloßem Auge nicht sichtbares Loch enthielt, durch das die Mäuschen in aller Seelenruhe raus und rein huschten. Also wurde dieses Loch geschlossen. Aber am nächsten Morgen war wieder eine Maus in der Falle. Wieder zeigte sich durch die Kamera nach ein paar Tagen, woher sie gekommen war: am selben Balken seitlich. Dieses zweite Loch war verblüffend winzig, man mochte gar nicht glauben, daß eine durchschnittlich große Maus sich da hatte hindurchzwängen können. Aber so scheint es gewesen zu sein, denn seit auch dieses Loch mit einer Metallplatte verschlossen wurde, haben wir auch im Wohnzimmer keine Mäuse mehr in den Fallen vorgefunden.

Dafür sind sie jetzt aber wieder unter dem Dachspitz. 

Interessanterweise sind dort oben aber nahezu ausschließlich sehr zierliche Mäuslein in die Falle gegangen. Wir haben ja Mäuse in den unterschiedlichsten Größen, von der "Mikro-Maus", die vielleicht ein Drittel so groß ist wie eine durchschnittlich große und vermutlich frisch aus Mamas Nest gleich in die Falle ging, bis zur "Mords-Maus", die entweder besonders gut genährt oder vielleicht auch schwanger ist. Eine Mords-Maus hatte ich schon seit ein paar Monaten nicht mehr, was dafür spricht, daß solche Mäuse wirklich trächtig sind, denn Waldmäuse bekommen ja nur zwischen März und Oktober ihre Jungtiere. Die Mikro-Mäuse haben noch einen richtigen treudoofen Kinderblick und die Besonderheit, daß sie sehr unerschrocken und fast schon zutraulich sind. Sicherlich könnte man so ein Winz-Mäuschen leicht zähmen. Dafür sind die größeren, aber immer noch zierlichen Mäuse im Verhalten ziemlich teenagerhaft: Sie sind besonders schreckhaft und randalieren oft sehr lautstark in der Falle - sie sind noch nicht ganz erwachsen, haben aber bereits das Fürchten gelernt. 

Solche Mäuse, wie gesagt, habe ich diesen Herbst (im Sommer gab es oben gar keine Mäuse) fast ausschließlich unter dem Dach vorgefunden. Einmal fand ich aber auch eine normal große Maus und dachte, Mist, jetzt haben sie das Loch wohl vergrößert. Ich war darauf eingestellt, daß nun Mäuse in allen Größen auftauchen würden, aber die Normalmaus blieb ein Einzelfall. Also hat sie sich vielleicht ja mit viel krimineller Energie durch ein eigentlich zu kleines Loch gezwängt. Für so etwas sind unsere Mäuschen eigentlich zu opportunistisch, sie wählen meinem Eindruck nach immer das bequemste Zugangsloch. Das zugehörige Loch muß also noch kleiner sein als das letzte im Wohnzimmer, wenn es Mäusen in Durchschnittsgröße zu unbequem ist. Jetzt kommt also die Kamera nach oben und wird so lange herumgeschoben, bis wir herausgefunden haben, wo dieses Löchlein sich befindet. Ich hoffe nur, daß das nicht an einer der Stellen ist, wo Einbaumöbel uns daran hindern würden, an sie heranzukommen. Was ich nicht weiß, ist, wo die Normalmaß-Mäuse sich nun herumtreiben. Vielleicht suchen sie jetzt ja den Keller heim. 

Man kann gegen Mäuse sagen, was man will, aber mit ihnen wird es jedenfalls nie langweilig. :-) 

 ***

"Es gibt kein richtiges Leben im falschen", behauptete Theodor Adorno, und irgendwo habe ich diesem vielzitierten Satz bereits widersprochen. Er ergibt keinen Sinn, weil es per se nahezu unmöglich ist, irgendwo und irgendwann zu leben, wo der gesellschaftliche Rahmen für das persönlich richtige Leben wirklich richtig ist. Irgendwas ist am Rahmen für den Einzelnen unweigerlich immer falsch, und deshalb paßt man sein Leben entweder dem gegebenen Rahmen an, etwa mit einer Ausbildung, die nicht den persönlichen Fähigkeiten und Neigungen entspricht, weil es innerhalb des Rahmens nicht umsetzbar ist, etwas anderes als dies zu tun. Oder man entzieht sich den unpassenden Anforderungen des falschen Rahmens bestmöglich, sei es sofort und konsequent, sei es zeitverzögert oder auch Stück für Stück im Lauf der Zeit, um innerhalb des falschen Rahmens einen persönlichen besser passenden zu entwickeln. Da sich der Rahmen ja ebenfalls verändert, etwa von falsch auf etwas richtiger oder umgekehrt, ist das letztere der häufigste Fall. So mache ich das ja auch, denn ich befinde mich sehr eindeutig innerhalb eines Rahmens, der in den letzten zwanzig Jahren auf unterschiedlichsten Ebenen immer falscher für mein richtiges Leben geworden ist. Aber das heißt noch lange nicht, daß dies mein Leben unrichtig macht. Das wäre nur dann der Fall, wenn ich nicht auf die äußeren Veränderungen reagieren würde, sondern das vorher Richtige stur weitermachen würde, obwohl es längst nicht mehr paßt. 

Ich glaube freilich, eine Menge Leute tun so etwas nicht und wundern sich, wenn andere es tun. Kürzlich mußte ich zu einer Beerdigung, wo ich eine Menge Verwandte traf, die ich schon länger nicht mehr gesehen hatte, und wie es kam, daß wir ein Haus gekauft haben, mußte ich natürlich mehrmals erklären, aber einmal mußte ich auch nach bohrenden Fragen, warum ich denn als bekennender Stadtmensch auf einmal nicht mehr in der Stadt wohnen wolle, dazusagen, daß ich mich eben alle zehn bis zwanzig Jahre noch einmal ganz neu erfinde. Von meinen Verwandten hätte das wohl kaum jemand getan. Aber von ihnen hätte auch kaum jemand seinen Beamtenstatus aufgegeben, wie ich das vor einem knappen Vierteljahrhundert tat, um mich stattdessen selbständig zu machen. Das ist bestimmt eher eine Temperaments- als eine Altersfrage, auch wenn Leute im Alter von mir und meinen Cousins und Cousinen, sofern die Erwerbslaufbahn halbwegs normal verlaufen ist, im Ruf stehen, saturiert und nicht mehr sonderlich scharf auf größere Veränderungen zu sein. 

Ein ähnliches Problem besteht auch innerhalb der Wissenschaft; man hält sich dort gerne an vertraute Grundannahmen, die nicht in Frage gestellt werden. Wo aber auf Basis falscher Grundannahmen geforscht wird, sind wirkungsvolle Lösungen als Ergebnis zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber doch eher selten. Man denke dabei etwa daran, wie sich die Astronomen über Jahrhunderte hinweg die Zähne an den Berechnungen der Planetenbahnen ausgebissen haben, die nie passend zu dem Beobachtbaren ausfielen. Bis jemand auf die Idee kam, anstelle der Erde die Sonne ins Zentrum der Planetenbewegungen zu setzen - und auf einmal stellte sich heraus, daß es auf diese Weise ganz einfach zu berechnen war. Falsche Grundannahmen sind  verzeihlich, wenn es umöglich ist, sie als falsch zu erkennen. Aber es gibt Situationen, in denen ist es schwer zu begreifen, warum die Wissenschaft immer so entsetzlich lange braucht, um auf Hinweise, daß man in einer Annahme falsch lag, endlich mal zu reagieren. Das gilt noch mehr, wenn parallel dazu in der Gesundheitspolitik pausenlos mit viel Getöse rein symbolpolitische angeblich gesundheitlich unverzichtbare Maßnahmen eingeführt werden, obwohl durch sie - auch nach gängigen wissenschaftlichen Maßstäben - offensichtlich kein oder nur ein sehr geringer meßbarer gesundheitlicher Nutzen zu erwarten ist. 

Das gilt etwa für die Masernimpfpflicht, die auch bei einer sowieso nicht erreichbaren maximalen Durchsetzung vielleicht in einem Jahrhundert fünf bis sechs Todesfälle verhindern könnte. Die Impfquoten bei Kindern hat die Impfpflicht aber sowieso nur marginal erhöht. Ich ahne auch, woran das liegt - das wirkliche Problem waren nie die Impfverweigerer, sondern Vergeßliche und schlecht Erreichbare. Niemand findet es offenbar nötig, nach Lösungen zu suchen, wie man solche Leute bessere erreichen kann als bislang. Es scheint der Bürokratie ausreichend, sie, falls man zufällig auf sie stößt, des Gesetzesbruchs bezichtigen zu können. Irgendwie macht es der Gesundheitspolitik wohl einfach mehr Spaß, Sündenböcke bestrafen zu dürfen, als effektive Lösungen zu suchen und umzusetzen. Nutzlose Symbolpolitik sind auch die im Landeskabinett beschlossenen neuen Maßnahmen, die in Baden-Württemberg angeblich die Gesundheit von Nichtrauchern besser schützen sollen, aber zum allergrößten Teil Rauchen unter freiem Himmel reglementieren, etwa an Haltestellen oder Spielplätzen. Oder für den hochgradig schwachsinnigen Nutriscore. Alle drei Beispiele haben einen so geringen gesundheitlichen Nutzen, daß der - natürlich aber von niemandem jemals berechnete - zu erwartende Schaden durch Nebenwirkungen unter dem Strich fast zwangsläufig zu einer Negativbilanz führen muß. 

In einer Sache, die so viele und so schwerwiegende gesundheitliche Folgewirkungen hat wie Adipositas, klammert man sich aber weiterhin überwiegend an Grundannahmen, bei denen man eigentlich längst hätte darauf kommen können, daß mit ihnen irgendetwas nicht stimmen kann. Faustformel: Wenn man eines schönen und hoffentlich nicht mehr zu fernen Tages die richtige Lösung gefunden hat, wird sie daran zu erkennen sein, daß der Bevölkerungsanteil mit Adipositas nicht mehr steigen, sondern sinken wird. Alle bejubelten neuen Entwicklungen wie die Abnehmspritze müssen sich an diesem wichtigsten Erkennungszeichen messen lassen. Führen sie nicht zum Sinken, waren sie noch nicht die Lösung, die eigentlich gebraucht wird. 

Bei Krebs ist die Sache ähnlich, auch in dem Teil der Krebserkrankungen, bei denen es keine meßbare Überschneidung zu Adipositas und/oder einer ihrer Folgeerkrankungen gibt. Neulich hörte ich einen Podcast mit einer sympathischen und engagierten Tübinger Krebsforscherin, Dr. Hanna Heikenwälder, der bei mir höchst zwiespältige Gefühle auslöste. Von Frau Dr. Heikenwälder - sie ist ungefähr im Alter meines Sohnes - habe ich tatsächlich einiges Interessante über Krebs erfahren, das mir neu war bzw. ich noch nie aus der beschriebenen Richtung betrachtet hatte - und ich bin nach meinen guten Erfahrungen mit der Immuntherapie natürlich die letzte, die abstreiten könnte, daß auf Basis der Forschungszielrichtungen der letzten zwei, drei Jahrzehnte nachweisliche Erfolge erzielt wurden. Trotzdem sind das, von wenigen Ausnahmefällen wie "meinem" HER2-positiven Krebs abgesehen, nur kleinere Verbesserungen, und ein Teil davon ist außerdem darauf zurückzuführen, daß man davon abgekommen ist, Krebspatienten immer mit dem Maximum an Zellgiften zu traktieren, das möglich ist, ohne sie damit auf der Stelle umzubringen. 

Einen wirklichen Durchbruch würde man auch bei Krebs an den Statistiken erkennen, und zwar dadurch, daß ein Rückgang der Todesfälle durch Krebs - bei allen Arten von Krebs - mit bloßem Auge durch einen Laien in den Todesfallstatistiken erkennbar wäre. So, wie das beim plötzlichen Kindstod auch gewesen ist, nachdem man sich nach wissenschaftlich völlig unbegründetem jahrelangen Zögern endlich dazu durchgerungen hatte, Eltern vor dem möglichen Auslöser Bauchlage zu warnen. 

Wohlgemerkt, es reichte beim plötzlichen Kindstod eine reine Empfehlung bzw. Warnung. Ein Bauchlagenverbot durch den Gesetzgeber war nicht erforderlich. Das gibt immerhin zu Optimismus Anlaß: Auch bei Adipositas besteht das Problem höchstwahrscheinlich im Moment nicht etwa darin, daß die Leute sich hartnäckig falsch verhalten, sondern darin, daß die Empfehlungen nicht so funktionieren, wie sie es sollten. Und was den Krebs betrifft ... Nun, Krebsbehandlungen, das erwähnt Frau Dr. Heikenwälder völlig zu Recht, stehen im Ruf, genauso schlimm zu sein wie die Krankheit selbst. Nicht ganz einverstanden bin ich aber, wenn sie dem entgegenhält, daß dieser Ruf mittlerweile ziemlich unverdient sei. Bei Krebstherapien bekommen die meisten tatsächlich das, wovor sie sich vorher fürchten, nämlich unangenehme bis kaum erträgliche Nebenwirkungen. Wenn man aber zusätzlich damit rechnen muß, trotzdem bald zu sterben, dann ergibt es aus Patientenperspektive eine Menge Sinn, sich nicht früher als zwingend erforderlich mit der Frage zu befassen, ob die Uhr in einem drinnen insgeheim bereits tickt. 

Das Bild vom Krebs als heimtückischer Killer, der einen nicht mehr aus den Klauen lassen wird, so lange, bis man tot ist, ist ein Früherkennungshindernis. Ironischerweise wurde dieses Schreckensbild erheblich verstärkt durch die dramatischen Darstellungen des gräßlichen Schicksals, dem man nur entgehen kann, wenn man dies tut oder jenes unterläßt, wie das die Grundlage der handelsüblichen Präventionskampagnen ist. Kaum ein Mensch, der noch nie aus der Nähe mit Krebs zu tun hatte, hat außerdem eine Vorstellung davon, daß die Diagnose Krebs wirklich viel weniger Grund zur Panik bietet, wenn er im Frühstadium entdeckt wird - was ja der Sinn der Früherkennung ist. In den Köpfen sitzt sie sehr fest, die Vorstellung, daß jeder Widerstand am Ende zwecklos sein wird. Daß man Krebs scheinbar erfolgreich hat behandeln lassen, und er nach einer kurzen Frist wie ein Schachtelteufelchen doch wieder aufpoppen wird. Wir "wissen" solche Dinge durch Erlebnisse in Familie und Freundeskreis, durch die Bücher von Werner Schneyder und John Irving, durch Serien wie "Breaking Bad" und so weiter. Das aber macht eine möglichst frühe Erkennung eines Tumors zu einer eher fragwürdigen Errungenschaft. Man muß sich dann ja doch nur noch länger als andernfalls mit Chemotherapien und allem möglichen abscheulichen Zeug quälen lassen. Erfährt man erst sehr spät von einer Krebserkrankung, hat man genausoviel Lebenszeit zu erwarten, aber ein Teil davon war noch nicht durch die Krankheit und deren Behandlung beeinträchtigt. Aus Blickwinkel eines durchschnittlich informierten Patienten stimmt bei der Früherkennung in so vieler Hinsicht die Kosten-Nutzen-Rechnung nicht, daß es fast erstaunt, daß trotzdem so viele die Früherkennung nutzen. Das mag vielleicht aber daran liegen, daß sie so gerne verfälschend als "Krebsvorsorge" bezeichnet wird. 

Dagegen kann nur eine Entzauberung von Krebs in eine vielleicht nicht heilbare, aber gut zu managende chronische Krankheit helfen. Das ist, glaube ich, auch eine Frage der Überlebenszeit. Vor Diabetes fürchtet sich beispielsweise kein Mensch, obwohl eine Menge Todesfälle ganz oder zum Teil auf ihn zurückzuführen sind - weil die Leute selbst oder bei anderen miterleben, daß man mit Diabetes ganz ordentlich noch viele Jahre lang leben kann. Genau das muß eine kritische Masse von Patienten und deren Angehörigen auch bei Krebs erleben, wenn man dem Horror vor Krebs, der ja sonderbare Blüten treiben kann, ein Ende setzen will. 

Angesichts dessen setzt es mich schon in Erstaunen, daß ein seriöser und in seinem Fach anerkannter Wissenschaftler wie Thomas Seyfried, der behauptet, bei Krebs wäre ein Durchbruch erzielbar, und das meiner bescheidenen Meinung nach durchaus plausibel zu begründen und überzeugend zu belegen vermag, weder diskutiert noch auch nur angegriffen, sondern kurzerhand ignoriert wird. Bis heute warte ich vergeblich darauf, daß aus Fachkreisen jemand ihn fachlich zu zerlegen versucht, und das Erscheinen seines Buches "Cancer as a Metabolic Disease" ist mittlerweile länger als zehn Jahre her. Ich habe meine eigene Theorie entwickelt, was der Grund für dieses ohrenbetäubende Grillenzirpen in der Fachwelt ist. Seyfrieds Thesen durch praktische Anwendung der von ihm skizzierten therapeutischen Einsatzmöglichkeiten parallel zu und neben einer Chemotherapie in der Praxis zu überprüfen, ohne daß damit eine nennenswerte Gefährdung der Gesundheit und des Wohlbefindens der Patienten verbunden wäre, wäre dabei so einfach, daß es eine Tragödie ist, daß Fachleute, auf die Onkologen sich verlassen, dies ohne vernünftige Gründe sabotieren.  

Ich hätte mich brennend dafür interessiert, was Frau Dr. Heikenwälder zu Seyfried meint und ggf. gerne auch, warum sie seine Annahmen für falsch hält, falls sie das tun sollte. Aber sie machte dasselbe wie nahezu alle, sie erwähnte ihn einfach nicht. Interessant fand ich aber, daß Frau Dr. Heikenwälder dennoch Fasten bzw. die Fasting Mimicking Diet für empfehlenswert hält, mit Valter Longo vertraut ist und an einer Stelle - wiewohl meinem Eindruck nach etwas zögernd - Dr. Michalsen von der Charité erwähnte, mit dem ich mich vor Beginn meiner Chemo auch einmal befaßt hatte. Gerade dessen Fasten-Konzept ergibt allerdings im Rahmen von Seyfrieds Annahmen sehr viel weniger Sinn als andere Modelle (obwohl es ohne Frage besser ist als das, was einem normalerweise zur Ernährung bei Krebs empfohlen wird). Ich fand es aber außerdem schon wenig überzeugend, noch bevor ich Seyfrieds Namen zum ersten Mal gehört habe. Es ist mir zu stark von der Logik des Heilfastens beeinflußt. Heilfasten hat schon Helmut Kohl während der achtziger und neunziger Jahre nicht geholfen, eine halbwegs passable Figur beizubehalten. Wenn ein Konzept in seinem Kernbereich schon so viel weniger tauglich ist, um die versprochenen Ziele wirklich zu erreichen, dann bezweifle ich, daß es begleitend zu einer Krebsbehandlung die wirksamere Methode sein soll als mein eigenes Fastenkonzept, mit dem ich besagte Ziele zu erreichen vermochte. 

Im Gegensatz zur Therapie einer Krebserkrankung verändert sich, wenn es um Prävention geht, vergleichsweise wenig, wenn man Seyfrieds Annahmen zugrunde legt, mit Ausnahme des Bereichs Ernährung. Nach Seyfrieds Erkenntnissen kann es bei der Bewegung aber auch ein Zuviel geben, das die Aussichten der Therapie wieder verschlechtert, indem es Entzündungsreaktionen hervorruft. Das wiederum kollidiert mit der (unbewußten) Annahme "Je mehr, desto besser", das heute fast jeder zu glauben scheint. Wie das bei Frau Dr. Heikenwälder ist, kann ich nicht sicher sagen, aber mir fiel auf, daß sie Sport als Präventionsmittel sehr überbetont. Das mag daran liegen, daß sie nach eigenem Bekunden sehr gerne Sport treibt - was natürlich der beste Grund von allen ist, es auch wirklich zu tun. Ich frage mich, ob die Forscherin die Arbeit von Herman Pontzer wohl kennt und was sie darüber denkt. Daß ich mich außerdem darüber ärgere, wenn "Bewegung um der Bewegung willen" anscheinend für so viel heiliger gehalten wird als Alltagsbewegung - auch wenn Art und Intensität vergleichbar wären -, daß man nur mit Sport das Himmelreich erreichen können soll, erwähnte ich diesmal nur, weil es mich wieder geärgert hat; darüber habe ich an anderen Stellen aber weiß Gott schon mehr als genug geschrieben. 

***

Der ganze Komplex der Prävention ist eine zweischneidige Sache, deshalb finde ich es eher unangenehm, daß Frau Dr. Heikenwälder Dinge sagt wie, daß die Hälfte aller Krebsfälle durch Prävention vermeidbar seien. In der Realität, in der ich lebe, sind die 100 % Compliance, die dem zugrunde gelegt werden, genauso falsch wie 100 % sachliche Richtigkeit der Präventionsratschläge. Solche Behauptungen sind erstens sinnlose Luftbuchungen und zweitens, auch wenn sie rechnerisch begründet werden können, gar nicht hilfreich, sondern eher eine Drohkulisse, die jedem Patienten nach seiner Krebsdiagnose vermittelt, daß er mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % selbst schuld daran ist, daß er Krebs bekommen hat. Schlimmer noch, die Leute um ihn herum werden das auch denken, und zwar einschließlich ihrer Onkologen, und die Taktloseren unter ihnen werden das dem Patienten gegenüber auch so aussprechen. Es spielt keine Rolle, ob die Forscherin - wie sie auch an einer Stelle zum Ausdruck brachte - gar nicht so verstanden werden wollte. In dem Fall sollte sie es so nicht sagen, weil es unvermeidlich ist, daß das bei einem Teil der Leute exakt so ankommt, wie sie nicht verstanden werden will. 

Diese ganze offene und unterschwellige Sünde-Buße-Erlösungs-Matsch, mit dem sowohl Prävention als auch Therapie im Fall von Krebs umzugehen haben, wird immer mehr zu einem selbst gesundheitsschädigenden Faktor. In den USA etwa gibt es ja seit einiger Zeit unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf ein Lungenkrebsscreening, und immer mal wieder liest man erstaunt bis leicht beleidigt klingende Meldungen, daß soviele Berechtigte das undankbarerweise gar nicht in Anspruch nehmen. Ehrlich gesagt, mich erstaunte das gar nicht. Das Screening zielte auf die nach Meinung der Wissenschaft am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen ab, und das waren aktive Raucher sowie ehemalige Raucher, bei denen der Rauchstopp maximal 15 Jahre her ist, in den Altersgruppen, in denen Lungenkrebs am häufigsten auftritt. Rauchen ist aber - in den USA noch mehr als bei uns - dermaßen stigmatisierend, daß die Teilnahme am Screening als eine Art Bußübung aufgefaßt werden muß. Das fiel jetzt endlich auch dort jemandem auf. Es ist kein Wunder, daß aktive Raucher das im Zweifelsfall eher vermeiden. 

Die Sache wird aber noch verzwickter. Denn aus der Studie, auf die sich sich der verlinkte Meinungsartikel bezog, ergab noch ein anderes Ergebnis, das den Sinn der momentanen Vorgaben für das Screening zweifelhaft macht: Zwei Drittel der Lungenkrebspatienten in der Studie hätten die Voraussetzungen für das Screening von vornherein nicht erfüllt. Von diesen zwei Dritteln hatten außerdem 38 Prozent niemals geraucht. Sowohl bei den gescreenten wie bei den nicht gescreenten Lungenkrebskranken war außerdem die deutliche Mehrheit - um die 60 Prozent - Exraucher. Diejenigen, die am Screening teilnahmen, hatten maximal 15 Jahre zuvor mit dem Rauchen aufgehört, im Durchschnitt waren es zwischen fünf und sechs Jahren. Bei den Nichtgescreenten lag der Rauchstopp dagegen durchschnittlich schon 24 Jahre zurück. 

Es gibt zu denken, daß sich die Anteile der Ex-Raucher in den Gruppen der Gescreenten und der Nichtgescreenten trotzdem nur geringfügig voneinander unterschieden haben - 61 vs. 57 Prozent. 

Nun wird gefordert, die Screeningkriterien zu verändern und rein nach Alter ohne Frage nach dem Rauchstatus zu screenen, um einen möglichst großen Teil der Lungenkrebserkrankungen durch höhere Beteiligung frühzeitig zu erkenne. Klingt eigentlich ganz vernünftig. Ich tippe aber darauf, daß die Beteiligung trotzdem ein gutes Stück hinter den Wünschen zurückbleiben wird, solange Lungenkrebs nicht, so komisch sich das anhört, endlich mal einen "besseren Ruf" bekommt. Das gilt zwar grundsätzlich für alle Arten von Krebs, aber der Lungenkrebs ist heute ungefähr das, was Syphilis im 19. Jahrhundert war. Der Lungenkrebstod des Rauchers entspricht der Hölle, in die der verstockte Sünder kommen wird. Er gilt als verdient, und viele Raucher glauben das auch selbst, wenn sie die gefürchtete Diagnose bekommen. Nichtraucher, die an Lungenkrebs erkranken, leiden deshalb aber noch mehr als Raucher, weil ihnen die verhängte Strafe unverdient erscheint und weil sie ständig befürchten müssen, daß andere aus der Art der Bestrafung, die sie bekommen haben, auf die Art ihrer Sünde schließen zu können glauben. Im unangenehmsten Fall stehen sie dann in deren Augen auch noch als Lügner da. 

Kollateralschäden! Unangenehm, aber schwer zu verhindern. Ob man sie hätte vermeiden können oder gar müssen, sei dahingestellt. Mittelfristig ist es nämlich gut möglich, daß sich die Sache mit der Stigmatisierung von selbst verändert. Man darf nämlich gespannt sein, wie sich die Häufigkeit von Lungenkrebs entwickeln wird, wenn es immer weniger dieser Art von langjährigen Exrauchern gibt, bei denen man die Erkrankung so gerne auf ihr früheres Rauchen schiebt, weil das halt so schön bequem ist. Der Anteil der Niemals-Raucher unter jungen Leuten im Alter von 18 bis 25 stieg von 10 % im Jahr 1973 (dies entspricht den Geburtsjahrgängen 1948 bis 1955, also den heute 70- bis 77jährigen) auf über 44 % im Jahr 2018. Was, wenn der Rückgang beim Lungenkrebs deutlich niedriger ausfällt, als er angesichts dieser Entwicklung eigentlich zu erwarten wäre? Bei Lungenkrebs steigt der Anteil der lebenslangen Nichtraucher unter den Erkrankten ja schon länger. 

Ein enttäuschend geringerer Rückgang der Erkrankungsfälle als erwartet, wenn die Generation der heute 25- bis 32jährigen (der 18- bis 25-jährigen von 2018) einmal die 70 überschreitet, würde bedeuten, daß man bei Rauchern die Anteile anderer Faktoren als Krankheits(mit-)auslöser die ganze Zeit unterschätzt hat. Undenkbar ist das nämlich nicht. Das Absinken der Lungenkrebshäufigkeit bei Männern lief ja nicht nur zeitlich plausibel mit dem Rückgang des Rauchens bei Männern konform, sondern ebenso mit dem Zeitraum, in dem enorm viele Industriearbeitsplätze verloren gingen und bei den verbleibenden der Arbeitsschutz auch im Bereich der Schadstoffbelastungen deutlich verschärft wurde. Schornsteine und Autoauspuffs bekamen Katalysatoren. Asbest wurde verboten. Das sind nur die relevanten Faktoren, die mir auf Anhieb einfallen, bestimmt gibt es noch weitere. Die spannende Frage lautet: Wie hoch war deren Anteil am Rückgang beim Lungenkrebs? 

Um mit eigenen Augen sehen zu können, wie sich das entwickelt, muß ich wohl mindestens hundert Jahre alt werden. Aber sollte man sich nicht ehrgeizige Ziele setzen? Gerade als Raucher? ;-)  

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Was ich gar nicht wußte, ist, daß es seit ein paar Jahren eine Studie gab, die eine positive Wirkung von homöopathischen Mitteln begleitend zu einer Lungenkrebsbehandlung nachzuweisen versuchte und den Anschein erweckte, dies sei auch gelungen. Diese Studie wurde jetzt offiziell wegen methodischer Mängel eingestampft. Ich nehme an, diese Maßnahme war berechtigt, aber das neandertalerhafte Triumphgeheul der Homöopathiefeinde stößt mich doch sehr ab. Man glaubt geradezu den Sabber zu sehen, der diesen Leuten das Kinn runterläuft. Gleichzeitig finde ich es aber interessant, daß sie offenbar fünf Jahre lang mit leidenschaftlichem Einsatz um dieses Ergebnis gekämpft haben. So viel Mühe macht man sich in der Wissenschaft offenbar nur, wenn es um mehrheitlich zutiefst verhaßte Außenseitermeinungen geht. Rainer Klement war in der Coronazeit mal an einer Studie zu Coronaimpfungen beteiligt, der dasselbe passierte (vermutlich ebenfalls mit guter Begründung). 

Beide Studien wurden aber zunächst publiziert. Wie kommt das eigentlich, daß sie in seriösen Fachzeitschriften durch das ach so zuverlässige Peer-Review-Verfahren durchschlüpfen konnten, auf das alle immer so pochen? Und wievieles, das lediglich nicht spontan auf so viel offene Feindseligkeit stößt, weil es Ergebnisse hatte, die erwünschter sind oder jedenfalls näher am Erwartbaren, hätte eigentlich dieselbe Behandlung verdient? Hier gibt es schon eine Schieflage, was das Identifizieren von Fehlerhaftem betrifft. Dieses Phänomen jedenfalls macht es  noch um einiges bedeutsamer, daß niemand sich an die Aufgabe heranzuwagen scheint, Thomas Seyfrieds inzwischen sehr zahlreiche Studien in ähnlicher Weise anzugreifen. Qualitativ müssen sie sehr viel härtere Brocken sein als das, was Homöopathen zustande bringen. 

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Nun stehen mir noch drei Low-Carb-Tage bevor, bei denen ich schon weiß, was wir essen werden. Heute abend gibt es einen Wurstsalat, kombiniert mit Mandel-Mozzarella-Muffins - der übliche Wunderwaffen-Teig, nur mit einem Ei zusätzlich und das Eiweiß zu Eischnee geschlagen, damit die Sache schön locker wird. Morgen mache ich noch einmal aus dem normalen Wunderwaffen-Teig einen Flammkuchen, und am Sonntag Fleischküchle mit Krautsalat. 

Eine neue kulinarische Errungenschaft diese Woche war eine sehr leckere Blumenkohlsuppe mit Bacon und gerösteten (Low-Carb-)Brotwürfeln. Ich hatte noch Räucherwurst reingeschnitten, aber nachträglich finde ich, eigentlich hätte der Bacon alleine auch gereicht. 

Das mit dem Brot war übrigens diesmal so eine Sache. Ich habe ja immer samstags gebacken und neben dem Backmischungsbrot ein paar wirklich gute Sorten ausprobiert, etwa ein Walnußbaguette. Aber die benötigten Mengen hatte ich gar nicht im Griff, und so habe ich immer nach dem Wochenende Brot übrig gehabt und einiges davon eingefroren. Das gab's bei mir dann immer unter der Woche an Eßtagen zum Frühstück, meistens habe ich es in der Pfanne in Butter angebraten, in der Form esse ich es auch gerne, wenn normales Brot übriggeblieben und schon etwas hart geworden ist. Und natürlich lag es da auch nahe, auch geröstete Brotwürfel zur Suppe zu machen. 

Auf Rat meiner Mutter habe ich im Internet gesucht, ob man mit unreifen Feigen noch etwas anfangen kann, weil der erste Frost alle Hoffnungen auf weitere Reifung der restlichen Feigen zunichte gemacht hat, und tatsächlich ein  Rezept gefunden. Jetzt habe ich vier Gläser grüne Feigen in Sirup und lasse mich überraschen, wie das schmeckt. Aber weil der Sirup natürlich größtenteils aus Zucker besteht, muß ich damit noch ein paar Tage warten. Das macht aber nichts, es schadet gar nichts, wenn das noch ein Weilchen durchzieht. Für die nächsten Tage habe ich ja genug Lebkuchen, und der ist so Low-Carb-konform, wie man sich das nur wünschen kann.  

Seit zwei Tagen haben wir außerdem eine Gefriertruhe in Keller stehen, mein Mann hat sie spontan am Black Friday bestellt, nachdem ich ihm ahnungslos den Link zu dem Angebot geschickt hatte, weil mir diese Truhe wegen ihres besonders niedrigen Energieverbrauchs auffiel. Das Black-Friday-Angebot war reiner Zufall, das Werbegetöse darum ist mir eigentlich eher lästig. Da mein Mann gerade eifrig die Einzelteile unserer von ihm selbst entworfenen neuen Einbauküche zusägt, die er irgendwann nach Weihnachten einpassen will, hatte ich eigentlich die Gefriertruhe noch zurückstellen wollen, denn wir werden im Zuge des Einbaus der Küche auch die zu schmale Spülmaschine und den Backofen, der mir zu viele Ausfallerscheinungen zeigt, ersetzen. Aber andererseits: eine weitere geplante Anschaffung, die wir erledigt haben. Bei unserer lokalen Bezugsquelle für Wild habe ich jetzt gleich eine größere Bestellung aufgegeben. Außerdem werde ich einen Teil der Quitten und Zucchini in die Gefriertruhe auslagern, denn unser Gefrierteil des Kombigeräts in der Küche ist knallvoll. 

Jetzt bin ich mal gespannt, ob wir mit zusätzlichen 200 Litern Raum für Gefriergut auskommen werden. Ein Nachbar, dem ich davon erzählte, lachte nämlich nur und meinte, wer einen Garten habe, bräuchte mindestens zwei Gefriertruhen. 

 

 


Montag, 17. November 2025

Wir teuren Krebspatienten

Mein Gewicht heute früh zu Beginn des dreitägigen Fastenintervalls: 75,4 Kilogramm. Das ist mein niedrigstes Vor-Fasten-Gewicht ever, wenn auch nur knapp. Während des fehlgeschlagenen Endspurts lag zu Beginn des letzten langen Fastenintervalls im April 2024 mein Vorher-Gewicht bei 75,5. Wahrscheinlich hätte es mit vier Fastentagen also geklappt mit einem neuen Tiefstgewicht - aber so isses jetzt halt, daß die Umstände das nicht zulassen. Ich hoffe aber zuversichtlich, daß das abschließende lange Fastenintervall in der ersten Dezemberwoche im Anschluß an die Low-Carb-Phase es mir endlich beschert. Immerhin, mein heutiges Gewicht liegt 3,8 Kilogramm unter dem, mit dem ich vor fünf Wochen  in Low Carb gestartet bin. Das dürfte etwa zur Hälfte Wasser sein. Der Rest müßte echte Gewichtsabnahme sein - die ich im übrigen um den Bauch herum im Spiegel auch sehen kann. Bei knapp 400 Gramm durchschnittlicher "echter" Abnahme pro Woche Low Carb könnte zum Ende der ersten Dezemberwoche bei mir eine Netto-Abnahme von drei Kilo herausgesprungen sein und ich könnte dann damit rechnen, trotz der wasserbedingten Wiederzunahme, wenn die Kohlenhydrate wieder fließen, Mitte Januar mit unter 77 Kilogramm wieder in Low Carb reinzugehen. 

Falls das klappen sollte, könnte ich Anfang März wohl wirklich bei meinem Zielgewicht ankommen. Falls ich es doch verpassen sollte, wird das aber in jedem Fall knapp genug sein, daß ich mich vielleicht ja doch noch zu einer neuen Endspurt-Variante hinreißen lasse, über deren genaue Ausgestaltung ich mir aber erst dann Gedanken mache, falls sich abzeichnet, daß das spruchreif werden könnte. 

Es bleibt spannend, denn es ist auch möglich, daß sich meine Abnahme zum Schluß von LC hin doch wieder verlangsamt - das habe ich auch schon gehabt.  

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Über die Entdeckung, daß mRNA-Coronaimpfungen die Wirkung von Immuntherapien bei Krebs verbessern, schrieb ich neulich schon, aber das begeisterte Interview im Scientific American reiche ich als Nachklapp jetzt auch noch nach, obwohl mir keine wirklich neuen Aspekte der Sache darin aufgefallen sind. Merkwürdig finde ich es allenfalls, daß die Publikumsmedien sich über diese Sache nicht viel heftiger überschlagen; es wird zwar darüber berichtet, aber eigentlich hätte das BILD tagelang als Titelschlagzeile bringen müssen. Tatsächlich ist es ja so, daß diese Sache keineswegs darauf beschränkt werden muß, einfach nur die Coronaimpfung zum Bestandteil der Krebsbehandlung zu machen, da tun sich eine Menge Möglichkeiten zur Weiterentwicklung und Optimierung auf. Was mich besonders interessieren würde, ist, ob die Kombination Immuntherapie plus mRNA-Impfung Immuntherapien auch bei Krebsarten auf einmal wirksam machen würde, bei denen sie sich bislang nicht bewährt hat.  

Immuntherapien haben den einen Haken, daß sie so verflixt teuer sind, und je neuer sie sind, desto teurer. Fünfmal Pertuzumab hat bei mir die Krankenkasse mehr gekostet als das Trastuzumab für ein komplettes Jahr - einer der Gründe, warum ich ganz froh bin, daß meine pathologische Komplettremission es unnötig machte, auch Pertuzumab ein volles Jahr lang alle drei Wochen zu verabreichen. (Der zweite Grund bestand natürlich darin, daß ich keineswegs scharf darauf war, ein komplettes Jahr lang alle drei Wochen ein paar Tage mörderische Verstopfung und anschließenden explosionsartigen Durchfall zu genießen. Auch wenn ich damit erforderlichenfalls hätte umgehen können.) 

Daß das teuer ist, ist auch dem dafür eigentlich gar nicht zuständigen Drogenbeauftragten der Bundesregierung aufgefallen, der meinte, bei einer Talksendung der Welt dazu öffentlich seine Meinung äußern zu müssen, womit er sich prompt nicht nur einen Shitstorm, sondern auch, schon ungewöhnlicher, eine Klatsche der Gesundheitsministerin eingehandelt hat. Immuntherapien hat Hendrik Streeck dabei zwar nicht explizit erwähnt, aber  er erwähnte die Lungenkrebserkrankung seines Vaters. Hier mal der genaue Wortlaut:  „Es wurde in den letzten Wochen, wo er gestorben ist, so viel Geld ausgegeben. Und es hat nichts gebracht. Es wurden die neuesten Therapien aufgefahren. Es hat nichts gebracht. Und er hat mehr dort ausgegeben als je in seinem ganzen Leben im Gesundheitswesen“

Für mich klingt das schon nach irgendeiner Form von Immuntherapie, die bei Lungenkrebs auch zu den möglichen Behandlungsarten gehört.  

Aber was für eine merkwürdige Formulierung. Als ob es sein Vater gewesen wäre, der über die Art der Behandlung und deren Kostspieligkeit irgendetwas zu bestimmen gehabt hätte. Eigenartig kommt es mir auch vor, daß Streeck so betont, die teure Behandlung habe nichts gebracht. Begründet hat er das nämlich nicht, und bei Lungenkrebs und einigen anderen Krebsarten, die für gewöhnlich erst in fortgeschrittenem Stadium entdeckt werden, ist die Tatsache, daß Prof. Ulrich Streeck in der Tat schließlich verstarb, noch kein Beleg dafür, daß die Behandlung wirklich nichts gebracht hatte. In solchen Fällen wird ja nicht auf Heilung abgezielt, sondern auf Lebensverlängerung, idealerweise in Kombination mit einer bestmöglichen Lebensqualität für die noch verbleibende Lebenszeit. Auch die Erkenntnisse über den Nutzen der Coronaimpfung bei fortgeschrittenen Lungenkrebserkrankungen bedeuten nicht, daß von diesen Patienten niemand gestorben ist. Tatsächlich lebte nach  40 Monaten nur noch etwa die Hälfte der Patienten - aber von den nicht geimpften waren während dieses Zeitraums deutlich mehr gestorben. Für wen war die Sache also aus der Sicht von Streeck als Erfolg zu werten gewesen? Nur für diejenigen, die nach dreieinhalb Jahren immer noch lebten? Oder auch für diejenigen unter den Verstorbenen, die länger lebten, als es ihre behandelnden Ärzte eigentlich erwartet hatten? Und da es bestimmt auch erfolglose Patienten gegeben hat, deren ursprüngliche Prognose zur weiteren Lebenszeit nicht überschritten wurde, spricht das dann aus seiner Sicht dafür, daß man es gleich hätte bleiben lassen sollen?

Was genau hat Streeck mit "Es hat nichts gebracht" also gemeint? Ich bin nicht bereit, mich zu bemühen, Streecks Gedanken zu lesen, sondern kann nur auf Basis dessen zu urteilen versuchen, was er tatsächlich gesagt hat, und das kann man nachlesen und nachhören und sogar sehen, was für ein Gesicht er dazu gemacht hat. Werner Bartens, den ich eigentlich schätze, fand hingegen zu meinem diesmaligen Mißvergnügen, er müsse diese Aussagen interpretieren, und zwar so, wie er selbst sie für gut und richtig und ethisch nicht nur akzeptabel, sondern sogar für geboten halten würde. Und was er sagte, hatten im Prinzip Hand und Fuß. Todkranke mit kaum noch vorhandenen Aussichten auf ein Überleben sollte man nicht noch mit Chemotherapien strapazieren, sofern - und hier kommt mein großes Aber -, sofern sie selbst das nicht haben wollen. Das wiederum ist aber unabhängig vom Alter. Es gibt Leute, die haben solche Angst vor dem Tod, daß sie in jedem Alter alles täten, um nur so viel Lebenszeit wie möglich herauszuschlagen, und es gibt Leute, die wollen zusätzliche Lebenstage nicht um jeden Preis, auch nicht mit fünfzig oder sechzig. Beides muß meiner Meinung nach in gleicher Weise respektiert werden. Das ist es, was aus meiner Sicht ethisch tatsächlich geboten ist - und sich nicht etwa über Fünfundfünfzigjährige echauffieren, die eine Chemotherapie verweigern (etwa, weil sie sie im Familienkreis schon miterlebt haben, was da auf sie zukäme, und es für ein Schicksal halten, das schlimmer ist als der Tod), aber Fünfundachtzigjährigen subtil oder ausdrücklich vermitteln, daß sie unsolidarisch seien, würden sie von der Solidargemeinschaft verlangen, ihnen eine so teure Behandlung zu bezahlen, die ihnen "sowieso nichts bringen" werde. 

Mir wird hier zu wenig aus dem Blickwinkel des Krebspatienten gedacht. Auch bei Bartens kommt mir das zu kurz. Daran ist schlecht, daß jedes Instrument, das eigentlich der Selbstbestimmung der Patienten nützen soll, irgendwie in einen Bumerang verwandelt werden kann. Es ist schon ein paar Wochen her, daß ich zum Beispiel das erste Mal von einem Fall las, in dem eine ältere Person zu einem assistierten Suizid gedrängt werden sollte, den sie eigentlich gar nicht gewollt hatte - ich suche den Artikel jetzt aber nicht, denn mir war von Anfang an klar, daß dies passieren würde. So etwas läuft nicht immer so ab, wie man das spontan denkt, daß also irgendwelche habgierigen Erben in spe dabei in Aktion sind. Und nicht zuletzt kann man dieselbe Sache auch mit subtileren Mitteln erreichen. Alleine die Debatte, die Streeck hier angestoßen hat, ist für jemanden, der alt ist und gerade eine Krebsdiagnose bekommen hat und entsprechend demoralisiert ist, womöglich keine Angehörigen hat oder in einem Pflegeheim von überlasteten Pflegekräften mehr schlecht als recht betreut wird, vielleicht ein Grund, seinem Leben ein Ende setzen zu wollen, um bloß niemandem mit seiner teuren Krankheit noch mehr als durch seine bloße Existenz zur Last zu fallen. 

Unsere Gesellschaft sollte sich vielleicht einmal darüber klar werden, ob sie es wirklich will, daß wir alle so alt wie möglich werden wollen. Und niemand scheint es zu interessieren, was das eigentlich mit den davon Betroffenen macht, wenn man ihnen ständig auf die eine oder andere Weise vermittelt, daß auf ihre Existenz eigentlich leicht verzichtet werden könnte. Mich erinnert das übrigens an den älteren Herrn aus meiner Nachbarschaft. Womöglich besteht das ganze Geheimnis, daß er mit 94 Jahren noch so bewundernswert körperlich und geistig so fit ist, ja darin, daß niemand hier am Ort sich vorstellen könnte, auf ihn, sein Wissen und seine Erfahrung verzichten zu können und sein Rat von vielen, auch von mir, gesucht wird. 

So, wie Bartens ihn verstanden haben will, hat Streeck das jedenfalls nicht gesagt. Auch nicht in dem Beitrag, den er in mehreren Medien nachgeschoben hat, und dabei seine Vorstellungen etwas zu präzisieren versuchte. Es ist schon eigenartig, daß der Blickwinkel des Patienten in seinem Szenario, über dessen Würde er gleichzeitig gar nicht genug zu schwadronieren hat, auch hier gar nicht vorkommt. Hatte denn sein Vater gar keine eigene Meinung über die Behandlung, der er zugestimmt hatte? Das hätte mich vielleicht ja etwas weniger unversöhnlich gemacht, wenn ich spätestens aus Streecks zweiten Text ein Gefühl dafür bekommen hätte, wie es seinem Vater mit dieser Behandlungsentscheidung ging - ob er sie beispielsweise ab irgendeinem Punkt bereute und es rückblickend anders entschieden hätte. Ob er unterschätzt hatte, wie schlecht es ihm mit der Therapie gehen würde, und ob er vielleicht die möglicherweise zu gewinnende Lebenszeit nun doch zu teuer erkauft fand. All das sind ja legitime Erwägungen, und wenn man bei Krebs einmal entschieden hat, es so oder umgekehrt zu machen, führt kein Weg wieder zurück an den Ausgangspunkt, um die Sache doch noch andersherum anzugehen. Ob Hendrik Streeck irgendetwas anders als sein Vater gemacht hätte, finde ich ziemlich uninteressant, falls das nichts mit dem zu tun hat, was sein Vater zu seiner Behandlung meinte. 

Gerade bei Krebsbehandlungen sehe ich, wenn der Patient sie haben möchte, aber einen sehr wichtigen Grund, warum neue und teure Therapien durchaus auch dann einen Sinn haben, wenn sie den meisten Patienten am Ende doch nicht geholfen haben. Neue Behandlungsmethoden entwickeln sich nämlich auch durch ihren praktischen Einsatz. Eine Unzahl erfolgloser und dabei extrem teurer Behandlungen etwa mittels Immuntherapien ist auch deshalb geschehen, weil sie bei HER2-positiven Brustkrebs und, wenn ich das richtig im Kopf habe, auch beim Melanom ein solcher Gamechanger gewesen sind. Daß sie bei einigen anderen Krebsarten weit weniger und bei zahlreichen einzelnen Patienten "gar nichts gebracht" (und trotzdem ein Heidengeld gekostet) haben, hat jedenfalls die Erkenntnis gebracht, daß man bei dieser Art von Krebs leider weiter suchen muß, um für sie auch einen Gamechanger zu finden. Auf diese Weise werden die Behandlungen nach und nach zielgerichteter, der Anteil der Patienten, bei denen sie "gar nichts geabracht" haben, reduziert sich dadurch. Aber natürlich, sogar bei meiner Behandlung, die bei mir so erfolgreich war und bei den meisten erfolgreich ist, gibt es eine Minderheit von Patientinnen, bei denen sie auch "gar nichts gebracht" haben. 

So alt war Streecks verstorbener Vater übrigens noch gar nicht, daß er für die Behandlung von über 90jährigen oder über 100jährigen, von denen bei Streeck ansonsten die Rede ist, ein geeignetes Beispiel wäre. 78 ist heute ja kein Alter mehr. 60 Prozent seiner Jahrgangsgenossen haben ihn überlebt. 

Ulrich Streeck war übrigens Professor und deshalb höchstwahrscheinlich privat versichert. Seine Behandlung kostete die Solidargemeinschaft nichts. Das heißt freilich nicht, daß nicht die Allgemeinheit zur Finanzierung dieser Kosten beigetragen hätte: Der Steuerzahler beglich die Hälfe der Kosten, die von der Beihilfe für Beamte übernommen wird. Die anderen 50 Prozent bezahlte eine gewinnorientiert arbeitende private Versicherung. 

Auch wenn es nur die Hälfte ist, schon 50 Prozent von Pertuzumab bedeuten eine SEHR teure Behandlung, und es gibt garantiert noch neuere -mabs, für die die Kosten noch exorbitanter sind. Außerdem sind ja nicht nur Beamte privat krankenversichert, sondern auch die Mehrheit der Selbständigen (ich gehöre der Minderheit der gesetzlich Versicherten an), und bei denen geht es um 100 Prozent der Kosten. Hinzu kommt außerdem noch, daß jedenfalls Beamte eine überdurchschnittliche Lebenserwartung haben, also mutmaßlich auch häufiger in hohem Alter an Krebs erkranken. Wie kommt das dann eigentlich, daß private Krankenversicherungen imstande sind, das, was Streeck bei älteren Patienten in der gesetzlichen Krankenversicherung viel zu teuer findet, kostendeckend in ihren Tarifen unterzubringen? Das gilt noch mehr, weil private Krankenversicherungen ja traditionell in den meisten Bereichen großzügiger sind als die Gesetzlichen, was die Übernahme von Kosten betrifft. Warum das, was die privaten Versicherungen bei viel großzügigerer Kostenübernahme schaffen, der gesetzlichen nicht auch möglich sein soll, leuchtet mir nicht ein. 

Ich bin immer dafür, ein bestehendes System, das zu teuer wird, erst einmal daraufhin abzuklopfen, ob es möglich ist, es gleichzeitig billiger UND besser zu machen, und ich möchte wetten, das wäre im Gesundheitssystem möglich. 

Speziell bei Immuntherapien hätte ich beispielsweise auch einen eigenen Sparvorschlag zu machen. Man könnte nämlich dafür sorgen, daß sich die Apotheken, die die Infusionen herstellen - das sind nicht allzu viele bundesweit -, sich nicht daran eine goldene Nase verdienen können, indem sie für die Herstellung einer einzigen Infusionslösung mehrere hundert Euro, manchmal sogar mehr als 1000 Euro aufschlagen - eine Tätigkeit, die angeblich nur wenige Minuten dauern soll. Ich sehe überhaupt keinen Grund dafür, warum die Solidargemeinschaft diese Apotheken so begünstigen müssen sollte - im Zweifelsfall, falls es zu schwierig erscheint, dieser Selbstbereicherung  einen Riegel vorzuschieben, würde ich empfehlen, dass die Krankenkassen selbst Apotheken eröffnen, um diese Tätigkeit kostengünstiger vornehmen zu lassen. 

Daneben habe ich noch einen zweiten, allgemeineren Sparvorschlag für den solche Apotheken ebenfalls genutzt werden könnten: den Umgang mit Medikamenten, die von Patienten nicht (mehr) benötigt werden - sofern noch verpackt und mit einem ausreichend langen Mindesthaltbarkeitsdatum versehen. Nach aktuellem Recht ist es unmöglich, solche Medikamente wieder einer sinnvollen Verwendung zuzuführen, sie können nur noch weggeworfen werden. Der Casus knacksus ist nämlich, daß nach geltendem Arzneimittelrecht in so einem Fall erneut eine Apotheke dazwischengeschaltet sein müßte. Es hat aber niemand sonderliche Lust, so etwas zu organisieren. Dabei werden gerade chronisch Kranke - Herz-Kreislauf, Diabetes und solche Dinge - mit Unmengen von Medikamenten zugeschüttet, bei denen sich die Zusammensetzung des Cocktails immer wieder ändern kann, um die am wenigsten nebenwirkungsträchtige Kombination auf der Trial-and-error-Weg herauszufinden. Dabei verwandeln sich via Ausgabe in der Apotheke eine Menge teurer Präparate in kostspieligen Abfall, weil nur der Patient, der das Medikament bekommen hat, es nun noch einnehmen darf. 

Wie wäre es also analog zum Umgang mit Batterien mit einer Rücknahmepflicht für übriggebliebene Medikamente für Ärzte durch ihre eigenen Patienten bzw. im Falle ihres Todes durch deren Angehörige? Das hätte nebenbei auch eine disziplinierende Wirkung, was die Verschreibungsmengen und -häufigkeiten betrifft, denn speziell bei meinem Schwager war ich schockiert über die Unmengen alleine jedes aktuell von ihm noch verwendeten Präparats, die er herumliegen hatte. Von denen, die ihm nicht mehr verschrieben wurden, ganz zu schweigen. Eine Rücknahmepflicht würde solche Mengen gar nicht erst auflaufen lassen, wenn er es beim Arztbesuch einfach mitbringen und dalassen könnte. Wie es weitergingen: Alles, was abgelaufen ist, und angebrochene Blister --> unbesehen in die Tonne. Über die weitere Verwendung oder Nichtverwendung des Rests müßte dann die Apotheke entscheiden, der diese Aufgabe übertragen wird. Wenn man also krankenkasseneigene Apotheken hätte, die sich um die Herstellung von Infusionen kümmern, könnte man auch dies zu ihrer Aufgabe machen. 

Ich bin jederzeit dafür, im Gesundheitswesen weitere Sparmöglichkeiten zu suchen, und der aus meiner Sicht wichtigste wäre natürlich die zu erwartende Einsparwirkung durch die längst überfällige unvoreingenommene Herangehensweise an eine Überprüfung der Wirkung von Fasten und ketogener Ernährung auf den Stoffwechsel als Grundlage für die Behandlung von Adipositas und die Vermeidung der daraus resultierenden Folgeerkrankungen, aber auch als möglicher Baustein in der Krebsbehandlung. Aber dazu habe ich schon alles geschrieben, was ich jetzt nochmal sagen könnte. Und da mir klar ist, daß damit in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden kann, wäre meine Empfehlung bis dahin, bei den systembedingten Verschwendungen anzufangen. 

Dazu gehören würde neben beiden obigen Beispielen m. E. auch eine kritische Analyse der Verschwendungen, die sich durch die Gewinnorientierung von Krankenhäusern für die Krankenkassen ergeben. Denn natürlich erzeugen die finanziellen Zwänge in Kliniken auch einen Druck, möglichst teure Behandlungen vorzunehmen - hier gibt es nun doch Überschneidungen zu den Einlassungen von Streeck und Bartens, sieht man einmal davon ab, daß ich darauf bestehen würde, den Patienten und seinen Willen ins Zentrum zu stellen, und nicht das einzusparende Geld, das sich aber dennoch als Nebeneffekt daraus ergeben würde. 

Garantiert gibt es noch eine Unzahl an vergleichbaren Fehlsteuerungen. Also Dinge, für die das Geld der Krankenkassen ausgegeben wird, obwohl es dem Gesundheitssystem gar nichts nützt - und den Patienten genausowenig. Die Frage ist, warum diese Faktoren so unbeachtet bleiben. Die Milliardenverschwendung beim Maskendeal durch den damaligen Gesundheitsminister Spahn etwa scheint man ja bereitwillig hinnehmen zu wollen. Womöglich ja deshalb, weil bei allen Verschwendungen, deren Eliminierung für keinen Patienten Kürzungen erforderlich machen würden, immer irgendwer profitiert, der gerne weiter profitieren möchte. Auch an Spahns Masken-Milliardengrab ist das eigentlich Ärgerliche, daß er persönlichen Freunden und Bekannten Aufträge zugeschanzt zu haben scheint. Daß es bei einer dermaßen mit der heißen Nadel gestrickten Vorgehen, wie es bei einer akuten Bedrohung wie Corona nun einmal unvermeidbar war, auch zu Patzern mit erheblichen finanziellen Folgen kommen würde, damit war von Anfang an zu rechnen, und das würde ich Spahn noch nicht einmal übelnehmen. Aber wohin die Gelder flossen, darüber sollte er eigentlich schon Rede und Antwort stehen müssen. 

Vielleicht würde er es ja plausibel erklären können. Aber da man offenbar nicht einmal gewillt ist, diese Erklärungen einzuholen, interessiert es offenbar in der Bundesregierung niemanden. Auch den Sparfuchs Hendrik Streeck scheint es nicht zu interessieren. 

Natürlich könnte man aber auch an der Einnahmenseite des Gesundheitssystems das eine oder andere verbessern. Ich habe zum Beispiel noch nie eine nachvollziehbare Erklärung für die Beitragsbemessungsgrenze gehört. Aber auch in diesem Punkt scheint etwas anderes als das Anheben der Beitragsbemessungsgrenze bis auf weiteres nicht zu erwarten zu sein. 

Aber dieses Faß mache ich heute besser nicht auch noch auf. :-) 

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Friedrich Merz ist 70 geworden. Ist seine Amtsführung nicht der lebende Beweis dafür, daß das Renteneintrittsalter keinesfalls noch weiter in Richtung dieses Alters geschoben werden sollte? Genauso, wie die Katherina mit dem falschen e in der Mitte, Ex-EoN-Tochterunternehmen-Geschäftsführerin, für mich der Beweis dafür ist, daß Frauenquoten auch für'n Arsch sind. Wie man sieht, nichts ist so schlecht, daß es nicht für irgendwas gut wäre, und sei es als schlechtes Beispiel. 

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Die Discounter senken ja gerade die Preise für Butter und Milch bzw. Milchprodukte. Eine gute Nachricht für diejenigen, die diese Preise nur schwer bezahlen können; für mich ist es aber nur noch am Rande interessant, weil ich bei der Butter bleiben werde, die ich im Hofladen bekomme und die von einem regionalen Hersteller stammt, auch wenn der Preisabstand - der zeitweise recht niedrig war - nun doch wieder groß geworden ist. Auch Milch und Creme fraiche brauche ich nicht vom Discounter. Das einzige, was an den dortigen Milchprodukten für mich immer noch interessant ist, sind Mascarpone und der griechische Joghurt (den Joghurt des Hofladens mag ich nicht so, weil er mir zu fettarm ist), und die paar Cent hin oder her, um die es dabei geht, finde ich jetzt nicht gerade weltbewegend. 

Bei den aktuellen Butterpreisen würde man mit Pellkartoffeln mit Butter und Salz - als Kind habe ich das heiß geliebt - deutlich billiger wegkommen, als wenn man, wie ich das gerne mache, Kräuter-Creme-fraiche dazu ißt. Da auch die Kartoffelpreise dieses Jahr wieder in normalere Regionen gelangt sind, bekäme man das klassische "beste Armeleuteessen der Welt" jedenfalls bei Netto (bei anderen Discountern habe ich nicht nachgesehen, was sie für Kartoffeln verlangen) mittlerweile wirklich wieder für deutlich weniger als einen Euro für ein Kilo Pellkartoffeln inklusive Butter. Ich glaube aber, ich bleibe lieber doch bei den teureren Kartoffeln vom Hofladen und bei der dort erhältlichen Creme fraiche. Nur die Kräuter kosten mich nichts, sie sind aus meinem Garten.