Montag, 16. September 2024

Daniel Düsentriebs gesucht: Wie macht man aus Scheiße Gold? ;-)

Mein Gewicht heute früh zu Beginn des drei- oder viertägigen Fastenintervalls: 78,8 Kilogramm. Na also, diese Richtung gefällt mir doch gleich besser. Freilich war es irgendwie "gemogelt", weil mein letzter Fastentag letzte Woche am Freitag war. Aber dafür war mein erster Fastentag erst am Mittwoch, und schon da konnte ich sehen, daß der Wechsel in 3-2-3-2 die erhoffte Wirkung hatte. 

Mein Umzug wirft inzwischen schon einen großen Schatten voraus, also fasse ich mich an dieser Stelle kurz. 

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Zu den vielen unpopulären Meinungen, über die ich verfüge, gehört auch die, daß ich es ziemlich unkreativ finde, in ein schlecht funktionierendes System möglichst viel Geld reinzupumpen, um es auf diese Weise zu verbessern, wie das ja der Dreh- und Angelpunkt der meisten Forderungen von Pressure Groups aus allen gesellschaftlichen Bereichen zählt. Meine in beiden Teilen vermutlich sehr schwäbische Idealvorstellung bestünde eher darin, eine Lösung zu finden, die besser funktioniert und gleichzeitig auch weniger kostet.  

Naheliegende Lösungsvorstellungen habe ich dabei, was das Gesundheitssystem betrifft. Wenn Stoffwechselerkrankungen praktisch der gesamten Palette an den sogenannten "nicht übertragbaren Krankheiten" ganz oder teilweise zugrunde liegen und Ernährungsmodifikationen im Bereich Fasten/Low Carb sowohl in der Prävention wie auch der Therapie stoffwechselbasierter Erkrankungen eine Rolle spielen können, dann würden eine ganze Menge teure Behandlungen, von der Abnehmspritze über Blutdruck- und Cholesterinsenker und Diabetesmedikamenten bis hin zu Krebsbehandlungen teils gar nicht stattfinden müssen und teils zumindest in geringerer Intensität erforderlich sein. Ich bin mir völlig sicher, daß dies die zugehörigen Behandlungskosten senken und gleichzeitig den betroffenen Patienten eine bessere Behandlung bieten würde. Daneben könnten die eingesparten Behandlungskosten an anderer Stelle eingesetzt werden, und die Überlastung von Ärzten, Pflegepersonal und anderen Beschäftigten in diesem Bereich würde sich verringern, was wiederum gut für die Qualität der Behandlungen wäre. 

Sogar, wer meinen Optimismus für übertrieben hält, sollte wenigstens zugestehen, daß es wenig Schaden anrichten könnte, diese Möglichkeit gegenüber Patienten anzusprechen und ihnen fachliche Beratung dazu anbieten oder sie ihnen verschaffen zu können.

Ich gehe aber jede Wette ein, auch der finanzielle Effekt wäre schon gewaltig, wenn die einschlägigen Teilbereiche des Gesundheitsförderungsapparats sich ausschließlich beim Thema Gewichtsreduktion von "Weniger essen, mehr bewegen" verabschieden und stattdessen hormonbasierte Herangehensweisen empfehlen würde. Ganz ohne irgendwelche zusätzlichen steuernden Maßnahmen und ohne deshalb auf den Einsatz anderer Mittel, bis hin zu Abnehmspritzen und bariatrischer Chirurgie, zu verzichten, wenn und sofern sie trotzdem nachgefragt werden. Einzig und alleine dadurch, daß man damit aufhört, die Leute aktiv von nachweislich wirksamen Maßnahmen abzuhalten oder sie im besten Fall mit der praktischen Anwendung alleine zu lassen.

Niemand hat beispielsweise jungen Familien die Bauchlage von Säuglingen verbieten müssen, um einen dramatischen Rückgang beim plötzlichen Kindstod zu bewirken. Es reichte völlig aus, daß davor gewarnt wurde, um diese Entwicklung auszulösen: 

In meiner Fassung des Ratgeberbuchs zur Babypflege von Miriam Stoppard, das ich 1987 während meiner Schwangerschaft kaufte, wurde die Bauchlage noch ausdrücklich empfohlen, obwohl die wissenschaftliche Debatte zur Rolle dieser Empfehlung beim plötzlichen Kindstod schon 1985 eingesetzt hatte. Es dauerte auch danach noch jahrelang, bis man sich dazu entschließen konnte, die Bauchlage nicht mehr zu empfehlen, sondern stattdessen vor ihr zu warnen. Der Grafik läßt sich sehr genau entnehmen, wann das geschehen ist, denn danach sank die Zahl der Todesfälle am plötzlichen Kindstod rasant. Der Tod von mindestens einer vierstelligen Zahl von Kindern alleine in Deutschland hätte verhindert werden können, wenn die Trägheit eines Systems nicht gewesen wäre, das ohne Beweise gegen die Bauchlage keine Empfehlungen gegen sie abgeben wollte, obwohl durch eine solche Empfehlung nach menschlichem Ermessen keinerlei Schaden entstehen konnte. Das besonders Verrückte daran ist, daß die Bauchlage weder eine lange Tradition hatte noch auf Basis irgendwelcher wissenschaftlichen Erkenntnisse in Mode gekommen war. Sie war durch einen einzigen sehr populären amerikanischen Ratgeberautor ausgelöst worden und aus den Staaten auch nach Europa herübergeschwappt. Aber sowie die Empfehlung einmal im Raum stand, wurd es plötzlich zu einem wissenschaftlichen Tabu, sie zu hinterfragen.

Dieselbe Trägheit des Systems steckt auch hinter dem Kampf gegen den Einsatz von therapeutischer Ketose bei Krebserkrankungen durch Fachleute wie diese Professorin Hübner. Den Kostenfaktor hält, wenn es um das Überleben einer Krebserkrankung geht, sicherlich jeder spontan für nachrangig. Aber auch diese Maßnahme ist kostenlos und hätte sehr wahrscheinlich den Effekt, daß auch die durchschnittlichen Kosten je Krebspatient sinken würden. Aber irgendwie gilt wohl auch in der Medizin stillschweigend das Prinzip "Was nichts kostet, ist auch nichts wert". Von erfolgreichen Therapien wird erwartet, daß sie teuer sind.

Insgeheim bin ich überzeugt davon, daß die Suche nach wirksamen Mitteln, die weniger als das bislang Übliche kosten (oder vielleicht auch gar nichts) in beinahe allen Bereichen meistens die richtigere Herangehensweise als das besessene Hineinpumpen von möglichst vielen Steuergeldern wäre. Das kommt mir vor wie eine Art Bußübung, nur sind es Bürger, die unter dem Prinzip "Viel hilft viel" die Buße leisten müssen. Das Gebäudeenergiegesetz und der hohe Druck, speziell besonders teure Energiesparlösungen zum Einsatz zu bringen, ist dafür ein Beispiel. Aus meiner Sicht spricht nämlich gar nichts dagegen, möglichst viel Energie einzusparen, immerhin kostet sie ja auch einen Haufen Geld, also welchen Vorteil brächte es mir, möglichst viel davon zu verbrauchen? Und ebensowenig spricht etwas dagegen, wenn Energie verbraucht wird, sie möglichst aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen. Immerhin sind die klassischen Energieerzeuger, Kohle, Öl und Erdgas, ja allesamt begrenzte Ressourcen, die irgendwann einmal komplett verheizt sein werden. Ich erkenne selbst eine Menge mögliche Maßnahmen, die mir keine Nachteile, sondern Vorteile brächten, weil die Kosten in Relation zum Nutzen gut und die damit verbundenen Risiken gering sind. 

Dieser letzte Faktor der Risiken wird aber gerne unterschlagen. Handwerkerpfusch bei der Wärmedämmung oder dem Einbau einer Wärmepumpe sind allerdings verdammt teurer Fehlschläge für denjenigen, der so teure Maßnahmen bezahlen muß, und da sind die erhaltenen Fördergelder dann auch kaum ein Trost. Diese Art von Risiken werden größer, wenn die Förderung sowie der Druck des Gesetzgebers die Nachfrage so erhöhen, daß das Handwerk mit den Aufträgen kaum hinterherkommt, und so geht der risikoverringernde Effekt zunehmender Routine leider wieder flöten. Hinzu kommt außerdem noch das Problem mit den fehlenden Fachkräften. 

Anfang des Jahres hatte ich mich ja mal über Solaranlagen auf Mehrfamilienhäusern schlau gemacht, aber festgestellt, daß hier Risiken aus einer von mir nicht bedachten Richtung heraus die Sache nicht empfehlenswert machen. Die Miteigentümer von aufgeteilten Mehrfamilienhäusern haben ja längst das Damoklesschwert des Gebäudeenergiegesetzes über sich hängen, das unter Umständen zu teuren Maßnahmen zwingen kann. Es wäre selbstmörderisch, sich dann auch noch die immensen Kosten der Installation einer Solaranlage ans Bein zu binden. Das gilt umso mehr, als ein weiteres Risiko in WEGs bei Ausgaben, die höher als die Rücklage sind - was auf eine Solaranlage auf einem fünfstöckigen Gebäude normalerweise zutrifft - immer darin besteht, daß nicht jeder Miteigentümer überhaupt in der Lage wäre, eine Sonderumlage zu leisten. Die Fördermittel helfen dagegen nicht, denn bevor man sie kriegt, muß man das Geld für die Maßnahme erst mal selbst vorstrecken, und sollte sich dann herausstellen, daß ein Teil des benötigten Gelds nicht beschafft werden kann, hat die WEG ein mächtiges Problem. Daneben besteht dasselbe Risiko wie bei allen besonders kostspieligen Maßnahmen: Im Falle von Pfuscharbeit hat man mehr Geld als mit kleineren in den Sand gesetzt. 

Für Dinge wie Solaranlagen auf  Mehrfamilienhäusern in WEG-Besitz ist die Zeit augenscheinlich noch nicht reif. Wahrscheinlich war es gerade jetzt deshalb eine guter Zeitpunkt, um in ein Einfamilienhaus zu ziehen, bei dem man nicht nur selbst über jede Maßnahme entscheiden kann, sondern auch die damit verbundenen Kosten überschaubarer sind und man nur seinen eigenen Kontostand kennen muß, um zu wissen, ob man sie stemmen kann oder nicht. Kann man nicht, hat sich die Sache erledigt. Könnte man, muß man herausfinden, ob sich das überhaupt rechnet. 

Dafür werden wir sicherlich ein Weilchen brauchen, um das herauszufinden. Deshalb beschränken wir uns anfangs auf minimalinvasive Eingriffe, um unseren Energieverbrauch zu steuern. Laut Energieausweis hat unser Haus Energieeffizienzklasse E, aber das war noch vor dem Einbau der neuen Gastherme, die noch kein volles Jahr alt ist. Da mein Mann seine Smart-Home-Heizungssteuerung aus der Wohnung dort ebenfalls anwenden will und wir außerdem wieder Gebrauch von der Reflektionsfolie machen werden, bin ich ganz zuversichtlich, daß wir alleine dadurch schon ein gutes Stück niedriger beim Energieverbrauch liegen werden als das Rentnerehepaar, zu dessen Zeit der Energieausweis erstellt wurde. Spätestens nächsten Sommer werde ich einschätzen können, wieviel diese drei Dinge ausgemacht haben. Wenn ich meine Erfahrungen aus der Wohnung zugrunde lege, könnte die Einsparung bis zu ein Drittel des "Vorher-Verbrauchs" ausmachen. Ich bemühe mich natürlich, mich jetzt nicht in übertriebene Erwartungen hineinzusteigern.

Mittelfristig möchte ich gerne mit Energieeffizienzklasse A angeben können (unter 50 kWh Verbrauch pro qm und Jahr, das entspricht ein bißchen weniger als 5000 kWh insgesamt, was ein Drittel der Verbräuche im Energieausweis wäre), und zwar ohne Fassadendämmung und - heutiger Meinungsstand - auch ohne Wärmepumpe. Das ist ambitioniert, aber es scheint mir nicht unmöglich. 

Die einzige größere Maßnahme, die ich mittelfristig eingeplant habe, ist eine Solaranlage mit Solardachziegeln, aber als Fingerübung vorab will ich erst mal zwei, drei Jahre lang mit einem Balkonkraftwerk experimentieren, das wir an mehreren verschiedenen Stellen anbringen und die Erträge beobachten wollen. Wenn das Dach mit solchen Ziegeln erneuert wird, gibt es natürlich außerdem noch eine verbesserte Wärmedämmung des Dachs, denn seit der Dämmung von 2003 hat es sicherlich ein paar Fortschritte gegeben. Ziemlich schnell, wahrscheinlich schon nächstes Jahr, werden wir außerdem in einem der Räume im Obergeschoß eine Split-Klimaanlage anbringen und einen Winter lang austesten, ob das als Heizung wirklich tauglich ist, vielleicht ja auch nur in bestimmten Jahreszeiten (etwa Übergangszeiten im Herbst bis November und ab März im Frühjahr) und wieviel Solarstrom wir benötigen, um diesen Verbrauch abzudecken. Je nachdem, was dabei herauskommt, werden wir weitere und im Optimalfall auch alle Räume damit ausstatten. Angedacht - aber noch ohne eine Entscheidung dafür oder dagegen - haben wir außerdem eine eventuelle Fassadenbegrünung (mit Kletterhilfen), um die damit verbundene Dämmwirkung zu nutzen. Eher theoretisch wird bis auf weiteres aber wohl der Gedanke eines Biogas erzeugenden Toilettensystems bleiben, denn obwohl es so etwas tatsächlich bereits gibt, steht die Entwicklung von einfamilienhaustauglichen Lösungen bislang noch aus. Der Gedanke, aus Scheiße gewissermaßen Gold machen zu können, gefällt mir aber schon, und ich finde es erstaunlich, daß Google außer dem verlinkten Ergebnis kaum etwas ausgespuckt hat. Eigentlich sollte man meinen, daß sämtliche Daniel Düsentriebs jedenfalls im Ländle, wo es Tüftler mit praktischem Verstand und dem nötigen Sinn für die in einem derartigen Projekt mitenthaltene eher rustikale Komik immer noch geben sollte, gerade an solchen klosettbasierten Gaserzeugungslösungen basteln. Immerhin, an dem zu verarbeitenden Grundstoff herrscht ja in keinem Haushalt Mangel.

Sehr wahrscheinlich wird sich in der Praxis herausstellen, daß manches von dem, was wir ausprobieren werden, dann doch nicht so funktioniert, wir wir uns das vorstellen, oder die Wirkung geringer ist als erhofft, und vermutlich werden wir auch ein paar unerwartete und unerwünschte Nebenwirkungen erleben. Aber bei kostengünstigen Maßnahmen macht das ja nichts. Ich sehe es auch deshalb überhaupt nicht ein, mit Rieseninvestitionen anzufangen, von denen die eine ein wunderschönes altes Haus, das wie einem Märchenbuch entstiegen ist, für immer in eine gesichtslose in Styropor gepackte Nullachtfünfzehn-Bude verwandeln würde, und bin motiviert, selbst dafür zu sorgen, daß es keinen vernünftigen Grund gibt, von mir jemals eine Fassadendämmung zu verlangen. Sollte man mich eines Tages aber vernunftwidrig dazu zu zwingen versuchen, bin ich schneller auf dem Kriegspfad, als Herr Habeck "Fassadendämmung" sagen kann.

Wir machen diese Dinge nicht, um die Welt zu retten, sondern um uns selbst bestmöglich vor der Abhängigkeit zu schützen, die notwendigerweise daraus entsteht, daß wir Energie von anderen Erzeugern beziehen müssen, und natürlich auch, um uns vor vermeidbaren Einmischungen von außen, vor allem die Politik, zu schützen. Daneben bin ich, siehe oben, auch schwäbisch genug, um unnötige Geldausgaben nicht einzusehen - nur definiere ich "nötig" und "unnötig" vermutlich in einigen Punkten anders, als das der Zeitgeist vorsieht. Die größere Abhängigkeit nicht nur von dem Gesetzgeber, sondern auch die höheren Kostenrisiken durch Abhängigkeit von der Kompetenz der Handwerker sowie der Zahlungsfähigkeit der anderen Miteigentümer waren die Gründe, warum wir uns in einem Mehrfamilienhaus mit Blick auf mögliche künftige Entwicklungen immer unwohler gefühlt haben. Uns geht es also nicht darum, das Optimum möglicher Energieeinsparungen zu erreichen, sondern das Optimum der Vermeidung von Abhängigkeiten und Einmischungen. Bei der Einsparwirkung folgen wir dem Prinzip der Suffizienz: Sie soll ausreichend sein, um das eigentliche Ziel zu erreichen. Und mit der angepeilten Energieeffizienzklasse A würden wir bestimmt ein Weilchen Ruhe vor der Politik haben. Also ist das ein erstrebenswertes Ziel. Mal sehen, ob es uns gelingen wird, es zu erreichen. 

Ach ja, ob und in welcher Höhe unsere geplanten Maßnahmen gefördert werden, spielt in meinen Überlegungen kaum eine Rolle. Fördergelder nehmen wir mit, falls sie für unsere Vorhaben vorgesehen sind. Aber über Art und Umfang der Vorhaben entscheidet nicht, ob wir eine Förderung bekommen. Förderungen sind nämlich wie Sonderangebote: Wenn man das Gebotene eigentlich gar nicht brauchen würde, verursachen sie bloß hinausgeschmissenes Geld.

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Neulich bin ich einem alten Freund über den Weg gelaufen, den ich schon jahrelang nicht gesehen hatte, wir unterhielten uns ein Weilchen sehr angeregt, bevor sich unsere Wege wieder trennten, und erst hinterher fiel mir auf, daß ich gar nicht daran gedacht hatte, ihm von dem Brustkrebs zu erzählen. Ich habe es aber auch nicht absichtlich verschwiegen, was mir im Prinzip ja nicht fernliegt, weil Leute oft merkwürdig darauf reagieren. Es kam mir aber einfach nicht den Sinn. Das lag daran, daß das im Moment keinerlei Alltagsrelevanz für mich hat, sehr im Gegensatz zu dem bevorstehenden Umzug, über den ich den alten Freund mit viel Ausdauer zugetextet habe.

Schön, wenn man wichtigere Dinge im Leben hat als eine knapp zwei Jahre alte Krebsdiagnose, oder? :-)



Donnerstag, 12. September 2024

Die Epidemien-Epidemie

Mein Gewicht heute früh im Anschluß an den ersten von zwei nicht zusammenhängenden Fastentagen in dieser Woche: 77,4 Kilogramm. Diese Woche faste ich Mittwoch und Freitag, nächste Woche dann wieder von Montag bis Mittwoch - wobei ich darüber nachdenke, nächste Woche den Donnerstag ebenfalls mit dazuzunehmen. Ich hätte nämlich gerne vor dem Umzug, bei dem ich noch nicht weiß, wie ich es mit dem Fasten arrangieren werde, und einigen Fragezeichen, wie weit ich den Beginn der Low-Carb-Wochen hinausschieben sollte, um mich erst mal an meine neue Umgebung unter Normalbedingungen gewöhnen zu können, einen etwas größeren Abstand von der 80. Entweder ich schaffe diesen Abstand nächste Woche oder gar nicht mehr, bevor wir umgezogen sind, und das spräche für einen vierten Fastentag. Ich bin mir aber noch unschlüssig und werde das wahrscheinlich erst unter dem Eindruck meines Körpergewichts am Donnerstag früh entscheiden. 

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Was ist das eigentlich: eine "Epidemie"? Wikipedia definiert die Sache so: 

Eine Epidemie (von altgriechisch ἐπί epí ‚auf, bei, dazu‘, und δῆμος dēmos ‚Volk‘), auch Seuche genannt, ist ein zeitlich und örtlich begrenztes vermehrtes Auftreten von Krankheitsfällen einheitlicher Ursache innerhalb einer menschlichen Population und entspricht damit einem großen Ausbruch einer Krankheit.
Wirft man dagegen einen Blick in die Definition des Robert-Koch-Instituts, erweist sich dieser Begriff als erstaunlich weit in alle möglichen Richtungen dehnbar.

          Epidemie (engl.: epidemic)

Erkrankungswelle, epidemisches Geschehen (veraltet: Seuchengeschehen); im Vergleich zur Ausgangssituation treten bestimmte Erkrankungsfälle mit einheitlicher Ursache vermehrt auf, der Prozess ist zeitlich und räumlich begrenzt. Der Begriff bezieht sich meist auf  Infektionskrankheiten, dies ist aber keine Bedingung. Eine besonders hohe Zahl an  Erkrankungen, eine besondere gesellschaftliche Bedeutung oder eine Gefährdung vieler Personen sind ebenfalls keine notwendigen Bedingungen, obwohl eine Epidemie im üblichen Sprachgebrauch meist mit diesen Merkmalen verknüpft wird

Eine Epidemie, hat man den Eindruck, ist das, was Epidemiologen so bezeichnet haben möchten, egal, wie nah oder fern es von der Definition entfernt ist, an der sich alle Nicht-Epidemiologen (einschließlich Journalisten) in ihrer Interpretation des Begriffs orientieren. Wenn sie es wollen, haben wir künftig jedes Frühjahr eine Zeckenbiß- und im eine Mückenstich-Epidemie. Und zu Weihnachten dann wohl eine Lebkuchen-Epidemie. 

Natürlich ist ihnen klar, wie normale Leute die von ihnen verwendeten Begriffe verstehen, und daß sie sich darunter etwas Dramatisches vorstellen. Sie verwenden sie trotzdem, um gerade durch diese Mißverständnisse bestimmte Emotionen auszulösen und auf diesem Umweg dann ein bestimmtes gewünschtes Verhalten. Das entstammt demselben Werkzeugkasten wie das Nudging, es soll die Leute manipulieren, weil es in Wissenschaftlerkreisen als salonfähig gilt, Menschen zu manipulieren, wenn es deren vermeintlichem Besten dient. Dieser Zeitgeist in der Wissenschaft, über den Denker wie Hannah Arendt bekümmert den Kopf geschüttelt hätten, hat eine Art Epidemien-Epidemie ausgelöst: eine Sucht, alles, was einem am Gebaren anderer Leute stört, in der Absicht, sie bestmöglich an jenem Gebaren zu hindern, in manipulativer und irreführender Weise als Epidemie zu bezeichnen. 

Dagegen sollte man auch endlich mal eine Therapie entwickeln. Am einfachsten wäre es, wenn jeder, der eine neue Epidemie ausruft, die nicht auf Ansteckung bei Infektionskrankheiten beruht, von der Öffentlichkeit schallend ausgelacht würde. Die Infektionskette bei der Epidemien-Epidemie beruht nämlich darauf, daß die Verbreiter solcher Meldungen meistens viel zu ernst genommen werden.

Daran mußte ich denken, als ich dies hier las:

„Die Vape-Epidemie wird wahrscheinlich zu einem signifikanten Anstieg erwachsener Raucher führen“, behauptet eine gewisse Rianne van der Kleij, unwidersprochen vom Interviewer im Ärzteblatt. Abgesehen davon, daß der Satz schon rein sprachlich kritikwürdig ist (wenn überhaupt, ginge es um den Anstieg der Zahl erwachsener Raucher, die klettern ja nicht irgendwo hinauf): Ich wüßte wirklich nicht, wie das zugehen sollte. Ich erkenne in den mir vorliegenden Zahlen beim besten Willen nichts, das "Epidemie" in Zusammenhang mit E-Zigaretten auch als dramatisierende Übertreibung rechtfertigen würde. 

Hier die Entwicklung der Zahl Jugendlicher ab 14, junger Erwachsener unter 25 und aller älteren Erwachsenen, die E-Zigaretten konsumieren laut Debra-Studie

 

Wir reden hier also von zuletzt 2,3 Prozent der Jugendlichen und 3,5 Prozent der Altersgruppe unter 25, Tendenz in etwa gleichbleibend. Das ist ein Bruchteil des Anteils der jeweils gleichen Altersgruppen, die normale Tabakwaren konsumieren:

Tatsächlich ist es aber die Zahl der jugendlichen Raucher, die in den letzten zwei Jahren auffällig höher geworden ist, und zwar im sichtbarem Gegensatz zu den gleichaltrigen Konsumenten von E-Zigaretten, bei denen der prozentuale Anteil von vor zehn Jahren weiterhin unterschritten, nicht etwa überschritten wird. Wer für die Zunahme der Zahl jugendlicher Raucher um immerhin 6,2 Prozentpunkte im gleichen Vergleichszeitraum allen Ernstes einen Anteil von zwischen 0,5 und 2,9 Prozent jugendlichen E-Zigarettenkonsumenten im Laufe der letzten acht Jahre verantwortlich zu machen versucht, der lügt uns offensichtlich einfach nur an, und zwar, weil er weiß, daß - außer exotischen Ausnahmen wie mir - sowieso niemand solche Behauptungen nachprüft, sondern sie ungeprüft für wahr hält und als vermeintliche Wahrheit weiterverbreitet.

Vermutlich glaubt diesen Quatsch in Wirklichkeit auch niemand, nicht einmal diese Frau de Kleij aus dem Artikel, der es vermutlich vor allem darum ging, ihren Namen in den einschlägigen Kreisen ins Gespräch zu bringen, was ganz bestimmt ihrer weiteren beruflichen Laufbahn auch förderlich sein wird. Denn Vaper zu bashen ist in diesen Kreisen genauso ein Karriere-Türöffner, wie es mit Rauchern genauso zu machen, und die Chancen stehen außerdem gut, damit den Gesetzgeber zu entsprechender Gesetzgebung motivieren zu können.

Das Thema Rauchen wird in der Gesundheitspolitik wohl deshalb so gerne aufgegriffen, weil Maßnahmen gegen das Rauchen, die Raucher und die Tabakindustrie "low hanging fruits" sind: Man kann sich sicher sein, mit nahezu allem, was man dazu an Maßnahmen ins Gespräch bringt, bei einer Bevölkerungsmehrheit Zustimmung zu erlangen, und vermittelt gleichzeitig den Eindruck, energischer Aktivitäten zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung. Wenn niemals eine meßbare gesundheitliche Verbesserung als Folge der Maßnahme auftreten wird, ist das dabei unerheblich, weil das sowieso niemand nachprüft. Daß die Menschen umso gesünder werden, je häufiger und heftiger man auf die Raucher einprügelt, das ziehen auch die meisten der Raucher nicht in Zweifel. Auch in diesem Punkt halte ich mich für eine eher exotische Ausnahme, obwohl ich finde, ich habe ganz gute Argumente dafür, daß der Kipp-Punkt, ab dem zusätzliche Maßnahmen zum Bekämpfen des Rauchens unter dem Strich mehr (totgeschwiegene) unerwünschte Nebenwirkungen als statistisch zu erwartende und laut in allen Medien begackerte gesundheitliche Vorteile mit sich brachte, bereits vor geraumer Zeit überschritten worden ist.

In den letzten zwei bis drei Wochen fiel mir auf, daß Rauchen und zugehörige Regulierungsforderungen insgesamt mal wieder ziemlich häufig gerade in den Radionachrichten kommen, in denen ja immer nur eine handverlesene Auswahl an Meldungen kommt, weshalb es schon bemerkenswert ist, daß dieses Thema neuerdings zwei- bis dreimal die Woche vorkam, so, als wäre auf der Welt in letzter Zeit gar nichts Wichtigeres passiert. Die Wichtigkeit der berichteten Ereignisse scheint aber in der Redaktion der Radionachrichten nur nachrangig eine Rolle zu spielen. Sogar der Plan des britischen Premierministers, in den Außenbereichen der Gastronomie nun das Rauchen auch noch zu verbieten (was nur dann einen Sinn ergeben würde, wenn man annimmt, ihm gehe das Pubsterben auf der Insel bislang noch nicht weit genug), war auf einmal eine Radionachricht wert. In denselben Kontext gehört auch diese angebliche Vape-Epidemie, die es in Wirklichkeit offensichtlich gar nicht gibt. 

Die spannende Frage an dieser Sache wäre es deshalb aus meiner Sicht, wer eigentlich entschieden hat, das Thema wieder prominenter durch die Medien zu jagen, und was er damit bezweckt - denn bevor ich daran glaube, daß es hier darum geht, Menschen gesünder zu machen, ziehe ich eher in Betracht, wieder an den Weihnachtsmann zu glauben. Soll gesundheitspolitisch vielleicht von irgendetwas anderem abgelenkt werden? Etwa dem Totalversagen aller gesundheitspolitischen Akteure in Sachen "Adipositas-Epidemie"? Auch wenn die Langzeitwirkungen von E-Zigaretten natürlich erst klar sind, wenn einmal entsprechend viel Zeit vergangen ist, es also verwegen wäre, sie für gänzlich risikolos zu erklären: Erstes fehlt E-Zigaretten von vornherein der Faktor, der bei konventionellen Zigaretten den größten Teil der Gesundheitsrisiken auslöst, nämlich der Rauch mit seinem enthaltenen Feinstaub, von dem nicht einmal ich bezweifeln würde, daß das regelmäßige aktive Inhalieren die Lunge in einer Weise strapaziert, die kank machen kann. (Professor Seyfrieds Krebstheorie erklärt die Gründe dafür sogar noch besser.) Und zweitens kennt bei den Abnehmspritzen wie bei den E-Zigaretten ja auch niemand die Langzeitfolgen, ohne daß aber irgendwer sich deswegen Sorgen zu machen scheint. Da sollte die Frage erlaubt sein, warum das dann für E-Zigaretten nicht gelten soll, denn deren  Wirksamkeit als unterstützendes Mittel für Leute, die mit dem Rauchen aufhören wollen, ist ja ebenso nachweisbar wie die weitgehende Wirkungslosigkeit aller anderen dafür angebotenen Mittel.

Disclaimer: Aus E-Zigaretten mache ich mir nichts und verwende sie deshalb auch nicht. Ich erkenne bloß gesundheitspolitischen Bullshit, wenn er mir auf so plumpe Art untergejubelt werden soll. Die nächste Folgefrage daraus müßte wohl lauten: Warum erkennt das Ärzteblatt ihn nicht ebenfalls?